Online Publications 

Sociology of Work and Organization 

 

Bibilographische Zitation:
Crotti, Cristina/Landolt, Bruno:
Stellensuche: eine Frage des Profils? Analyse der erfolgsrelevanten Merkmale von Stellensuchenden bei einem öffentlichen und einem privaten Stellenvermittlungsbüro. In: Sociology in Switzerland: Sociology of Work and Organization. Online Publikationen. Zürich, Oktober 1999. http://socio.ch/arbeit/t_crottilandolt.htm


 

 

 

 

 

Stellensuche: eine Frage des Profils?

   Analyse der erfolgsrelevanten Merkmale von Stellensuchenden bei einem öffentlichen und einem privaten Stellenvermittlungsbüro

Cristina Crotti & Bruno Landolt

Zürich, 8. Oktober 1999

Lizentiatsarbeit eingereicht bei
Prof. Dr. Hans Geser

  am Soziologischen Institut
der Universität Zürich
Philosophische Fakultät I  

 

INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Theoretischer  Teil
   
2.1 Individualistischer Ansatz

        2.1.1 Geschlecht
        2.1.2 Zivilstand
        2.1.3 Alter
        2.1.4 Nationalität, Muttersprache, Aufenthaltsstatus
        2.1.5 Höchste abgeschlossene Ausbildung
        2.1.6 Weiterbildung
        2.1.7 Arbeitserfahrung, Berufsqualifikationen, Spezialisierungen
        2.1.8 Berufliche Stellung
        2.1.9 Berufliche Flexibilität
        2.1.10 Mobilität / räumliche Flexibilität
        2.1.11 Job Hopper
   
     2.1.12 Situation/Status
       
2.1.13 Letzter Lohn/gewünschter Lohn
   
2.2 Strukturalistischer Ansatz  
        2.2.1 Der duale Arbeitsmarkt
        2.2.2 Der dreigeteilte Arbeitsmarkt

    2.3 Die Arbeitsuche  
        2.3.1 Die Terminologie
        2.3.2 Dynamisches Modell der Erwerbstätigkeit
        2.3.3 Die arbeitslosen und ausgesteuerten Stellensuchenden
        2.3.4 Suchmethoden

    2.4 Die Arbeitsvermittlung in der Schweiz
        2.4.1 Die Bedeutung der Arbeitsvermittlung bei der Stellensuche
        2.4.2 Die verschiedenen Formen
        2.4.3 Gesetzliche Bestimmungen der privaten Arbeitsvermittlung
        2.4.4 Gesetzliche Bestimmungen der öffentlichen Arbeitsvermittlung

3 Hypothesen

4 Empirischer Teil
   
4.1 Die Auswahl der Datenbasis
        4.1.1 Qualitative und quantitative Aspekte
        4.1.2 Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen
        4.1.3 Einschränkungen

    4.2 Adecco Schweiz
        4.2.1 Die Institution
        4.2.2 Ablauf einer Vermittlung
        4.2.3 Dossier

    4.3 Die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren in der Stadt Zürich
        4.3.1 Die Institution
        4.3.2 Ablauf einer Vermittlung
        4.3.3 Neuerungen bezüglich der Vermittlung
        4.3.4 Dossier

    4.4 Datenerhebung
        4.4.1 Operationalisierung
        4.4.2 Vorbereitung der Datenerhebung
        4.4.3 Durchführung der Datenerhebung
        4.4.4 Datenaufbereitung
        4.4.5 Die Beobachtungsphase

   
4.5 Statistische Analyseverfahren

   
    4.5.1 Chi2-Test
        4.5.2 Produkt-Moment-Korrelation
        4.5.3 Logistische Regression

5 Ergebnisse
   
5.1 Das Sample
        5.1.1 Zusammensetzung des Samples  
        5.1.2 Verlauf der Personenaufnahme  
        5.1.3 Der Sucherfolg  
        5.1.4 Die Suchdauer

   
5.2 Deskriptive Darstellung der Erfolgsmerkmale
        5.2.1 Askriptive Merkmale
        5.2.2 Erworbene Merkmale
        5.2.3 Andere vermittlungsrelevante Merkmale

    5.3 Zusammenhang zwischen Sucherfolg und einzelnen Merkmalen
    5.4 Modell der wichtigsten Prädiktoren
        5.4.1 Regressionsmodell für das Gesamtsample
        5.4.2 Regressionsmodell für das Teilsample Adecco
         5.4.3 Regressionsmodell für das Teilsample RAV

6 Zusammenfassung der Ergebnisse  
    6.1 Vorbemerkungen  
    6.2 Der Zusammenhang zwischen Sucherfolg und einzelnen Merkmalen  
    6.3 Modelle der wichtigsten Prädiktoren des Sucherfolgs

7 Validierung der Ergebnisse  
    7.1 Vergleichbare Studien  
     7.2 Experteninterview mit Adecco und RAV  
       7.2.1 Interview mit Adecco  
        7.2.2 Interview mit dem RAV

8 Diskussion der Ergebnisse  
    8.1 Definition von Erfolg  
    8.2 Das Idealprofil des Stellensuchenden  
    8.3 Stärkste Prädiktoren des Sucherfolgs für das Gesamtsample  
    8.4 Stärkste Prädiktoren des Sucherfolgs für Adecco  
    8.5 Stärkste Prädiktoren des Sucherfolgs für das RAV  
    8.6 Gegenüberstellung von Adecco und RAV

9 Schlusswort

10 Literatur


 

1        Einleitung

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht der "Erfolg" von Stellensuchenden auf dem Arbeitsmarkt. Dabei gehen wir hauptsächlich der Frage nach, was für einen Einfluss individuelle Merkmale bei der Stellensuche haben und ob sich ein Idealprofil des "erfolgreichen Stellensuchenden" ermitteln lässt. Da davon ausgegangen werden kann, dass nicht nur individuelle Merkmale den Sucherfolg beeinflussen, gehen wir auch auf den Einfluss struktureller Faktoren bei der Stellensuche ein. 

Die aktuelle Diskussion über die Ausgestaltung der schulischen und beruflichen Ausbildung und der Bedarf der Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitskräften lässt die Frage aufkommen, ob in erster Linie eine hohe schulische oder berufliche Ausbildung das Geheimrezept für gute Arbeitsmarktchancen ist oder ob noch andere Kriterien eine wichtige Rolle spielen. Sind es vorwiegend erworbene und damit veränderbare Merkmale, die ausschlaggebend für den Sucherfolg sind, oder eher askripitive (zugeschriebene) Merkmale, welche nicht oder nur beschränkt beeinflussbar sind ?

Das Wissen um den bedeutenden Einfluss einzelner Merkmale auf den Sucherfolg stellt eine hilfreiche Handlungsanleitung dar, anhand derer ein Stellensuchender sein Merkmalsprofil in der Weise verändern kann, dass seine persönlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigen. In Anbetracht relativ hoher Arbeitslosigkeitsraten und der sich verändernden Arbeitsmarktstrukturen gewinnt dieses Wissen zunehmend an Bedeutung.

Die vorliegende Arbeit stützt sich auf eine ausführliche Untersuchung der Merkmale von Stellensuchenden, die sich beim privaten Stellenvermittlungsbüro Adecco und beim öffentlichen, Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV 1 und 2 angemeldet haben. Die entsprechenden Ergebnisse sind in unserer Forschungsarbeit "Auf der Suche nach Arbeit. Analyse der Stellensuchenden von privater und öffentlicher Arbeitsvermittlung" dargelegt. Bei der als Weiterführung gedachten Fallstudie werden nun die bereits aufgenommenen Stellensuchenden darauf hin geprüft, ob sie während der Beobachtungszeit eines Jahres eine neue Stelle gefunden haben. Anhand der Analyse der "Erfolgreichen" werden dann diejenigen Kriterien mit einem bedeutenden Einfluss ermittelt und ein Idealprofil des Stellensuchenden erstellt.

Unseres Wissens wurden bis anhin nur wenige Studien zum Sucherfolg von Stellensuchenden durchgeführt, wobei in den meisten der Sucherfolg anhand der Suchdauer gemessen wurde. Keine der bisherigen Studien hat jedoch ein privates Stellenvermittlungsbüro einem öffentlichen gegenübergestellt. Eine solche Gegenüberstellung erscheint uns aber von grossem Interesse, weil beide Institutionen zwar Arbeit vermitteln, sich jedoch in ihrer gesellschaftlichen Funktion und der Art ihrer Stellensuchenden unterscheiden. Das Besondere der vorliegenden Untersuchung liegt zudem darin, dass es sich um aktuelle, detaillierte Daten von Stellensuchenden handelt, die den Arbeitgeberinnen als Grundlage für ihre Vorselektion dienen.

Imtheoretischen Teil der vorliegenden Arbeit wird auf Theorieansätze sowohl mit individualistischer als auch mit strukturalistischer Perspektive der Arbeitsmarktchancen eingegangen. Zusätzlich zu diesen arbeitsmarkttheoretischen Ausführungen folgt eine Darstellung der Arbeitssuche, wofür wir einige Begrifflichkeiten bezüglich den Stellensuchenden klären, verschiedene Suchmethoden aufführen und auf die Bedeutung der Arbeitsvermittlung für die Stellensuche eingehen. Zum Schluss wird die aktuelle Struktur und Organisation der Arbeitsvermittlung in der Schweiz dargestellt. Anschliessend an den theoretischen Teil folgt die Auflistung der Hypothesen.

Im empirischen Teil unserer Arbeit beschreiben wir das methodische Vorgehen. Dabei begründen wir zunächst die Auswahl unserer Datenbasis und gehen dann auf die damit entstandenen Probleme und Einschränkungen ein. Anschliessend folgt eine Beschreibung der beiden ausgewählten Stellenvermittlungsbüros Adecco und RAV, in der die jeweilige Institution kurz vorgestellt, der Ablauf einer Vermittlung beschrieben und auf die Gestalt der Dossiers eingegangen wird. Im weiteren wird die Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung erläutert, wobei wir auf die Auswahl und Operationalisierung der Variablen eingehen, den zeitlichen Ablauf der Datenerhebung aufzeigen sowie die Datenaufbereitung und den Abschluss der Beobachtungsphase darlegen. Am Ende des empirischen Teils werden die verschiedenen statistischen Analyseverfahren vorgestellt, die zur Auswertung der Daten verwendet wurden.

Im Kapitel Ergebnisse werden zunächst die Personenmerkmale der "Erfolgreichen" in deskriptiver Form dargestellt. Anschliessend wird mittels einer logistischen Regressionsanalyse bestimmt, welche Merkmale einen signifikanten Einfluss auf den Sucherfolg haben. Der detaillierten Darstellung der Resultate folgt ein separates Kapitel mit der Zusammenfassung der Ergebnisse. Zur Validierung der Ergebnisse wurden sowohl Interviews mit erfahrenen Personalberaterinnen durchgeführt als auch vergleichbare Studien diskutiert. Beendet wird die vorliegende Arbeit mit einem Schlusswort, welches ein Fazit und einen Ausblick umfasst.

Bezüglich den in dieser Arbeit verwendeten Geschlechtsformen möchten wir darauf hinweisen, dass wir für diejenigen Personenbezeichnungen die weibliche Form verwendet haben, die im Zusammenhang mit den Begriffen "die Firma", "die Unternehmung" und "die Personalberatung" stehen. Für die Bezeichnungen im Bereich der Arbeitnehmerseite wurde ausschliesslich die männliche Form gebraucht.

Inhalt


2 TheoretischerTeil

Arbeitsmarktchancen können sowohl von einer individualistischen als auch von einer strukturalistischen Perspektive aus beurteilt werden. Während der individualistische Ansatz die Bedeutung einzelner Personenmerkmale in den Vordergrund rückt, berücksichtigt die strukturalistische Perspektive wirtschaftliche, gesellschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen, welche das Verhalten und den Erfolg jedes einzelnen Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt determinieren.

Im theoretischen Teil geht es also zunächst darum, mit Hilfe verschiedener Theorieansätze die Bedeutung askriptiver, erworbener und anderer vermittlungsrelevanter Merkmale einer Person für die Suche nach einer Arbeitsstelle darzulegen. Anschliessend wird im Rahmen des strukturalistischen Ansatzes auf die Segmentationstheorie eingegangen, welche institutionelle Rahmenbedingungen für den Erfolg eines Stellensuchenden auf dem Arbeitsmarkt hervorhebt. In einem weiteren Abschnitt folgt eine Darstellung der Arbeitsuche in der Schweiz. Dafür werden einige Begrifflichkeiten bezüglich den Stellensuchenden geklärt, die verschiedenen Suchmethoden aufgeführt und auf die Bedeutung der Arbeitsvermittlung für die Stellensuche eingegangen. Abschliessend wird die aktuelle Struktur und Organisation der Arbeitsvermittlung in der Schweiz dargestellt.

Inhalt

2.1       Individualistischer Ansatz

Aufgrund der zunehmenden Massenarbeitslosigkeit hat sich auf dem Arbeitsmarkt ein schärferer Selektionsmechanismus entwickelt. Einerseits herrscht die "positive Selektion", d.h. die Suche nach "Rosinen" im Pool der Arbeitslosen, die besonders zügig eingestellt werden, und andererseits die "negative Selektion" (Diskriminierung), die sich auf scheinbar objektiv wahrnehmbare Kriterien – beispielsweise Qualifikation, Ausbildungsabschluss, Nationalität, Geschlecht, Alter usw. - stützt, aber auch auf subjektive Faktoren wie beispielsweise Lern- und Anpassungsfähigkeit, Aktualität der erlernten Qualifikation und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Unterstellt man ein gleichförmiges Selektionsverhalten der Arbeitgeberinnen, das darin besteht, eine Mischung aus objektiven und subjektiven Faktoren als sogenanntes "screening device" (Auswahlkriterium) zu wählen, zeigt sich, dass gewisse Merkmalsträger besonders schlechte Wiederbeschäftigungschancen haben (Heise in Klein 1997).

Im folgenden möchten wir uns auf die Analyse objektiv wahrnehmbarer Kriterien beschränken und deren Bedeutung für die Beschäftigungschancen mit verschiedenen theoretischen Ansätzen aufzeigen. Unsere individualistische Perspektive setzt sich aus mehreren theoretischen Überlegungen verschiedener Autoren zu einzelnen Merkmalen zusammen. Es handelt sich dabei in den meisten Fällen um Theorieansätze, die sich nicht klar von empirischen Ergebnissen trennen lassen, sondern zu einem grossen Teil darauf basieren. Da für jedes einzelne individualistische Merkmal "eigenständige" Theorien herbeigezogen werden, führen wir die von ihnen abgeleiteten Hypothesen jeweils am Ende der entsprechenden Unterkapitel auf. Anschliessend an den theoretischen Teil fassen wir dann sämtliche Hypothesen in einem getrennten Kapitel zusammen.

Inhalt

2.1.1      Geschlecht

Gemäss Cyba (Geissler 1998) vollzieht sich der Strukturwandel der Berufsarbeit unter verstärkter Erwerbsbeteiligung der Frauen, die durch das gestiegene Bildungsniveau eine neue Qualität erlangt hat. Frauen sind seiner Meinung nach in Berufen tätig, von denen sie früher ausgeschlossen waren und stellen zunehmend die dominierende Arbeitsteilung und Hierarchie zwischen den Geschlechtern in Frage.

Trotz diesen Veränderungsprozessen in der weiblichen Erwerbsarbeit hat sich aber nach Nickel (1994) die Allokation der Geschlechter auf relativ getrennte Arbeitsfelder weitgehend erhalten. Auch wachsende Frauenerwerbsquoten bis hin zu einer fast vollständigen Integration von Frauen in die Berufsarbeit haben nicht zu einer wesentlichen Abschwächung oder Auflösung geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktsegregation geführt. Zu beobachten sind hingegen weiterhin Merkmale weiblicher Erwerbsarbeit wie niedriges Einkommen, einfache repetitive Arbeiten, geringere Aufstiegschancen und schlechtere Verwertungsmöglichkeiten qualifikatorischer Potentiale. Gleichzeitig begrenzt die relativ durchgängige Trennung von Frauen- und Männerdomänen im Beschäftigungssystem eine direkte Geschlechterkonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt.

Gemäss Nickel (1994) stellt sich insbesondere der (Wieder)Einstieg in das Erwerbssystem für Frauen problematisch dar. Nicht so sehr das Entlassungsrisiko erweist sich nämlich als "geschlechtsspezfisch", sondern vielmehr die unterschiedlichen Chancen von Männern und Frauen bei der Einmündung in neue Beschäftigungsverhältnisse. Da der Beruf für Frauen zu einem grossen Teil als Übergangslösung bis zur Heirat und Mutterschaft gesehen wird und somit ein Ausscheiden aus dem Berufsleben wahrscheinlich ist, lohnt es sich für Arbeitgeberinnen oftmals nicht, in Frauen zu investieren, da sonst die Rendite des investierten Betrages zu klein ist. Im Rahmen betrieblicher Rekrutierungsstrategien gelten also Frauen nach wie vor - unabhängig von ihrer Qualifikation - als Arbeitskräfte, die langfristig nicht voll verfügbar sind. Die Erhöhung des Ausbildungsniveaus von Frauen, aber auch die Tatsache, dass inzwischen viele Frauen "männliche" Erwerbsbiographien leben und auf Kinder und Familie verzichten, scheinen wenig an den betrieblichen Rekrutierungsstrategien geändert zu haben.

Frauen, die einen Wiedereinstieg ins Erwerbsleben versuchen, nachdem sie sich beispielsweise für eine gewisse Zeit ausschliesslich der Familie gewidmet haben, fühlen sich aus der Arbeitswelt ausgegrenzt und sind von arbeitsweltbezogenen Informationen und Entwicklungen weitgehend abgeschnitten. Die Qualifikationen, die sie sich vor ihrem Austritt aus dem Arbeitsmarkt erworben hatten, sind oftmals nicht mehr aktuell und verlieren somit an Wert.

