Soziologisches Institut der Universität Zürich
Sociology in Switzerland
Lehrstuhl Prof. Dr. Geser
Politik und Parteien im Wandel (Homepage)

Politik und Parteien im Wandel

Ergebnisse einer Längsschnittsstudie bei 2'500 lokalen Parteisektionen (1989-2003)

Online Publikationen



Ausländerinnen und Ausländer in den Parteien des Kantons Aargau

Stand und Perspektiven der Integration von Ausländerinnen und Ausländern

in den Aargauer Lokalparteien

Urs Meuli

Zürich, Dezember 2006

 


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Präsenz der Ausländerinnen und Ausländer in der Basis der Aargauer Lokalparteien

3 Das Profil der Ausländerinnen und Ausländer in der Anhängerschaft

4 Integrationsleistungen der Ortsparteien

5 Integrationsförderung und Voraussetzungen in der Basis

6 Vorteile der Integration für die Lokalparteien

7 Schlussbemerkungen

8 Literaturhinweise

Anhang: Der Fragebogen

 

Zusammenfassung

Der vorliegende Bericht basiert auf einer quantitativen Befragung, die vom Soziologischen Institut der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit dem Verein MigrantInnenRaum Aargau erhoben worden ist. Diese Befragung ist Teil des Projekts „Migranten und Migrantinnen in den Parteien des Kantons Aargau - Stand und Analyse der Integration“, das vom MigrantInnenRaum Aargau durchgeführt wird. Finanziert wird das Projekt vom Kanton Aargau und der Eidgenössischen Ausländerkommission.

Für die Befragung wurden im Zeitraum September bis Oktober 2006 sämtliche Aargauer Lokalsektionen von FDP, CVP, SVP, EVP, SP und Grünen zur Präsenz der Ausländerinnen und Ausländerin in ihrer Basis befragt. Von den 475 angeschriebenen haben 116 geantwortet, was einer Rücklaufquote von 24.4 Prozent entspricht. Unter der Berücksichtigung, dass für die Parteien das Thema Ausländerintegration nur in einem politischen Sinn, nicht aber für ihre eigene Organisation von Bedeutung ist, und angesichts der geringen Mittel, die für die Durchführung der Befragung zur Verfügung standen, kann von einer sehr guten Beteiligung gesprochen werden.

In der Befragung interessierte uns, wie weit die formalen Voraussetzungen für eine Ausländerintegration in den Lokalparteien vorhanden sind, welche Integrationsleistungen die Lokalparteien bisher getätigt haben, und ob und wie die Lokalparteien schon Integrationsförderung betrieben haben. Schliesslich wollten wir von den Lokalparteien wissen, welchen Nutzen sie sich von einer verstärkten Ausländerintegration allenfalls versprechen und in welchen Bereichen der Parteiarbeit eine Mithilfe von Ausländerinnen und Ausländern sinnvoll wäre.

Zuerst war jedoch die Frage zu klären, wie stark Ausländerinnen und Ausländer in der Basis der Aargauer Parteien zurzeit überhaupt vertreten sind. Dabei hat es sich gezeigt, dass in beinahe jeder zweiten Aargauer Lokalpartei mindestens eine ausländische Person in der Anhängerschaft auftaucht. Je näher man aber an das Zentrum der Parteibasis vorrückt, desto seltener sind sie anzutreffen: So gibt es Mitglieder mit ausländischem Pass bloss in jeder siebten Ortspartei, und bei den Aktiven, die das Lebenszentrum der Parteien bilden, kommen sie fast nicht mehr vor, nämlich nur in jeder sechzehnten Partei.

Bei den Mitgliedern und Aktiven beschränkt sich die Präsenz der Ausländerinnen und Ausländer hautsächlich auf die Sektionen der Sozialdemokraten und der Grünen. In den bürgerlichen Parteien sind sie in diesen zentralen Basissegmenten nur vereinzelt anzutreffen, am meisten noch in der SVP, gar nicht hingegen in der EVP. In der Anhängerschaft sind sie besser auf die verschiedenen Parteien verteilt. Neben den linken Parteien, bei denen die meisten Sektionen eine oder mehrere ausländische Personen in ihren Sympathisantenlisten verzeichnen, kommen sie auch in jeder zweiten Ortspartei der CVP-und in jeder vierten SVP-, FDP- und EVP-Sektion vor.

Insgesamt sind in den Lokalparteien, von denen wir Antwort erhalten haben, 15 ausländische Aktive (in 110 Sektionen), 29 ausländische Mitglieder (in 75 Sektionen) und 187 ausländische Anhängerinnen und Anhänger (in 78 Sektionen) verzeichnet. Wenn man diese Zahlen auf alle 475 Lokalsektionen der sechs grössten Aargauer Parteien hochrechnet, so kommt man schliesslich, vorsichtig geschätzt, auf rund 60 bis 100 Aktive und auf rund 800 bis 1200 Personen in der Anhängerschaft ohne Schweizer Pass. In den etwa 370 Lokalparteien, die das Mitgliederprinzip kennen, dürften geschätzte 120 bis 180 ausländische Mitglieder registriert sein.

Die ausländischen Anhängerinnen und Anhänger verteilen sich hauptsächlich auf drei europäische Regionen. Die grösste Gruppe bilden Menschen aus dem deutschen Sprachraum, die über die Sprache den leichtesten Zugang zu den Parteien finden. Sie haben in allen Parteien eine relativ hohe Präsenz. Die zweite wichtige Gruppe sind Menschen aus dem südwesteuropäischen Raum, aus Italien, Spanien und Portugal. Sie sind hauptsächlich bei den Sozialdemokraten und in der CVP anzutreffen und haben in der Regel einen gewerkschaftlichen (SP) oder einen katholischen (CVP) Hintergrund. Leute aus dem südosteuropäischen Raum, aus dem Balkan, Griechenland und der Türkei, bilden die dritte Ausländergruppe. Sie sind am stärksten in der FDP, SP und der SVP vertreten.

Bezüglich der Berufsstruktur dominieren mittlere und untere Angestellte sowie Arbeiterinnen und Arbeiter. Zahlenmässig starke Gruppen sind ausserdem die Pensionäre, die Freiberuflichen, die leitenden Angestellten und die Gewerbetreibenden. In der CVP dominieren die einfachen Angestellten, in der SVP bilden die Gewerbetreibenden die stärkste Ausländerfraktion, und in der SP sind die Arbeiter am besten vertreten. Hier zeigt sich das Gewicht der Gewerkschaften als Rekrutierungsfeld für die Sozialdemokraten besonders deutlich.

Das Geschlechterverhältnis der ausländischen Anhängerinnen und Anhänger ist demjenigen der schweizerischen Parteigänger ziemlich ähnlich. Insgesamt sind knapp vierzig Prozent der ausländischen Anhängerschaft Frauen. Bei der Altersstruktur fallen leichte Differenzen auf: Während bei den Aktiven in den Parteien schweizweit die 45-60-jährigen am stärksten vertreten sind, ist es in der ausländischen Anhängerschaft die Gruppe der 30 bis 45-jährigen. Ausländerinnen und Ausländer sind also im Durchschnitt etwas jünger als die schweizerische Anhängerschaft.

Die formellen Voraussetzungen für die Teilnahme ausländischer Personen an der Parteipolitik sind in den meisten Parteien vorhanden. In 70 Prozent der Lokalparteien können Ausländerinnen und Ausländer ohne Einschränkungen Mitglied werden, in einigen wenigen Sektionen dürfen sie zwar Mitglieder werden, aber nur in einer beratenden Funktion. Ein Viertel der Ortsparteien verweigert dagegen ausländischen Personen das Recht auf Mitgliedschaft. Am restriktivsten verhält sich die FDP, bei der beinahe die Hälfte der Sektionen die Ausländermitgliedschaft ablehnen.

Nur wenige Lokalparteien haben bis heute Anstrengungen zur Ausländerintegration unternommen. 20 Prozent der Aargauer Ortsparteien haben den Einbezug ausländischer Personen intern schon einmal diskutiert. Interessanterweise ist die Debatte in der FDP noch vor der SP und den Grünen am häufigsten geführt worden. Falls Diskussionen geführt werden, finden sie in der Regel im Parteivorstand, seltener auch an Parteiversammlungen statt.

Dabei wären die Voraussetzungen an der Parteibasis für eine Intensivierung der Ausländerintegration recht Erfolg versprechend. Denn in einem Drittel der Lokalparteien ist eine klare Mehrheit der Aktiven für einen verstärkten Einbezug in die Parteiorganisation. Eindeutig gegen eine Integration sind die Aktiven hingegen nur in 20 Prozent der Sektionen. Wie konfliktträchtig das Ausländerthema in den Parteien allerdings ist, ersieht man daraus, dass in der Hälfte der Lokalparteien die aktive Basis in dieser Frage gespalten ist. Es handelt sich also nicht nur um einen Links-Rechts-Konflikt, sondern die Trennlinie geht mitten durch die Parteien. Vor allem in der FDP und der CVP ist sich die Basis bei diesem Thema in der Mehrheit der Sektionen uneinig.

Konkrete Integrationsförderung ist bis heute aber auch in den integrationsfreundlichen Ortsparteien in den Parteien eher spärlich betrieben worden. Nur jede vierte Sektion, deren Basis für eine Integration ist, hat bisher Förderungsmassnahmen ergriffen. Integrationsförderung wird dabei hauptsächlich in der SP und bei den Grünen betrieben, in den bürgerlichen Parteien kommt sie dagegen nur selten vor. Die Integrationsbemühungen bewegen sich aber insgesamt in einem bescheidenen Rahmen. Die mit Abstand häufigste Massnahme beschränkt sich auf Einladungen zu Parteianlässen, Anfragen für eine Mitarbeit in der Partei oder sogar für einen Parteibeitritt sind die Ausnahme geblieben.

Eine weitergehende Integration ausländischer Personen über die Parteien hinaus in das politische System wird in den Parteien ganz klar abgelehnt. 50 Prozent der Lokalsektionen lehnen die Einführung des Ausländerstimm- und Wahlrechts ab, und in mehr als einem Drittel ist die Basis geteilter Meinung. Dieser Befund deckt sich mit der Meinung der schweizerischen Stimmberechtigten, die sich in den letzten Jahren zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer ablehnend verhalten haben. Bemerkenswerterweise ist dieses Postulat auch in der SP, in der die Basis in der Hälfte aller Sektionen ist die Basis geteilter Meinung ist, nicht unumstritten.

Für eine Ausländerintegration in die Parteien sprechen aus der Sicht der Parteiverantwortlichen verschiedene handfeste Gründe. Die überwiegende Mehrheit der Lokalparteien glaubt, dass dadurch sowohl die ausländische Bevölkerung als auch die Parteien grundsätzlich profitieren könnten. So sind sie der Ansicht, dass das Verständnis für Ausländerbelange zunehmen würde, dass die eigene Partei von neuen politischen Impulsen profitieren könnte, und dass sie wichtige Unterstützung in der Parteiarbeit erhalten würde. Weniger erhoffen sie sich dagegen für eine Verstärkung der Basis und für eine Erhöhung des eigenen Wählerpotentials. Aber trotzdem glauben 40 Prozent der Sektionen, dass ein Einbezug von ausländischen Personen für bessere Wahlergebnisse sorgen könnte.

