Georg Simmel:
Zur Psychologie des Geldes
ex: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hrsg. von Gustav Schmoller, 13.
Jg. 1889, S. 1251-1264; Leipzig.
In dem Inhalt des Erkennens
wie in dem des Handelns entdeckt der beobachtende Blick die durchgängige
Sonderung eines relativ festen von einem relativ flüssigen Bestandteile.
Der erstere wird von den
sinnlichen Einzeltatsachen unserer Erfahrung und von den letzten Zielen
unseres Willens gebildet; der zweite von den ursächlichen Zusammenhängen,
mit denen wir unter die Erscheinungsseite jener Tatsachen lösend und
verknüpfend hinabsteigen, andererseits von den Mitteln, mit denen wir
unsere einmal gesetzten Zwecke immer gründlicher, aber freilich auch
immer indirekter, zu erreichen suchen.
Die Tatsache, wie sie vor
unseren Augen steht, kann aus einer Unendlichkeit möglicher Ursachen
entsprungen sein, und während der Geist sie festhält, ist die
Vorstellung ihrer Ursachen und der Ursachen ihrer Ursachen in fortwährendem
Flusse und fortwährender Vertiefung begriffen; und so ist die Umwandlung
unserer höheren Ziele eine höchst langsame, sie scheinen stillzustehen
gegenüber der unvermeidlichen Bewegung im Heranschaffen der Mittel, der
fortwährenden Arbeit an der Fundamentierung wie an dem Höherführen des
teleologischen Baues.
Es ist klar, dass die
theoretische und die praktische Bewegung schließlich nur eine einzige
sind und nur je nach der Verschiedenheit des Interesses und des
Standpunktes entgegengesetzte Richtung annehmen.
Die Mittel zu einem Zweck
erkenne ich, wenn ich erkannt habe, welche Ursachen diesen Zweck
hervorbringen. Das Zweckbewusstsein der Menschheit vertieft sich
deshalb Hand in Hand mit ihrem Kausalbewusstsein; und auf eben dieser
Vertiefung beruht das, was wir Kulturfortschritt nennen, vielleicht in
ebenso hohem Grade als auf dem Entdecken neuer Tatsachen oder der Wandlung
unserer letzten Willensziele.
Der Unterschied zwischen
rohen und kultivierten Zuständen misst sich an der Zahl der Glieder, die
zwischen der unmittelbaren Handlung und ihrem schließlichen Zwecke
liegen; wo die Kette der Ursachen und Wirkungen nur kurz und bruchstückweise
bekannt ist, muss zur Verwirklichung eines Zweckes dasjenige Geschehen
herbeigeführt werden, welches ihn unmittelbar realisiert.
Nun liegt aber auf der
Hand, dass dieses Geschehen sehr oft nicht direkt erreichbar sein wird,
und während der niedrig kultivierte Mensch in diesem Fall auf sein Ziel
verzichten muss, wird der höherstehende ein Verfahren einschlagen, das
zwar nicht den Zweck selbst, aber irgend ein anderes Geschehen herbeiführt,
das seinerseits auf jenen hinleitet.
Den Fortschritt des öffentlichen
Geistes zeigt deshalb die Zunahme von Einrichtungen, durch die hindurch
der einzelne solche Zwecke wenigstens indirekt erreichen kann, deren
unmittelbare Gewinnung für ihn schwer oder unwahrscheinlich ist.
Jedes Werkzeug, das die
Kraft der menschlichen Hand durch Umwege und Umformungen eine Wirkung
erzielen lässt, die ihr bei unmittelbarer Einwirkung auf das zu
gestaltende Objekt versagt bliebe, jede rechtliche Einrichtung, die dem
erklärten Willen einer Person eine Folge sichert, die er durch die bloße
ihm eigene Kraft nie erreichen könnte, jede kirchliche Gemeinschaft, die
dem religiösen Empfinden durch den Zusammenschluss der vielen einen Weg
nach innen und nach oben bahnt, den der einzelne für sich allein nicht
glaubt finden zu können, alles dies sind Fälle der charakterisierten
Vertiefung des teleologischen Prozesses, wie der öffentliche Geist sie
dann schafft, wenn das Missverhältnis zwischen dem, was der einzelne
will, und dem, was er als einzelner vermag, Umwege fordert, die nur die
Allgemeinheit für ihn gangbar machen kann.
Jedes einheitliche und
allgemein anerkannte Tauschmittel bietet ein Beispiel für diese
Erweiterung der teleologischen Kette. Beruht aller wirtschaftliche
Verkehr darauf, dass ich etwas haben will, was sich zur Zeit im Besitze
eines anderen befindet, und dass er es mir überlässt, wenn ich ihm dafür
etwas überlasse, was ich besitze und er haben will: so liegt auf der
Hand, dass das letztgenannte Glied dieses zweiseitigen Prozesses sich
nicht immer einstellen wird, wenn das erste auftaucht; unzählige Mal
werde ich den Gegenstand a begehren, der sich im Besitz von A befindet, während
der Gegenstand oder die Leistung b, die ich gern dafür hingebe, für A völlig
reizlos ist; oder aber die gegenseitig angebotenen Güter werden wohl
beiderseitig begehrt; allein über die Quanta, in denen sie sich
gegenseitig entsprechen, lässt sich durch unmittelbares Aneinanderhalten
eine Einigung nicht erzielen.