Bujok (1988) weist zudem darauf hin, dass sich eine Reihe typischer Frauenberufe später als Sackgasse erweisen (z.B. Arzthelferin, Zahnarzthelferin, Erzieherin, Friseuse etc.). Das bedeutet, dass diese Berufe trotz qualifizierter Erstausbildung kaum Chancen für Berufsrückkehrerinnen im mittleren Alter bietet. Die Gründe dafür sieht Bujok darin:

·       dass in einigen Berufen über den Bedarf ausgebildet wird, so dass vorwiegend mit Auszubildenden gearbeitet wird, die wesentlich billiger sind als voll ausgebildete, ältere Kräfte.

·       dass gewisse Berufe durch Tätigkeiten mit höheren Anforderungsprofilen substituiert werden, so dass die einst erworbenen Qualifikationen nicht mehr ausreichen, um eine frühere Arbeitsstelle wiederaufzunehmen.

·       dass einige Berufe aus Imagegründen "Jugendberufe" sind, so dass junge Arbeitnehmerinnen älteren Wiedereinsteigerinnen bevorzugt werden.

·       dass es zu wenig qualifizierte Teilzeitbeschäftigungen gibt, die einen Wiedereinstieg für gut ausgebildete Frauen ermöglichen würden.

Gemäss Nickel (1994) scheint zudem der Qualifikationsabschluss als Selektionsmerkmal für weibliche Beschäftigte eine weitaus stärkere Rolle zu spielen als für Männer. Der Arbeitsmarkt bietet noch am ehesten für besser qualifizierte Frauen Beschäftigungschancen. Gut qualifizierten Frauen gelingt der Verbleib im Erwerbssystem häufiger als den schlechter ausgebildeten Frauen, die als erste aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Für eine wirksame Gegenwehr gegen – auch geringer qualifizierte – Männer reicht ein höherer Qualifikationsabschluss für Frauen nicht aus.

Frauen haben demnach bei der Arbeitsplatzsuche und im Berufsleben eingeschränkte Möglichkeiten. Für sie ist ein grosser Teil der monotonen, anspruchslosen Tätigkeiten reserviert. Bei gleicher Schulbildung wie die männlichen Arbeitnehmer erhalten sie weniger qualifizierte Arbeitsplätze und damit auch weniger Lohn.

Die Theorie der statistischen Diskriminierung geht gemäss Cyba (Geissler 1998) davon aus, dass Arbeitgeberinnen bestimmte Arbeitsplätze für Frauen und andere für Männer reservieren. Dies produziert in der Folge nicht nur geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen den Berufen, sondern plaziert Frauen auch in bestimmte Organisationen, Arten von Arbeitsplätzen und beruflichen Rollen mit entsprechenden Ungleichheiten in Entlohnung und Karriere. Die Theorie sieht in der Stereotypisierung eine wesentliche Ursache für die Benachteiligung der Frauen. Sie geht im weiteren davon aus, dass Arbeitgeberinnen ihre Personalentscheidungen mit Hilfe einfacher "screening devices" treffen, d.h. auf der Basis von Indikatoren, die teilweise individuell (Abschlusszeugnisse, Berufserfahrung usw.), teilweise aber auch Gruppenmerkmale sind (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit usw.). Statistische Diskriminierung bedeutet nach Heintz (1997), dass die einzelne Arbeitnehmerin nicht – oder nicht ausschliesslich – aufgrund ihrer individuellen Merkmale beurteilt wird, sondern aufgrund eines (vermuteten) Gruppenverhaltens.

Hypothese 1:     Die Chancen für einen (Wieder-)Eintritt ins Erwerbsleben sind für Frauen geringer als für Männer.

Hypothese 2:     Der Qualifikationsabschluss als Selektionsmerkmal spielt für weibliche Stellensuchende eine stärkere Rolle als für Männer.  

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2.1.2      Zivilstand

Gemäss Gütinger (1998) ist der Zivilstand als Selektionskriterium insofern relevant, weil beispielsweise von verheirateten Personen ein stabileres Erwerbsverhalten erwartet wird als von unverheirateten. Den Arbeitgeberinnen erscheint es deshalb lohnender, verheiratete Stellensuchende einzustellen und diesen betriebsspezifisches Wissen zu vermitteln, was zu einer weiteren Festigung des Arbeitsverhältnisses führt.

Beim Merkmal "Zivilstand" sollte jedoch eine Unterscheidung nach dem Geschlecht gemacht werden. Es zeigt sich beispielsweise, dass das Merkmal "verheiratet" auf die Arbeitsmarktchancen von Frauen einen negativeren Einfluss ausübt als bei Männern. Dies kann nach Gütinger (1998) damit begründet werden, dass verheiratete Frauen regional immobiler sind, weil ihre Erwerbstätigkeit wesentlich von derjenigen ihrer Männer abhängig ist. Es kann im weiteren auch davon ausgegangen werden, dass verheiratete Frauen ein instabileres Erwerbsverhalten aufweisen, da die ausführende Tätigkeit oft ein Zusatzverdienst zum männlichen Einkommen darstellt, so dass Frauen schneller bereit sind, die eigene Stelle aufzugeben. Schliesslich wird bei weiblichen Stellensuchenden eher mit einem Erwerbsausfall gerechnet, weil sie Frauen in den meisten Fällen für die Kinderbetreuung zuständig sind.

Hypothese 3:     Verheiratete Männer sind bei der Stellensuche erfolgreicher als unverheiratete Männer. Bei den Frauen verhält es sich umgekehrt.  

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2.1.3      Alter

In diesem Kapitel gehen wir zunächst einleitend auf die gesellschaftliche Bewertung des Merkmals "Alter" im allgemeinen ein. Danach wird die Bedeutung des Lebensalters im Arbeitsleben und die Altersarbeitslosigkeit dargestellt. Abschliessend wird auf die "jungen Arbeitnehmer" eingegangen, die neben den "alten" Erwerbspersonen ebenfalls als eine Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt angesehen werden.

a.)  Alter als gesellschaftliche Wertung

Gemäss Färber (1990) ist das Alter auf der einen Seite Ausdruck eines biologischen Prozesses, auf der anderen Seite aber hat das Alter durch die Bewertung in der Gesellschaft bedeutsame Auswirkungen im Alltags- und Arbeitsleben. Die gesellschaftliche Wertung von Alter wandelt sich ständig mit den gesellschaftlichen Werten und Normen. Früher genossen die Alten ein besonderes Prestige bei der Ausübung von Berufen, für die es auf eine lange Erfahrung ankam, wie beispielsweise die Baumeister, Goldschmiede und Kaufleute. Mit zunehmender Industrialisierung haben sich die Akzente jedoch hin zur Leistungsfähigkeit verschoben. Durch die veränderte Art der Produktionsbedingungen wurde die Erfahrung des Menschen gegenüber seiner augenblicklichen Leistungsfähigkeit in vielen Bereichen in den Hintergrund gedrängt. Beruflich erfolgreich ist jetzt, wer sich auf Veränderungen einstellen kann. Färber schreibt dazu:

"Es zählt nicht mehr die Erfahrung, weil sie sich selbst überholt u.U. sogar hinderlich sein kann. Zudem wird berufliches Wissen nicht mehr durch unmittelbares Abschauen bei erfahrenen Lehrmeistern weitergegeben, sondern ist wissenschaftlich untersucht, systematisiert und allgemein zugänglich aufgezeichnet." (Färber 1990, S. 16)

Nebst der Erfahrung waren früher auch Herkunftskriterien entscheidend für den Zugang zu Positionen, Laufbahnen und Gütern. Seit sich nun das Leistungsprinzip durchgesetzt hat, hängt das Prestige des Lebensalters von dem Mass der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, der psychischen und physischen Kondition und den unverbrauchten Kräften ab. Unverbraucht wird dabei mit "jugendlich" gleichgesetzt. Das Lebensalter wird solange positiv angesehen, als es mit dem Aspekt der Jugendlichkeit in Verbindung gebracht werden kann. Dies bedeutet, dass es mit positiven Erwartungen und v.a. auch mit beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten in Zusammenhang gebracht wird. Gleichzeitig erfolgt eine Abwertung des Alten. Alt sein und alt werden wird mit kontinuierlichen Abnutzungs- und Verfallserscheinungen der physischen und psychischen Konstitution gleichgesetzt. Alter bedeutet Abbau, Inflexibilität, Verlust von Fähigkeiten, Krankheit und Behinderung. Dennoch ist aber - wie Zilian (1994) erwähnt - nicht zu vergessen, dass immer noch eine Mehrheit der älteren Arbeitnehmer mehr Macht, mehr Prestige, mehr Einkommen und mehr Sicherheit geniesst als die Jungen. In gewissen Branchen wie Banken, Versicherungen, Staatsdienst etc. herrsche im allgemeinen die Gerontokratie. Ältere Arbeitnehmer haben nach Zilian  überall dort Vorteile gegenüber jüngeren Konkurrenten, wo das höchste Niveau der Arbeitsfähigkeit erst nach langer praktischer Ausübung erreicht ist.

Mit der Durchsetzung des Leistungsprinzips hat sich auch die Qualifikationsstruktur gewandelt. Gefragt sind nun schnell erlernbare Fertigkeiten, die oft auch physische und psychische Belastbarkeit erfordern, was wiederum zu einer Benachteiligung älterer Arbeitnehmer geführt hat. Es ist nun aber nicht so, dass ältere Arbeitnehmer über Qualifikationen verfügen, die nicht mehr gebraucht werden, sondern das Problem liegt darin, dass die neuen Qualifikationen so beschaffen sind, dass sie von den Jüngeren leichter erlernt werden können. Zilian weist darauf hin, dass von einer "Verjüngung der Qualifikationsstruktur" gesprochen wird. Hinzu tritt die Notwendigkeit, sich weiterzubilden, wozu ältere Personen nicht mehr bereit sind oder was ihnen schwerer fällt oder vorenthalten wird, da die zugehörigen unternehmerischen Investitionen bei Jüngeren besser angelegt sind.

b.) Das Alter im Arbeitsleben

Auch wenn die Beziehung zwischen Lebensalter und Leistungsfähigkeit nicht eindeutig feststellbar ist, spielt das Lebensalter gemäss Färber (1990) im Arbeitsleben eine wichtige Rolle, nämlich durch die allgemeine Zuschreibung von Eigenschaften und Fähigkeiten in der jeweiligen Lebensphase. Nach Zilian (1994) stellen beispielsweise Schönheit, Jugend und körperliche Fitness oft "Kriterien" dar, die auch unabhängig vom ökonomischen Nutzen die Einstellungschancen begünstigen.

Das Älterwerden im Arbeitsleben hat aber nebst negativen Aspekten auch positive, je nachdem wie es die Leistungsfähigkeit bzw. die Arbeitsleistung beeinflusst. Höheres Lebensalter kann einerseits berufliche Stagnation, andererseits Zunahme von Erfahrung und Autorität bedeuten und damit eine Steigerung der Arbeitsleistung oder deren Bewertung bewirken.

Die Humankapitaltheorie geht davon aus, dass im Laufe der Zeit immer mehr Humankapital im Arbeitsprozess akkumuliert wird, räumt jedoch ein, dass Humankapital inflationären Charakter hat, d.h. mit den Jahren immer mehr an Wert verliert. Die Gründe für diesen Werteverlust des Humankapitals liegen zum einen darin, dass sich mit steigendem Lebensalter die Zeitspanne verringert, in der die Investitionen noch zu Erträgen führen können, und zum anderen darin, dass sich die Kosten der beruflichen Weiterbildung mit steigendem Lebensalter erhöhen.

Nach Zilian (1994) erfolgt der allmähliche Austausch der älteren Arbeitnehmer durch jüngere in erster Linie dadurch, dass gewisse Firmen den Bestand an Älteren abbauen und in die Frühpension oder Arbeitslosigkeit entlassen. Hinzu treten Betriebsschliessungen, die alle Arbeitnehmer treffen. Auffallend und von entscheidender Bedeutung ist jedoch die Diskriminierung der Älteren beim Zugang einer Arbeitsstelle.

c.) die Altersarbeitslosigkeit

Wenn ältere Arbeitnehmer in der letzten Phase des Erwerbslebens ihren Arbeitsplatz verlieren, sind sie nach eher von Dauerarbeitslosigkeit bedroht als jüngere (Zilian 1994). Dies hat damit zu tun, dass "arbeitslos sein" bei älteren Arbeitnehmern stärker ins Gewicht fällt. Normalerweise künden ältere ihre Arbeitsstelle in der letzten Erwerbsphase nicht selber und werden von den Arbeitgeberinnen – wenn immer möglich - bis zur Pensionierung beschäftigt bzw. getragen. Die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess ist bei älteren Arbeitslosen also im allgemeinen schwierig und verschlechtert sich dadurch zusätzlich, dass bei ihnen der Anteil derjenigen, die über keine formale Berufsausbildung verfügen, besonders hoch ist.

Schliesslich ist die Gefahr, arbeitslos zu bleiben, für ältere Arbeitnehmer besonders hoch. Nach Zilian verwandelt sich alles, was vorher als Stärke zählte – Erfahrung, lange Betriebszugehörigkeit, höheres Einkommen usw. – beim Übergang in die Arbeitslosigkeit in diskreditierende Merkmale, so dass sich ältere Arbeitslose entsprechend lang im Bewerberpool aufhalten. Die Chancen, einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden, nehmen demnach mit steigendem Lebensalter ab. Ältere Arbeitslose finden häufig nur noch eine Arbeitsstelle, an der sie im Vergleich zur früheren niedriger bewertete Tätigkeiten ausüben, was in den meisten Fällen mit Einkommenseinbussen verbunden ist.

d.) Junge Arbeitnehmer

Eine weitere Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt, deren Schwierigkeiten durch die altersbedingte Situation gegeben ist, sind die jungen Menschen, die ins Erwerbsleben eintreten wollen (Zilian 1994). Ihre geringeren Einstellungschancen rühren vorwiegend daher, dass sie noch keine Berufserfahrungen haben. Aufgrund des Fehlens von (betriebsspezifischen) Qualifikationen sind Jugendliche zudem noch keine vollwertigen Substitute für ältere Arbeitskräfte.

Für die Entstehung von Jugendarbeitslosigkeit kann nach Gütinger (1998) eine Erklärung herbeigezogen werden, die zyklische Wirtschaftsschwankungen hauptverantwortlich macht. Von Interesse sind hier vor allem die Gründe, warum sich die Arbeitslosigkeit junger Arbeitsmarktteilnehmer gegenüber konjunkturellen Zyklen sensitiver verhält als die der über 25jährigen. Dazu werden von Gütinger zwei Faktoren genannt:

·       zum einen die "school-leaver-Hypothese", nach der Jugendliche nur bedingt Möglichkeiten haben, den Zeitpunkt ihres Arbeitsmarkteintritts zu wählen. Sie haben deshalb während konjunkturellen Abschwüngen, in denen überwiegend entlassen wird und nur sehr wenige Neueinstellungen erfolgen, kaum Chancen auf eine erfolgreiche Integration in die Erwerbstätigkeit. Vor allem der natürliche Abbau von Personal mittels der Nichtbesetzung freigewordener Stellen beeinträchtigt die Arbeitsmarktchancen jugendlicher Berufsanfänger. In Ländern mit dualer Berufsausbildung ist ausserdem zu berücksichtigen, dass sich konjunkturelle Verschlechterungen auch auf die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen durch die Unternehmen negativ auswirken.

·       zum anderen bleibt jungen Arbeitsmarktteilnehmern während konjunkturellen Abschwüngen nicht nur der Eintritt in die Beschäftigung verwehrt, sondern die bereits Beschäftigten unter ihnen sind oft auch diejenigen, die zuerst und am stärksten von Entlassungen betroffen sind. Das höhere Risiko junger Arbeitnehmer dem zu entlassenden Personenkreis anzugehören rührt daher, dass sie meist noch in einem ledigen und kinderlosen Familienstand stehen, keine Beständigkeit in der beruflichen Laufbahn vorweisen können und weil sie aus altersbedingten Gründen ein höheres Mass an Fluktuation aufweisen (Schober-Gottwald in Kutsch 1978). Wirtschaft und Gesellschaft sind demnach der Überzeugung, jungen Personen eher Arbeitslosigkeit zumuten zu können als älteren Menschen.

Der These, nach der Jugendliche als letzte eingestellt werden, kann nach Gütinger (1998) entgegengehalten werden, dass gerade ausgebildete Jugendliche im Vergleich zu älteren Arbeitsmarktteilnehmern aufgrund ihrer auf dem neusten Stand basierenden Fertigkeiten und Kenntnissen, ihrer besseren Lernfähigkeit und höheren Lernwilligkeit im Vorteil sind und daher auch eher eingestellt werden dürften. Zudem gilt, wenn man annimmt, dass eine höhere Sensitivität gegenüber konjunkturellen Zyklen besteht, dass die Wirkungen auch in die entgegengesetzte Richtung berücksichtigt werden müssen. Dies bedeutet, dass sich gerade jene Faktoren, die sich in rezessiven Phasen als nachteilhaft für die Jugendlichen erweisen, bei wirtschaftlichen Aufschwüngen in einen Vorteil umkehren können.

Hypothese 4:     Je älter ein Arbeitnehmer ist, um so schlechter sind seine Chancen bei der Stellensuche und um so länger ist seine Suchdauer.

Hypothese 5:     Von allen Stellensuchenden unter 31 Jahren haben diejenigen, die erstmals auf Stellensuche sind, weniger Chancen eine Stelle zu finden.  