Sehr viel von einer Integration versprechen sich die Verantwortlichen in den Lokalparteien für die Mithilfe in der Parteiarbeit. Die Ausdünnung der Basis, die in letzter Zeit vielerorts stattgefunden hat, hat dazu geführt, dass grosse Teile der Parteiarbeit gezwungenermassen stark vernachlässigt worden ist. Ausländische Aktive könnten vor allem Defizite in den Arbeitsgruppen, die politische Geschäfte und politische Programme aufgleisen, und in der Organisation geselliger Anlässe, vermindern. Diese Ansicht ist in allen Parteien gleichermassen vorhanden. Andere Tätigkeitsfelder, bei denen sich mehr als die Hälfte der Sektionen die Mithilfe von ausländischen Personen sehr gut vorstellen könnten, sind die Organisation von Informationsveranstaltungen, Mitarbeit in Kommissionen, in der Administration und bei Sachgeschäften. Wenig erhoffen sich die Parteien von Ausländerinnen und Ausländern dagegen bei der Rekrutierung von Kandidierenden.

Inhalt


Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beteiligung der Aargauer Lokalparteien an der Befragung

Tabelle 2: Anteil der Lokalparteien, die Ausländer/innen in ihrer Basis haben

Tabelle 3: Summe der Ausländer/innen in der Basis der befragten Parteien

Tabelle 4: Zahl der Ausländer/innen unter den Aktiven der Aargauer Lokalparteien

Tabelle 5: Zahl der Ausländer/innen unter den Mitgliedern der Aargauer Lokalparteien

Tabelle 6: Zahl der Ausländer/innen in der Anhängerschaft der Aargauer Lokalparteien

Tabelle 7: Geographische Herkunft der ausländischen Anhänger/innen, nach Parteien

Tabelle 8: Können Ausländer/innen Mitglied in der Lokalparteien werden?

Tabelle 9: Meinung der Aktiven zu einem verstärkten Einbezug von Ausländer/innen in die Lokalpartei

Tabelle 10: Anteil der Parteien, die schon aktiv Integrationsförderung betrieben haben, unterschieden nach ihrer Meinung zur Ausländerintegration

Tabelle 11: Meinung zur Einführung des kommunalen Stimm- und Wahlrechts für Ausländer/innen

Tabelle 12: Gründe, die für eine verstärkte Ausländerintegration sprechen

Tabelle 13: In welchen Bereichen der Parteitätigkeit ist Mithilfe resp. Mitarbeit von Ausländer/innen denkbar (Ortsparteien in Prozent)?

Inhalt


Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die ideologische Verortung der Aargauer Lokalparteien auf der Links-Rechts-Skala* (Parteiendurchschnitt)

Abbildung 2: Geographische Herkunft der Ausländer/innen in der Anhängerschaft

Abbildung 3: Die Berufe der Ausländer/innen in der Anhängerschaft

Abbildung 4: Geschlecht und Alter der Ausländer/innen in der Anhängerschaft

Abbildung 5: Anteil Lokalparteien, die einen Einbezug von Ausländer/innen intern schon einmal diskutiert haben

Abbildung 6: Wo oder in welcher Form ist die Integration von Ausländer/innen in die Lokalpartei festgeschrieben oder diskutiert worden?

Abbildung 7: Integrationsförderung der Lokalparteien, deren Basis in der Frage der Ausländerintegration zustimmend oder geteilter Meinung ist

Abbildung 8: Art der Integrationsmassnahmen (Anzahl Fälle)

Inhalt


1 Einleitung

Die Schweiz weist in Europa mit etwas mehr als 20 Prozent einen der höchsten Ausländeranteile an der Gesamtbevölkerung auf. Seit 1980 hat die ausländische Bevölkerung um die Hälfte von einer Million auf eineinhalb Millionen zugenommen. Trotzdem lag die Ausländerpolitik lange Zeit im Dornröschenschlaf. Heute steht sie in der politischen Agenda wegen der Diskussionen über die Personenfreizügigkeit im Zusammenhang mit den bilateralen Verhandlungen mit der EU und aufgrund aktueller Integrationsprobleme mit einzelnen ausländischen Bevölkerungsgruppen wieder weit oben.

Vor allem der Begriff „Integration“ hat heute Hochkonjunktur. Im neuen Ausländergesetz wird die Integration zum massgeblichen Kriterium für die Erteilung bestimmter Bewilligungen an ausländische Personen. Als zentrale Bedingung für eine erfolgreiche und langfristige Integration ist dabei der Zugang zu einer Erwerbstätigkeit definiert. Damit der Eintritt in die Arbeitswelt gelingen kann, werden Integrationsaktivitäten in den Schulen und in der Berufsbildung besondere gefördert (Bundesamt für Migration 2006: 103).

Etwas im Schatten dieser Bereiche befindet sich die politische Integration. Dabei gilt die Möglichkeit der politischen Partizipation und Mitbestimmung neben der strukturellen Integration und der sozialen und kulturellen Integration als eine der drei tragenden Säulen der Integration. Allerdings sind im politischen Sektor weit und breit keine Konzepte und keine öffentliche Unterstützung in Sicht. Als Ziel einer gelungenen politischen Integration wird die Einbürgerung genannt. Hier sind mittelfristig aber keine Fortschritte zu erwarten, denn in jüngster Zeit sind Anläufe zu einer erleichterten Einbürgerung an der Urne dreimal gescheitert. Auch die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer als zweite sich anbietende Möglichkeit zur politischen Partizipation wird in absehbarer Zeit vor dem Stimmvolk keine Gnade finden. Integrationsexperten wirken deshalb etwas ratlos und empfehlen einzig „nun die Wege der Mitsprache in der Vernehmlassungsdemokratie mehr zu nutzen“. [1] 

Damit wären die Parteien in der Pflicht. Denn obwohl Bürgerinitiativen, Verbände und soziale Bewegungen im intermediären System zwischen Politik und Öffentlichkeit an Bedeutung zugelegt haben, sind die Parteien die zentrale Institution als Vermittlerin zwischen politischem System und der Bevölkerung. Wenn sich jemand also aktiv an den Vernehmlassungen, oder anders gesagt an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligen will, engagiert er sich am besten als Mitglied einer Partei. Und da im unmittelbaren Lebensbereich, in den Gemeinden, Einwohnerinnen und Einwohnern jeglicher Nationalität von allen politischen Vorgängen und Entscheidungen in gleichem Masse betroffen sind, macht ein Engagement in einer Lokalpartei für ausländische Personen gleich viel Sinn wie für schweizerische.

Nun gehören Ausländerinnen und Ausländern nicht zu den Zielgruppen von Parteien und sind deshalb für sie als Mitglieder nicht von Interesse. Dies hängt eben damit zusammen, dass sie kein Stimmrecht besitzen und die Parteien sich ihrer primären Zweckbestimmung entsprechend in erster Linie an Wählerinnen und Wähler richtet. Allerdings könnte sich die Integration ausländischer Personen für die Parteien lohnen. In den letzten Jahren ist die Basis der Lokalparteien spürbar kleiner geworden. Ihre Anhängerschaft und die Zahl der Mitglieder und Aktiven sind so stark geschrumpft, dass viele Lokalparteien mit existenziellen Problemen kämpfen müssen. Somit könnte der Beitritt lokalpolitisch interessierter Ausländerinnen und Ausländer helfen, die Parteibasis wieder zu stärken. Sie wären nicht nur als wichtige Unterstützung bei den zahlreichen Parteitätigkeiten willkommen, sondern könnten auch für dringend nötige frische politische Impulse sorgen. Dazu hätte eine bessere Integration auch den Nebeneffekt einer stärkeren Verankerung der Parteien in einer sich rasch verändernden Bevölkerung und würde ausserdem, integrationspolitisch ganz wichtig, den Zugang zwischen schweizerischen und ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern erleichtern.

In der ausländischen Bevölkerung sind ungenutzte Potentiale und Ressourcen vorhanden, die in nächster Zeit noch zunehmen werden. Im letzten Jahrzehnt hat sich nämlich die Zuwanderungssituation stark gewandelt. Die neueste Zuwanderung ist gezeichnet durch die Herkunft aus dem südeuropäischen Raum und aus den Nachbarländern. Damit verbunden ist eine verstärkte Immigration ausländischer Personen mit hohem Bildungsstand. So weisen z.B. 60 Prozent der eingewanderten Deutschen und 55 Prozent der Franzosen eine Tertiärbildung auf (Bundesamt für Migration 2006: 20). Wenn man weiss, dass eine hohe Bildung ein wichtiger Faktor für die politische Teilnahme ist, ist damit zu rechnen, dass das Interesse bedeutender Teile der ausländischen Bevölkerung am lokalpolitischen Geschehen steigen und ihr Wille an der aktiven Mitbestimmung auf Gemeindeebene zunehmen wird.

Im Kanton Aargau entspricht der Ausländeranteil mit etwas mehr als 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung genau den schweizerischen Verhältnissen. 80 Prozent der rund 120'000 besitzen die Niederlassungsbewilligung und leben in ihrer überwiegenden Mehrheit schon seit mindestens zehn Jahren im Kanton oder sind schon in der Schweiz geboren. Von diesen knapp 100'000 Ausländerinnen und Ausländer sind etwa 75’000 im stimmfähigen Alter und in ihrer grossen Mehrheit an ihrem Wohn- und Arbeitsort gut integriert. Daraus ergibt sich ein grosses, praktisch noch ungenutztes Potential für das kommunalpolitische System.

Im Folgenden soll eine Bestandesaufnahme der Ausländerintegration in den Parteien des Kantons Aargau geleistet werden. Es ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass diese Studie Fragen der Integration ausschliesslich aus der Sicht der Parteien betrachtet. Es wird nicht bezweifelt, dass eine erfolgreiche politische Integration sowohl Anstrengungen der Parteien als auch der Ausländerinnen und Ausländer braucht. Anforderungen an Ausländerinnen und Ausländer und Leistungen, die von ihnen für eine politische Integration erwartet werden, sind aber nicht Thema dieser Arbeit.

Fragen der Untersuchung

Vor diesem Hintergrund, aus dem Blickwinkel der Integrationsförderung und der Parteieninteressen, soll in dieser Studie der Stand und die Perspektiven der Ausländerintegration in den Lokalparteien des Kantons Aargau untersucht werden. Es stellt sich die Frage, wie sich die Parteien einerseits zu einer Integration der ausländischen Wohnbevölkerung stellen und welche Aktivitäten sie schon unternommen haben, und mit welchen Strategien und Instrumenten sie andererseits gegebenenfalls eine Verbesserung der Integration erreichen wollen. Wichtig ist die Feststellung, dass die Thematik der Ausländerintegration in der Öffentlichkeit stark polarisiert. So unterscheidet sich der Zugang bürgerlicher Parteien zum Thema deutlich vom Zugang linker Parteien. Deshalb ist es selbstverständlich, dass bei allen Fragestellungen eine differenzierte Betrachtung der Ergebnisse nach Parteien erfolgt.

Zusammenfassend lassen sich folgende Leitfragen formulieren:

  • Wie ist der aktuelle Stand der Integration von Ausländerinnen und Ausländern in den Parteien? Wie verteilen sich die ausländischen Personen auf die Segmente der Parteibasis, die Aktiven, die Mitglieder und die Anhängerschaft? Welche Merkmale können den Ausländerinnen und Ausländern in den Parteien zugeschrieben werden? Wie unterscheiden sie sich nach Herkunft, Berufsstatus, Geschlecht und Alter?