Deshalb ist es für die höchstmögliche
Erreichung unserer Zwecke von größtem Werte, dass ein Mittelglied in die
Kette der Zwecke eingefügt werde, in welches ich b jederzeit umsetzen und
das sich seinerseits ebenso in a umsetzen kann, ungefähr wie jede
beliebige Kraft, des fallenden Wassers, der erhitzten Gase, der
windgetriebenen Mühlenflügel, wenn sie in die Dynamomaschine geleitet
ist, mittels dieser in jede beliebige gewünschte Kraftform umgesetzt
werden kann.
Das allgemein anerkannte
Tauschmittel wird zum Durchgangspunkt für allen zweiseitig onerosen
Verkehr und enthüllt sich so gleich den obengenannten Beispielen als eine
Erweiterung des Zweckhandelns, insofern es ein Mittel ist, gewollte
Gegenstände indirekt und durch eine öffentliche Institution zu erlangen,
die meiner unmittelbar auf jene gerichteten Bemühung unerreichbar wären.
Wie meine Gedanken die Form
der allgemein verstandenen Sprache annehmen müssen, um auf diesem Umwege
meine praktischen Zwecke zu fördern, so muss mein Tun oder Haben in die
Form des Geldwertes eingehen, um meinem weitergehenden Wollen zu dienen.
Dieser Charakter des Geldes
lässt den folgenden psychologischen Zug an ihm in Kraft treten. Es
ist eine der wirkungsreichsten Eigenschaften des menschlichen Geistes,
dass die bloßen an sich gleichgültigen Mittel zu einem Zweck, wenn sie
nur lange genug vor dem Bewusstsein gestanden haben oder wenn der damit zu
erreichende Zweck in weiter Ferne liegt, ihm schließlich selbst zu
definitiven Zwecken werden; der Wert, den sie ursprünglich nur von dem
durch sie zu erreichenden Zwecke zu Lehen trugen, verselbständigt sich,
und statt mittelbar haftet er in psychologischer Unmittelbarkeit an ihnen.
Alle äußere Sitte z.B.
gewinnt nur durch diesen Prozess die Kraft an und für sich als sittliche
Vorschrift aufzutreten, da sie doch ursprünglich nur das Mittel oder die
Bedingung ferner liegender sozialer Zwecke war; mancher Philologe bleibt
sein Leben lang in der Erforschung der tüchtigsten Kleinigkeiten
befangen, während der eigentliche Zweck dieses vermittelnden Bemühens,
die Erkenntnis des geistigen Wesens einer Epoche oder eines einzelnen, gar
nicht in sein Bewusstsein tritt; für unzählige Menschen ist die
Vollendung der Technik in ihren Betätigungen so sehr zum Selbstzweck
geworden, dass sie die höheren Zwecke, denen alle Technik nur zu dienen
hat, völlig darüber vergessen, u. s. f. Es ist dies eine der zweckmäßigsten
Einrichtungen des geistigen Organismus.
Müssten wir in jedem
Augenblick die ganze teleologische Reihe vor Augen haben, die eine
bestimmte Handlung rechtfertigt, so würde sich das Bewusstsein in unerträglicher
Weise zersplittern; vielleicht bringt das Prinzip der Kraftersparnis es
mit sich, dass das Zweckbewusstsein sich auf die gerade vorliegende Stufe
des teleologischen Prozesses konzentriert, während der weiter zurückliegende
Endzweck für das Bewusstsein versinkt.
Um für das zunächst
notwendige Durchsetzen des Mittels gesammelte Kraft zu haben, muss dies
zunächst für sich allein das Bewusstsein beherrschen.
In dem ganzen Gewebe des
menschlichen Zweckhandelns gibt es vielleicht kein Mittelglied, an dem
dieser psychologische Zug des Auswachsens des Mittels zum Zwecke so rein
hervortrete wie am Gelde; nie ist ein Wert, den ein Gegenstand nur durch
seine Umsetzbarkeit in andere, definitiv wertvolle, besitzt, so vollständig
auch auf diesen selbst übertragen worden.
Es ist indes interessant,
wie dieses psychologische Abbrechen der teleologischen Reihe nicht nur an
der unmittelbaren Geldgier und dem Geize hervortritt, sondern auch an
seinem scheinbaren Gegenteil, dem Vergnügen am bloßen Geldausgeben als
solchem, endlich an der Freude am Besitz möglichst vieler Dinge, von
deren spezifischer Nützlichkeit, um derentwillen sie hergestellt Sind,
man gar nicht profitiert, sondern die man eben nur »haben« will; das
Volk vergleicht diese Art Naturelle mit den Hamstern. Hierin haben
wir die Stufen des teleologischen Prozesses: vernünftiger Endzweck ist
doch , nur der Genuss aus dem Gebrauch des Gegenstandes; die Mittel dazu
sind: 1. dass man Geld habe, 2. dass man es ausgebe, 3. dass man den
Gegenstand besitze; an jeder dieser drei Stationen kann das
Zweckbewusstsein Halt machen und sie als Selbstzweck konstituieren; und
zwar so energisch, dass jeder dieser drei Inhalte desselben maniakalisch
ausarten kann. Auf der Stufe, wo das Geld zum Selbstzweck auswächst,
kann es als solcher noch verschiedene Grade der psychologischen Selbständigkeit
zeigen.