Inhalt

2.1.4      Nationalität, Muttersprache, Aufenthaltsstatus

Ausländische Stellensuchende gelten allgemein als zentrale Problemgruppe. Da ein hoher Anteil der Ausländer aufgrund geringer Schulausbildung oder Sprachkenntnissen schlecht qualifiziert ist, haben sie schlechte Voraussetzungen für eine schnelle Vermittlung (BIGA 1994). Wie Zilian (1994) aber erwähnt, kommt es nicht selten vor, dass gut ausgebildete Ausländer genötigt sind, eine Stelle anzunehmen, für die sie überqualifiziert sind, weil die zu Hause erworbenen Qualifikationen im fremden Land nicht anerkannt werden oder weniger wert sind.

Ausländische Arbeitskräfte sind zudem stark im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt, wo die Beschäftigung generell zurückgeht. Ausserdem befindet sich dieser Industriesektor in einem Umstrukturierungsprozess, der für die dort Beschäftigten eine bessere Qualifikation erfordert. Gemäss Werner und Seifert (1994) ist auch der Zugang zu Weiterbildung und Umschulung für ausländische Arbeitnehmer schwieriger, da sie meist keine gute Bildungsbasis besitzen und zudem Sprachdefizite aufweisen.

Im weiteren haben ausländische Arbeitnehmer weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt als schweizerische, weil sie einerseits über weniger Beziehungen und Netzwerke verfügen und andererseits, weil sie gegen Vorurteile und Stigmatisierungen zu kämpfen haben.

Letzteres lässt sich mit dem Gesetz des Ethnozentrismus erklären, das Markefka (1995) folgendermassen beschreibt: Wenn Menschen anderen Menschen begegnen, sichern sie ihre Handlungsfähigkeit dadurch, dass sie sich und die anderenden gegensätzlichen Polen "Eigengruppe" und "Fremdgruppe" zuordnen. Diese Dichotomien entstehen besonders deshalb, weil Fremdes und Fremde Unsicherheit bzw. Angst machen, die man durch Rückzug auf eine Eigengruppe zu überwinden sucht. Als fremd wird wahrgenommen, was "anders" ist, oder das, was dem Anderssein zugeschrieben wird. Fremd ist aber vor allem das, was unbekannt und unvertraut ist. Fremdheit beruht demnach auf der Unkenntnis beziehungsweise Stereotypisierung des anderen (vgl. Zentrum für Türkeistudien 1995). Zilian und Malle (1994) vertreten diesbezüglich die These, dass je unähnlicher die Ausländer den Inländern in Aussehen oder kulturellen Voraussetzungen sind, desto suspekter, bedrohlicher und unqualifizierter werden sie für den inländischen Betrachter. Die Suche nach persönlicher Sicherheit und Gewissheit führt dabei zu einer Überschätzung der Eigengruppe, deren sozialkulturellen Eigenheiten als natürliche und damit wahre Selbstverständlichkeiten angesehen werden. Diese Haltung positiver Voreingenommenheit gegenüber der eigenen Gruppe (Ethnozentrismus) bedeutet gemäss Markefka (1995) für "die anderen", dass sie negativ – sprich als minderwertiger – gesehen und beurteilt werden. Als "gleiche Eigenschaften", die den Eigengruppen zur Abgrenzung von Fremdgruppen dienen, können beispielsweise gemeinsame Sprache, soziale Herkunft, Rasse oder Religion anerkannt sein.

Die starke Konzentrierung auf die Eigengruppe und die gleichzeitige Ausgrenzung der Fremdgruppe hat also zur Folge, dass in einem arbeitsmarktlichen Umfeld, bei dem genügend inländische Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, die bereit sind, unattraktive Arbeitsplätze einzunehmen, nur wenige Arbeitgeberinnen bereit sind, ausländische Stellensuchende einzustellen. Einzig dort, wo eine Dequalifizierung stattgefunden hat, oder wo nie besonders hohe Qualifikationen erforderlich waren, geht es gemäss Zilian und Malle (1994) aus betrieblicher Perspektive weniger darum, die Qualitäten des Mitarbeiters zu maximieren, sondern darum, die Kosten zu minimieren, so dass im allgemeinen ein Ausländer einem Inländer bevorzugt wird.

Hypothese 6:     Inländische Arbeitnehmer haben bessere Einstellungschancen als ausländische.

Hypothese 7:     Bei Arbeitsplätzen mit tiefen Qualifikationsanforderungen haben ausländische Stellensuchende bessere Einstellungschancen als inländische.

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2.1.5      Höchste abgeschlossene Ausbildung

Gemäss der Humankapitaltheorie stellt die formale Bildung, wie sie an öffentlichen Schulen erlangt werden kann, eine Investition in Humankapital dar. Erworbene menschliche Fähigkeiten werden nach Westphal als Kapital betrachtet, die "einen Schatz an Kenntnissen und Fähigkeiten darstellen, den ein Individuum über Geld, Wertpapiere und Sachwerte hinaus besitzt" (Westphal 1990, S. 19). Gleich wie beim Sachkapital können Individuen in dieses "menschliche" Kapital investieren und auf eine Rendite des investierten Betrages hoffen. Hoffen deshalb, weil zum Zeitpunkt, an dem man sich für oder gegen eine Investition entscheiden muss, nur Annahmen über die zukünftigen Erträge bestehen. Entscheide über Investitionen in Humankapital basieren demzufolge immer auf mehr oder weniger unsicheren Vorstellungen von zukünftigen Erträgen. Nach Westphal unterscheidet sich Sachkapital und Humankapital dadurch, dass Sachkapital ausserhalb einer Person besteht, während Humankapital in Menschen verkörpertes Kapital darstellt. Im Unterschied zu den angeborenen Fähigkeiten und Talenten, stellt das Humankapital diejenigen menschlichen Ressourcen dar, die im Laufe eines Lebens produziert werden und einen mittelbaren Nutzen stiften. Das Produzieren von Humankapital verursacht zwar zunächst Kosten, die jedoch dadurch Investitionscharakter erhalten, indem mit ihnen – auf lange Frist hinaus – eine Gewinnerwartung verbunden ist. Der Kerngedanke der Humankapitaltheorie kann mit folgenden prägnanten Worten von Blaug zum Ausdruck gebracht werden:

"The concept of human capital, or 'hard core' of the human-capital research programm, is the idea that people spend on themselves in diverse ways, not for the sake of present enjoyments, but for the sake of future pecuniary and nonpecuniary returns. They may purchase health care; they may spend time searching for a job with the highest possible rate of pay, instead of accepting the first offer that comes along; they may purchase information about job opportunities; they may migrate to take advantage of better employment opportunities; and they may choose jobs with low pay but high learning potential in preference to dead-end job with high pay." (Blaug 1976, S. 827)

Nach Schaad (1996) geht die Humankapitaltheorie von der Annahme aus, dass Entscheidungen für oder gegen Humankapitalinvestitionen aufgrund dem Kriterium der Nutzenmaximierung gefällt werden. Stehen also zwei oder mehrere alternative Handlungsmöglichkeiten zur Auswahl, so wird diejenige Handlung vollzogen, die ökonomisch rational ist und damit den grössten Nutzen verspricht (Knecht 1988). Dabei werden gemäss Becker (1962) nicht nur monetäre, sondern auch die monetären Äquivalente der "psychischen Erträge" in das Nutzenkalkül einbezogen.

Es werden all jene Aktivitäten als Investitionen für das Humankapital angesehen, die imstande sind, die zukünftige Produktivität der reinen Arbeit zu erhöhen. Die Humankapitaltheorie postuliert eine vollständige Entsprechung der in einem Leben kumulierten Investitionen in Humankapital und den daraus erzielten kumulierten Erträgen.

Da angenommen wird, dass sich ein erhöhter Bestand an Humankapital nicht direkt auf das Lebenseinkommen auswirkt, sondern vermittelt über eine erhöhte Produktivität zu einem höheren Einkommen führt, wird implizit vorausgesetzt, dass sowohl zwischen dem Bestand an Humankapital und der Produktivität als auch zwischen der Produktivität und dem Einkommen ein enger Zusammenhang besteht.

Auf die Frage, wie sich individuelle Bildungsinvestitionen (formale Ausbildung) auf die Chancen, eine Stelle zu finden, auswirken, gibt die Humankapitaltheorie keine klare Antwort. Auf der einen Seite kann zwar vermutet werden, dass Personen, die bereits einen hohen Bestand an Humankapital besitzen, eher eingestellt werden, weil man bei ihnen davon ausgehen kann, dass sie sich neues Wissen und neue Fähigkeiten leichter aneignen können. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass der höher qualifizierte Arbeitnehmer nach erfolgter Weiterbildung seine Lohnforderungen um jenen Betrag erhöhen wird, der in etwa seinem resultierenden Produktivitätszuwachs entspricht. Auf diese Art profitiert die Arbeitgeberin von der höheren Produktivität des Arbeitnehmers, indem sie einen höheren Ertrag erzielt, der jedoch teilweise wieder durch die gestiegenen Lohnkosten wettgemacht wird.

Ein weiteres Argument dafür, dass der Bestand an Humankapital die Erfolgschancen bei der Stellensuche positiv beeinflusst, besteht darin, dass gut ausgebildete Arbeitnehmer bezüglich ihrem Lohnanspruch einen grösseren Spielraum besitzen. Findet sich nämlich über längere Zeit keine Arbeitgeberin, die bereit ist, den vom Stellenbewerber geforderten Lohn zu bezahlen, so kann dieser seine Lohnansprüche heruntersetzen und so seine Einstellungschancen erhöhen. Arbeitnehmer mit einem bereits tiefen Lohnniveau haben diese Option nur beschränkt. Da angenommen werden kann, dass nur wenige Arbeitnehmer freiwillig bereit sind, Einkommenseinbussen und damit einen beruflichen Abstieg in Kauf zu nehmen, ist jedoch auch dieses humankapitaltheoretische Argument nur teilweise zutreffend.

Bei der Arbeitsteilungstheorie handelt es sich um eine weitere Theorie, die sich mit dem Zusammenhang zwischen der Bildung und den Arbeitsmarktchancen beschäftigt (Bornschier 1998). Sie geht davon aus, dass die Struktur der Arbeitsplätze (hierarchische Statuspyramide) im Verlauf ihrer organisatorischen Evolution entstanden ist. Die Statusunterschiede, die sich im Lohn, im Berufsprestige und in der formalen Autorität manifestieren, sind also nicht aus dem Bildungsangebot der Arbeitskräfte entstanden, sondern Resultat einer fortlaufenden Optimierung der wirtschaftlichen Arbeitsteilung. Da das latente Arbeitskräfteangebot für höherrangige Positionen in der Struktur der Arbeitsplätze grösser ist als die effektive Nachfrage von seiten der Arbeitgeberin, können diese eine Auswahl treffen. Bornschier schreibt dazu:

"Die formale Bildung ist nur ein Kriterium unter anderen bei dieser Auswahl, ein universalistisches Auswahlhilfeverfahren, das auch die legitimen Ansprüche berücksichtigt und zudem für den Arbeitgeber den Vorteil hat, als Entscheidungsgrundlage fast zum Nulltarif zur Verfügung zu stehen. Hinzu kommen mehr partikularistische Kriterien bei der Auswahl auf verschiedenen Stufen der externen Rekrutierung wie auch bei der Beförderung." (Bornschier 1998, S. 240)

Bei der externen Rekrutierung wird also zunächst einmal die Bildung berücksichtigt, was dazu führt, dass nur diejenigen Stellenbewerber überhaupt eine Chance erhalten, die über das für diese Eintrittstufe erforderliche Bildungsniveau verfügen. Erst in einem zweiten Schritt wird aufgrund von zusätzlichen Kriterien wie beispielsweise "Fremdsprachenkenntnisse" oder "Konformität mit den Zielen der Organisation" definitiv ausgewählt. Der weitere Verlauf der Karriere (Beförderung) hängt dann nicht mehr wesentlich von der Bildung, sondern hauptsächlich vom Verhalten der eingestellten Person ab. Abgewiesene Stellenbewerber bleiben gemäss der Arbeitsteilungstheorie entweder an ihrer alten Stelle oder bewerben sich um eine Stelle der nächstunteren Eintrittsstufe. Da eine höhere Ausbildung lediglich bedeutet, dass man sich auf einer höheren Eintrittsstufe bewerben kann, jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich viele Mitbewerber mit gleichem Bildungsniveau vorhanden sind, bedeutet eine hohe Bildung keine Garantie für einen Sucherfolg. Nach der Arbeitsteilungstheorie beeinflusst der formale Bildungsabschluss die Chancen, eine Stelle zu finden, also nicht.

Eine weitere Auswahltheorie, bei der die Bildung eine wichtige Rolle spielt, ist die Signal- oder Filtertheorie. Danach dienen die Bildungszertifikate der Arbeitnehmerinnen zur Einschätzung der weiteren Aufnahme- und Lernbereitschaft der Arbeitnehmer. Abschlüsse signalisieren eine gewisse "Disziplin" und extrafunktionale Befähigung, die als Einstellungskriterien wichtig sind und eine gewisse Anpassungsfähigkeit an neue Aufgaben gewährleisten sollen. Mit den Zertifikaten (Signalen) wird eine Fülle von Eigenschaften, wie Bildungsfähigkeit, Ausdauer, Begabung, Motivation usw. assoziiert (Teckenberg 1985). Gemäss Blossfeld, Hannan und Schömann (1988) kennt zwar die Arbeitgeberin bei der Einstellung den Arbeitnehmer nicht genau, sie unterstellt aber, dass das Bildungssystem so konstruiert ist, dass nur die "guten" Absolventen fähig sind, Prüfungen zu bestehen, so dass das Bildungssystem die "guten" Arbeitskräfte für die Arbeitgeberinnen erkennbar herausfiltert. Arbeitgeberinnen sind nämlich daran interessiert, Vakanzen denjenigen Arbeitnehmern zu vergeben, deren Einarbeitungs- und Anlernkosten als gering eingestuft werden.

Bildung ist also - wie Blossfeld, Hannan und Schömann betonen - ein entscheidendes Merkmal: Die Fähigkeit, sich eine Art von Ausbildung anzueignen, weist auf die Fähigkeit hin, sich auch andere Arten von Ausbildung anzueignen. Die Schulbildung wird somit indirekt zum Indikatorfür die Aufnahmefähigkeit des einzelnen und so für den Arbeitgeber wichtig, selbst wenn in der Schule keine kognitiven Berufsfähigkeiten erlernt werden.

Als "Ungelernte" werden immer häufiger nicht nur diejenigen bezeichnet, welche nach einem längeren familienbedingten Unterbruch wieder in den Arbeitsmarkt eintreten möchten sondern auch diejenigen, welche trotz abgeschlossener Ausbildung in Anlern- und Hilfsarbeiterpositionen beschäftigt sind und dort im Laufe der Zeit ihre früher erworbenen Fachqualifikationen verlieren. Sind Facharbeiter einmal in Anlern- und Hilfsarbeiterpositionen beschäftigt, sind sie gemäss von Henninges (1996) ähnlichen Arbeitsmarktrisiken ausgesetzt wie Arbeiter, die über gar keinen Berufsausbildungsabschluss verfügen: Sie können kaum wieder in höhere Stellungen aufsteigen, ihre Fachkenntnisse und Fertigkeiten verfallen, ihr Entlassungsrisiko ist nahezu genauso hoch und ihre Chancen, danach wieder eine adäquate Arbeit zu finden, sind fast ebenso ungünstig.

Wie schon bei der Humankapitaltheorie bleibt auch bei der Signaltheorie unschlüssig, ob das Bildungsniveau die Chancen eine Stelle zu finden, positiv beeinflusst. Bewerben sich zwei Arbeitnehmer um dieselbe Arbeitsstelle, so erhält derjenige die Arbeitsstelle, der ein Abschlusszertifikat vorweisen kann. Dies bedeutet jedoch noch nicht, dass der andere bei einer Bewerbung um eine Stelle mit tieferem Anspruchsniveau erfolglos sein muss. Zudem kann ein Ausbildungsabschluss nach einer längeren Arbeitsunterbrechung auch vollständig seinen "Indikatorwert" verlieren.

Da Sowohl die Humankapialtheorie als auch die Signaltheorie keine eindeutigen Aussagen zum Einfluss der Bildung auf den Sucherfolg erlauben, kann lediglich die folgende, aus der  Arbeitsteilungstheorie abgeleitete Hypothese, formulieren werden:

Hypothese 8:     Die formale Ausbildung hat keinen Einfluss auf die Chancen, ein Stelle zu finden.  

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2.1.6      Weiterbildung

Die Weiterbildung am Arbeitsplatz durch firmenspezifische und -unspezifische Kurse wird als Steigerung des eigenen Humankapitals angesehen und verspricht erhöhte Produktivität. Interne Kurse, die von der Arbeitgeberin finanziert werden, erhöhen gemäss Düll und Bellmann (1998) das firmenspezifische Wissen und binden den Arbeitnehmer an die Firma. Die Kosten firmenunspezifischer Kurse hingegen werden in den meisten Fällen vom Arbeitnehmer selber übernommen und dienen eher zur Erhöhung des allgemeinen Humankapitals. Die Finanzierung von "allgemeinem Humankapital" ist für die Arbeitgeberinnen im strengen Sinne nicht sinnvoll, da die Grenzproduktivität des Arbeitnehmers auch für andere Unternehmen ansteigen würde und zudem die Gefahr einer Abwanderung des Arbeitnehmers vor der Amortisation der Bildungsinvestitionen bestehen könnte. Eine firmenspezifische Aus- und Weiterbildung (v.a. training on the job) führt dagegen im Extremfall nur nur für das betreffende Arbeitsverhältnis zu einer Produktivitätsverbesserung, während die so erworbene Qualifikation in anderen Unternehmen nicht verwertbar ist. Für den Arbeitnehmer besteht somit nach Meinung von Düll und Bellmann (1998) kein Anreiz, sich an der Finanzierung spezifischer Bildung zu beteiligen, ganz im Gegensatz zur Arbeitgeberin, welche die Erträge aus der damit gewonnenen Produktivitätssteigerung bezieht.