  • Welche Integrationsleistungen haben die Lokalparteien bisher unternommen? Ist es aufgrund der Parteistatuten ausländischen Personen möglich, Parteimitglied zu werden? Haben die Lokalparteien die Integration bisher in irgendeiner Form festgeschrieben oder diskutiert, wenn ja, wie ist das geschehen?

  • Welches Integrationspotential besitzen die Lokalparteien? Wie beurteilen die Aktiven eine verstärkte Integration in die Partei, und wie stellen sie sich zur Einführung des kommunalen Stimm- und Wahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer? Und haben die Lokalparteien in irgendeiner Form die Integration gefördert?

  • Welche Vorteile aus der Parteiverantwortlichen aus einer intensiveren Integration für die Lokalparteien? In welchen Parteitätigkeiten ist eine Mithilfe von Ausländerinnen und Ausländern sinnvoll? Und aus welchen Gründen könnte die Integration für die Lokalpartei von Nutzen sein?

Die Befragung

Die Befragung ist im September und Oktober 2006 durchgeführt worden. Insgesamt haben 475 Lokalsektionen der sechs grössten Aargauer Parteien SVP, SP, FDP, CVP, EVP und Grüne den Fragebogen zugeschickt erhalten. [2]  Davon haben schliesslich 116 Ortsparteien den Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt. Das ergibt eine Rücklaufquote von 24.4 Prozent (vgl. Tabelle 1). Wenn berücksichtigt wird, dass für die Parteien das Thema Ausländerintegration nur in einem politischen Sinn, nicht aber für ihre eigene Organisation relevant ist, kann von einer sehr guten Beteiligung gesprochen werden.

In der Befragung am besten vertreten sind die CVP und die SVP, von deren Sektionen zusammen über 50 Prozent der gültigen Antworten stammen. Dahinter folgen FDP, SP und EVP, klar am Schluss die Grünen. Da aber die Grünen im Kanton Aargau praktisch ausnahmslos auf Bezirksebene organisiert sind, ist die Zahl ihrer Sektionen relativ niedrig. [3] 

Schaut man sich die Teilnahmeergebnisse gesondert nach Parteien an, haben die EVP und die CVP mit klar über 30 Prozent den mit Abstand besten Rücklauf zu verzeichnen. Dahinter folgen mit klarem Abstand die SVP und die Grünen mit knapp 25 Prozent, und am Schluss, mit weniger als 20 Prozent Beteiligung, figurieren die SP und die FDP.

Tabelle 1: Beteiligung der Aargauer Lokalparteien an der Befragung

 

Zahl der antwortenden Lokalparteien

Anteil der Lokalparteien, in Prozent

Zahl der angeschriebenen Lokalparteien

Rücklaufquote Innerhalb der Parteien

         

FDP

21

18.1

121

17.4

CVP

33

28.4

102

32.4

SVP

30

25.9

125

24.0

Grüne

3

2.6

13

23.1

SP

17

14.7

82

20.7

EVP

12

10.3

32

37.5

alle Lokalparteien

116

100.0

475

24.4

Bemerkenswert an den Aargauer Lokalparteien ist die sehr klare ideologische Zuordnung auf der Links-Rechts-Dimension: am rechten Flügel die SVP, rechts die FDP, in der Mitte leicht rechts die CVP und etwas links die EVP, links die SP und am linken Flügel die Grünen (vgl. Abbildung 1). Da die Ausländerthemen (Ausbau politischer Rechte und soziale Integration von Ausländer/innen) sachpolitisch in erster Linie linke Postulate sind (vgl. dazu Geser et al. 2003: 10 f.)., hätte man annehmen können, dass sich diese Konstellation auf den Rücklauf auswirkt, indem linke Parteien stärker an der Befragung partizipieren. Dies ist nicht eingetreten. Den eindeutig stärksten Rücklauf verzeichnen die Parteien mit der CVP und der EVP die Parteien in der Mitte, eine mittlere Teilnahme ist bei den beiden Parteien an den politischen Polen zu notieren, den Grünen und der SVP, den Schluss bilden die SP von der linken und die FDP von der rechten Seite. Interessant ist dabei vor allem der Umstand, dass die als ausländerkritisch bekannte SVP eine deutlich höhere Teilnahme aufweist als die sich für Ausländerbelange einsetzende SP.

Abbildung 1: Die ideologische Verortung der Aargauer Lokalparteien auf der Links-Rechts-Skala* (Parteiendurchschnitt)

1=ganz links; 10=ganz rechts; 5.5 ist der Mittelwert

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die politische Einstellung zum Thema Integration nicht feststellbar auf die Teilnahmebereitschaft ausgewirkt hat. Die Lokalsektionen der linken Parteien, die Integrationsfragen grundsätzlich positiv gegenüberstehen, haben an der Befragung nicht fleissiger teilgenommen. Im Gegenteil wird die Rücklaufquote in der SP nur von derjenigen der FDP unterboten. Bemerkenswert ist dagegen die relativ gute Beteiligung der SVP-Sektionen, dies trotz einer leicht kritischen bis in einigen Fällen klar ablehnenden Haltung bei der Integrationsfrage. Am eindeutig höchsten ist die Teilnahme der Lokalsektionen der Mitteparteien CVP und EVP, die aus ihrer Position zwischen den Extremen sich dem Thema relativ unvoreingenommen nähern konnten.

Inhalt


2 Präsenz der Ausländerinnen und Ausländer in der Basis der Aargauer Lokalparteien

Schon seit einiger Zeit leiden die Schweizer Parteien unter einer schrumpfenden Basis. In den letzten 15 Jahren haben sie 20 Prozent ihrer Mitglieder und sogar ein Drittel ihrer Aktiven verloren (vgl. Ladner/Meuli 2005). Heute gibt es in den rund 5000 Lokalparteien und lokalpolitischen Gruppierungen etwa 250'000 Mitglieder, davon engagieren sich rund 80'000 als Aktive, sei es durch die Übernahme eines Parteiamtes oder eines öffentlichen Mandates oder sei es durch konkrete Mitarbeit bei den anfallenden Parteitätigkeiten.

Neben den Mitgliedern und Aktiven bilden die Sympathisantinnen und Sympathisanten als Anhängerschaft einen weiteren wichtigen Teil der Parteienbasis. Zu diesen zählen die Personen, die aufgrund ihres Interesses, Engagements oder ihrer Sympathie zu einer Ortspartei regelmässig zu deren Veranstaltungen eingeladen werden. Die Grösse der Anhängerschaft ist aber schwieriger zu beziffern, weil sich ihre Definition nicht auf ein formelles Kriterium wie bei der Mitgliedschaft abstützen kann. Ab welchem Punkt eine Person zur Anhängerschaft gezählt werden kann, liegt somit im Ermessen der Partei. Verschiedene Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die Zahl der Anhängerinnen und Anhänger in der Regel etwa doppelt so hoch ist wie die Zahl der Mitglieder.

Aufgrund der Angaben dieser Befragung weisen im Kanton Aargau die 475 Ortssektionen der sechs in unsere Untersuchung einbzogenen Parteien SVP, SP, FDP, CVP, EVP und Grüne knapp 24’000 Mitglieder, rund 10'000 Aktive und 35'000 bis 40'000 Anhhänger/innen aus. Der Anteil der Aktiven an den Mitgliedern scheint damit im Aargau etwas höher als im gesamtschweizerischen Durchschnitt zu sein, die Zahl der Anhängerschaft dafür etwas tiefer.

Die Vertretung der ausländischen Bevölkerung in den Parteien ist bisher in der Schweiz noch nicht thematisiert worden. Entsprechend der primären Ausrichtung der Parteien auf die Wählerinnen und Wähler gehören die Ausländerinnen und Ausländer nicht zu den Zielgruppen und sind deshalb auch als Mitglieder nicht von besonderem Interesse. Auf der anderen Seite unterstehen die Parteien in der Schweiz dem Vereinsrecht, wodurch auch interessierte Personen mit ausländischem Pass prinzipiell Mitglieder einer Partei werden können, es sei denn, eine lokale Partei erklärt das Schweizer Bürgerrecht in den Statuten zur expliziten Bedingung einer Mitgliedschaft.

Wie sieht es jetzt aber in der Praxis aus? Hat es in den Parteien Ausländerinnen und Ausländer, und wie verbreitet sind sie? Unsere Befragung zeigt, dass es sie in den Aargauer Parteien gibt, zwar nicht sehr zahlreich, aber doch in einem guten Teil der Sektionen. Dabei gilt das Prinzip: je weiter entfernt vom Zentrum der Parteien, desto grösser ist die Präsenz ausländischer Personen. Bei den Aktiven, im Kern der Parteien, sind Ausländerinnen und Ausländer nur sehr selten zu finden. Nur sieben von 110 Lokalparteien haben in unserer Untersuchung eine oder mehrere ausländische Personen als Aktive gemeldet. Ausländische Mitglieder sind schon weiter gestreut. In 15 Prozent der Lokalparteien mit Mitgliederstatus ist mindestens eine Ausländerin oder ein Ausländer als Mitglied eingeschrieben. Und in der Anhängerschaft kommen sie relativ häufig vor, denn mehr als 40 Prozent der Lokalparteien rechnet mindestens eine ausländische Person zu ihrem Sympathisantenkreis (vgl. Tabelle 2).

Allerdings sind die Ausländerinnen und Ausländer sehr ungleich auf die Parteien verteilt. Bei den Mitgliedern und Aktiven konzentriert sich ihre Präsenz hauptsächlich auf die SP. Jede fünfte SP-Sektion hat zumindest einen ausländischen Aktiven in ihren Reihen und in fast jeder zweiten SP-Sektion ist ein ausländisches Mitglied eingeschrieben. Die Sektionen der Grünen gibt es noch nicht lange, weshalb sie nur schwach organisiert sind. Deshalb haben sie das Mitgliederprinzip noch nicht eingeführt. aber immerhin in einer von zwei Sektionen der Grünen, die über ihre Aktiven Angaben gemacht haben, gibt es ausländische Parteiaktive. Bemerkenswert ist, dass in der SVP drei von 19 Sektionen ausländische Personen als Mitglieder aufweisen. In den Lokalsektionen von FDP und CVP sind Ausländerinnen und Ausländer unter den Aktiven und Mitgliedern nur vereinzelt anzutreffen, und in der EVP kommen sie in diesen zentralen Basissegmenten gar nicht vor.

Auch in der Anhängerschaft sind Ausländerinnen und Ausländer in den linken Parteien klar stärker vertreten. In fast jeder lokalen Sektion der SP und der Grünen, die über ihre Anhängerschaft Auskunft geben konnten, sind ausländische Sympathisantinnen oder Sympathisanten registriert. In diesem äusseren Basissegment sind aber ebenfalls in der CVP in vielen Sektionen ausländische Personen vorzufinden, und auch in den übrigen Parteien gibt es sie in jeder vierten Lokalsektion.