Durch die den größten
Teil des Lebens hindurch bestehende Nötigung, den Gewinn von Geld als nächstes
Strebeziel vor Augen zu haben, kann wohl der Glaube entstehen, dass alles
Glück und alle definitive Befriedigung des Lebens mit dem Besitz einer
gewissen Summe Geldes verbunden wäre; allein nur wenn jener
Zweckcharakter des Geldes schon ein bestimmtes hohes Maß von Festigkeit
angenommen hat, bewährt sich dieser Glaube und beharrt das selige Gefühl
im Bewusstsein eines großen Geldbesitzes; ist er unterhalb dieses
Kristallisationspunktes stehen geblieben, so tritt die Erscheinung tödlicher
Langeweile und Enttäuschung ein, die so häufig an Geschäftsleuten zu
beobachten ist, wenn sie sich nach Ersparung einer gewissen Summe in ein
Rentierleben zurückgezogen haben; sie wissen mit dem größeren
Geldbesitze nun nichts anzufangen, und das Geld enthüllt sich nach
Wegfall der Umstände, die das Wertbewusstsein darauf sich konzentrieren
ließen, in seinem wahren Charakter als bloßes Mittel, das unnütz und
unbefriedigend wird, sobald das Leben darauf allein angewiesen ist.
Wie uns mitten in den
Qualen und Ängsten der Welt oft ein Zustand von bloßer Ruhe als höchstes
Ideal erscheint, wie wir vergessen, dass es doch nicht die Ruhe an und für
sich, sondern nur die Ruhe vor bestimmten Dingen und zu bestimmten Dingen
und nur als Vorbedingung positiver Befriedigungen ist, deren wir
entbehren; und wie deshalb die Mehrzahl der Menschen, wenn sie dieses
scheinbar letzte Ziel erreicht haben, sehr bald eine unerträgliche Leere
und Zwecklosigkeit des Daseins verspüren: ganz ebenso rächt sich das
Verkennen des bloß relativen und konditionalen Charakters des Geldes, der
Irrtum, den das Merkantilsystem gleichsam »in großen Buchstaben
geschrieben« aufwies.
Wo aber die psychologische
Metamorphose, durch die das Geld zum Selbstzweck wurde, entschieden genug
war, um das ganze Leben lang vorzuhalten, sind die Bedingungen für ein
vollendetes Glück gegeben.
Denn dem Geizigen bleiben
die Enttäuschungen erspart, die dem realen Genusse stets folgen, die
Unzulänglichkeiten, denen wir sofort begegnen, wenn wir über die
Vorbereitungsstadien des Gewinnes der Dinge hinaustreten; seine Freuden müssen
psychologisch den ästhetischen ähnlich sein, die sich an die reine
wertvolle Form der Dinge halten und von den Trübungen und
Unvollkommenheiten ihrer zufälligen Wirklichkeit unabhängig sind.
Es ist indes auch hier noch
ein feiner Unterschied zu konstatieren zwischen demjenigen Geizigen, der
sich von dem einmal Erworbenen trotz lockender Gewinnchancen um keinen
Preis trennt, und demjenigen, der es mit vollen Händen fortwirft, wenn er
auf wucherischen Gewinn dafür hofft; bei ersterem ist der teleologische
Prozess noch früher erstarrt als bei diesem.
Die psychologisch
entgegengesetzte Erscheinung zeigen jene sonderbaren, aber nicht allzu
seltenen Menschen, die ohne Bedenken jemandem 100 Mark, aber nur mit
wahrer Selbstüberwindung einen Bogen Papier aus ihrem Schreibvorrat oder
Ähnliches schenken. Während der Geizige über das Mittel zum Erwerb
der Dinge, das Geld, den Erwerb der Dinge selbst unterlässt und gegen
ihren Wert gleichgültig wird, spitzt sich hier umgekehrt das Bewusstsein
auf den Gegenstand allein zu, ohne an das Mittel zu denken, durch das man
sich ihn in jedem Augenblick wieder verschaffen kann; ihnen kommt es nur
auf den Wert der Sache, dem Geldsüchtigen nur auf den Wert der Sache an.
In der historischen
Entwicklung des Geldes liegt es begründet, dass es ursprünglich ein für
sich bestehender Wert gewesen sein muss; denn solange die staatliche Prägung
dem einzelnen noch nicht die Weiterverwertung des Entgelts garantierte,
das er für eine Ware erhielt, wird niemand so töricht gewesen sein, die
letztere fortzugeben, ohne einen reellen Wert dafür zu erhalten; das
Tauschmittel wird um so weniger bloßes Tauschmittel sein können, je
unsicherer seine Funktion als solches ist, sondern um so mehr wird man
unmittelbaren Wert von ihm verlangen; der für sich bestehende Wert des
Tauschmittels kann in demselben Verhältnis sinken, in dem seine
Tauschkraft steigt.
Erreicht also die letztere
vermöge der Legitimierung durch die öffentliche Gewalt ihr Maximum, so
kann der erstere ein Minimum werden. Demgegenüber hat man
hervorgehoben, dass das Geld doch ein Maßstab für Werte sei und nur als
solcher ein Tauschmittel für sie sein könnte; gemessen aber könnten
quantitativ bestimmbare Objekte nur durch gleich geartete Objekte werden:
räumliche Quanta nur durch Raumgrößen, Gewichte nur durch Gewichte
u.s.w.