Da Weiterbildungsinvestitionen immer riskanter geworden sind, ziehen es die Firmen vor, wenn die Arbeitnehmer soviel Qualifikation wie nur möglich mitbringen. Gemäss Zilian und Malle (1994) finden somit weniger Qualifizierte nur noch in solchen Firmen Einlass in die Arbeitswelt, die für Weiterbildungskurse weder genügend Zeit noch Geld aufbringen. Damit befinden sich die bezüglich ihrer Qualifikation schwächeren Arbeitskräfte in einem speziellen Kreislauf zwischen Arbeitslosigkeit und Berufswelten, in denen der Weiterbildung bestenfalls eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Weiterbildungsmassnahmen seitens der Arbeitgeberinnen reproduzieren demnach Mechanismen der Ungleichheit, so dass schlecht Qualifizierte noch am ehesten in jenen Unternehmen Einlass finden, in denen ihre Chancen, die Qualifikationen zu verbessern, am geringsten sind.

Hypothese 9:     Stellensuchende mit Weiterbildung haben bessere Einstellungschancen.  

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2.1.7      Arbeitserfahrung, Berufsqualifikationen, Spezialisierungen

Der Begriff der "beruflichen Qualifikation" wird in der Qualifikations- und Berufsforschung aus einer Fülle anderer Bezeichnungen am häufigsten verwendet. Baethge beispielsweise definiert "Qualifikation" folgendermassen:

"Qualifikation kann definiert werden als Arbeitsvermögen, als die Gesamtheit der je subjektiv-individuellen Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten, die es dem einzelnen erlauben, eine bestimmte Arbeitsfunktion zu erfüllen." (Baethge, In: Seitz 1988, S. 40)

Im Sinne des Humankapitalkonzepts wird Qualifikation gemäss Wenger (1993) verstanden als Grundeigenschaft des Menschen in der Produktion, welche durch Investition in Humankapital zu einer Verbesserung des Arbeitsvermögens und der Produktivität führt. Somit stellen Humankapitalinvestitionen in Form von "allgemeiner" bzw. "betriebsspezifischer" Qualifizierung einen ökonomischen (materiellen) Wert dar, der sich am Arbeitsmarkt realisieren lässt. Folglich ist das Lernen am Arbeitsplatz, bei dem Berufserfahrung erlangt wird, auch eine Investition in Humankapital.

Nebst dieser Unterscheidung in allgemeine und betriebsspezifische Qualifikationen, sind in der theoretischen Literatur für die verschiedenen Arten von Qualifikationsanforderungen noch weitere Begriffe und Ansätze verwendet worden. Im folgenden gehen wir kurz auf ausgewählte Begriffspaare ein, die im Zusammenhang mit unserer Arbeit von Bedeutung sind.

Dahrendorf (Dahrendorf in Seitz 1988) beispielsweise unterscheidet fachliche und nicht fachliche Qualifikationen mit dem Begriffspaar funktional und extrafunktional. Unter funktionalen Fertigkeiten versteht er solche, die durch die rein technischen Anforderungen von Arbeitsprozessen verlangt werden. Funktionale Fertigkeiten umfassen also die elementaren Kenntnisse, die ein Arbeiter braucht, um seine Aufgabe zu erfüllen. Extrafunktionale Fertigkeiten sind hingegen in erster Linie nicht auf die rein technischen Ansprüche von Arbeitsprozessen bezogen, sondern vielmehr auf deren organisatorischen und sozialen Zusammenhang. Sie sind streng genommen für den Produktionsvollzug nicht unbedingt erforderlich, aber trotzdem nicht überflüssig. Sind nämlich extrafunktionale Qualifikationen vorhanden, dann geht die Produktion besser, reibungsloser und sicherer vonstatten. Diese Fertigkeiten sind also nur insofern "extrafunktional", als der reine Vollzug der Produktionsfunktionen auch ohne ihre Anwendung möglich ist.

Eine sehr ähnliche Unterscheidung trifft man bei Kern und Schuhmann (in Seitz 1988) an, die zwischen prozessgebundenen und prozessungebundenen Qualifikationen unterscheiden. Prozessgebundene Qualifikationen sind stark auf die technischen Erfordernisse eines bestimmten Arbeitsprozesses ausgerichtet und werden in einem prozessspezifischen Lernvorgang – beispielsweise in einer Lehre – erworben. Prozessungebundene Qualifikationen hingegen werden an einem bestimmten Produktionsverfahren erlernt und trainiert, sind an dieses jedoch nicht gebunden und können deshalb ohne grössere Schwierigkeiten auf neue Arbeitsbereiche übertragen werden.

Gemäss Geser (1983b) gehören diffus-personengebundene Fähigkeiten (Charakter, Begabung, Erfahrung) dann zum qualifikatorischen Anforderungsprofil, wenn die zu lösenden Aufgaben untereinander unvergleichbar und in unvorhersehbarer Weise variabel sind, und/oder wenn bezüglich der beim Lösungsweg anzuwendenden Mittel-Zweck-Beziehung des Handelns hohe Ungewissheit besteht. Personenunabhängigere Qualifikationen hingegen (Kenntnisse und formale Ausbildungsgänge) gewinnen dann an Bedeutung, wenn es dank Voraussehbarkeit und Ähnlichkeit der Aufgabentypen einerseits und dank der Verfügbarkeit kausal transparenter Problemlösungsverfahren andererseits möglich ist, das nötige Wissen im vornherein zu identifizieren.

Ein weiterer viel besprochener Ansatz der Qualifikationsforschung ist der auf Mertens zurückgehende Begriff der "Schlüsselqualifikationen". Schlüsselqualifikationen sind seiner Meinung nach

"... solche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche nicht unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten, disparaten praktischen Tätigkeiten erbringen, sondern vielmehr

a)      die Eignung für eine grosse Zahl von Positionen und Funktionen als alternative Optionen zum gleichen Zeitpunkt und

b)      die Eignung für die Bewältigung einer Sequenz von (meist unvorhersehbaren) Änderungen von Anforderungen im Laufe des Lebens" ermöglichen." (Mertens 1974 in Wenger 1993, S. 109)

Der Begriff von Mertens bildete in der Folge den Ausgangspunkt für viele Weiterentwicklungen, die im Rahmen unserer Arbeit nicht alle besprochen werden können. Zusammenfassend lässt sich aber nach Goetze (1992) festhalten, dass Schlüsselqualifikationen als berufliche Qualifikationen verstanden werden, die nicht schnell veralten, sondern relativ lange verwertbar sind. Es sind funktions- und berufsübergreifende Qualifikationen, welche die arbeitende Person flexibler und mobiler machen sollten. Schlüsselqualifikationen sind nach Goetze also nicht spezifisch, sondern allgemein. Als Beispiele dafür können seiner Meinung nach folgende Begriffe genannt werden: Flexibilität, Kreativität, Selbständigkeit, Lernfähigkeit und Teamfähigkeit.

Gemäss Goetze kann der Bedarf an diesen neuen Qualifikationen darauf zurückgeführt werden, dass die Arbeitswelt ständig neue Anforderungen stellt, die wie folgt zusammengefasst werden können:

·       Es werden immer weniger körperliche und immer mehr geistige Leistungen verlangt.

·       Man arbeitet nicht mehr als einzelner Fachmann, sondern in Teams, was bedeutet, dass man Wissen austauschen muss.

·       Es ist wichtiger, Informationen zu beschaffen und weiterzugeben, als viel zu wissen.

·       Es zählt mehr, wenn man sich immer wieder in neuen Situationen zurecht finden kann und flexibel ist, als dass man Fachmann auf einem bestimmten Gebiet ist.

·       Selbständiges Denken und Handeln ist immer mehr gefragt.

·       Man sollte bereit sein, ein Leben lang weiterzulernen, lernfähig zu sein und zu bleiben.

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Arbeitserfahrung verschiedene Arten von Qualifikationen umfasst, die je nach Tätigkeit unterschiedlich wichtig sind. Trotz der Aufteilung in gegensätzliche Begriffspaare kann davon ausgegangen werden, dass im Arbeitsleben jeweils beide Arten von Qualifikationen gleichzeitig erlernt werden, so dass "Arbeitserfahrung" im allgemeinen einen positiven Einfluss auf die Stellensuche hat.

Hypothese 10:     Arbeitserfahrung wirkt sich positiv auf die Stellensuche aus.  

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2.1.8      Berufliche Stellung

Eine Erklärung für die unterschiedlichen Chancen von Erwerbspersonen verschiedener Funktionsstufe auf dem Arbeitsmarkt bietet gemäss Sheldon (1997) der suchtheoretische Ansatz. Ausgangspunkt ist die unvollkommene Transparenz des Arbeitsmarktes, die aus der Fülle an verschiedenartigen Arbeitsstellen und Arbeitskräften resultiert. Das Suchmodell bezieht sich auf die Zeit vor dem Vertragsabschluss, wo es um das Auffinden einer passenden Stelle (Arbeitnehmersicht) bzw. eines geeigneten Bewerbers (Arbeitgebersicht) geht. Die Unsicherheit in diesem Fall besteht darin, dass weder der Stellenanbieter noch der Stellensuchende weiss, ob er den aktuellen Stellenbewerber bzw. die gegenwärtige Stellenofferte annehmen oder nach noch attraktiveren Alternativen Ausschau halten soll. In einer solchen Situation erweist es sich als vorteilhaft, zuerst eine Mindestanforderung zu setzen, welche die Kosten einer Weitersuche und die daraus zu erwartenden Einkommensvorteile gerade zum Ausgleich bringt, und danach den ersten Stelleninteressenten (Arbeitgebersicht) bzw. die erste Stellenofferte (Arbeitnehmersicht) jenseits der Mindestanforderung zu akzeptieren.

Vor dem Hintergrund des suchtheoretischen Ansatzes ist demnach zu erwarten, dass bei Hilfsarbeitern die Dauer einer Stellensuche verhältnismässig lange ist, da sie aufgrund einer fehlenden Berufsausbildung den Mindestanforderungen eines Grossteils der angebotenen Stellen nicht genügen. Bei Kaderleuten hingegen dürften ihre eigenen Mindestanforderungen das Haupthindernis sein, dass sie nicht schneller eine Stelle finden. Die Forderungen von Kaderleuten richten sich vermutlich nach ihrer früheren Tätigkeit, deren Lukrativität jedoch an betriebsspezifische Qualifikationen gebunden war, die durch die Arbeitslosigkeit verloren gehen. Setzen Kaderleute ihre Mindestanforderungen jedoch herab und nehmen eine Stelle mit tieferem Lohn und/oder Funktion an, besteht die Gefahr eines beruflichen Abstiegs.

Hypothese 11:     Hilfsarbeiter und Kaderleute (mittleres und oberes Kader) weisen eine längere Suchdauer auf als die übrigen Stellensuchenden.  

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2.1.9      Berufliche Flexibilität

Ein grosses Problem der Flexibilitätsforschung ist die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit des verwendeten Flexibilitätskonzeptes. Gemäss Sheldon (1995) kann berufliche Flexibilität gegliedert werden in berufliche Mobilität und berufliche Substitution: berufliche Mobilität bezeichnet eine Bewegung eines Arbeitnehmers zwischen verschiedenen beruflichen Positionen. Dabei geht es um die Möglichkeit bzw. Bereitschaft der Arbeitskräfte bei fehlenden oder unattraktiven Anstellungsmöglichkeiten in ihrem angestammten Beruf auf andere Tätigkeiten auszuweichen, d.h. von einem Beruf auf einen anderen zu wechseln.

Berufliche Substitution hingegen bezieht sich nach Kaiser (Kaiser in Clement und Edding 1979) auf die Austauschbarkeit von verschiedenen Arten von Arbeitnehmern im Hinblick auf einen Arbeitsplatz. Hierbei geht es um die Frage nach der Möglichkeit und der Bereitschaft der Arbeitgeberinnen, im Falle eines auftretenden Mangels an Stellenbewerbern mit der gesuchten Qualifikation, auf Arbeitskräfte anderer Fachrichtungen zurückzugreifen, d.h. eine Qualifikation gegen eine andere auszutauschen.

In unserer Arbeit wird der Begriff der Flexibilität lediglich im Sinne beruflicher Mobilität verwendet.

Im Hinblick auf die Qualifikation von Arbeitnehmern wird die Flexibilität beispielsweise von Kern/Schumann (Kern und Schumann in Tiggelers 1989) zu den sogenannten "prozessunabhängigen Fähigkeiten" gerechnet. Diese Fähigkeiten umfassen Qualifikationen, die zwar an einem bestimmten Produktionsverfahren erlernt und trainiert sein mögen, die an dieses jedoch nicht gebunden sind und ohne grössere Schwierigkeiten auf neue Arbeitsbereiche übertragen werden können. Flexibilität wird demnach verstanden als Fähigkeit der schnellen Anpassung an neue Arbeitsgegebenheiten. Da Anpassungsfähigkeit heutzutage positiv bewertet wird, kann angenommen werden, dass berufliche Flexibilität die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht.

Hypothese 12:     Zwischen der beruflichen Flexibilität, ausgedrückt in einer hohen Anzahl Firmen- und Tätigkeitswechsel während den letzten 10 Jahren, und dem Sucherfolg besteht ein positiver Zusammenhang.  

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2.1.10 Mobilität / räumliche Flexibilität

Der Begriff "Mobilität" kann nach unterschiedlichen Betrachtungsweisen differenziert werden: er umschliesst den Wechsel des Arbeitsortes (Pendelflexibilität), den Berufswechsel (berufliche Mobilität), die Veränderung des Wohnortes (Wanderungsmobilität) und schliesslich die Umschulung (Ausbildungsmobilität). In unserer Arbeit verwenden wir Mobilität im Sinne der Pendelflexibilität und Wanderungsmobilität.

Suchtheoretische Überlegungen bezüglich räumlicher Mobilität führen gemäss Sheldon (1985) zum Schluss, dass mit abnehmendem Bildungsstand bzw. Berufsstatus der Umfang und die Häufigkeit der räumlichen Mobilität abnehmen.

Bei wenig qualifizierten Stellensuchenden ohne berufsspezifische Qualifikationen besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie im unmittelbaren "Pendel-Umkreis" ihres Wohnortes eine annehmbare Arbeitsstelle finden. Im Gegensatz zu den gut Qualifizierten können sie für verschiedene, unspezifische Tätigkeiten eingesetzt werden, die häufig in der näheren Umgebung zu finden sind. "Mobil sein" stellt für tiefer Qualifizierte demnach kein notwendiges Kriterium für den Sucherfolg dar. Hochqualifizierte Erwerbspersonen hingegen müssen infolge ihrer Spezialisierung bzw. ihrem höheren Lohnanspruch oftmals zwischen räumlich weit verstreuten Arbeitsstellen wählen, so dass räumliche Mobilität für sie zu einem relevanten Kriterium wird.

Hypothese 13:     Stellensuchende mit hohem Berufsstatus (ab Spezialistenfunktionsstufe) haben bessere Erfolgschancen, wenn sie geographisch mobiler sind.  

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2.1.11 Job Hopper

Unter einem "Job Hopper" verstehen wir jemanden, der in seiner Erwerbskarriere sehr oft nach kurzer Zeit die Arbeitsstelle gewechselt hat. Während eine gewisse Anzahl Berufs- oder Tätigkeitswechsel als beruflich flexibel gilt und die Arbeitsmarktchancen erhöht, kann angenommen werden, dass zu viele und schnelle Wechsel einen negativen Einfluss auf den Sucherfolg haben. Dies hängt damit zusammen, dass eine Arbeitgeberin erst dann in einen Arbeitnehmer zu investieren bereit ist, wenn sie davon ausgehen kann, dass die getätigten Investitionen für längere Zeit Erträge bringen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer an die Firma gebunden werden kann und nicht bereits – wie bei Job Hoppern zu erwarten ist - nach kurzer Zeit die Stelle wechselt und an die Konkurrenz verloren geht.

Hypothese 14:     Das Merkmal "Job Hopper" wirkt sich negativ auf den Sucherfolg aus.  

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2.1.12 Situation/Status

Die Begriffe "Situation" und "Status" werden in der arbeitsmarkttheoretischen Literatur zwar selten verwendet, was jedoch nicht bedeutet, dass die gegenwärtige Situation bzw. der gegenwärtige Status von Stellensuchenden nicht als vermittlungsrelevante Merkmale diskutiert werden.

Mit dem Begriff "Situation" bzw. "Status" wird beschrieben in was für Umständen sich ein Stellensuchender auf dem Arbeitsmarkt befindet bzw. was für einen Status er dort einnimmt. Die "Situation" eines Stellensuchenden umschreibt, ob dieser vor der Stellensuche erwerbstätig war und jetzt arbeitslos ist, ob er erstmals auf Stellensuche ist, ob er einen Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt versucht oder ob er in einem gekündigten, ungekündigten oder befristeten Arbeitsverhältnis steht. Der "Status" eines Stellensuchenden hingegen zeigt, ob dieser ganzarbeitslos oder teilweise arbeitslos ist, ob er vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt ist oder andere Status einnimmt. Es handelt sich also bei beiden Merkmalen um Informationen, die nicht unwesentlich für die Arbeitsmarktchancen von Stellensuchende sind.