Tabelle 2: Anteil der Lokalparteien, die Ausländer/innen in ihrer Basis haben

Anteil der Lokalparteien mit:

Ausländer/innen bei den Aktiven

Ausländer/innen bei den Mitgliedern

Ausländer/innen in der Anhängerschaft

 

in %

N=

in %

N=

in %

N=

             

FDP

0,0

21

5.9

17

26.7

15

CVP

3.2

31

5.9

17

47.8

23

SVP

6.9

29

15.8

19

25.0

20

Grüne

50.0

2

-

-

100.0

1

SP

20.0

15

42.9

14

83.3

12

EVP

0,0

12

0,0

8

28.6

7

Alle Lokalparteien

6.4

110

14.7

75

42.3

78

 

Wie viele Ausländerinnen und Ausländer in ihrer Basis haben die Lokalparteien insgesamt gezählt? In Tabelle 3 ist die Summe aller von den befragten Parteien angegebenen ausländischen Personen aufgelistet. Wie erwartet sind die Zahlen bei den Aktiven und den Mitgliedern mit14 resp. 29 sehr tief. In der Anhängerschaft haben die Lokalparteien insgesamt aber mit 187 doch relativ viele Ausländerinnen und Ausländer gemeldet, was einem Durchschnitt von zweieinhalb ausländischen Personen pro Lokalpartei entspricht.

Tabelle 3: Summe der Ausländer/innen in der Basis der befragten Lokalparteien

 

Anzahl Ausländer/innen

Anzahl Lokalparteien

Ausländer/innen pro Lokalpartei

       

Aktive

15

110

0.1

Mitglieder

29

75

0.4

Anhängerschaft

187

78

2.4

Im Folgenden wird die Verteilung der ausländischen Personen auf die Parteien in den drei Basissegmenten beschrieben. Ausserdem wird die jeweilige Zahl auf die Gesamtheit der Aargauer Lokalparteien hochgerechnet, um so eine Vorstellung davon zu bekommen, wie viele Ausländerinnen und Ausländer insgesamt in den Aargauer Parteien ungefähr in der Basis registriert sind.

Die wenigen ausländischen Aktiven in den Aargauer Parteien konzentrieren sich fast ausnahmslos auf die Sektionen der SP und der Grünen (vgl. Tabelle 4). Nur SVP und CVP haben ganz vereinzelt Ausländerinnen und Ausländer unter den Aktiven ausgewiesen, in den FDP- und EVP-Sektionen gibt es sie nicht. Insgesamt haben die Parteien, die an der Befragung teilgenommen haben, 15 ausländische Aktive angegeben, was für alle Aargauer Lokalsektionen der sechs Parteien einer Zahl von 65 ausländischen Aktiven entspricht. Diese Zahl muss natürlich aufgrund der geringen Anzahl Parteien relativiert werden. Insgesamt dürften sich in den Aargauer Parteien zwischen 50 und 80 ausländische Aktive befinden.

Tabelle 4: Zahl der Ausländer/innen unter den Aktiven der Aargauer Lokalparteien

 

FDP

CVP

SVP

Grüne

SP

EVP

alle Parteien

               

Summe der aktiven Ausländer/innen in den befragten Lokalparteien

0

1

2

5

7

0

15

Zahl befragte Lokalparteien

21

31

29

2

15

12

110

Aktive Ausländer/innen pro Lokalpartei

0.0

0.0

0.1

2,5

0.4

0.0

0.1

Gesamtzahl der Aargauer Lokalparteien

121

102

125

13

82

32

475

Hochgerechnete Zahl der aktiven Aus-länder/innen in den Aargauer Lokalparteien

0

3

9

32

38

0

82

Geschätzte Zahl der Aktiven in den Aargauer Lokalparteien

           

60-100

Nur unwesentlich höher als die Zahl der Aktiven ist die Summe der ausländischen Personen bei den Mitgliedern. Die Lokalparteien, die an der Befragung teilgenommen haben, haben zusammen 29 ausländische Personen als Mitglieder angegeben (vgl. Tabelle 5). Mit Abstand das grösste ausländische Kontingent weist die SP auf, mehr als die Hälfte aller genannten Ausländerinnen und Ausländer entfallen auf ihre Sektionen. Die restlichen ausländischen Personen verteilen sich auf die drei bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP. Keine ausländischen Mitglieder finden sich bei der EVP. [4] 

Bei der Hochrechnung der ausländischen Mitglieder auf alle Sektionen der sechs grossen Parteien muss berücksichtigt werden, dass nicht alle Lokalsektionen das Mitgliederprinzip eingeführt haben. Von den Lokalparteien in unserer Befragung weisen rund drei Viertel das Mitgliederprinzip auf. Damit existieren insgesamt im Kanton Aargau schätzungsweise rund 370 Lokalparteien mit Mitgliedern. In diesen 370 Sektionen dürften sich alles in allem zwischen 120 und 180 Ausländerinnen und Ausländer unter den Mitgliedern befinden.

Tabelle 5: Zahl der Ausländer/innen unter den Mitgliedern der Aargauer Lokalparteien

 

FDP

CVP

SVP

Grüne

SP

EVP

alle Parteien

               

Zahl der ausländischen Mitglieder in den befragten Lokalparteien

3

5

5

0

16

0

29

Zahl befragte Lokalparteien

17

17

19

0

14

8

75

Ausländische Mitglieder pro Lokalpartei

0.2

0.3

0.3

0.0

1.1

0.0

0.4

Gesamtzahl der Aargauer Lokalparteien mit Mitgliedschaftsprinz

115

55

90

5

80

25

370

Hochgerechnete Zahl der ausländischen Mitglieder

20

15

25

0

90

0

150

Geschätzte Zahl der Mitglieder in den Aargauer Lokalparteien

           

120-180

In der Anhängerschaft, dem äussersten Teil der Basis, sind Ausländerinnen und Ausländer wie schon erwähnt etwas stärker vertreten. Dies ist nicht weiter erstaunlich, denn zur Anhängerschaft gehören alle Personen, die in einer Adresskartei der Lokalparteien aufgeführt sind und regelmässig mit schriftlichen Unterlagen oder mit Einladungen zu Parteianlässen bedient werden. Die Zugehörigkeit zur Anhängerschaft ist mit keinen Pflichten verbunden und lässt es der einzelnen Sympathisantin offen, wie weit sie für die Partei aktiv werden will. Trotzdem sind Sympathisantinnen und Sympathisanten für die Parteien von grosser Bedeutung, weil sie ein zentrales Bindeglied zwischen Parteien und Bevölkerung darstellen. Die Grösse der Anhängerschaft sagt viel aus über die Verankerung der Parteien in der Gesellschaft.

Auch in der Anhängerschaft sind die Leute mit ausländischem Pass in der SP am stärksten präsent. Jede SP-Sektion hat durchschnittlich 4.5 ausländische Sympathisantinnen und Sympathisanten in ihren Reihen (vgl. Tabelle 6). Ebenfalls relativ stark vertreten mit drei Personen pro Ortspartei sind Ausländerinnen und Ausländer in der Anhängerschaft. Das Resultat der einen Sektion der Grünen mit 15 ausländischen Personen ist bemerkenswert, kann aber nicht für die Grüne Partei im Aargau insgesamt gebraucht werden. Ähnlich gross ist das Kontingent der Ausländerinnen und Ausländer in der FDP, SVP und EVP, deren Sektionen durchschnittlich eine Ausländerin oder einen Ausländer zu ihrer Anhängerschaft rechnen.

Eine Hochrechnung auf alle Aargauer Lokalparteien fällt bei der Anhängerschaft am schwersten, weil die Angaben der Parteien in vielen Fällen sehr vage sind. Die Nennung der einen Sektion der Grünen könnte zusätzlich das Bild verfälschten, weil nicht anzunehmen ist, dass die anderen grünen Sektionen ebenfalls eine so überdurchschnittlich hohe Zahl ausländischer Aktiven ausweisen. Nach einer vorsichtigen Schätzung dürfte sich die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer in den Anhängerkreisen der Aargauer Parteien zwischen 800 und 1200 Personen bewegen.

Tabelle 6: Zahl der Ausländer/innen in der Anhängerschaft der Aargauer Lokalparteien

 

FDP

CVP

SVP

Grüne

SP

EVP

alle Lokal-parteien

               

Zahl der Ausländer/innen in der Anhängerschaft der befragten Lokalparteien

13

70

28

15

54

7

234

Zahl befragte Lokalparteien

15

23

20

1

12

7

78

Ausländer/innen in der Anhängerschaft pro Lokalpartei

0.9

3.0

1.4

15.0

4.5

1.0

3.0

Gesamtzahl der Aargauer Lokalparteien

121

102

125

13

82

32

475

Hochgerechnete Zahl der Ausländer/innen in der Anhängerschaft der Aargauer Lokalparteien

100

300

175

(195)

370

30

1000

Geschätzte Zahl der Ausländer/innen in der Anhängerschaft der Aargauer Lokalparteien

           

800-1200

Bei der Zusammenfassung der Zahlen fällt auf, dass im Umfeld der Parteien, in der Anhängerschaft, Ausländerinnen und Ausländer relativ häufig vorkommen. Im Zentrum der Lokalparteien, wo die politische Arbeit verrichtet wird, wo sich die Entscheidungsträger und Macher lokaler Politik befinden, sind sie praktisch nicht zu finden. Gesamthaft gilt in den Schweizer Lokalparteien die Regel, dass auf eine Aktive drei Mitglieder, und auf ein Mitglied zwei Anhängerinnen kommen. Das Verhältnis Aktive - Mitglieder - Anhängerschaft beträgt also 1 zu 3 zu 6. Das Verhältnis der ausländischen Personen in den Parteien beträgt im Kanton Aargau demgegenüber 1 Aktive zu zwei Mitgliedern zu 12 Anhängern. Damit wird klar, dass vor allem die Mitglieder im Vergleich zu den anderen Basissegmenten deutlich untervertreten sind. Einerseits heisst das, dass Ausländerinnen und Ausländer, wenn sie sich für eine Mitgliedschaft entscheiden, eher bereit sind, in der Partei aktiv zu werden. Andererseits funktioniert die Mitgliederrekrutierung bei den ausländischen Sympathisantinnen und Sympathisanten nicht sehr gut. Anders gesagt ist diese Untervertretung bei den Mitgliedern auch ein Hinweis darauf, dass der Integration ausländischer Personen vom Parteiumfeld ins Parteizentrum zu wenig Beachtung geschenkt wird.

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3 Das Profil der Ausländerinnen und Ausländer in der Anhängerschaft

Die Zahl der ausländischen Personen bei den Aktiven und Mitgliedern ist zu gering, dass ihre Merkmale und Eigenschaften analysiert werden können. Deshalb sollen im Folgenden die relativ zahlreichen Ausländerinnen und Ausländer in der Anhängerschaft näher untersucht werden. Unterscheidungskriterien sind dabei die Zugehörigkeit zur Berufsgruppe, die geographische Herkunft sowie Geschlecht und Alter der Personen. Da die Anhängerschaft aber den äusseren Rand der Parteibasis bildet, ist es nicht die Regel, dass die Parteiverantwortlichen Leute aus diesem Bereich näher kennen. Trotzdem haben sie über einen erfreulich grossen Teil der ausländischen Sympathisantinnen und Sympathisanten Auskunft geben können. So wussten die Parteiverantwortlichen über Herkunft und Berufszugehörigkeit bei rund einem guten Drittel der 187, bei Geschlecht und Alter sogar bei zwei Drittel der ausländischen Personen Bescheid.

Das zentrale Kriterium bei der Einordnung ausländischer Personen ist die nationale Zugehörigkeit. In der Regel konzentrieren sich Ausländerdebatten auf integrationspolitisch heikle Gebiete. Heute ist es die Balkanregion, vor noch nicht allzu langer Zeit waren es tamilische Immigranten, die die Ausländerdiskussion beherrschten, noch früher waren es italienische Einwanderer. Es wird dabei häufig übersehen, dass heute Einwanderung in die Schweiz zusehends von Menschen aus benachbarten, industrialisierten Ländern bestimmt wird. So hat sich die Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung aus den benachbarten Ländern in den letzten 10 Jahren am stärksten erhöht (Bundesamt für Migration 2006: 140).