Deshalb müsse das Geld
unter allen Umständen selbst ein Wert sein, um Werte zu messen, und könne
deshalb nie zu einem nur fiktiven Maßstab, zu einem bloßen »Zeichengeld«,
das von der Beziehung auf ein wirkliches Gut losgelöst wäre,
herabsinken.
Diese ganze Kontroverse, ob
das Geld selbst ein Wert sei oder nur das Symbol eines Wertes, ein reiner
Durchgangspunkt für Güter, ohne selbst ein Gut zu sein, und ob, wenn es
jetzt noch ein solches wäre, es das auch bleiben müsse, scheint mir,
sobald sie prinzipiell und dogmatisch gehalten ist, eine erstaunliche
Vernachlässigung entscheidender psychologischer Momente aufzuweisen.
Denn die Gegner des
Zeichengeldes, um die ganze Denkrichtung in einem Worte zusammen zu
fassen, vergessen, dass die Werte, denen das Geld als Maßstab dienen
soll, doch nur psychologisch wertvoll sind, dass es gar keinen objektiven
Wert im absoluten Sinne gibt, sondern nur dadurch, dass der Wille der
Menschen den betreffenden Gegenstand begehrt, an dem der Wert sowenig als
eine objektive Eigenschaft haftet wie an dem Sonnenschein das Wohlgefühl,
das er in bestimmt organisierten Nerven hervorruft.
Dann aber hat jeder
Gegenstand den Wert, der ihm beigelegt wird, und wenn nur eine
hinreichende Übereinstimmung in der Beilegung des Wertes erzielbar wäre,
so ist nicht abzusehen, weshalb nicht ein Stück gestempeltes Papier, das
durch keinen greifbareren Wert gedeckt wäre, für alle Zeiten einen
bestimmten Tauschwert haben soll, nicht als würde ihm damit eine
Eigenschaft objektiven Wertes verliehen, die es nun anderen so
qualifizierten Gegenständen gleichstellte, sondern weil auch diese durch
keinen anderen Prozess als eben den des menschlichen Willens zu Werten
geworden sind.
Weder Nahrung noch Obdach,
weder Kleidung noch edle Metalle sind an und für sich Werte, sondern sie
werden es erst im psychologischen Prozess ihrer Schätzung, wie die Fälle
beweisen, in denen die Askese oder andere Seelenverfassungen völlig
gleichgültig gegen sie machten. Will man das Zeichengeld selbst
dann, wenn sein Tauschwert ein allseitig akzeptierter ist, dennoch nicht
als Geldwert anerkennen, so begeht man damit den gleichen Fehler, wie
jener wirtschaftliche Idealismus, der als »Gut« nur das anerkennen
wollte, was einem wahren Bedürfnisse entspricht, aber nicht das, was überflüssige
oder zu missbilligende befriedigt, und der ebenfalls übersah, dass alle
Wertverleihung nur eine psychologische Tatsache und nichts anderes ist und
deshalb, wo sie als solche vorkommt, einfach anerkannt werden muss.
Es sind genug Gründe
vorhanden, die die Bindung des Geldwertes an die edlen Metalle wünschenswert
und unentbehrlich, genug Ursachen, die die Bedingungen für ein
Zeichengeld unerfüllbar machen; allein prinzipiell liegt nicht der
geringste Grund vor, weshalb nicht ein beliebiges Symbol für das Geld
genau die gleichen Dienste als Wertmesser und Tauschmittel leisten soll
wie Gold und Silber, sobald nur die Übertragung des Wertbewusstseins auf
jenes in vollkommenem Maße stattgefunden hat, was durch den Prozess der
psychologischen Emporhebung der Mittel zur Würde des Endzwecks sehr wohl
möglich ist und auf anderen Gebieten hundertfach stattfindet.
Es liegt auf der Hand, dass
jener Prozess sich am ehesten und gründlichsten an einem Mittel
vollziehen musste, das wie das Geld für eine große Anzahl von Zwecken
notwendiger Durchgangspunkt ist. Denn in demselben Maße, in dem
viele Zwecke eben desselben bedürfen, wird es für unser Bewusstsein
derart in seiner Notwendigkeit betont, dass sein Wert über den eines bloßen
Mittels hinauszuwachsen scheint.
Und dieser Erfolg wird um
so eher eintreten, wenn die damit zu erreichenden Zwecke sehr
verschiedenartige und auseinanderliegende sind, weil sie sich dann
gegenseitig in ihrer Verschiedenheit paralysieren und nur das ihnen
Gemeinsame, das Mittel für sie alle, in um so hellerer Beleuchtung
hervortritt.
Dies hat vielerlei Folgen für
die Psychologie des Geldes.
Der Geiz des höheren
Alters z. B. erklärt sich eben daraus, dass das Mittel, welches so vielen
im Leben erstrebten Zwecken gemeinsam ist, im Verhältnis des längeren
Lebens entsprechend mehr Betonung und Herrschaft im Bewusstsein erhalten
muss; wozu noch kommt, dass viele Ziele und Reize des Lebens für das
Alter absterben, während der Wert, mit dem ihre frühere Anziehungskraft
auch das dazu gehörige Mittel umkleidet, eine Selbständigkeit gewonnen
hat, die ihn auch nach dem Verschwinden jener weiter bestehen lässt.