Nebst der Situation des Wiedereintritts, die wir im Kapitel über das Geschlecht teilweise schon behandelt haben, und der des Neueintritts, auf die wir im Abschnitt über das Alter eingegangen sind, beeinflusst insbesondere der Status "ganzarbeitslos" sowie die Situation "vorher erwerbstätig" oder "gekündigt" die Arbeitsmarktchancen eines Stellensuchenden. Beispielsweise kann die Dauer der zum Zeitpunkt der Bewerbung durchlebten Arbeitslosigkeit als Diskriminierungskriterium zu weiterer Arbeitslosigkeit und damit zur Verfestigung derselben führen (sogenannte "state dependence"). Die Diskriminierung basiert gemäss Heise (Heise in Klein 1997) darauf, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit allein schon als Makel empfunden wird und dass eine Entwertung des Humankapitals unterstellt wird. Bei dieser vermeintlichen Dequalifizierung von Langzeitarbeitslosigkeit handelt es sich aber nach Winter-Ebmer (1992) nicht nur um das Verlernen von einmal erworbenen Fähigkeiten oder um die Unmöglichkeit, sich mit neuen Technologien und Fertigkeiten vertraut zu machen, sondern damit verbunden ist auch der Verlust der täglichen Arbeitsatmosphäre und informeller Kontakte sowie der damit verbundenen Motivation, Arbeitsdisziplin und Pünktlichkeit. Im weiteren lässt auch der Suchelan allmählich nach und eine wachsende Entmutigung nimmt Platz ein. Hinzu kommt, dass Arbeitgeberinnen bei Langzeitarbeitslosen nebst der Dequalifizierung vermuten, dass der Bewerber nicht besonders aktiv bei der Arbeitsplatzsuche war oder schon von vielen Unternehmen Absagen erlitten hat.

Dequalifizierungsprozesse sind gemäss Cox und Schwedler (Cox und Schwedler in Klein 1997) nicht von vornherein auf Langzeitarbeitslose beschränkt. Denkbar ist auch, dass solche Arbeitnehmer, die sich vorübergehend mit einer Tätigkeit im sekundären Arbeitsmarkt "über Wasser" halten wollen, aus der Sicht von potentiellen Arbeitgeberinnen im primären Arbeitsmarkt ihre Qualifikation zunehmend einbüssen, je länger sie im sekundären Arbeitsmarkt verbleiben. Auch mehrere aufeinanderfolgende, kürzere Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitsperioden wirken sich negativ auf die Wiederbeschäftigungschancen für einen Dauerarbeitsplatz aus.

Hypothese 15:     Zum Zeitpunkt der Bewerbung arbeitslos bzw. wiederholt arbeitslos zu sein, hat einen negativen Zusammenhang mit dem Sucherfolg.  

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2.1.13 Letzter Lohn/gewünschter Lohn

Gemäss der Humankapitaltheorie haben Personen mit hohem Einkommen eine entsprechend hohe Produktivität. Das hohe Einkommen erlaubt ihnen bei der Stellensuche Lohneinbussen in Kauf zu nehmen und somit ihre Attraktivität (Renditeerwartung) für die Arbeitgeberinnen zu erhöhen. Den Personen mit tiefem Lohnniveau hingegen steht diese Option nicht offen, weil durch weitere Lohneinbussen das Existenzminimum nicht mehr garantiert wäre.

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2.2       Strukturalistischer Ansatz

Im Gegensatz zur neoklassischen Theorie, welche das Individuum als einen rationalen, seinen Nutzen maximierenden "homo oekonomicus" betrachtet, wird von den Segmentationstheoretikern das Individuum in einem Geflecht von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und institutionellen Gegebenheiten gesehen, die sein Handeln determinieren. Soziale, institutionelle und rechtliche Barrieren wie auch spezifische Verhaltensweisen von Gruppen von Arbeitskräften werden stärker betont als individualistische Konzepte. Die ursprüngliche Feststellung der Segmentationsansätze besteht darin, dass es aufgrund bestimmter Merkmale (Rasse, Geschlecht, Alter, Qualifikation, soziale Herkunft) zu unterschiedlichen Allokationsprozessen auf dem Arbeitsmarkt kommt, was dazu führt, dass bestimmte Gruppen der Gesellschaft auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft diskriminiert werden.

Die Anhänger der Segmentationstheorie gehen gemäss Szydlik (1990) von der Existenz mehrerer unterschiedlicher Teilarbeitsmärkte innerhalb des Gesamtarbeitsmarktes aus, in denen jeweils spezifische Arbeitnehmergruppen unter spezifischen Bedingungen beschäftigt sind. Der Zugang zu den einzelnen Segmenten ist Arbeitskräften mit bestimmten Merkmalen vorenthalten. Die Einkommenshöhe sowie die Arbeitsbedingungen, die Aufstiegschancen und die Beschäftigungsstabilität divergieren je nach Segmentzugehörigkeit. Die Gefahr, arbeitslos zu werden, ist in den einzelnen Teilarbeitsmärkten unterschiedlich gross. Wer einmal in einem bestimmten Teilarbeitsmarkt eine Tätigkeit aufgenommen hat, wechselt mit weitaus grösserer Wahrscheinlichkeit innerhalb dieses Segments als zwischen den Märkten.  

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2.2.1      Der duale Arbeitsmarkt

Die zentrale Hypothese der dualen Arbeitsmarkttheorie von Doeringer und Piore (Abrahamsen 1986) ist die prinzipielle Gliederung des Arbeitsmarktes in einen primären und in einen sekundären Bereich. Ihrer Meinung nach existiert also kein Gesamtarbeitsmarkt, in dem die Kräfte des Marktes unumschränkt walten können und in dem jeder zu jedem in Konkurrenz steht. Die Mobilität der Arbeitskräfte zwischen diesen beiden Segmenten wird als beschränkt angesehen.

Die Aufspaltung des Gesamtarbeitsmarktes in ein primäres und in ein sekundäres Segment entspricht der Differenzierung zwischen internen und externen Arbeitsmärkten. Der primäre Arbeitsmarkt bietet Arbeitsplätze mit relativ hohen Löhnen, guten Arbeitsbedingungen, geringer Fluktuation, guten Aufstiegschancen und vor allem mit einer stabile Beschäftigung. Er ist im weiteren gemäss Szydlik (1990) in eine obere ("upper") und eine untere ("lower tier") Schicht geteilt. Die obere Schicht des primären Sektors zeichnet sich dabei durch besonders gute Arbeitsbedingungen aus. Die Arbeitnehmer im upper tier des primären Arbeitsmarktes unterscheiden sich von jenen des lower tier insbesondere in ihrem höheren Verdienst, höheren Status, den Beförderungschancen sowie der grösseren Einsatzmöglichkeit von individueller Kreativität und Initiative.

Die Arbeitsplätze im sekundären Markt sind demgegenüber schlecht bezahlt, bieten geringe Aufstiegschancen, fordern niedrige Qualifikationen und sind von rigiden Arbeitsbedingungen sowie von instabiler Beschäftigung geprägt.

Innerhalb der internen Arbeitsmärkte existieren gemäss Doeringer und Piore (Keller und Klein 1994) sogenannte "Einstiegsportale" (ports of entry), die bestimmte qualifikatorische, soziale und ethnische Forderungen an den Arbeitskraftanbieter stellen und den Einstieg in die gegeneinander abgegrenzten und hierarchisch strukturierten Segmente ermöglichen. Diese "ports of entry" zum internen Markt befinden sich nach Szydlik (1990) in der Regel am Fusse einer internen Vakanzkette, so dass Positionen, die oberhalb der Einstiegsportale liegen, mit internen Bewerbern besetzt werden. Freigewordene Arbeitsplätze werden durch Beförderungen oder Umbesetzungen von Arbeitnehmern besetzt, die sich bereits im internen Markt befinden.Vertikale Mobilität erfolgt somit nur durch den sukzessiven Aufstieg innerhalb der Segmente und nicht durch den Wechsel in andere Segmente.

Doeringer und Piore unterscheiden bezüglich der Einstiegsportale (Zutrittsregelung) zwischen offenen und geschlossenen "internen" Arbeitsmärkten. Als offene "interne" Arbeitsmärkte werden all jene Arbeitsmärkte bezeichnet, innerhalb derer alle vorhandenen Positionen von aussen, also vom externen Markt, besetzt werden. Geschlossene "interne" Arbeitsmärkte zeichnen sich dadurch aus, dass auf der untersten Stufe Zutrittsbeschränkungen vorherrschen und innerhalb des hierarchisch strukturierten Arbeitsmarktes ein System von Gratifikations- und Beförderungsmassnahmen existiert.

Im weiteren lässt sich zu den internen Arbeitsmärkten sagen, dass die Anforderungen an das betriebsspezifische Humankapital recht hoch sind, so dass sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer grosse Investitionen in die Entwicklung des betriebsinternen Humankapitals tätigen müssen. Diese Investitionen können sich aber nur lohnen, wenn die Arbeitsbeziehung längerfristig ist.

Der externe Arbeitsmarkt hingegen ist ein Sammelbecken für benachteiligte Gruppen wie beispielsweise ethnische Minderheiten, Jugendliche und teilweise Frauen. Die Arbeitsverhältnisse in externen Märkten sind gemäss Schmid (Schmid 1990/1996) sehr instabil, da die Mentalität des "hire and fire" herrscht. Dies hat zur Folge, dass Arbeitnehmer in diesem Bereich häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Externe Arbeitsmärkte sind nach Nickel (1994) also wesentlich auf Institutionen wie beispielsweise die Arbeitsvermittlung als wichtiges Instrument der Informationsgewinnung angewiesen.

Das von Doeringer und Piore formulierte ursprüngliche Modell ist mit der Zeit differenziert worden. Die vormals angenommene starre Zweiteilung des Arbeitsmarktes wurde überführt in einen Ansatz, der von zyklischen Veränderungen der Arbeitsmarktsegmentierung ausgeht. Es wird nicht mehr auf einer strengen Dualität beharrt, sondern es wird vielmehr als bedeutsam angesehen, dass der Arbeitsmarkt überhaupt in Segmente geteilt ist. Zudem wird festgestellt, dass sich die Art der Segmentierung des Arbeitsmarktes über die Zeit verändert und sich die Segmentgrenzen verschieben.

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2.2.2      Der dreigeteilte Arbeitsmarkt

Der Ansatz von Lutz und Sengenberger (Schmid 1990/1996) geht ebenfalls davon aus, dass es sich beim Arbeitsmarkt nicht um einen Gesamtmarkt handelt, sondern dass dieser sich in Teilbereiche (Segmente) aufgliedern lässt. Sengenberger definiert den Teilarbeitsmarktbegriff wie folgt:

"Im folgenden sei Teilarbeitsmarkt definiert als eine durch bestimmte Merkmale von Arbeitskräften oder Arbeitsplätzen abgegrenzte Struktureinheit des Gesamtarbeitsmarkts, innerhalb der die Allokation, Gratifizierung und Qualifizierung der Arbeitskräfte einer besonderen und mehr oder weniger stark institutionalisierten Regelung unterliegt." (Sengenberger 1975, S. 29)

Lutz und Sengenberger (Szydlik 1990) erklären Arbeitsmarktsegmentation weniger durch eine Dichotomie des Arbeitsmarktes, sondern vorrangig durch eine gegenseitige Bindung von Arbeitnehmer und Arbeitgeberin. Der Arbeitnehmer, der in Humankapital investiert, ist daran interessiert, genau auf demArbeitsplatz beschäftigt zu sein, der ihm die höchsten Erträge aus den vorherigen Investitionen erbringt. Das Interesse der Arbeitgeberin hingegen liegt darin, einen Mitarbeiter, der sich durch eine längere Betriebszugehörigkeit bzw. durch Weiterbildungskurse besondere für seinen Arbeitsplatz notwendige Qualifikationen angeeignet hat, nicht zu verlieren. Die Arbeitgeberin versucht demzufolge den Arbeitnehmer durch ein System von Gratifikationen materieller und immaterieller Art in ihrem Betrieb zu halten.

Die Einschränkung des Zutritts zu den einzelnen Teilarbeitsmärkten geschieht gemäss Sengenberger (1995) durch Zugangskriterien, wie Ausbildungsabschlüsse, Berufserfahrung usw., aufgrund derer die Bewerber selektiert werden. Der Begriff "Qualifikation" wird dabei weit gefasst: die Kriterien beziehen sich sowohl auf fachliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, als auch auf eine Reihe partikularistischer Merkmale, d.h. Eigenschaften der Arbeitnehmer, die nicht unmittelbar mit deren fachlicher Qualifikation zu tun haben. So kann der Zugang zu einem Teilarbeitsmarkt bestimmt sein durch Kriterien wie vergangene Beschäftigungsverhältnisse, Alter, Geschlecht, Nationalität und andere demographische Merkmale der Arbeitnehmer.

Lutz und Sengenberger unterscheiden Qualifikationen bezüglich ihrer Spezifität, wobei sie zwischen "betriebsspezifischen", "fachspezifischen" und "unspezifischen" Qualifikationen unterscheiden. Aufgrund dieser Differenzierung entwickelten sie drei idealtypische Arbeitsmärkte: der "Jedermannsarbeitsmarkt", der "Berufsfachliche Arbeitsmarkt", der "Betriebliche Arbeitsmarkt".

2.2.2.1    Der "Jedermannsarbeitsmarkt"

Der "Jedermannsarbeitsmarkt" gilt für unspezifische Qualifikationen, die Sengenberger folgendermassen definiert:

"Unspezifische (generelle) Qualifikationen seien definiert als solche, die nicht für bestimmte Beschäftigungsbereiche, wie Branchen, Berufe, Betriebe, Arbeitsplätze etc. spezifisch, d.h. nur in diesen Bereichen produktiv sind, sondern ohne Produktivitätsverlust zwischen solchen Einheiten transferiert werden können." (Sengenberger 1975, S. 61)

Unstrukturierte Arbeitsmärkte zeichnen sich gemäss Abrahamsen (1986) idealtypisch dadurch aus, dass zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberin keine Bindung besteht. Die Tätigkeiten in diesem Segment sind so einfach, dass keine Einarbeitungskosten notwendig sind. Das bedeutet, dass die wenigen Fähigkeiten, die ein Arbeitnehmer für seine Arbeit braucht, direkt vor Ort vermittelt werden (Beispiel: Fliessband-Tätigkeit). Es bedarf also keines Qualifizierungsaufwands am neuen Arbeitsplatz, womit ein wesentliches Mobilitätshemmnis entfällt. Da die Kosten eines Stellenwechsels gering sind, sind die Fluktuationen auf dem "Jedermannsarbeitsmarkt" hoch. Die Arbeitgeberin kann den Arbeitnehmer ohne weitere Investitionen in sein berufliches Humankapital einstellen und ohne den Verlust von bereits investiertem Humankapital entlassen bzw. austauschen. Andererseits ist auch der Arbeitnehmer an keinen bestimmten Arbeitgeber gebunden. Auf dem "Jedermannsarbeitsmarkt" herrscht das klassische Wettbewerbsmodell. Die Allokation der Arbeitskräfte erfolgt über den Verdienst, d.h. der Arbeitnehmer wechselt im Idealfall sofort seine Arbeitsstelle, wenn er woanders mehr verdienen kann.

Die Löhne im "Jedermannsarbeitsmarkt" sind tief und die Aufstiegsmöglichkeiten zu den anderen Teilarbeitsmärkten gering. Arbeitslosigkeit ist gemäss Schmid (1990) relativ häufig. Auf solchen Märkten treten vorwiegend Hausfrauen ohne Berufsausbildung, unqualifizierte ausländische Arbeitskräfte sowie Arbeitnehmer in extremen Lebenslagen auf. Das Gemeinsame bei dieser Arbeitskräftegruppe ist nach Sengenberger (1975), dass die früheren Beschäftigungsperioden an einem bestimmten Einsatzort meistens kurz sind, und demzufolge die Arbeitgeber nicht bereit sind, grössere Ausbildungsinvestitionen in diese Arbeitskräfte zu tätigen.

2.2.2.2    Der "Berufsfachliche Arbeitsmarkt"

Der "Berufsfachliche Arbeitsmarkt" umfasst gemäss Sengenberger (Schmid 1990/1996) berufsbezogene Qualifikationen, die für eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Beruf spezifisch sind, nicht aber für einen bestimmten Betrieb. Es besteht eine Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberin. Diese Bindung ist jedoch nicht auf die jeweilige Person bezogen, sondern auf eine standardisierte Qualifikation, die für den Arbeitsplatz notwendig ist.

Die Arbeitskräfte auf diesen Märkten weisen nach Schmid eine homogene Qualifikation auf. Sie haben das sogenannte duale Bildungssystem durchlaufen, was bedeutet, dass sie als Lehrlinge in einem Betrieb ausgebildet wurden und berufsbegleitend eine schulische Ausbildung genossen haben. Das duale Bildungssystem betrifft vor allem handwerkliche, technische und kaufmännische Berufe. Die betreffende schulische Ausbildung ist überbetrieblich, so dass es den Arbeitnehmern später leichter fällt, innerhalb ihrer Branche die Stelle zu wechseln. Auch die Rekrutierung wird erleichtert, da die Arbeitnehmer aufgrund des standardisierten Ausbildungsgangs einen allgemeinen Qualifikationsausweis mit sich bringen, der dem Arbeitgeber über ihre fachliche Qualifikation Aufschluss gibt. Der Ausbildungsabschluss gilt als Eintrittskarte für das betriebsfachliche Segment. Somit entfällt grösstenteils der Aufwand, der sonst nötig wäre, um die Eignung des Bewerbers zu ermitteln. Die zwischenbetriebliche Transferierbarkeit der Qualifikation erlaubt gemäss Sengenberger (1975) der Arbeitgeberin zudem, die Arbeitskraft sofort einzusetzen, ohne dass betriebsspezifische Qualifizierungsprozesse notwendig werden. Die Arbeitnehmer werden in keiner Weise an den Einzelbetrieb gebunden, weder durch Erwerb betriebsspezifischer Qualifikation noch durch betriebsspezifische Gratifikationen.

Nach Szydlik (1990) handelt es sich um Arbeitsplätze, die nicht von "jedermann" besetzt werden können, da die Arbeitgeberin einen Arbeitnehmer mit einer bestimmten Qualifikation benötigt, jedoch keinen bestimmten Arbeitnehmer. Umgekehrt kann der Arbeitnehmer seine spezifische Qualifikation nur für einen bestimmten Arbeitsplatztypus anbieten, kann aber innerhalb dieser Vorgabe weiterhin wählen, ohne auf die Nutzung bisher erworbenen Humankapitals verzichten zu müssen.