So ist es nicht erstaunlich, dass Personen aus dem deutschen Sprachraum die mit Abstand grösste Ausländergruppe in den Aargauer Parteien stellen (vgl. Abbildung 2). Natürlich erleichtert der sprachliche Aspekt den Zugang zu den Parteien wesentlich. Die zweitgrösste Gruppe bilden Personen aus dem südwesteuropäischen Raum (Italien, Spanien, Portugal), und eine dritte bedeutende Gruppe von Personen stammt aus dem südosteuropäischen Gebiet (Balkanländer, Griechenland, Türkei). Andere geographische Regionen sind in den Parteien dagegen nur vereinzelt vertreten.

Abbildung 2: Geographische Herkunft der Ausländer/innen in der Anhängerschaft

Insgesamt 67 Personen aus 36 Lokalparteien (8 FDP; 12 CVP; 8 SVP; 2 Grüne; 12 SP; 2 EVP)

Ein Vergleich der Parteien bringt einige bemerkenswerte Unterschiede zu Tage (vgl. Tabelle 7). So unterscheiden sich die beiden Parteien mit den grössten ausländischen Anhängergruppen darin, dass in der CVP die Deutschsprachigen die grösste Fraktion bilden, während in der SP die Leute aus Südwesteuropa dominieren. Die starke Stellung der Personen aus den klassischen Einwanderungsländern Italien, Spanien und Portugal in der SP rührt daher, dass diese stark in den Gewerkschaften vertreten sind, die ihrerseits ein wichtiges Reservoir der Mitgliederrekrutierung der SP bilden. In der FDP und der SVP ist Südwesteuropa praktisch nicht präsent, hier halten sich Anhängerinnen und Anhänger aus dem deutschen Sprachraum und Südosteuropa die Waage.

Tabelle 7: Geographische Herkunft der ausländischen Anhänger/innen, nach Parteien*

 

SP

SVP

CVP

FDP

         

Deutscher Sprachraum

6

4

8

5

Südwesteuropa

9

1

5

2

Südosteuropa

4

4

1

5

übrige

1

2

2

1

Total

20

11

16

13

*bei EVP und Grünen gibt es nur über drei resp. vier Personen konkrete Angaben

In der Arbeitswelt dominieren bei den Ausländer/innen die Berufsgruppen der mittleren und einfachen Angestellten und die Arbeiter (vgl. Abbildung 3). Mit 16 resp. 13 Vertretern stellen sie zusammen 40 Prozent der Ausländerinnen und Ausländer in der Anhängerschaft. Zahlenmässig starke Gruppen bilden ausserdem die Freiberuflichen und die Renterinnen und Rentner. Mit fünf bis sieben Personen folgen danach die Manager resp. leitenden Angestellten, die Gewerbetreibenden, die Studierenden und die Lehrpersonen.

Im Parteienvergleich werden deutliche Differenzen sichtbar. Während in der FDP und der EVP keine Berufsgruppen besonders hervorstechen, bilden die Gewerbetreibenden in der SVP das grösste Ausländerkontingent. In der CVP dominieren die mittleren und unteren Angestellten, sie stellen mit 9 von 17 Personen mehr als die Hälfte der ausländischen Anhängerschaft.

In der SP spielen die mittleren und unteren Angestellten nur eine untergeordnete Rolle. Die mit Abstand grösste Berufsgruppe bilden in der ehemaligen Arbeiterpartei die Arbeiterinnen und Arbeiter. Dieses auf den ersten Blick logische Resultat spiegelt jedoch die heutigen Verhältnisse in der SP nicht mehr wider, denn die Arbeitenden haben bei den Sozialdemokraten in den letzten 15 Jahren stark an Bedeutung verloren. Mit Abstand grösste Berufsgruppe sind heute auch in der SP die mittleren und unteren Angestellten (Geser et al. 2003: 17). Wie schon bei der starken Position der Leute aus Südwesteuropa in der SP erklärt sich auch der hohe Anteil an Arbeiterinnen Arbeitern in der ausländischen Anhängerschaft durch die Nähe der SP zu den Gewerkschaften und deren grosse Anbindungskraft an Arbeitende aus südwesteuropäischen Ländern.

Abbildung 3: Die Berufe der Ausländer/innen in der Anhängerschaft

Insgesamt 71 Personen aus 36 Lokalparteien (8 FDP; 17 CVP; 15 SVP; 5 Grüne; 19 SP; 7 EVP)

Am besten Bescheid wissen die Verantwortlichen der Ortsparteien über das Alter und das Geschlecht ihrer ausländischen Anhängerschaft. Die klar grösste Altersgruppe bilden die 30 bis 34-jährigen, gefolgt von der Gruppe der 45 bis 60-jährigen. Ausländische Personen unter 30 und über 60 Jahre sind deutlich weniger stark vertreten (vgl. Abbildung 4). Damit ist die Altersstruktur der Ausländerinnen und Ausländer derjenigen der Aktiven in den Parteien relativ ähnlich (vgl. Geser et al. 2003: 15). Eine Ausnahme ist die Kategorie der 30 bis 45-jährigen bei den Ausländerinnen und Ausländern etwas grösser ist. Damit dürften diese im Durchschnitt etwas jünger sein als die gesamte Anhängerschaft.

In den Schweizer Parteien haben die Frauen in den letzten Jahrzehnten zwar kontinuierlich gegenüber den Männern an Boden gutgemacht, sie sind aber immer noch klar in der Minderheit. In der Anhängerschaft beträgt der Frauenanteil schweizweit heute rund 40 Prozent (Geser et al. 2003: 12) . Ganz ähnlich präsentiert sich das Geschlechterverhältnis in der ausländischen Anhängerschaft. In unserer Befragung stehen 81 Männern 49 Frauen gegenüber, was einem Frauenanteil von knapp 40 Prozent entspricht. Bei den 30 bis 45-jährigen sind die beiden Geschlechter gleich stark vertreten, während in allen anderen Alterskategorien die Männer deutlich stärker vertreten sind. Im Durchschnitt sind Ausländerinnen in den Parteien eher etwas jünger als Ausländer.

Abbildung 4: Geschlecht und Alter der Ausländer/innen in der Anhängerschaft

Im Parteienvergleich zeigt sich als auffälligstes Ergebnis, dass sich in der CVP ausländische Personen fast ausschliesslich auf die beiden mittleren Alterskategorien konzentrieren, während in der SP ein Viertel zu den über 60-jährigen zählen. Im Geschlechterverhältnis ist zwischen den beiden Parteien dagegen mit einem Frauenanteil von jeweils etwas mehr als 40 Prozent kein Unterschied festzustellen. In der FDP und der SVP ist der Anteil der Frauen mit rund 30 Prozent dagegen etwas tiefer.

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4 Integrationsleistungen der Ortsparteien

Da die Rechte und Pflichten der Parteien nicht in der Verfassung festgeschrieben sind, sondern die Parteien formell dem Vereinsrecht unterstehen, ist es ihnen freigestellt, welchen Personen oder Personengruppen sie die Mitgliedschaft gewähren wollen und an welche Bedingungen diese geknüpft sind. Wie ist die Aufnahme von Ausländerinnen und Ausländern in den Parteistatuten geregelt? In zwei Drittel der Aargauer Lokalparteien ist die Mitgliedschaft für ausländische Personen grundsätzlich möglich, indem sie in den Statuten erwähnt oder zumindest nicht explizit ausgeschlossen ist (vgl. Tabelle 8). In einigen wenigen Sektionen sind ohne Schweizer Pass nur als beratende Mitglieder willkommen, und in einem Viertel der Ortsparteien haben sie kein Recht auf Mitgliedschaft.

Am restriktivsten gegen die Aufnahme von ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern verhält sich die FDP. Bei ihr haben beinahe die Hälfte der Sektionen angegeben haben, dass ausländische Personen ausdrücklich kein Recht auf Mitgliedschaft besitzen. In der SVP beträgt der Anteil der Ortsparteien, bei denen der Schweizerpass Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist, ein Drittel. In den anderen Parteien sind es nur vereinzelte Sektionen, die Ausländerinnen und Ausländern die Mitgliedschaft verweigern.

Tabelle 8: Können Ausländer/innen Mitglied in den Lokalparteien werden?

Anteil Lokalparteien in Prozent

Ja

Ja, als beraten- des Mitglied

Nein

Anzahl Parteien

         

FDP

50.0

10.0

40.0

20

CVP

73.3

10.0

16.7

30

SVP

55.6

11.1

33.3

27

Grüne

100.0

0.0

0.0

3

SP

92.9

0.0

7.1

14

EVP

77.8

0.0

22.2

9

Alle Lokalparteien

68.0

7.8

24.3

103

Im überwiegenden Teil der Ortsparteien ist also eine Mitgliedschaft für ausländische Personen formell möglich oder nicht explizit ausgeschlossen. Aufgrund ihrer Zweckbestimmung wenden sich die Parteien aber in erster Linie an ihre Wählerinnen und Wähler, die im Kanton Aargau ausnahmslos sowohl auf kantonaler wie auf kommunaler Ebene Schweizer Bürgerinnen und Bürger sind. Deshalb existiert für die Parteien auch kein Motiv, sich aktiv um die Ausländerinnen und Ausländer als potentielle Mitglieder zu kümmern. Andererseits sprechen auch keine Gründe explizit gegen ihre Aufnahme in eine lokale Sektion, um so mehr, wenn man bedenkt, dass die Parteien sich zu einem beachtlichen Teil über Mitgliederbeiträge finanzieren und daher jedes zusätzlich Mitglied willkommen ist.

In der Regel melden sich aber politisch interessierte und beitrittswillige Personen nicht von sich aus bei den Parteien, im Gegenteil müssen sich diese aktiv um mögliche Neumitglieder bemühen. Wenn man weiss, dass die Barrieren zur Mitgliedschaft schon für Schweizerinnen und Schweizer häufig sehr hoch sind, kann man sich vorstellen, wie viele Hürden ausländischen Interessierten im Wege stehen.

In der Frage der Ausländerintegration haben sich die Parteien bisher aber noch keine grossen Gedanken gemacht. Nur 20 Prozent der Lokalparteien haben über dieses Thema intern schon einmal diskutiert. Interessanterweise ist der Einbezug ausländischer Personen in der FDP klar am meisten zur Sprache gebracht worden (vgl. Abbildung 5). Erstaunlich ist dieses Resultat deshalb, weil ja die Hälfte der FDP-Sektionen die Aufnahme von ausländischen Personen in ihren Statuten gar nicht zulässt. Die Tatsache, dass diese Diskussionen aber sowohl in Sektionen mit als auch ohne Recht zur Mitgliedschaft von Personen ohne Schweizer Pass stattgefunden haben, deutet darauf hin, dass diese Beschränkung in vielen Sektionen der FDP als revisionsbedürftig gilt.

Abbildung 5: Anteil Lokalparteien, die einen Einbezug von Ausländer/innen intern schon einmal diskutiert haben

Überraschend niedrig ist der Anteil der Sektionen der linken Parteien, die einen Einbezug ausländischer Einwohnerinnen und Einwohner schon einmal diskutiert haben, bei denen konkrete Integrationsüberlegungen eher die Ausnahme als die Regel sind. In den übrigen Parteien hat diese Diskussion bisher praktisch noch nicht stattgefunden.