Ferner: ist das Geld der
gemeinsame Schnittpunkt verschiedener Zweckreihen, so muss es mit der Fülle
und Divergenz dieser immer farbloser werden; und dies ist in der Tat sein
Schicksal, da man mit steigender Kultur immer mehr ganz verschiedenartige
Dinge dafür kaufen kann.
Wie sehr vielseitige, nach
den verschiedensten Richtungen hin betätigte Menschen leicht den Eindruck
einer gewissen Charakterlosigkeit, eines Mangels an bestimmter Färbung
annehmen, die vielmehr einem einseitig prononcierten Wesen zukommt, so
tritt auch am Gelde gewissermaßen eine psychologische
Interferenzerscheinung ein, indem die qualitative Fülle der in ihm
zusammenstoßenden Zwecke es sozusagen zwischen die Qualitäten stellt und
ihm jede bestimmte psychologische Färbung nimmt, die immer etwas
Einseitiges haben müsste.
Und durch einen leicht
verständlichen Prozess wirkt dies auf die Objekte des Geldverkehrs zurück. Die
Blasiertheit unserer wohlhabenden Stände hängt damit zusammen; wenn das
Geld so zum Generalnenner aller möglichen Lebenswerte wird, wenn nicht
mehr die Frage ist, was sie wert sind, sondern wie viel sie wert sind, so
verringert sich ihre Individualität.
Durch die Möglichkeit des
Vergleichens an einem indifferenten und allen gleichmäßig zugänglichen
Maßstabe verlieren sie das Interesse, das sich an das Spezifische und
Unvergleichbare knüpft. Für den Blasierten gibt es nichts, was ihm
unbezahlbar dünkte, und umgekehrt, wer alles meint mit Geld bezahlen zu können,
muss notwendig blasiert werden.
Wenn jener Charakter der
Allgemeingültigkeit des psychologischen Endzwecks vielfach nur den
Gegenstand wertvoll erscheinen lässt, der viel Geld kostet, so begreift
man doch auch gerade aus ihm, dass für gewisse Naturen nur das einen Wert
hat, was für Geld nicht zu haben ist; dies ist nicht eine Umkehrung,
sondern eine Steigerung jener psychologischen Folge des Geldverkehrs.
Die Wertlosigkeit des
Geldes im höheren Sinne hat wohl auch die Erscheinung zur Folge, dass die
Behandlung der Frauen bei unkultivierten Völkern da am schlechtesten ist,
wo sie gekauft werden, und sich erst da etwas bessert, wo sie statt durch
bestimmte Bezahlung durch persönliche Dienstleistungen des Werbers für
die Eltern der Braut erworben werden.
Deshalb ferner ist ein
Geldgeschenk das niedrigste, dasjenige, was die Persönlichkeit am
tiefsten herabdrückt.
Immerhin bleibt es eine
verwunderliche Erscheinung, dass man die höchsten Opfer eines anderen:
Leben, Leiden, Ehre und alles andere, meint ohne Schädigung der Ehre
annehmen zu können, aber ja kein Geldgeschenk.
Es mag hier jene Seelentätigkeit
mitspielen, die, positiv gewandt, aus der Not eine Tugend macht: das Geld
kann nämlich unter allen Umständen seiner Qualitätslosigkeit wegen zurückgegeben
werden, was oft bei anderen Dingen, z.B. persönlichen Opfern an Zeit und
Kraft, einfach unmöglich ist; das Ehrgefühl hat sich soweit an die nun
einmal nicht zu ändernden Umstände angepasst, dasjenige ruhig ohne die Nötigung
unmittelbarer Wiedergabe anzunehmen, was sich eben nicht unmittelbar
wiedergeben lässt.
Weil der Wert des Geldes
ausschließlich in dem Quantum besteht, kann es einen spezifischen
Charakter nur durch diejenige Massenhaftigkeit annehmen, in der es nur
wenigen zu teil werden kann; deshalb drückt nach allgemeiner
Empfindungsweise das Annehmen von Geld die Ehre um so weniger herab, je
mehr es ist. Und auch der Betrug um Geld, namentlich in kleinen
Summen, wird als ein besonders gemeines Verbrechen angesehen, das den Täter
gesellschaftlich tiefer herabsetzt als Taten, die viel schlimmere
moralische Gesunkenheit bezeugen.
Das Geld ist »gemein«,
weil es das Äquivalent für all und jedes ist; nur das Individuelle ist
vornehm; was vielem gleich ist, ist dem Niedrigsten von diesem gleich und
zieht deshalb auch das Höchste darunter auf das Niveau des Niedrigsten
hinab.
Der Zufall freilich lässt
auch jenes Aufwiegen des Höheren durch Geld gelegentlich zum Vorteil des
Ganzen ausschlagen, wie z. B. der Ämterverkauf der Bourbonen dem Bürgerstande
den Weg in die Staatsverwaltung eröffnete; wie denn auch umgekehrt erst
die Besoldung der Stellen dem unbemittelten Talent seine Verwertung an der
richtigen Stelle ermöglicht. Wenn die klassische Welt bis zu den
Sophisten bez. bis zur Kaiserzeit kein Entgelt für geistige und
staatliche Leistungen kannte oder kennen wollte, so verbaute sie damit unzähligen
Talenten den Weg zu ihrer Verwendung.