Folglich herrscht nach Abrahamsen (1986) innerhalb des jeweiligen fachlichen Segments hohe potentielle zwischenbetriebliche Mobilität und Flexibilität. Dies wiederum hat gemäss Sengenberger (1975) zur Folge, dass eine Arbeitgeberin nicht bereit ist, die Kosten für die Qualifikation zu tragen, da das Risiko eines Kapitalverlustes zu hoch ist. Die Ausbildung wird also grösstenteils durch den Arbeitnehmer selbst finanziert.

2.2.2.3    Der "Betriebliche Arbeitsmarkt"

Der "Betriebliche Arbeitsmarkt" ist gemäss Schmid (1990/1996) von einer wechselseitigen Abhängigkeit von Arbeitnehmer und Arbeitgeberin gekennzeichnet. Im Mittelpunkt dieses Abhängigkeitsverhältnisses steht die besondere Humankapitalausstattung eines bestimmten Arbeitnehmers. Dieser Arbeitnehmer ist nicht frei austauschbar, da er bestimmte Qualifikationen erworben hat, die nicht einfach substituierbar sind. Dies liegt vor allem an den besonderen Anforderungen, die der Arbeitsplatz stellt. Es handelt sich hierbei um Tätigkeiten, die eine längere Einarbeitungszeit, besondere Kurse, oder sogar eine langjährige Tätigkeit auf benachbarten Arbeitsplätzen innerhalb des Betriebes voraussetzen. Gefordert sind also vorwiegend betriebsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten. Die zwischenbetriebliche Mobilität ist reduziert, da diese Qualifikationen in konkurrierenden Betrieben nicht verwertbar sind. Die Unternehmen haben ein Interesse daran, die qualifizierten Mitarbeiter dauerhaft an sich zu binden, weil ein zwischenbetrieblicher Arbeitsplatzwechsel mit hohen Kosten verbunden wäre und die Investition der Unternehmen in das betriebsspezifische Humankapital der Mitarbeiter bei einer starken Fluktuation vergebens wäre. Bei der Einstellung von Arbeitnehmern spielt also die erwartete Beschäftigungsdauer eine entscheidende Rolle. Daher werden nach Sengenberger (1975) jüngere, verheiratete, männliche, einheimische Arbeitnehmer gegenüber älteren, familiär ungebundenen, weiblichen und ausländischen Arbeitskräften privilegiert. Um die Arbeitnehmer an sich zu binden, werden zudem die Kosten des Abgangs vom Teilarbeitsmarkt erhöht. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass die Arbeitnehmer selbst an den Kosten der Investition und über eine längere Zeit auch an deren Erträgen beteiligt werden, so dass das Interesse am Verbleib im Betrieb geweckt wird. Ein weitere Möglichkeit besteht darin, dass dem Arbeitnehmer für die Zukunft Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb in Aussicht gestellt werden. Schliesslich können auch betriebsspezifische Sozialleistungen die Betriebsbindung des Beschäftigten verstärken. Die Arbeitsplatzhierarchie innerhalb eines Betriebes wird gemäss Abrahamsen (1986) derart gebildet, dass sich die Qualifikationsanforderungen der vertikal aufeinander folgenden Arbeitsplätze überlappen. Dies hat zur Folge, dass die Kosten eines Arbeitsplatzwechsels innerhalb eines Betriebes niedrig gehalten und Ausbildungsinvestitionen durch Methoden des "training-on-the-job" reduziert werden können. Nach Sengenberger (1975) hat diese Methode den Vorteil, dass keine "Ueberschussqualifikationen" erzeugt werden, da das Anlernen fast vollkommen auf die engen Qualifikationsanforderungen des Arbeitsplatzes zugeschnitten werden kann. Bei externer Rekrutierung von Qualifikationen ist es hingegen selten möglich, "massgeschneiderte" Qualifikation zu erwerben.

Für Sengenberger gilt generell, dass dem Arbeitnehmer um so mehr Sicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten geboten werden, je mehr Qualifikation in ihn investiert wurde und je grösser der Einsatzbereich dieser Qualifikation innerhalb des Betriebes ist. Der Grund dafür ist, dass für einen Betrieb der Verlust um so grösser wäre, wenn ein qualifizierter Arbeitnehmer ausscheiden würde. Dieser potentielle Verlust der Investitionsrendite gewährt also einen gewissen Schutz vor Entlassung: derjenige Arbeitnehmer, in den am meisten investiert wurde, wird am letzten entlassen. Folglich ist zu erwarten, dass jungen Arbeitnehmern, die zuletzt in den betrieblichen Teilarbeitsmarkt getreten sind, am ehesten gekündigt wird. Hat ein Arbeitnehmer jedoch einmal Fuss gefasst und spezifische Qualifikationen erworben, so steigt die Integration in den Betrieb und die Fluktuationsneigung fällt entsprechend. Daraus resultieren auf Betriebszugehörigkeit basierende Senioritätsprinzipien. Der betriebliche Arbeitsmarkt bietet somit seinen Angehörigen eine Privilegierung gegenüber aussenstehenden Konkurrenten. Diese Abhängigkeit der Beschäftigungschancen von einer einzelnen Arbeitgeberin bedeutet auch erhöhte Risiken für den Arbeitnehmer, vor allem dann, wenn er aus dem betrieblichen Teilarbeitsmarkt herausfällt und gezwungen ist, sich mit dem betriebsunspezifischen Teil seiner Gesamtqualifikation auf anderen Teilarbeitsmärkten zu verkaufen. Je mehr betriebsspezifisches Humankapital in ein Arbeitnehmer investiert wurde, desto mehr erleidet dieser gemäss Sengenberger Einbussen an Beschäftigungs- und Gratifikationschancen.

Im betrieblichen Arbeitsmarkt werden also nach Szydlik (1990) vor allem Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit erwartet. Es werden vorwiegend Männer und Inländer gewünscht, weil diesen von Arbeitgeberseite eher Zuverlässigkeit und Loyalität zugemessen wird, aber auch, weil sie im allgemeinen über eine höhere Qualifikation verfügen.

Frauen, Jugendliche, ältere Arbeitnehmer, Behinderte, Ausländer usw. haben es gemäss Biller (1989) viel schwieriger, im betrieblichen Arbeitsmarkt einen Platz zu finden, da diesen Gruppen eine arbeitsmarkt-externe Alternativrolle zugeschrieben wird. So wird beispielsweise Ausländern eine Abwanderung vom inländischen Markt, Frauen eine Mutterschaft und älteren Arbeitnehmern eine vorzeitige Pensionierung antizipiert. Die nach einzelwirtschaftlichen Rationalitätskalkülen operierenden Unternehmen rekrutieren solche Personengruppen, bei denen wegen des Vorhandenseins einer Alternativrolle ein grösseres Abwanderungsrisiko antizipiert wird, folglich nur für kurzfristig wiederbesetzbare, also unqualifizierte Arbeitsplätze und nicht für sichere, gut bezahlte.

Hypothese 16:     Strukturelle Merkmale (Segment- bzw. Branchenzugehörigkeit) haben einen bedeutenden Einfluss auf den Sucherfolg.

Inhalt

2.3       Die Arbeitsuche

2.3.1      Die Terminologie

Bevor wir uns den Stellensuchenden bzw. den Gruppen widmen, denen die Stellensu­chenden während der Arbeitsuche angehören, möchten wir Klarheit in bezug auf die Terminologie schaffen. Dafür scheint uns das folgende dem Statistischen Jahrbuch der Schweiz (Vgl. Statistisches Jahrbuch der Schweiz 1998) entnommene Schema geeignet (siehe Abbildung 1):

Abbildung1: Terminologie im Bereich des Erwerbslebens

 

Legende: Die Angaben über die Anzahl der Personen sind nicht in der Originalgrafik enthalten. Sie stammen aus verschiedenen statistischen Tabellen derselben Quelle. Ausser bei der Anzahl der Beschäftigten beziehen sich die Zahlen auf das Jahr 1996 (Vgl. Statistisches Jahrbuch der Schweiz 1998).

Als potentiell erwerbstätig kann die gesamte Bevölkerung über 15 Jahren bezeichnet werden, wovon 1996 in der Schweiz rund 68% Erwerbspersonenwaren. Die restlichen 32% werden als Nichterwerbspersonen bezeichnet. Diese dürften sich hauptsächlich aus Pensionierten, Schülern und Hausfrauen zusammensetzen, die nicht auf ein eigenes Erwerbseinkommen angewiesen sind. Bei den Erwerbspersonen handelt es sich in erster Linie um Erwerbstätige, die während mindestens einer Stunde pro Woche einer bezahlten Arbeit nachgehen oder unentgeltlich in einem Familienbetrieb tätig sind.

Die Erwerbslosen machen mit lediglich 3,7% der Erwerbspersonen einen vergleichsweise kleinen Anteil aus. Gemäss internationaler Norm werden nur diejenigen als Erwerbslose bezeichnet, die

·       in der Referenzwoche nicht erwerbstätig waren,

·       in den vorangehenden vier Wochen eine Arbeit gesucht haben und

·       innerhalb der nächsten vier Wochen mit einer Tätigkeit beginnen könnten.

Die Erwerbslosenzahl stimmt deshalb nicht mit der Arbeitslosenzahl überein, weil neben den Erwerbslosen auch Teilzeiterwerbstätige und Nichterwerbstätige beim kantonalen Arbeitsamt eingeschrieben sind. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (Vgl. BIGA 1997b) gelten diejenigen Personen als arbeitslos, die bei einem Arbeitsamt registriert, ohne Arbeit und sofort vermittelbar sind. Dabei ist unwesentlich, ob solche Personen einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben oder nicht. Ausgesteuerte Stellensuchende können beispielsweise weiterhin die Dienste der öffentlichen Arbeitsvermittlung in Anspruch nehmen und gehen, falls sie sofort vermittelbar sind, auch in die Arbeitslosenstatistik ein.

Neben der soeben beschriebenen personenorientierten Statistik gibt es auch eine stellenorientierte Statistik, bei der nicht die Anzahl der Erwerbstätigen, sondern die Anzahl der besetzten Stellen (inklusive denjenigen der Selbständigerwerbenden) gezählt werden. Da die so ermittelte Anzahl der Beschäftigten auch Mehrfachbeschäftigungen von einzelnen Personen enthält, ergibt sich eine Differenz zwischen der Anzahl der Beschäftigten und den Erwerbstätigen. Bei der Anzahl der offenen Stellen muss zwischen der tatsächlichen Anzahl der offenen Stellen und derjenigen, die dem Arbeitsamt gemeldetist, unterschieden werden. Offene Stellen bleiben in der Regel nur gerade 2 Monate erfasst und werden anschliessend ohne anderslautende Vereinbarung zwischen dem Arbeitsamt und der jeweiligen Arbeitgeberin gelöscht. Gemäss einer vom BIGA in Auftrag gegebenen Studie (Vgl. BIGA 1994) werden nur rund 5% aller offenen Stellen dem Arbeitsamt gemeldet, so dass die tatsächliche Anzahl der offenen Stellen im Jahre 1996 um die 100'000 betragen haben dürfte.

Inhalt

2.3.2      Dynamisches Modell der Erwerbstätigkeit

Das besprochene Schema zeigt zwar sehr schön die statischen Verhältnisse, die in unserer Gesellschaft bezüglich der Erwerbstätigkeit bestehen, vermag jedoch kaum der grossen Dynamik des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Schätzungen zufolge wechseln auf dem Arbeitsmarkt pro Jahr zwischen 12% und 16% der Erwerbstätigen die Stelle oder treten in den Arbeitsmarkt ein bzw. aus (Vgl. Marelli 1985). Die so ermittelte "Fluktuationsrate" unterschätzt die Dynamik aber massgeblich, da sie all jene Stellenwechsel nicht berücksichtigt, die nahtlos, d.h. ohne dazwischenliegende Arbeitslosigkeit von einer Stelle zur anderen führen. Eine neuere Studie vom BWA geht davon aus, dass rund ein Viertel aller Arbeitsstellen, d.h. 900'000 jährlich neu besetzt werden (Vgl. BIGA 1994). Eine adäquate Darstellung der Situation muss sowohl dieser hohen internen Fluktuation bei den Erwerbstätigen als auch der Dynamik des Arbeitsmarktes im allgemeinen Rechnung tragen. Das folgende Schema (Abbildung 2), dem die momentane Situation (bzw. Status) der Stellensuchenden als Gliederungskriterium zugrunde liegt, vermag unseres Erachtens diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Abbildung 2: Überblick über die verschiedenen Gruppen des Arbeitsmarktes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen:

*          : Vgl. BFS (1998)

**         : Vgl. BIGA (1997a)

***        : Vgl. BIGA (1997b)

****       : Vgl. Aeppli (1998)

Legende: Die Dicke der ausgefüllten Pfeile gibt ungefähr etwa an, wievielen Stellensuchenden der Übertritt in den Pool der Erwerbstätigen gelingt. Bei den Angaben über die Anzahl Personen, die pro Jahr von einer zur anderen Gruppe übertreten, sind uns leider nur die eingetragenen Werte bekannt. Die Angaben beziehen sich auf das Jahr 1996.

Grundsätzlich muss zwischen sechs Gruppen von Stellensuchenden unterschieden werden:

·       Erwerbstätige: Die zahlenmässig wohl grösste Gruppe wird aus denjenigen Personen gebildet, die zwar noch eine Stelle haben, jedoch nach einer neuen Ausschau halten. Dazu müssen auch all jene gezählt werden, denen es nach erfolgter Kündigung gelingt, noch während der Kündigungsfrist eine neue Stelle zu finden und damit verhindern können, arbeitslos bzw. erwerbslos zu werden.

·       Arbeitslose: Im Gegensatz zu den Erwerbstätigen gelingt der zweitgrössten Gruppe der nahtlose Stellenwechsel oder der (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben nicht, so dass sie einen unfreiwilligen Unterbruch als "Arbeitslose" in Kauf nehmen müssen.

·       In Ausbildung: Die Gruppe derjenigen, die in einer Aus- oder Weiterbildung sind, kann als wichtigstes Reservoir des Arbeitsmarktes bezeichnet werden. In der Regel handelt es sich dabei um junge, gut ausgebildete Personen mit wenig praktischer Erfahrung, die bald auf den Arbeitsmarkt drängen. Gelingt ihnen nach abgeschlossener Aus- oder Weiterbildung der nahtlose Einstieg nicht, so wechseln sie entweder in die Gruppe der "Arbeitslosen" oder legen eine mehr oder weniger freiwillige Pause ein. Allein aufgrund der Bevölkerungsverteilung kann geschätzt werden, dass jährlich mindestens 80'000 Personen aus dieser Gruppe in den Arbeitsmarkt diffundieren.

·       Pausierende: Die Mitglieder der von uns als "Pausierende" bezeichneten Gruppe legen in der Regel eine mehr oder weniger freiwillige Erwerbspause ein, um sich einer der folgenden Tätigkeiten zu widmen:

-         Sie leisten unentlöhnte Sozialarbeit zu Hause (z.B. in Form von Kinder- oder Altenbetreuung). Dazu ist zu bemerken, dass sich in dieser Gruppe auch diejenigen befinden, die aus Resignation keine Stelle mehr suchen und bei einem entsprechenden Stellenangebot wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen würden.

-         Sie unternehmen Reisen ins Ausland (z.B. zur Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse oder zur Erweiterung des kulturellen Horizonts) oder gewähren sich eine Erwerbspause, um eine Standortbestimmung durchzuführen oder um sich zu regenerieren.

-         Sie müssen ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von körperlicher oder seelischer Arbeitsunfähigkeit für eine gewisse Zeit aufgeben. Bei ihnen besteht jedoch später die Möglichkeit, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Zurück in die Erwerbstätigkeit gelangen Mitglieder der Pausierenden entweder direkt, d.h. ohne den Umweg über das Arbeitsamt oder indirekt, nachdem sie einige Zeit Arbeitslosengelder bezogen haben.

·       Ausgesteuerte: Hat ein Bezüger von Arbeitslosenentschädigung die Höchstzahl an Taggeldern ausgeschöpft oder ist seine Rahmenfrist von zwei Jahren abgelaufen, so wird er als "Ausgesteuerter" bezeichnet, was jedoch nicht heisst, dass er keine Stelle mehr sucht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass sein Lebensunterhalt nicht mehr durch die Arbeitslosenkasse, sondern durch die Sozialfürsorge oder die eigenen Reserven finanziert wird. Ausgesteuerte Personen können weiterhin bei den öffentlichen Arbeitsvermittlungszentren registriert bleiben (gehen demzufolge noch in die Arbeitslosenstatistik ein) und auf diesem oder einem anderen Wege eine Stelle suchen.

·       Pensionierte: Obwohl in der Gruppe der Pensionierten nur gerade 9% erwerbstätig sind, können auch hier Stellensuchende geortet werden. Da die Rente den Lebensunterhalt der Mitglieder dieser Gruppe in den meisten Fällen sichert, kann angenommen werden, dass sie nicht sehr intensiv nach einer Arbeitsstelle suchen. (Die Anzahl der pro Jahr pensionierten Personen (=60'000) entspricht einer auf der Bevölkerungsverteilung basierenden Schätzung).

Zu erwähnen ist schliesslich, dass in der Praxis die Trennlinien zwischen den einzelnen Gruppen nicht so scharf wie im obigen Schema gezogen werden können. Zum einen gibt es immer mehr Menschen, die ihre Aus- und Weiterbildung durch einen Teilzeitjob finanzieren und damit sowohl bei den Erwerbstätigen als auch bei den Nichterwerbstätigen (In Ausbildung, Pausierende) ein Standbein haben und zum anderen gibt es bei den Arbeitslosen und Ausgesteuerten mittlerweile viele, die nur für sehr kurze Zeit erwerbstätig sind und damit nicht eindeutig einer einzigen Gruppe zugeordnet werden können.