Kommt in den Sektionen die Ausländerfrage zur Sprache, geschieht dies in den meisten Fällen im Rahmen von Sitzungen des Parteivorstands (vgl. Abbildung 6). Vor allem in den FDP-Sektionen ist dies der Fall gewesen. Wenige Ortsparteien, nämlich fünf, haben die Integrationsförderung ins Parteiprogramm geschrieben. Daneben sind noch einige Ortsparteien das Thema grundsätzlich angegangen: Drei Sektionen haben es an einer Parteiversammlung diskutiert, zwei haben dafür sogar eine Arbeitsgruppe eingeführt.

Abbildung 6: Wo oder in welcher Form ist die Integration von Ausländer/innen in die Lokalpartei festgeschrieben oder diskutiert worden?

 

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5 Integrationsförderung und Voraussetzungen in der Basis

Wir haben gesehen, dass beim überwiegenden Teil der Ortsparteien einem Parteibeitritt für Ausländerinnen und Ausländer formell keine Hindernisse im Weg stehen. Gleichzeitig sind aber nur in wenigen Parteien Bemühungen um einen Einbezug zu einer verstärkten Ausländerintegration explizit zur Sprache gekommen. Diese Diskussionen sind bisher weitgehend im Vorstand geführt worden, von entscheidender Bedeutung ist aber letztlich die Meinung der engagierten Basis. Wie stark sich eine Partei für Integrationsmassnahmen einsetzen soll, hängt massgeblich von der Akzeptanz resp. der Ablehnung ausländischer Personen durch die Aktiven ab.

Insgesamt ist eine gezielte Integration von Ausländerinnen und Ausländern in die Parteiorganisation unter den aktiven Mitgliedern in den Aargauer Parteien sehr umstritten. In der Hälfte der lokalen Sektionen ist sich die aktive Basis bei diesem Anliegen uneins, die Meinungen sind geteilt (vgl. Tabelle 9). Unter der anderen Hälfte überwiegen aber die Integrationsbefürworter: Der Anteil der Sektionen, deren Basis eine Integration grundsätzlich befürworten, ist mit 35 Prozent doppelt so hoch als der Anteil der Sektionen, die sich prinzipiell gegen eine Integration aussprechen, mit knapp 20 Prozent.

Besonders umstritten ist das Thema Integration bei den beiden bürgerlichen Parteien FDP und CVP. Zwei Drittel ihrer Sektionen sind in dieser Frage an der Basis gespalten. Es macht den Anschein, dass in diesen beiden Parteien die Ausländerfrage in absehbarer Zeit weder in eine ausländerfreundliche noch in eine ausländerkritische Richtung geregelt werden kann. Stark negativ wird der Ausländereinbezug bei der SVP beurteilt. Allerdings sind auch in der SVP in der Hälfte der Sektionen die Parteiaktivisten geteilter Ansicht. Durchwegs für eine verstärkte Ausländerintegration sind die Sektionen bei den linken Parteien SP und Grüne, auch in der EVP ist die Mehrheit der Sektionen dafür.

Tabelle 9: Meinung der Aktiven zu einem verstärkten Einbezug von Ausländer/innen in die Lokalpartei

Aktive sind:

zustimmend

geteilt

ablehnend

N=

         

FDP

31.3

68.8

0.0

16

CVP

24.1

65.5

10.3

29

SVP

3.8

46.2

50.0

26

Grüne

100.0

0.0

0.0

3

SP

81.3

18.8

0.0

16

EVP

60.0

20.0

20.0

10

alle Lokalparteien

35.0

47.0

18.0

100

Haben die Lokalparteien bis heute konkrete Massnahmen zur Integrationsförderung unternommen und wie wirkt sich die Einstellung der aktiven Basis zu einem Einbezug ausländischer Personen auf diese Massnahmen aus? Insgesamt haben 14 Prozent der Sektionen schon konkrete Integrationsförderung betrieben (vgl. Tabelle 10). Trotz einer eher positiven Einstellung zum Einbezug ausländischer Personen haben die Parteien bisher sehr wenig unternommen, um die Integration zu fördern. Das kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass in den Sektionen noch viel Integrationspotential brach liegt. Dies zeigt sich auch in der tiefen Quote bei den Sektionen, deren Basis grundsätzlich für einen Einbezug ausländischer Personen in die Partei ist. Auch bei diesen Integrationsbefürwortern hat erst jede fünfte Sektion bis heute aktive Integrationsförderung betrieben.

Tabelle 10: Anteil der Lokalparteien, die schon aktiv Integrationsförderung betrieben haben, unterschieden nach ihrer Meinung zur Ausländerintegration

Meinung der aktiven Basis zur Ausländerintegration:

Lokalparteien in Prozent

Anzahl Lokalparteien

     

zustimmend

22.9

35

geteilt

12.8

47

ablehnend

0.0

18

Alle Lokalparteien

14.0

100

Die konkrete Integrationsförderung fast durchwegs auf die beiden linken Parteien SP und Grüne. In den anderen Parteien haben nur ganz vereinzelt Sektionen Integrationsversuche unternommen. In Abbildung 7 sind die Sektionen, deren Basis sich mehrheitlich gegen eine Ausländerintegration ausspricht, nicht berücksichtigt worden. Dabei zeigt sich, dass in der SP jede dritte Lokalsektion und bei den Grünen zwei der drei Sektionen, bisher aktiv geworden sind. In der CVP und der FDP hat jede siebte Sektion, die nicht prinzipiell gegen eine Integration ist, schon einmal aktive Förderung betrieben. In der SVP und der EVP hat die Meinung der Basis überhaupt keinen Einfluss darauf, ob eine Sektion aktiv ist, denn keine Sektion hat bisher irgendwelche Integrationsmassnahmen unternommen.

Abbildung 7: Integrationsförderung der Lokalparteien, deren Basis in der Frage der Ausländerintegration zustimmend oder geteilter Meinung ist

N=82

Bei den bisher durchgeführten Integrationsmassnahmen handelt es sich aber in den meisten Fällen nicht um grosse Würfe. In der Hälfte der Fälle beschränkt sich die Integrationsförderung an Einladungen zu Parteianlässen, die ausländischen Personen oder ausländischen Bevölkerungsgruppen geschickt wurden (vgl. Abbildung 8). Dazu haben vier Lokalsektionen Ausländerinnen und Ausländer zu Parteiversammlungen eingeladen. Konkrete Versuche zu einer Integration sind bisher eher selten gewesen. So haben zwei Sektionen ausländische Personen zu einem Parteibeitritt und drei Sektionen zu einer Mitarbeit in der Partei angefragt.

Abbildung 8: Art der Integrationsmassnahmen (Anzahl Fälle)

N=15

 

Geht man in der Integrationsfrage einen Schritt weiter und stellt die Frage nach der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer, fällt das Gesamtbild bedeutend negativer aus als bei der Frage nach der Ausländerintegration in die Partei. 50 Prozent der Ortsparteien lehnen das Ausländerstimmrecht klar ab, und nur 13 Prozent stimmen ihm zu (vgl. Tabelle 11). In dieser Frage schlägt sich die FDP mit einer klar ablehnenden Haltung auf die Seite der SVP. In der CVP und in der EVP ist das Ausländerstimmrecht an der Basis äusserst umstritten, in der CVP mit einer negativen, in der EVP mit einer eher positiven Tendenz. Aber auch die Basis der SP steht nicht vorbehaltlos zum Ausländerstimmrecht. In der Hälfte ihrer Lokalsektionen sind die Aktiven bei diesem Postulat geteilter Meinung. Nur die drei Sektionen der Grünen, die an der Befragung teilgenommen haben, sind einmütig für die Einführung des Ausländerstimmrechts.

Tabelle 11: Meinung zur Einführung des kommunalen Stimm- und Wahlrechts für Ausländer/innen

 

zustimmend

geteilt

ablehnend

N=

         

FDP

5.6

27.8

66.7

18

CVP

0.0

61.3

38.7

31

SVP

0.0

6.7

93.3

30

Grüne

100.0

0.0

0.0

3

SP

47.1

47.1

5.9

17

EVP

22.2

66.7

11.1

9

alle Lokalparteien

13.0

37.0

50.0

108

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass in den Lokalparteien des Kantons Aargau eine Förderung der Ausländerintegration praktisch nicht vorhanden ist. Trotzdem ist die Basis in den Parteien nicht prinzipiell gegen einen Einbezug von Ausländerinnen und Ausländern in die eigene Parteiorganisation. Aber das Thema ist in weiten Teilen der politischen Basis stark umstritten. Die Trennlinien verlaufen nicht zwischen den Parteien, sondern gehen durch sie hindurch. Es macht aber den Anschein, dass die Integration in vielen Lokalparteien noch gar nicht thematisiert worden ist, weshalb die Haltung der Parteienbasis in dieser Frage etwas diffus bleibt. Dagegen hat sich gezeigt, dass eine Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländerinnen und Ausländer in den Parteien mehrheitlich abgelehnt wird.

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6 Vorteile der Integration für die Lokalparteien

Trotz der oben beschriebenen eher zurückhaltenden Beurteilung der Integration durch die Parteibasis, wird von den Parteiverantwortlichen ein Einbezug von Ausländerinnen und Ausländern in verschiedener Hinsicht als nützlich für die Lokalparteien beurteilt. Die in Tabelle 11 angeführten Gründe, welche für eine Ausländerintegration sprechen könnten, werden grundsätzlich positiv beurteilt. So sind rund 70 Prozent der Lokalparteien der Ansicht, dass durch eine Ausländerintegration alle profitieren (Ortsparteien und ausländische Bevölkerung), die Ortsparteien die Belange von Ausländer/innen besser kennenlernen, dass die Parteiarbeit erleichtert wird, und dass neue politische Impulse in die Parteien gelangen können. Auch glauben 60 Prozent der lokalen Sektionen, dass durch eine verstärkte Ausländerintegration ihre Basis verstärkt werden kann.

Nur bei der Annahme, dass der Einbezug von ausländischen Personen zu einer Erhöhung des Wählerpotentials führen könnte, ist eine Mehrheit der befragten Lokalparteien skeptisch, wobei dies in erster Linie für die Sektionen der SVP und der EVP gilt. Die SVP sieht den Nutzen am ehesten bei der Unterstützung in der Parteiarbeit und zusätzlichen politischen Impulsen. Auch die Sektionen der CVP verbinden eine Ausländerintegration am häufigsten mit einen Zuwachs frischer politischer Ideen, für die FDP dagegen zählt die Vorstellung, dass alle Beteiligten gleichermassen durch die Integration profitieren. Für die Ortssektionen der linken Parteien und der EVP ist in allen Punkten der Nutzen eines Einbezugs ausgewiesen.