Auch ermöglicht die Unpersönlichkeit
des Geldes eine weite Ausdehnung der Wohltätigkeit. Viel weniger
bedenklich ist man, an wen man Geld schenkt, als wenn es sich um persönlichere
Leistungen der Wohltätigkeit handelt; auch liegt die vielfache Anonymität
von wohltätigen Schenkungen in dieser Richtung. Dadurch aber kann
nun wiederum eine vereinigende und versöhnende Rückwirkung auf die Geber
stattfinden.
Die Erfolge des Gustav
Adolf Vereins wären unmöglich gewesen, wenn nicht der objektive
Charakter der Geldbeiträge die konfessionellen Unterschiede der
Beitragenden verwischt hätte; aber indem dieses gemeinsame Werk von
Lutheranern, Reformierten, Unierten so möglich wurde, diente es zu einem
idealen Bindemittel und musste das Gefühl unter allen diesen, dennoch
zusammenzugehören, stärken.
Interessant ist es, wie der
verführerische Charakter des Geldes, das man eben in jedem Augenblick
gegen alles mögliche umsetzen kann, mit der Wohltätigkeitsfolge dieser
seiner Unpersönlichkeit in Konflikt tritt. Der heilige Franziskus
ließ seinen Orden zwar Lebensmittel und Kleidungsstücke erbetteln, unter
keinen Umständen aber Geld, selbst dann nicht, wenn es sich um Unterstützung
von Kranken und Hilfsbedürftigen handelte. Der heilige Thomas von
Aquino dagegen zieht, bezeichnend genug für seine größere Weltkenntnis
und Weltgewandtheit, aus dem gleichen Wesen des Geldes die
entgegengesetzte Folgerung.
Er hält zwar den Wucher für
etwas Verwerfliches, indes fügt er hinzu, dass ein von einem anderen
bereits erwuchertes Geld immerhin ein brauchbares Kapital sei, welches
sich für Zwecke der Not und der Wohltätigkeit rechtmäßig verwenden
lasse; denn, sagt er, soweit dürfen wir Gott nachahmen, der ja
gleichfalls die Sünden der Menschen seinen eigenen guten Zwecken
dienstbar macht.
Endlich aber hat der unpersönliche
Charakter des Geldes noch eine psychologische Folge, die die unendliche
Ausdehnung und Steigerung des Verkehrs vermöge der Reduktion aller Werte
auf Geld vermitteln hilft. Die Qualitätlosigkeit des Geldes bringt nämlich
die Qualitätlosigkeit des Menschen als Geldgebers und Geldnehmers mit
sich.
Was gegen Geld fortgegeben
wird, gelangt an denjenigen, der das meiste dafür gibt, gleichgültig was
und wer er sonst sei; wo andere Äquivalente ins Spiel kommen, wo man um
Ehre, um Dienstleistung, um Dankbarkeit sich eines Besitzes entäußert,
sieht man sich die Beschaffenheit der Person an, der man gibt; und
umgekehrt, wo ich selbst um Geld kaufe, ist es mir gleichgültig, von wem
ich das kaufe, was mir erwünscht und den Preis wert ist; wo ich aber um
den Preis der Dienstleistung, der persönlichen Verpflichtung in
innerlicher und äußerlicher Beziehung erwerbe, da sehe ich mir erst
genau an, mit wem ich zu Tun habe, weil ich nichts anderes von mir als
gerade nur Geld jedem Beliebigen geben mag.
Die Bemerkung auf den
Kassenscheinen, dass der Wert derselben dem Einlieferer »ohne
Legitimationsprüfung« ausgezahlt wird, ist bezeichnend für den
Charakter des Geldes überhaupt. Dass im Geldverkehr eine Person
genau soviel wert ist wie die andere, hat nur den Grund, dass keine etwas
wert ist, sondern nur das Geld. Darum ist es ganz richtig: in
Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf; das Geld ist das absolut
Objektive, an dem alles Persönliche endet.
Darum hat es auch keine
Geschichte in dem Sinne, wie sie jedem anderen Besitzstück für unser Gefühl
den verschiedensten, positiven und negativen, oft durch nichts
aufzuwiegenden Wert verleiht; die Vorstellung, dass an einem bestimmten
Gelde »Blut klebt« oder »ein Fluch haftet« ist eine sentimentale
Projizierung ohne Berechtigung und mit wachsendem Geldverkehr
notwendigerweise immer seltener werdend; im höchsten Maße gilt das non
olet von ihm.
Wie viel psychologische
Hemmnisse des Verkehrs gerade dieser Charakter des allgemeinen
Verkehrsmittels aus dem Wege schafft, bedarf keiner Auseinandersetzung.
Jene gerade in unserer
Epoche so gewachsene Indifferenz des Geldes, deren Folge auch die
Indifferenz der Gegenstände ist, zeichnet sich recht an jenen Warengeschäften,
die sich dadurch charakterisieren, dass alle Waren in ihnen denselben
Preis haben; hier ist das Entscheidende, das, was von vornherein den Käufer
bestimmen soll und den Zweck des Geschäfts enthält, eben nicht die Ware
in ihrer Eigentümlichkeit, sondern die Bestimmtheit des dafür
aufzuwendenden Preises; immer mehr tritt das spezifische Quale vor dem
Quantum zurück, nach dem allein gefragt wird; wovon denn die begreifliche
Folge ist, dass immer mehr Dinge unter Vernachlässigung ihrer Qualität
nur gekauft werden, weil sie billig sind.