Als nächstes möchten wir uns vertieft mit den aus gesellschaftlicher Sicht "problematischsten", d.h. den Arbeitslosen und Ausgesteuerten, auseinandersetzen.

Inhalt

2.3.3      Die arbeitslosen und ausgesteuerten Stellensuchenden

Die mit Sicherheit bestuntersuchte Gruppe unter den Stellensuchenden sind die Arbeitslosen und Ausgesteuerten. Im Vergleich zu den anderen Stellensuchenden belasten diese die Arbeitslosenkasse bzw. die Sozialfürsorge der Gemeinden, so dass ein öffentliches Interesse besteht, die Suchzeit dieser beiden Gruppen durch verschiedene Massnahmen möglichst kurz zu halten.

Es kann angenommen werden, dass sowohl Arbeitslose als auch Ausgesteuerte sehr intensiv nach einer Stelle suchen. Gründe für die hohe Intensität der Stellensuche sind:

·       das verminderte Einkommen,

·       die gesellschaftliche Stigmatisierung durch den Status "arbeitslos",

·       das Bedürfnis nach Integration in die Gesellschaft durch die Teilnahme am wirtschaftlichen Werterbringungsprozess,

·       das Bedürfnis nach Bestätigung und Anerkennung im Beruf und

·       ein hohes Mass an verfügbarer Zeit.

Und tatsächlich findet in diesen beiden Gruppen auch eine beträchtliche Fluktuation statt. Bei den Arbeitslosen standen im Jahre 1996 den insgesamt 254'000 Zugängen bzw. 202'000 Abgängen nur gerade ein Bestand von 169'000 gegenüber (Vgl. BIGA 1997a). Im selben Jahr waren zudem "nur" gerade 26% aller Arbeitslosen länger als 12 Monate arbeitslos. Ähnlich sieht die Situation auch bei den Ausgesteuerten aus, wo der Bestand zwar nicht bekannt ist, eine empirische Untersuchung vom März 1997 (mit Ausgesteuerten der Jahre 1995/96) aber aufzeigt, dass rund 75% - und damit ein relativ hoher Anteil der Ausgesteuerten - wieder den Weg in die Erwerbstätigkeit geschafft hat (fast die Hälfte davon war jedoch zum Zeitpunkt der Befragung schon wieder arbeitslos) (Vgl. Aeppli 1998).

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2.3.4      Suchmethoden

Ein entscheidender Bestandteil des Verhaltens von Stellensuchenden ist die Wahl der Suchstrategie, sprich des Informationskanals. Deshalb möchten wir in einem weiteren Schritt die verschiedenen Suchstrategien darlegen.

Barron/Gilley (1981) differenzieren zwischen drei Suchstrategien (Vgl. Marelli 1985):

·       Zufallsstrategie

·       Selbstgesteuerte Suchstrategie

·       Indirekte Suchstrategie

Bei der Zufallssuche kontaktiert der Stellensuchende irgendeine Firma, die er aus der Gesamtheit sämtlicher Firmen ausgewählt hat. Anschliessend geht es darum herauszufinden, ob eine Vakanz besteht und wenn ja, ob diese für ihn in Frage kommt. Dazu muss der Stellensuchende weitere Informationen besorgen.

Zur selbstgesteuerten Strategie zählen Suchmethoden wie die Beantwortung von Zeitungsinseraten, Plazierung eines eigenen Inserates oder die Benutzung von persönlichen Kontakten zu Bekannten und Verwandten. Im Vergleich zur Zufallssuche braucht es bei der selbstgesteuerten Suchstrategie weniger Zeit, eine Vakanz zu finden, da beispielsweise bei einem Zeitungsinserat eine Vakanz bereits signalisiert wird. Ein weiterer Unterschied gegenüber der Zufallssuche besteht darin, dass sich die Suche nicht über die Gesamtheit aller Firmen erstreckt, sondern auf ein selektives Angebot beschränkt ist (z.B. auf das einer Zeitung). Insgesamt fällt also der Zeitbedarf pro Suchschritt bei der selbstgesteuerten Strategie geringer aus als bei der Zufallssuche.

Die Arbeitsuche über Bekannte und Verwandte ist von besonderer Bedeutung. Diese Suchtechnik ist sowohl für die Arbeitsanbieterinnen als auch für die Arbeitsnachfrager von Vorteil, da die Suchkosten erheblich reduziert werden. Zudem erhalten die Arbeitsnachfrager bessere Informationen über ihren zukünftigen Arbeitsplatz, so dass die Integration in das neue Beschäftigungsverhältnis leichter fällt. Für die Arbeitgeberinnen gilt, dass sich die Unsicherheit im Auswahlprozess dank Empfehlungen durch Beschäftigte, mit denen die Arbeitgeberin zufrieden ist, reduziert.

Bei der indirekten Suchstrategie werden Institutionen der öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlung genutzt. Die Vermittlungsinstitution vergleicht die Angaben des Stellensuchenden mit den ihr bekannten offenen Stellen. Anschliessend trifft sie, falls eine Übereinstimmung vorhanden ist, eine Vorselektion und führt die potentiellen Vertragspartner (Stellensuchender und Arbeitgeberin) zusammen. Die Suche nach einer offenen Stelle fällt also für den Arbeitsuchenden weg. Der Stellensuchende ist nur beim Vorstellungsgespräch und beim Entscheid, die Stelle anzunehmen oder nicht, in den Suchprozess involviert. Somit fällt die erforderliche Zeit für einen Suchschritt bei der indirekten Strategie kürzer aus als bei der selbstgesteuerten. Bei indirekten Suchstrategie ist jedoch nicht zu vergessen, dass die Vermittlungsorganisation nur über ein selektives Angebot an offenen Stellen verfügt und dass das Verhältnis zwischen der Anzahl offener Stellen und den Stellensuchenden in der Kartei der Vermittlungsinstitution von Bedeutung ist. Schliesslich ist auch die Qualität der Auswahl wichtig - das sogenannte "matching" - das vom Vermittlungspersonal vorgenommen wird.

Da wir uns in unserer Arbeit ausschliesslich auf die indirekte Suchstrategie konzentrieren, möchten wir im anschliessenden Kapitel die Bedeutung der Arbeitsvermittlung hervorheben.

Inhalt

2.4       Die Arbeitsvermittlung in der Schweiz

2.4.1      Die Bedeutung der Arbeitsvermittlung bei der Stellensuche

Der Gang zu einem öffentlichen bzw. einem privaten Stellenvermittlungsbüro stellt also - wie wir bereits gesehen haben - nur eine von mehreren Arten der Stellensuche dar. Welche Bedeutung den einzelnen Suchmethoden zukommt, kann anhand einer empirischen Untersuchung von Marelli für die Schweiz aus dem Jahre 1985 abgeschätzt werden (Vgl. Marelli 1985). Siehe dazu Tabelle 1:

Tabelle1: Benutzte Suchmethoden und Anteil der Bewerbungen pro Suchmethode

Suchmethoden

Suchmethode benutzt (Anteil)

Anteil Bewerbungen

Inserate lesen

87%

29%

Zum Arbeitsamt gehen (öffentliche Stellenvermittlung)

61%

8%

Private Stellenvermittlung benutzen

48%

15%

Bekannte und Verwandte fragen

37%

8%

Zufallssuche/Selbstbewerbung

32%

30%

Eigene Anzeigen aufgeben

16%

10%

Total

*)

100%

Quelle: Marelli (1985). Da Stellensuchende jeweils mehr als eine Suchmethode benützen können, ergibt die Summe hier mehr als 100%. Dies bedeutet aber auch, dass die beiden Kolonnen nur bezüglich ihrer Reihenfolge und nicht bezüglich der Prozentzahlen verglichen werden dürfen.

Die Prozentzahlen in der Kolonne "Suchmethode benutzt" zeigen auf, dass der weitaus grösste Teil der Stellensuchenden, Zeitungsinserate konsultieren. Daneben werden aber auch die öffentlichen (61%) und die privaten Stellenvermittlungsbüros (48%) relativ häufig zur Stellensuche benutzt.

In bezug auf das Ausmass der Inanspruchnahme der verschiedenen Suchmethoden gibt die Kolonne "Anteil der Bewerbungen" einen Anhaltspunkt. Demnach führt vor allem das Lesen von Zeitungsinseraten und die Zufallssuche zu konkreten Bewerbungen. Die öffentliche und die private Stellenvermittlung treten demgegenüber eher in den Hintergrund. Hier gilt es zu beachten, dass besonders der Anteil der Bewerbungen bei der öffentlichen Stellenvermittlung in hohem Masse von der jeweiligen Situation auf dem Arbeitsmarkt abhängig ist (Vgl. Rehbinder 1992).

Eine weitere Möglichkeit, den Stellenwert der öffentlichen und der privaten Arbeitsvermittlung auf dem Arbeitsmarkt zu ermitteln, besteht darin, die während einem Jahr erfolgten Stellenneubesetzungen zu betrachten. Darüber gibt die Tabelle 2 Auskunft.

Tabelle2: Art der Stellenneubesetzung in der Schweiz (Vgl. Rehbinder 1992)

Art der Besetzung

Anzahl NB

Anteil 1

Anteil 2

Neubesetzungen insgesamt (Schätzung)

500'000

100%

 

Neubesetzungen über private und öffentliche Stellenvermittlung

100'000

20%

100%

Neubesetzungen über private Arbeitsvermittlung

80'000

16%

80%

Neubesetzungen über öffentliche Arbeitsvermittlung

20'000

4%

20%

Neubesetzungen durch Eigeninitiative

400'000

80%

 

Gemäss Tabelle 2 laufen in der Schweiz etwa 20% aller Neubesetzungen entweder über die öffentliche oder über eine private Stellenvermittlung. Von diesen insgesamt 100'000 Neubesetzungen wurden ungefähr 80'000 über eines der privaten Stellenvermittlungsbüros und ungefähr 20'000 Stellen durch die öffentliche Arbeitsvermittlung vermittelt. Zu bemerken ist, dass die Zahl derjenigen Neubesetzungen, die über ein privates Stellenvermittlungsbüro zustande kam, mit Sicherheit noch grösser ist, da einerseits die Vermittlungen im Künstler-, Musiker und Fotomodellbereich (rund 50000/Jahr) und andererseits die Vermittlungen im Temporärstellenbereich (rund 60000/Jahr) nicht in den Zahlen von Tabelle 2 berücksichtigt sind.

Der relative Anteil der öffentlichen Arbeitsvermittlung an den gesamten Neuvermittlungen betrug demnach lediglich 4% (siehe Anteil 1). Betrachtet man jedoch ihren relativen Anteil am "Vermittlungskuchen" (siehe Anteil 2), so wurden immerhin 20% aller Vermittlungen über die öffentliche Arbeitsvermittlung getätigt. Dabei ist zu erwähnen, dass ein quantitativer Vergleich privater und öffentlicher Arbeitsvermittlung immer im Bewusstsein ihrer unterschiedlichen Funktion - die öffentliche Arbeitsvermittlung vermittelt vorwiegend arbeitslose Stellensuchende - gesehen werden muss.

Die Bedeutung der Arbeitsvermittlung hängt hauptsächlich von der relativ grossen Wahrscheinlichkeit eines Sucherfolgs, der kurzen Suchzeit und den niedrigen Kosten der Vermittlungsinstitution im Vergleich zu anderen Informationskanälen ab.

Inhalt

2.4.2      Die verschiedenen Formen

Wie wir dem oben beschriebenen Entwicklungspfad der schweizerischen Arbeitsvermittlung entnehmen können, kennt die Schweiz eine grosse Vielfalt verschiedener Formen von "Arbeitsvermittlung". Abbildung 3 gibt diesbezüglich einen ersten Überblick.

Abbildung 3: Die verschiedenen Formen der Arbeitsvermittlung in der Schweiz (Vgl. Ritter 1994)

Institut der Arbeitsvermittlung

Institut des Personalverleihs

Private AV

Öffentliche AV

 

·         Gewerbsmässige Arbeitsvermittlung

-          "Ordentliche" Stellenvermittlung**

-          Executive Search**

-          Headhunter** (Direktansprache)

-          Künstlervermittlung**

-          Stellenvermittlung über Internet**

-          Personalberatung*

-          Karriereberatung*

-          Kaderselektion*

-          Organisations- od. Unternehmensberatung*

-          Outplacement

-          Personaldienst einer Unternehmung (juristisch unselbständig)

-          AV von Bildungsinstitutionen (Vermittlung nur von eigenen Absolventen)

-          Eins-zu–eins-Vermittlung von Langzeitarbeitslosen (Maatwerk)

·         AV durch gemeinnützige Organisationen***

·         AV durch berufliche Organisationen***

·         Vermittlung durch RAV

(Regionale Arbeitsvermittlungszentren)

·         Temporärarbeit

-          Normale Temporärarbeit ****

-          Try&Hire ****

·         Leiharbeit ****

(diese wurde früher als unechte Leiharbeit od. Regiearbeit bezeichnet)

·         Gelegentliches Überlassen von Arbeitnehmern an Einsatzbetriebe

*: Bewilligung zur Arbeitsvermittlung nur in gewissen Fällen notwendig

**: Bewilligung zur Arbeitsvermittlung in jedem Fall notwendig

***: Bewilligung zur Arbeitsvermittlung notwendig, aber mit bestimmten Erleichterungen (siehe AVG 3 IV)

****: Bewilligung zum Personalverleih notwendig

Nach der Gesetzgebung von 1991 lässt sich die schweizerische Arbeitsvermittlung grob in das Institut der Arbeitsvermittlung und das Institut des Personalverleihs gliedern. Das Institut der Arbeitsvermittlung wird wiederum weiter aufgeteilt in die private und die öffentliche Arbeitsvermittlung. Im Unterschied zur privaten Arbeitsvermittlung, wo sich eine Vielzahl verschiedener Formen der Vermittlung gebildet hat, wird die öffentliche Arbeitsvermittlung einheitlich durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) durchgeführt.

2.4.2.1    Die private Arbeitsvermittlung

Bei der privaten Arbeitsvermittlung können drei Subkategorien unterschieden werden. Es sind dies:

·       die gewerbsmässige Arbeitsvermittlung (wie z.B. Adecco, Manpower, Newjob 2000 usw.),

·       die Arbeitsvermittlung durch gemeinnützige Organisationen (oft handelt es sich dabei um kirchliche Institutionen)

·       die Arbeitsvermittlung durch berufliche Organisationen (deren bekannteste Vertreterinnen sind die Stellenvermittlung des Schweizerischen Kaufmännischen Verbands SKV, die Schweizerische Techniker-Stellenvermittlung und der Schweizerische Facharbeitsnachweis für Musiker SFM)

Wie schon angetönt, sind bei der gewerbsmässigen Arbeitsvermittlung, die im Vergleich zu den anderen beiden Subkategorien mit Abstand am meisten Vermittlungen verzeichnen, eine Vielzahl von verschiedenen Formen anzutreffen. Mit dem neuen Arbeitsvermittlungsgesetz von 1991 wurden auch Sonderformen der Arbeitsvermittlung, die vorher unter dem Deckmantel der "Kaderselektion" oder "Executive Search" versteckt waren, bewilligungspflichtig. Für uns ist in erster Linie die "ordentliche" Stellenvermittlung von Interesse, über die der weitaus grösste Teil der Vermittlungen im Bereiche der gewerbsmässigen Arbeitsvermittlung getätigt werden.

2.4.2.2    Die öffentliche Arbeitsvermittlung

Die öffentliche Arbeitsvermittlung wird seit 1997 gesamtschweizerisch durch die insgesamt 150 Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) organisiert. Die Regionalisierung der öffentlichen Arbeitsvermittlung wurde durch das anfangs 1996 in Kraft gesetzte Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und Insolvenzentschädigungsgesetz (AVIG) erwirkt. Danach wurden die Kantone verpflichtet, bis Ende 1997 auf ihrem Kantonsgebiet Regionale Arbeitsvermittlungszentren zu errichten. Da die Trägerschaft nicht zwingend von den Kantonen selbst übernommen werden muss und die Kosten von der Arbeitslosenkasse übernommen werden, haben sich - neben den von den Kantonen betriebenen RAV - auch eine Anzahl RAV gebildet, die von einzelnen Städten bzw. Gemeideverbänden geführt werden. Im Kanton Zürich sind in den Jahren 1996-1997 insgesamt 22 RAV eröffnet worden. Diese werden durch

·       das KIGA, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (8),

·       den Städten Zürich (10), Winterthur (2) und Uster (1) und

·       den Gemeindeverband im Bezirk Affoltern (1)

betrieben. Mit der Einführung der RAV wurden in vielen Gemeinden die Arbeitsämter ersetzt, die dem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit zu Beginn der neunziger Jahre nicht gewachsen waren. Der Zusammenzug der Gemeindearbeitsämter zu einem Regionalen Zentrum hat die öffentliche Arbeitsvermittlung professionalisiert und den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit vom "Verwalten" in Richtung "Beraten" verlegt.