Tabelle 12: Gründe, die für eine verstärkte Ausländerintegration sprechen

Anteil Lokalparteien, die zustimmen:

FDP

CVP

SVP

Grüne

SPS

EVP

Alle Parteien

               

es profitieren alle

89.5

77.4

39.3

100.0

88.2

72.7

71.6

Verständnis für Ausländerbelange

73.7

90.3

39.3

100.0

82.4

72.7

71.6

neue politische Impulse

68.4

93.5

35.7

100.0

82.4

63.6

69.7

Unterstützung in der Parteiarbeit

66.7

77.4

46.4

100.0

82.4

72.7

68.5

Verstärkung der Basis

73.7

61.3

21.4

100.0

88.2

54.5

57.8

Erhöhung des Wählerpotentials

52.6

48.4

17.9

66.7

56.3

27.3

40.7

N=109

In den letzten Jahren hat die Bereitschaft der Mitglieder, sich für die eigene Lokalpartei zu engagieren, generell nachgelassen, und die Zahl der Aktiven ist seit 1990 drastisch um ein Drittel geschrumpft (vgl. Ladner/Meuli 2004). Daraus erklärt sich u.a. der Nutzen, den sich die Ortsparteien durch einen Einbezug von Ausländerinnen und Ausländern für die Parteiarbeit versprechen. Tabelle 13 gibt deshalb nicht nur Auskunft über die besondere Eignung von Ausländerinnen und Ausländern für bestimmte Parteitätigkeiten, sondern es wird damit auch offenkundig, in welchen Tätigkeitsbereichen die Parteien Defizite aufweisen.

Der grösste Bedarf an Unterstützung besteht für die Parteien bei der Mitarbeit in Arbeitsgruppen und bei der Durchführung geselliger Anlässe. Es offenbaren sich damit für die Parteien bedeutende Defizite in zwei zentralen Bereichen: Gesellige Anlässe sind wichtig für die Anbindung der Mitglieder, aber auch für die Aussendarstellung und die Rekrutierung neuer Mitglieder. Sie sind ein hauptsächliches Mittel zur Pflege und zum Ausbau der eigenen Basis. Die Ortsparteien weisen in sehr vielen Fällen aber auch empfindliche Defizite in der Ausarbeitung von Konzepten, Programmpunkten und Thesen auf. Politische Inhalte und politische Grundsatzdebatten kommen in der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern, in der Diskussion um Sachfragen, und in den sich Schlag auf Schlag folgenden Wahl -und Abstimmungskampagnen sehr häufig zu kurz.

Es macht den Eindruck, als würden die Lokalsektionen politisch interessierten Ausländerinnen und Ausländern zutrauen, diese organisatorischen und inhaltlichen Lücken zu stopfen. Darauf deutet auch hin, dass sich mehr als die Hälfte der Ortsparteien eine Mitarbeit von ausländischen Personen bei Informationsveranstaltungen, in Kommissionen und in der Administration und bei Sachgeschäften vorstellen können. Als ungeeignet werden sie nur bei der Rekrutierung von Kandidatinnen und Kandidaten für öffentliche Ämter eingestuft.

Tabelle 13: In welchen Bereichen der Parteitätigkeit ist Mithilfe resp. Mitarbeit von Ausländer/innen denkbar (Lokalparteien in Prozent)?

 

FDP

CVP

SVP

Grüne

SP

EVP

Alle Parteien

               

in Arbeitsgruppen

83.3

80.0

53.8

100.0

100.0

100.0

80.0

bei der Organisation geselliger Anlässe

88.9

66.7

46.2

100.0

94.1

90.9

73.3

               

in Informationsveranstaltungen

72.2

63.3

19.2

100.0

88.2

72.7

60.0

in Kommissionen

55.6

70.0

30.8

66.7

76.5

63.6

58.1

in der Administration

55.6

60.0

38.5

100.0

64.7

63.6

56.2

bei Sachgeschäften

61.1

56.7

19.2

100.0

76.5

72.7

54.3

               

für Vorstand und Fraktion

61.1

43.3

19.2

66.7

76.5

45.5

46.7

beim Unterschriftensammeln

50.0

40.0

23.1

100.0

70.6

63.6

46.7

bei der Rekrutierung neuer Mitglieder

66.7

40.0

7.7

66.7

76.5

36.4

42.9

Unterstützung von Mandatsträgern

33.3

40.0

19.2

100.0

76.5

54.5

42.9

bei Vorstössen und Initiativen

50.0

36.7

11.5

100.0

64.7

54.5

41.0

bei Abstimmungs- und Wahlkampagnen

50.0

26.7

23.1

100.0

64.7

54.5

41.0

               

bei der Rekrutierung von Kandidaten

33.3

16.7

3.8

66.7

58.8

45.5

27.6

N=105

Inhalt


7 Schlussbemerkungen

Der Einbezug von Ausländerinnen und Ausländern in die Parteiorganisation ist in den Aargauer Lokalparteien mit wenigen Ausnahmen bisher nicht thematisiert worden. Der hauptsächliche Grund liegt wahrscheinlich darin, dass sie ohne Stimm- und Wahlrecht für die Parteien als Mitglieder einfach zu wenig interessant sind. Der Stand der Ausländerintegration dürfte sich dabei zwischen den Parteien des Kantons Aargau und den Parteien der Deutschschweiz nicht wesentlich unterscheiden, da in keinem Deutschschweizer Kanton das Ausländerstimmrecht auf kantonaler Ebene bisher eingeführt worden ist. Anders sind die Voraussetzungen in der Romandie. In der französischsprachigen Schweiz existiert das Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer mit Ausnahme des Wallis in allen Kantonen. Ausländische Personen sollten damit in den Westschweizer Lokalparteien deutlich stärker vertreten sein. Da es darüber aber keine Statistiken gibt, kann diese Vermutung nicht überprüft werden.

Was hat die Befragung der Aargauer Lokalparteien ergeben? In den meisten Sektionen gibt es keine formellen Schranken, die Ausländerinnen und Ausländern den Zugang zu den Parteien verwehren würden. In der überwiegenden Mehrheit der Sektionen ist ein Beitritt auch für ausländische Personen ohne Einschränkung möglich. Die Parteien unternehmen aber keine Anstrengungen, die ausländische Bevölkerung anzusprechen und für eine Mitarbeit in ihrer Organisation zu gewinnen. Aufgrund der Aussagen der Parteiverantwortlichen sind die Gründe dafür vielfältig: Einige sind der Ansicht, dass die Integration zuerst über die Erlangung des Schweizer Passes laufen soll, andere finden, dass sich eine Integration wegen des fehlenden Stimm- und Wahlrechts weder für Parteien noch für Ausländerinnen und Ausländer lohnt, und wieder andere haben die Möglichkeit einer verstärken Integration noch gar nicht in ihre Überlegungen einbezogen.

Auch sind viele Verantwortliche in den Lokalsektionen der Meinung, dass der Anstoss für einen Beitritt von Ausländerinnen und Ausländern nicht an ihnen liegt, sondern von diesen selber ausgehen muss. Antworten wie „bis jetzt hat sich halt noch kein Ausländer gemeldet“ oder „Interesse müsste von den Ausländern kommen“ weisen in diese Richtung. Dazu ist zu sagen, dass eines der hauptsächlichen Hindernisse bei der Öffnung zivilgesellschaftlicher Institutionen tatsächlich das schwache Interesse ausländischer Bevölkerungsgruppen ist, in Organisationen mitzutun, die als schweizerisch gelten (vgl. dazu Schmid 2005). Diese Sichtweise ist aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung, sondern der Fokus liegt auf den Parteien selber und ihren Integrationsaktivitäten. Parteien könnten hier wie andere Vereine auch Brückenfunktion übernehmen, denn vielen Ausländerinnen und Ausländer ist es gar nicht bewusst, dass sie ihren Interessen am Wohnort durch Partizipation in Parteien mehr Gewicht geben könnten.

Es gibt im Aargau aber auch Lokalsektionen, nicht nur unter den bürgerlichen Parteien, die sich eine aktive Ausländerintegration auf die Fahne geschrieben haben oder zumindest dem Thema offen begegnen. In der Regel scheitern die Bemühungen aber schon früh, weil interessierte ausländische Personen nur schwer zu erreichen sind. Für weitergehende Anstrengungen fehlt dem Integration für viele Lokalparteien schliesslich die Dringlichkeit, um mehr Zeit zu investieren. Auch ist die immer kleiner werdende Zahl der Parteiaktivisten mit ihren Kräften durch ihre Mitarbeit in Behörden und Verbänden auf Gemeinde-, Bezirks- und Kantonsebene so in Beschlag genommen, dass Basisarbeit für die Parteiorganisation häufig vernachlässigt werden muss und das Integrationsthema unter den Tisch fällt.

Dabei würden sich grössere Anstrengungen für die Parteien durchaus lohnen. Vor allem kleinere Parteien könnten mit einer verstärkten Ausländerintegration der personellen Ausdünnung ihrer Basis entgegenwirken und Unterstützung in ihrer Parteiarbeit erhalten. In grösseren Gemeinden mit einer zahlreichen ausländischen Bevölkerung können ausländische Mitglieder wichtige politische Impulse vor allem bei integrationspolitischen Fragen. Dass die Parteien die Ausländerintegration mit einem Gewinn auf verschiedenen Ebenen in Verbindung bringen, hat sich in der Befragung eindrücklich gezeigt.

Der Einwand, dass sich für Ausländerinnen und Ausländer ein Engagement in der Schweizer Politik nicht lohnt, da sie ja sowieso nicht stimmen und wählen dürfen, ist nur die halbe Wahrheit. Der hauptsächliche Teil der politischen Arbeit in den lokalen Parteisektionen dreht sich um kommunale oder quartierbezogene Probleme und Anliegen. Hier ist die ganze Bevölkerung unabhängig von der Nationalität von politischen Entscheiden direkt betroffen. Es lohnt sich also auch für Einwohnerinnen und Einwohner ohne Stimm- und Wahlrecht politisch aktiv zu werden und sich in politische Prozesse einzumischen. Das geschieht am besten in den Parteien, den zentralen Organisationen des kommunalpolitischen Systems.

Es gibt also sowohl aus der Sicht der Parteien als auch der Sicht der ausländischen Bevölkerung gute Gründe, sich einander anzunähern. Falls eine Lokalpartei an einer Integration interessiert ist, liegt es an ihr, entsprechende Strategien zu entwickeln. Dabei muss in erster Linie in zwei Richtungen vorgegangen werden: Erstens muss die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert werden, bspw. zukünftig mit dem vom Kanton Aargau vorgesehenen Kompetenzzentrum für Integration oder mit Ausländergruppen und -organisationen. Zweitens ist das Scouting vieler Parteien stark verbesserungswürdig. Häufig vernachlässigen die Parteien eine gezielte Suche nach Parteinachwuchs und unterschätzen das Potential, das im Umfeld ihrer Anhängerschaften schlummert. Wie gross allerdings das Interesse an der Lokalpolitik bei ausländischen Bevölkerungsgruppen wirklich ist, und ob sie letztlich auch bereit sind, sich in den von der schweizerischen Vereinskultur geprägten Parteien zu engagieren, muss hier offen bleiben.

Inhalt


8 Literaturhinweise

Bundesamt für Migration, 2006. Probleme der Integration von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz. Bestandesaufnahme der Fakten, Ursachen, Risikogruppen, Massnahmen und des integrationspolitischen Handlungsbedarfs. Im Auftrag des Departemenstvorstehers EJPD, Bern.

Geser, Hans, Andreas Ladner, Urs Meuli, Roland Schaller, 2003. Schweizer Lokalparteien im Wandel. Erste Ergebnisse einer Befragung der Präsidentinnen und Präsidenten der Schweizer Lokalparteien. Soziologisches Institut der Universität Zürich.

Geser, Hans, Andreas Ladner, Roland Schaller, Thanh-Huyen Ballmer-Cao, 1994. Die Schweizer Lokalparteien. Zürich, Seismo Verlag.

Ladner, Andreas und Urs Meuli, 2005. Erosionstendenzen an der Parteibasis, http://www.socio.ch/par/ladmeu.pdf.