Eben dasselbe
psychologische Wesen des Geldes bewirkt aber auch die entgegengesetzte
Erscheinung, dass viele Dinge geschätzt und gesucht werden, gerade weil
sie viel Geld kosten; die bloße Tatsache, dass der Gegenstand nur um den
bestimmten Preis zu haben ist, verschafft ihm in den Augen vieler seine
Schätzung.
Dadurch ergibt sich
vielfach ein Zirkel in der Wertbestimmung: lässt der Anbietende den Preis
sinken, so sinkt auch die Wertschätzung der Ware und dies drückt nun den
Preis noch weiter herab.
Indessen hat schon früher
dieser Charakter des Geldes die eigentümliche Erscheinung zur Folge
gehabt, dass solche Klassen, denen auf Grund ihrer bürgerlichen Stellung
vielerlei Ziele des persönlichen Strebens von vornherein verschlossen
waren, sich in hervorragender Weise auf den Gelderwerb warfen; so die
Freigelassenen in Rom, die Hugenotten in Frankreich, die Juden in der
ganzen Welt.
Das Geld ist das neutrale
Gebiet, das ihnen weniger als jedes andere mit Erfolg verschlossen werden
kann, weil es eben seines unspezifischen Charakters halber noch immer
durch viele Kanäle zu ihnen hin rinnen kann, wenn auch diejenigen für
andere Erfolge für sie geschlossen sind; und andererseits ist es
begreiflich, dass gerade solche bürgerlich unterdrückte Klassen alle Kräfte
auf den Gelderwerb konzentrieren, weil sie eben vermöge seiner
indifferenten Stellung über den spezifischen Inhalten des Lebens nun
Einfluss und Genuss sich verschaffen können, für welche die direkten
spezifischen Mittel ihnen versagt sind.
In einer Beziehung freilich
ist die Allgewalt des Geldes gegen früher geschwächt: die Geldbuße hat
kein so weites Gebiet mehr.
Es ist bekannt, wie das
altgermanische Recht für die schwersten Vergehungen die Sühne durch Geld
genügen ließ und wie schon im 7. Jahrhundert die kirchliche Fastensbuße
durch Geld ersetzt werden konnte; die Trennung vom Gelde wurde als etwas
so wesentliches empfunden, dass damit alles mögliche ausgeglichen werden
konnte, vielleicht sogar in Anlehnung an das sittliche Verdienst, das
schon das Evangelium dem Weggeben des Reichtums zugesprochen hatte.
In beiden Hinsichten, als Sühne
für die Verletzungen der menschlichen wie der göttlichen Ordnung, ist
sein Wert gesunken.
Aber diese scheinbare
Ausnahme bestätigt die Regel.
Gerade weil für das
Geld allmählich immer mehr Dinge zu haben waren, weil es sich zum Äquivalent
für die meisten Inhalte des Lebens aufschwang, gerade deshalb hörte es
auf für ganz ausnahmsweise und besondere Beziehungen äquivalent zu sein.
Nicht trotzdem man so gut
wie alles dafür haben kann, konnte es jene sittlich religiösen
Anforderungen nicht mehr ausgleichen, sondern gerade weil man so gut wie
alles dafür haben kann.
Die Erniedrigung der Würde
des Geldes einerseits, die Erhöhung des sittlichen Bewusstseins
andererseits wirkten zum Verschwinden jener Erscheinung zusammen. Andererseits
hat der Umstand, dass so viele Werte des Lebens in Geld ausdrückbar sind,
dem Strafrecht wenigstens den allgemeinen Begriff des Betrugs, der Beschädigung
anderer durch Vorspiegelung falscher Tatsachen, für seine Zwecke zu
fixieren ermöglicht, nämlich insoweit, als nur derjenige als Betrüger
bestraft wird, der auf solche Weise das Vermögen eines anderen beschädigt. Freilich
zeigt dies recht scharf, dass das Geld wenn auch für vieles, so doch
nicht für alles der gleichwertige Ausdruck ist.
Die ärgste betrügerische
Vorspiegelung, die das Lebensglück eines Menschen völlig vernichtet und
ihrem Charakter nach durchaus strafrechtliche Verfolgung forderte, bleibt
straflos (mit Ausnahme etwa von § 179 des deutschen Strafgesetzbuchs),
sobald der bewirkte Schaden so die rein persönlichen individuellen Verhältnisse
trifft, dass er sich der Schätzung an dem unpersönlichen Geldmaßstabe
entzieht.
Das Gefühl von der Unpersönlichkeit
des Geldes ist auch einer der Gründe, aus denen uns die Hingabe der
weiblichen Ehre für Geld so besonders verächtlich erscheint; denn diese
ist etwas so Persönliches, dass sie nur mit der gleichen Hingabe der
ganzen Persönlichkeit äquivalent erwidert werden kann, am wenigsten aber
durch denjenigen Wert, der von allen der unindividuellste, von dem
spezifischen Inhalt der Persönlichkeit entfernteste ist; so dass
diejenige, die jenen dennoch für diesen hingibt, dadurch selbst die
denkbar größte Herabsetzung des Wertes ihrer Person begeht und an den
Tag legt.