2.4.2.3    Das Institut des Personalverleihs

Beim Institut des Personalverleihs werden die Subkategorien "Temporärarbeit", "Leiharbeit" und "gelegentliches Überlassen von Arbeitnehmern an Einsatzbetriebe" unterschieden. Für unsere Arbeit von Interesse ist hier lediglich "Try&Hire", eine der beiden Formen der Temporärarbeit. Bei dieser speziellen Form der Temporärarbeit ist sowohl der Einsatzbetrieb als auch der Temporärarbeitnehmer grundsätzlich an einer festen Anstellung interessiert. Der formale Unterschied zur normalen Temporärarbeit besteht bei Try&Hire darin, dass der Einsatzbetrieb den Temporärarbeitnehmer gegen eine zum voraus vereinbarte Gebühr vom Vermittlungsbüro übernehmen kann. Die Höhe dieser Übernahmegebühr nimmt mit zunehmender Einsatzdauer ab und erreicht die Nullmarke bei drei Monaten. Nach einem dreimonatigen Einsatz bei demselben Einsatzbetrieb wird Try&Hire also wieder zu einer normalen temporären Anstellung. Der inhaltliche Unterschied zur Temporär- oder Festanstellung besteht bei Try&Hire darin, dass die Arbeitgeberin grundsätzlich an einer Stellenneubesetzung interessiert ist, jedoch das Risiko einer Einstellung scheut und vorerst den Arbeitnehmer probeweise temporär arbeiten lassen möchte. Aus der Sicht des Arbeitnehmers stellt die Try&Hire-Anstellung eine willkommene Chance dar, seine Fähigkeiten überhaupt einmal unter Beweis stellen zu können. Darüber hinaus erlaubt "Try&Hire" dem Arbeitsuchenden ein unverbindliches Testen von Arbeitsstellen, ohne das Risiko einer weiteren Entlassung bzw. Kündigung einzugehen. In wenigen Worten ausgedrückt, ist eine Try&Hire-Anstellung also eine Temporärstelle mit Aussicht auf eine spätere Dauerstelle im Einsatzbetrieb. Damit wird klar, dass "Try&Hire" in erster Linie von denjenigen Stellensuchenden gewählt wird, die grundsätzlich an einer längerfristigen Anstellung interessiert sind, aber auch froh sind, wenn sie kurzfristig wieder am Erwerbsleben teilhaben können.

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2.4.3      Gesetzliche Bestimmungen der privaten Arbeitsvermittlung

Die Regelung der privaten Arbeitsvermittlung besteht in erster Linie darin, dass einerseits nur private Institutionen, die eine Bewilligung besitzen, Arbeitsvermittlung betreiben dürfen und andererseits darin, dass die Tätigkeit der Vermittlung sich an eine Reihe von Bestimmungen halten muss.

2.4.3.1    Bewilligung

Das Gesetz bezeichnet alle jene als Vermittlerinnen, die Stellensuchende und Arbeitgeberinnen zum Abschluss eines Arbeitsvertrages oder für künstlerische und ähnliche Darbietungen zusammenführt. Da nicht in jedem Falle ein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers besteht, brauchen nur diejenigen Arbeitsvermittlerinnen eine kantonale Betriebsbewilligung, die regelmässigund entgeltlich vermitteln. Im Widerspruch dazu steht, dass auch die beruflichen und gemeinnützigen Institutionen bewilligungspflichtig sind (siehe Abbildung 3). Die Institutionen wurden deshalb unter die Bewilligungspflicht gestellt, um einerseits eine fachlich qualifizierte und rechtlich geregelte Vermittlungstätigkeit gewährleisten zu können und andererseits um den Arbeitsbehörden über die Berichterstattungspflicht einen besseren Überblick über den gesamten Arbeitsmarkt zu ermöglichen (Vgl. Rehbinder 1992).

Um eine Bewilligung zu erhalten müssen Arbeitsvermittlungsbetriebe eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Diese beziehen sich zum einen auf den Betrieb selbst, der im Handelsregister eingetragen sein muss, über ein zweckmässiges Geschäftslokal verfügen muss und schliesslich kein anderes Gewerbe betreiben darf, das sich schlecht mit der Vermittlungstätigkeit verträgt. Zum anderen setzt die Bewilligungserteilung voraus, dass die für die Leitung des Vermittlerbetriebes verantwortliche Person Schweizer Bürger oder Ausländer mit Niederlassungsbewilligung ist, einen guten Leumund geniesst und ganz allgemein für eine sachgemässe Vermittlung Gewähr bietet. Nach der Bewilligungserteilung hat das kantonale Arbeitsamt die Möglichkeit, einem Betrieb die Bewilligung wieder zu entziehen, so dass die privaten Vermittlerinnen auch jederzeit ihre Seriosität unter Beweis stellen müssen.

2.4.3.2    Die Vermittlungstätigkeit

In bezug auf die Vermittlungstätigkeit hat der Gesetzgeber wiederum im Interesse eines griffigen Arbeitnehmerschutzes Bestimmungen erlassen. So schreibt das Gesetz vor, dass die Arbeitsvermittlerin bei öffentlichen Ausschreibungen von Arbeitsangeboten und Stellensuchenden ihren Namen und ihre volle Adresse angeben muss. Bezüglich des Datenschutzes gilt, dass Daten über Stellensuchende und offene Stellen, die Rückschlüsse auf die Person respektive die Arbeitgeberin erlauben, nur mit Zustimmung der Betroffenen bearbeitet bzw. weitergegeben werden dürfen.

Bevor die Arbeitsvermittlerin ihre entgeltliche Vermittlung aufnehmen darf, muss zwischen ihr und dem Stellensuchenden sowie ihm und der Arbeitgeberin ein Vertrag abgeschlossen werden. Das Vertragsverhältnis bei der Arbeitsvermittlung erfüllt dabei die im Obligationenrecht (OR 363 ff.) geregelten Vertragspunkte des Mäklervertrages. Ritter schreibt dazu:

"Der Arbeitsvermittler fördert durch seine Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit den Abschluss eines Dienstvertrages bzw. einer dienstvertragsähnlichen Vereinbarung. Eine mäklerische Tätigkeit, mit der auf den Hauptvertragsabschluss hinzuwirken ist, ist also zweifelsohne vorhanden." (Ritter 1994, S. 3)

Die Aufgabe der Vermittlerin besteht also lediglich darin, die beiden Kontrahenten zusammenzubringen, während hingegen der Abschluss eines Arbeitsvertrages im Verantwortungsbereich der beiden Interessenten liegt. Wo nichts weiter vereinbart wurde, gilt die Abschlussmäkelei, wonach der Mäklerlohn erst bei erfolgreicher Vermittlung geschuldet wird.

Im Gegensatz zum Mäklervertrag, der die Kontrolltätigkeit der Behörden erleichtern soll, bezweckt die Gebührenverordnung (GV AVG) in erster Linie einen wirksamen Arbeitnehmerschutz. Grundsätzlich werden nur die Gebühren gegenüber dem Stellensuchenden und nicht gegenüber der Arbeitgeberin geregelt. Ritter schreibt dazu:

"Im Verhältnis zwischen Vermittler und Arbeitgeber verzichtet das revidierte Gesetz auf jegliche Entgeltsbestimmungen, da hier ein Schutzbedürfnis fehlt. (...) Hier herrscht Tariffreiheit i.S. des OR. Diese Lösung lässt in wirtschaftlich ausgeglichenen Zeiten die Kräfte auf dem freien Markt gewähren; die privaten Arbeitsvermittler sind dann v.a. im Auftrage der Arbeitgeber tätig. In wirtschaftlich schlechteren Zeiten aber, in denen ein wirksamer Arbeitnehmerschutz  besonders vonnöten ist, sind die Stellensuchenden neben den konjunkturellen bedingten Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht zusätzlich noch Übervorteilungsversuchen skrupelloser Vermittler ausgeliefert." (Ritter 1994, S. 107)

Die Gebühren gegenüber dem Stellensuchenden werden aufgeteilt in:

·       Die Einschreibegebühren, die höchstens 30 Franken betragen dürfen und auch ohne erfolgte Vermittlung verrechnet werden können.

·       Die Vermittlungsprovision, die höchstens 5% des Bruttojahreseinkommens betragen darf und erst nach erfolgter Vermittlung verrechnet werden kann.

·       Die Verrechnung von Gebühren für besondere - mit dem Stellensuchenden vereinbarten - Dienstleistungen, wie beispielsweise graphologische Gutachten und psychologische Fachtests.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass sich in der Praxis - gemäss unseren Gesprächen mit verschiedenen Branchenvertretern - die Gewohnheit herausgebildet hat, dass die privaten Arbeitsvermittlerinnen den Stellensuchenden ihre Dienstleistung gratis zur Verfügung stellen und die Vermittlungsprovision alleine den Arbeitgeberinnen verrechnen.

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2.4.4      Gesetzliche Bestimmungen der öffentlichen Arbeitsvermittlung

Im Bereich der öffentlichen Arbeitsvermittlung regelt das Gesetz einerseits die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der arbeitsmarktlichen Behörden und andererseits deren Aufgaben und Pflichten.

2.4.4.1    Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der arbeitsmarktlichen Behörden

Die Struktur der schweizerischen Arbeitsmarktbehörden bezüglich ihrer Kompetenzen und Verantwortlichkeiten ist dreistufig. Auf Stufe eins befindet sich das BWA (Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit; ehemals BIGA), das den insgesamt 26 kantonalen Arbeitsmarktbehörden auf Stufe zwei vorsteht. Diese wiederum sind der dritten Stufe, den derzeit rund 150 Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) übergeordnet. Die folgende Abbildung 4 soll einen Überblick über die Struktur der arbeitsmarktlichen Behörden geben und deren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten gegeneinander abgrenzen.

Abbildung 4: Struktur der schweizerischen Arbeitsmarktbehörden

1. Stufe: Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit BWA

(Eidgenössische Arbeitsmarktbehörde)

Kompetenzen

·     Beaufsichtigung des Gesetzesvollzugs der Kantone im Bereich der öffentlichen Arbeitsvermittlung

·     Beaufsichtigung der privaten Arbeitsvermittlung im Bereich mit Auslandberührung

·     Beaufsichtigung des Personalverleihs im Ausland

Verantwortlichkeiten

·     Beobachtung und Untersuchung der Beschäftigungsstruktur sowie der Lage und Entwicklung des schweizerischen Arbeitsmarktes

·     Förderung der Koordination der öffentlichen Arbeitsvermittlung zwischen den Kantonen

·     Durchführung von Schulungs- und Weiterbildungskursen für das Personal der Arbeitsmarktbehörden (dezentral und in Zusammenarbeit mit den Kantonen)

 

2. Stufe: Kantonale Arbeitsmarktbehörden

(KIGA: Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit)

Kompetenzen

·     Beaufsichtigung der privaten Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs

·     Beauftragung von Gemeinden (i.a. Städte) und Gemeindeverbänden ein RAV zu betreiben oder die Trägerschaft von RAV selbst zu übernehmen.

Verantwortlichkeiten

·     Organisation und Vollzug der öffentlichen Arbeitsvermittlung

·     Berichterstattung über die Beaufsichtigung der privaten Arbeitsvermittlung und des Personalverleihs

·     Monatliche Berichterstattung an das BWA über die Lage und Entwicklung des kantonalen Arbeitsmarktes

·     Kontaktpflege zu anderen kantonalen Arbeitsmarktbehörden und dem BWA

 

3. Stufe: Regionale Arbeitsvermittlungszentren

(öffentliche Arbeitsvermittlungsstellen im Auftrag der kantonalen Behörden)

Kompetenzen

·     Betreiben der öffentlichen Arbeitsvermittlung im Auftrag der kantonalen Arbeitsmarktbehörden

Verantwortlichkeiten

·     Erfassen und vermitteln von Stellensuchenden und offenen Stellen

·     Beraten von Stellensuchenden und Arbeitgebern

 

Da die Organisation und der Vollzug der öffentlichen Arbeitsvermittlung eigentlich im Verantwortungsbereich der kantonalen Arbeitsmarktbehörden liegt, könnte auch von einer zweistufigen Struktur der Arbeitsmarktbehörden gesprochen werden. Wie schon erwähnt, werden jedoch de facto eine Reihe von RAV nicht durch den Kanton, sondern durch grosse Städte bzw. Gemeindeverbände betrieben. Da der Bund diese RAV ausserdem direkt finanziert, erlangen sie eine relativ grosse Unabhängigkeit von der kantonalen Behörde, so dass die dreistufige Darstellung durchaus ihre Berechtigung hat.

2.4.4.2    Aufgaben und Pflichten der öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen

·       Hauptaufgabe der öffentlichen Arbeitsvermittlerinnen bildet nach wie vor die Vermittlung und Beratung von Arbeitslosen und Schwervermittelbaren. Grundsätzlich hat sie jedoch die Pflicht, ihre Dienste allen schweizerischen Stellensuchenden (und schweizerischen Arbeitgebern) unentgeltlich zukommen zu lassen. Von der Unentgeltlichkeit darf nur in Ausnahmefällen, wo ein besonderer Aufwand geleistet wird, abgewichen werden.

·       Durch eine rasche und dauerhafte Wiedereingliederung der Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt, soll die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit gesenkt und damit die Rechnung der Arbeitslosenversicherung entlastet werden.

·       Die RAV müssen die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Zu diesem Zweck erfassensie alle sich anmeldenden Stellensuchenden sowie auch alle gemeldeten offenen Stellen. Die zu erfassenden Kriterien werden zentral und damit einheitlich vom BWA festgelegt. Eine weitere Aufgabe der RAV besteht in der Beratung sowohl der Stellensuchenden als auch der Arbeitgeberinnen.

·       Bezüglich der beratenden Tätigkeit sind den RAV-Personalberaterinnen jedoch enge Grenzen gesetzt, da in der vorgesehenen Zeit von 15-30 Minuten pro Termin mit den Stellensuchenden kaum tiefergehende Gespräche möglich sind. Zudem muss die Personalberaterin für Stellensuchende, bei denen sie Weiterbildungs- oder Umschulungsmassnahmen als sinnvoll erachtet, Fachleute beiziehen.

·       Um auch über regionale und kantonale Grenzen hinaus eine erfolgreiche Vermittlungstätigkeit gewährleisten zu können, hat der Gesetzgeber die Behörden dazu verpflichtet, untereinander zusammenzuarbeiten. Zu diesem Zweck und für eine zeitgemässe Arbeitsmarktstatistik wurde das computergestützte Informationssystem AVAM (Informationssystem für Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktstatistik) geschaffen. AVAM besteht in erster Linie aus einer zentralen Datenbank, mit der alle RAV im On-line-Betrieb verbunden sind. Wird einem RAV eine neue offene Stellen gemeldet oder nimmt es einen neuen Stellensuchenden auf, so werden die entsprechenden Informationen sogleich in die zentrale Datenbank des AVAM eingegeben. Da alle RAV ihre eigenen Daten ständig auf dem laufenden halten, enthält die Datenbank des AVAM jederzeit aktualisierte Informationen über alle in der öffentlichen Arbeitsvermittlung gemeldeten offenen Stellen und Stellensuchenden. Findet ein RAV für einen Stellensuchenden im eigenen Einzugsgebiet keine passende Stelle, so kann es den Suchbereich ausweiten und damit die Vermittlungschancen des Stellensuchenden wesentlich erhöhen.

Neben der Zusammenarbeit innerhalb der öffentlichen Arbeitsvermittlung sieht das neue Arbeitsvermittlungsgesetz auch die Zusammenarbeit mit Institutionen der privaten Arbeitsvermittlung vor. Momentan besteht diese Zusammenarbeit in erster Linie darin, dass die von den RAV im AVAM erfassten Personendaten auch von den privaten Arbeitsvermittlerinnen über das Internet abgefragt werden können. Dies jedoch nur im Rahmen eines "closed user shop", bei dem nur diejenigen Vermittlingsbüros Abfragen tätigen können, die mit dem BWA eine vertragliche Vereinbarung getroffen haben.

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3        Hypothesen

Im Folgenden werden alle Hypothesen, die jeweils am Ende der einzelnen Unterkapitel des Theorieteils aufgeführt wurden, zusammenfassend dargestellt.

Hypothese 1:

Die Chancen für einen (Wieder-)Eintritt ins Erwerbsleben sind für Frauen geringer als für Männer.

Hypothese 2:

Der Qualifikationsabschluss als Selektionsmerkmal spielt für weibliche Stellensuchende eine stärkere Rolle als für Männer.

Hypothese 3:

Verheiratete Männer sind bei der Stellensuche erfolgreicher als unverheiratete Männer. Bei den Frauen verhält es sich umgekehrt.

Hypothese 4:

Je älter ein Arbeitnehmer ist, desto schlechter sind seine Chancen bei der Stellensuche und desto länger ist seine Suchdauer.

Hypothese 5:

Von allen Stellensuchenden unter 31 Jahren haben diejenigen, die erstmals auf Stellensuche sind, weniger Chancen eine Stelle zu finden.

Hypothese 6:

Inländische Arbeitnehmer haben bessere Einstellungschancen als ausländische.

Hypothese 7:

Bei Arbeitsplätzen mit tiefen Qualifikationsanforderungen haben ausländische Stellensuchende bessere Einstellungschancen als inländische.

Hypothese 8:

Die formale Ausbildung hat keinen Einfluss auf die Chancen, ein Stelle zu finden.

Hypothese 9:

Stellensuchende mit Weiterbildung haben bessere Einstellungschancen.

Hypothese 10:

Arbeitserfahrung wirkt sich positiv auf die Stellensuche aus.

Hypothese 11:

Hilfsarbeiter und Kaderleute (mittleres und oberes Kader) weisen eine längere Suchdauer auf als die übrigen Stellensuchenden.

Hypothese 12:

Zwischen der beruflichen Flexibilität, ausgedrückt in einer hohen Anzahl Firmen- und Tätigkeitswechsel während den letzten 10 Jahren, und dem Sucherfolg besteht ein positiver Zusammenhang.

Hypothese 13:

Stellensuchende mit hohem Berufsstatus (Spezialistenfunktionsstufe) haben bessere Erfolgschancen, wenn sie geographisch mobiler sind.

Hypothese 14:

Das Merkmal "Job Hopper" wirkt sich negativ auf den Sucherfolg aus.

Hypothese 15:

Zum Zeitpunkt der Bewerbung arbeitslos bzw. wiederholt arbeitslos zu sein, hat einen negativen Zusammenhang mit dem Sucherfolg.

Hypothese 16:

Strukturelle Merkmale (Segment- bzw. Branchenzugehörigkeit) haben einen bedeutenden Einfluss auf den Sucherfolg.

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Teil I  /  Teil II  /  Teil III  /  Teil IV

Last update: 02 Feb. 15

 

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Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut
der Universität Zürich
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