Im ganzen wird man sagen können,
dass die eigenartige psychologische Färbung oder vielmehr Entfärbung,
welche den Dingen durch ihre Äquivalenz mit einem völlig farblosen
Tauschmittel zu teil wird, sozusagen eine gewisse Glätte, ein Abschleifen
ihrer scharfen Ecken mit sich bringt und, indem sie dadurch ihre
Zirkulation erleichtert und beschleunigt, eine Seite des großen
Kulturprozesses ist, der die Realitäten wie die Ideale aus der Form der
Stabilität, des unveränderlich Festen, für immer Bestehenden in die der
Bewegung, des ewigen Flusses der Dinge, der steten Entwicklung überführt.
Wenn statt der unbedingten
und apriorischen Erkenntnisse, zu denen frühere Zeiten strebten, mehr und
mehr die Erfahrung als einziges Mittel des Wissens betont wird, so
bedeutet dies die Umwandlung eines als für alle Zeiten gültig
geforderten Denkinhaltes in einen solchen, der fortwährender
Umgestaltung, Vermehrung, Korrektur fähig ist; wenn die Arten der
Organismen statt als ewige Schöpfungsgedanken Gottes nur als
Durchgangspunkte einer ins unendliche gehenden Evolution erkannt werden
und damit zugleich statt einheitlicher und unveränderlicher Formen
unseres Verhaltens die Anpassung an wechselnde Entwicklungsbedingungen
sich als Ideal auftut; wenn der metaphysische Glaube an gewisse höchste
Vorstellungen, an deren subjektiver und objektiver Ewigkeit man festhielt,
als wandlungsreiches Resultat rein psychologischer Prozesse erkannt wird;
wenn die festen Abgrenzungen innerhalb der sozialen Gruppe mehr und mehr
verflüssigt und die Starrheiten des Kastenwesens, des Zunftzwanges, der
Bindung an die Tradition auf jedem Gebiet durchbrochen werden, so dass die
Persönlichkeit sozusagen leichter durch eine Mannigfaltigkeit von
Lebenslagen zirkulieren kann, so sind dies alles Symptome der
gleichen völkerpsychologischen Wandlung, der auch das Geld vermöge der
von ihm ausgehenden direkten und indirekten Erleichterung des Gebens und
Nehmens dient.
Wie nun aber in dem panta
rei der Erscheinungen doch eines beharrt: das Gesetz; wie bei fortwährendem
Wechsel der Faktoren doch die Relation unter ihnen konstant bleibt: so könnte
man das Geld als den ruhenden Pol in der Flucht der wirtschaftlichen
Erscheinungen ansprechen, wie den konstanten Wert eines Bruches, dessen Zähler
und Nenner sich fortwährend um gleiche Vielfache ändern.
Wie gerade die größte
Mannigfaltigkeit der Erscheinungen das Gesetz am klarsten hervortreten lässt,
so stellt sich das Geld in der Beharrung seines Wertes um so reiner
heraus, je massenhafter und verschiedenartiger die Dinge sind, zwischen
denen es die Gleichung ausspricht; um so mehr streift es das Stoffliche
und dessen Wandlungen ab und erhebt sich als acinhton cinoun über alles
einzelne, in erkenntnistheoretischer Beziehung eben ganz dem Gesetze
vergleichbar, das um so reiner und fester dasteht, je bunter und
wechselnder die Einzelfälle sind, die es beherrscht.
Wenn man, in elegischem wie
in sarkastischem Tone, ausgesprochen hat, dass das Geld der Gott unserer
Zeit wäre, so sind in der Tat bedeutsame psychologische Beziehungen
zwischen beiden scheinbar so entgegengesetzten Vorstellungen aufzufinden.
Der Gottesgedanke hat sein
tieferes Wesen darin, dass alle Mannigfaltigkeit der Welt in ihm zur
Einheit gelangen, dass er nach dem schönen Worte des Nikolaus von Kusa
die coincidentia oppositorum ist; aus dieser Idee, dass alle Gegensätzlichkeiten
und Unversöhntheiten der Welt in ihm ihre Ausgleichung und
Vereinheitlichung finden, stammt der Frieden und die Sicherheit, zugleich
aber auch die verdichtete Fülle der mitschwebenden Vorstellungen, die wir
in der Vorstellung Gottes finden.
Die psychologische Ähnlichkeit
ihrer mit der des Geldes ist nach dem Vorhergegangenen klar.
Das tertium comparationis
ist das Gefühl von Ruhe und Sicherheit, das gerade der Besitz von Geld im
Gegensatz zu allem sonstigen Besitz gewährt und das psychologisch
demjenigen entspricht, welches der Fromme in seinem Gott findet; in beiden
Fällen ist es die Erhebung über das Einzelne, die wir in dem ersehnten
Objekt finden, das Zutrauen in die Allmacht des höchsten Prinzips, uns
dieses Einzelne und Niedrigere in jedem Augenblick gewähren, sich
sozusagen wieder in dieses umsetzen zu können.
Gerade wie Gott in der Form
des Glaubens, so ist das Geld in der Form des Konkreten die höchste
Abstraktion, zu der die praktische Vernunft aufgestiegen ist. |