Schmid, Walter, 2005. Die integrative Wirkung von Vereinen nutzen. In: terra cognita 7/2005, S. 38-43.

Inhalt


Anhang: Der Fragebogen

AUSLÄNDERINNEN UND AUSLÄNDER

IN DEN AARGAUER LOKALPARTEIEN FB-Nummer:

 

Vollständiger Name Ihrer Ortspartei ..……………….....……………………………..............………………….…

Ist Ihre Ortspartei für eine einzige Gemeinde oder für mehrere Gemeinden zuständig?

[ ] für eine einzige Gemeinde, nämlich:.......………….……...................................................................................

[ ] für mehrere Gemeinden, nämlich:......………………….....................................................................................

.......…………………...................................................................................................................................................


1. Nachfolgend finden Sie eine Liste verschiedener Parteien: Zu welcher Partei gehört Ihre Ortspartei?

FDP........................................................... [ ] 01

CVP........................................................... [ ] 02

SVP..........................................................  [ ] 03

Grüne..................................................... [ ] 04

SP..........................................................  [ ] 05

EVP......................................................... [ ] 06


INTEGRATIONSLEISTUNGEN DER PARTEI


2 Ist es aufgrund der Parteistatuten möglich, dass Ausländerinnen oder Ausländer in Ihrer Ortspartei Mitglied werden können?

- ja, AusländerInnen können in unserer Partei Mitglied werden, mit allen innerparteilichen Rechten und Pflichten.... [ ] 1

- ja, AusländerInnen können beratendes Mitglied werden, sie haben aber keine Stimm- und Wahlrechte................. [ ] 2

- nein, AusländerInnen haben kein Recht, Mitglied unserer Partei zu sein................................................................... [ ] 3


3. Ist in Ihrer Ortspartei der Einbezug von AusländerInnen in die Parteiorganisation in irgendeiner Form - nein [ ] 1

festgeschrieben oder diskutiert worden? - ja [ ] 2

Wenn ja: In welcher Form oder in welchem - im Parteiprogramm [ ]

Gremium ist das geschehen? - in einer Arbeitsgruppe [ ]

(Mehrfachantworten sind möglich) in einem Aktionsprogramm [ ]

- in einem Konzeptpapier [ ]

- im Parteivorstand [ ]

- in der Fraktion [ ]

- in der Parteiversammlung [ ]

- in der Delegiertenversammlung [ ]

- in der Kantonal- oder Bundespartei [ ]


AUSLÄNDER IN DER PARTEIBASIS (ANHÄNGER, MITGLIEDER, AKTIVE)


► Zur ANHÄNGERSCHAFT einer Ortspartei werden Mitglieder, SympathisantInnen und InteressentInnen gezählt: Also jene Personen, die aufgrund ihres Interesses, Engagements oder ihrer Sympathie zur Ortspartei regelmässig zu den verschiedenen Veranstaltungen eingeladen werden.


4. Wie viele Personen umfasst diese

Anhängerschaft ungefähr? Anzahl insgesamt ____ weiss nicht [ ] 8/9

Wie viele davon sind AusländerInnen? Anzahl Ausländer ____ weiss nicht [ ] 8/9


5. Kennt Ihre Ortspartei eine eindeutige Unterscheidung zwischen - nein [ ] 1

formeller Mitgliedschaft und blosser Anhängerschaft? - ja [ ] 2

Wenn ja: Wie viele Mitglieder zählt Ihre Ortspartei? ca. _______ Mitglieder weiss nicht [ ] 8/9

Wie viele davon sind AusländerInnen? ca. _______ Ausländer weiss nicht [ ] 8/9


► Zu den Aktiven gehören jene AnhängerInnen, die sich in irgendeiner Form aktiv für die Ortspartei einsetzen oder im Prinzip für aktive Mitarbeit zur Verfügung stehen:


6) Wie viele Personen gehören ungefähr zu den Aktiven Ihrer Partei? Anzahl Aktive ____

Wie viele davon sind AusländerInnen? Anzahl aktive AusländerInnen ____


7) Wie hat sich die Zahl der AusländerInnen in der Basis Ihrer Ortspartei in den letzten 2 Jahren verändert?

1 2 3 4

ha eher zu- ist gleich hat eher ab- weiss

genommen geblieben genommen nicht

- in der Anhängerschaft................................. [ ] [ ] [ ] [ ]

- bei den Mitgliedern..................................... [ ] [ ] [ ] [ ]

- bei den Aktiven........................................... [ ] [ ] [ ] [ ]


8) Welchen Berufsgruppen gehören die Ausländerinnen und Ausländer in der Anhängerschaft

Ihrer Ortspartei an? (Mehrfachantworten sind möglich)

- Freiberufliche (Ärzte, Rechtsanwälte etc.)............................................... [ ]

- Manager/leitende Angestellte................................................................... [ ]

- mittlere/untere Angestellte....................................................................... [ ]

- Gewerbetreibende.................................................................................... [ ]

- Arbeiter/Arbeiterinnen.............................................................................. [ ]

- Lehrer/Lehrerinnen.................................................................................... [ ]

- Staatspersonal ....................................................................... [ ]

- Studierende............................................................................................... [ ]

- Rentner/Rentnerinnen.............................................................................. [ ]

- anderes..................................................................................................... [ ]


9) Aus welchen der folgenden geographischen Regionen stammen die AusländerInnen, in der Anhängerschaft Ihrer Ortspartei? (Mehrfachantworten sind möglich)

- Deutscher Sprachraum (D und A)............................................................ [ ]

- Westeuropa (Frankreich, Benelux).......................................................... [ ]

- Nordeuropa (Skandinavien, Grossbritannien, Irland).............................. [ ]

- Südwesteuropa (Italien, Spanien, Portugal)............................................. [ ]

- Südosteuropa (Balkanländer, Türkei, Griechenland)............................... [ ]

- Osteuropa (Polen, Russland, Tschechien, Ungarn etc.)........................... [ ]

- Nordamerika............................................................................................ [ ]

- Lateinamerika.......................................................................................... [ ]

- Afrika....................................................................................................... [ ]

- Asien........................................................................................................ [ ]

- Ozeanien.................................................................................................. [ ]

- anderes..................................................................................................... [ ]


10) Von den AusländerInnenn in der Anhängerschaft Anzahl

Ihrer Ortspartei, wie viele sind... Frauen Männer

unter 30 Jahre alt?............................................................... _________ __________

zwischen 30 und 45 Jahre alt?............................................ _________ __________

zwischen 45 und 60 Jahre alt?............................................ _________ __________

über 60 Jahre alt?............................................................... _________ __________


11) Falls sich unter den Aktiven Ihrer Ortspartei Ausländerinnen und Ausländer befinden:

Wie sind sie in die konkrete Parteiarbeit involviert?

Wie stark arbeiten sie in den folgenden Tätigkeitsbereichen mit?

1 2 3 4 Relativ nicht gar

stark stark so stark nicht

- Administration [ ] [ ] [ ] [ ]

- Vorstand und Fraktion [ ] [ ] [ ] [ ]

- Kommissionen [ ] [ ] [ ] [ ]

- Arbeitsgruppen [ ] [ ] [ ] [ ]

- Rekrutierung neuer Parteimitglieder [ ] [ ] [ ] [ ]

- Rekrutierung von Kandidat(inn)en für öffentliche Ämter [ ] [ ] [ ] [ ]

- Unterstützung von Mandatsträger(innen) [ ] [ ] [ ] [ ]

- Organisation von Informationsveranstaltungen [ ] [ ] [ ] [ ]

- Stellungnahmen zu Sachgeschäften [ ] [ ] [ ] [ ]

- eigene Vorstösse und Initiativen................................................... [ ] [ ] [ ] [ ]

- Abstimmungs- und Wahlkampagnen [ ] [ ] [ ] [ ]

- Unterschriftensammeln für Initiativen und Referenden [ ] [ ] [ ] [ ]

- Organisation und Durchführung geselliger Anlässe [ ] [ ] [ ] [ ]


INTEGRATIONSPOTENTIAL


12) Was glauben Sie: Würde die Mehrheit der aktiven Mitglieder Ihrer Ortspartei einem verstärkten Einbezug von AusländerInnen in die Partei eher zustimmend oder ablehnend gegenüberstehen?

- Mehrheit zustimmend...................................... [ ] 1

- Meinungen sind geteilt.................................... [ ] 2

- Mehrheit ablehnend......................................... [ ] 3

- weiss nicht....................................................... [ ] 4


13) Was glauben Sie: Wie stehen die aktiven Mitglieder Ihrer Ortspartei zur Einführung des kommunalen Stimm- und Wahlrechts für Ausländer?

- Mehrheit zustimmend...................................... [ ] 1

- Meinungen sind geteilt.................................... [ ] 2

- Mehrheit ablehnend......................................... [ ] 3

- weiss nicht....................................................... [ ] 4


14) Fördert Ihre Ortspartei in irgendeiner Form die - nein [ ] 1

Integration von AusländerInnen in die Parteiorganisation?.................................... - ja [ ] 2

Wenn ja, auf welche Weise? (Mehrfachantworten sind möglich)

- gezielte Anfragen von AusländerInnen für Parteibeitritte......................................................... [ ]

- gezielte Anfragen von AusländerInnen zu aktiver Mitarbeit..................................................... [ ]

- Einladung von AusländerInnen zu Parteiversammlungen......................................................... [ ]

- Einladung von AusländerInnen zu Parteianlässen.................................................................... [ ]


15) In welchen der folgenden Parteitätigkeiten können Sie sich eine Mithilfe von Ausländerinnen und Ausländern vorstellen ? (Mehrfachantworten sind möglich)?

- Administration .................................................................................... [ ]

- Vorstand und Fraktion........................................................................ [ ]

- Kommissionen.................................................................................... [ ]

- Arbeitsgruppen ................................................................................... [ ]

- Rekrutierung neuer Parteimitglieder.................................................... [ ]

- Rekrutierung von Kandidat(inn)en für öffentliche Ämter.................... [ ]

- Unterstützung von Mandatsträger(innen)............................................ [ ]

- Organisation von Informationsveranstaltungen................................... [ ]

- Stellungnahmen zu Sachgeschäften..................................................... [ ]

- eigene Vorstösse und Initiativen.......................................................... [ ]

- Abstimmungs- und Wahlkampagnen................................................... [ ]

- Unterschriftensammeln für Initiativen und Referenden....................... [ ]

- Organisation und Durchführung geselliger Anlässe............................. [ ]

16) Aus welchen Gründen könnte eine vermehrte Integration von AusländerInnen in die Parteiorganisation für Ihre Ortspartei von Nutzen sein?

1 2

                                           nützlich                                                 nicht nützlich

- Unterstützung bei den verschiedenen Parteitätigkeiten........................... [ ] [ ]

- neue politische Impulse........................................................................... [ ] [ ]

- Wählerpotential erhöhen........................................................................... [ ] [ ]

- sie kennen spezifische Belange der Ausländer am besten....................... [ ] [ ]

- von Integration profitieren alle................................................................ [ ] [ ]

- Verstärkung der Basis............................................................................. [ ] [ ]

Zum Abschluss möchten wir Ihnen noch zwei Fragen zur politischen Orientierung und zur Vertretung Ihrer Ortspartei in der Gemeindepolitik stellen.


17) Die politische Einstellung wird häufig auf einer Links-Rechts-Skala dargestellt.

Ganz allgemein: Wo würden Sie Ihre Ortspartei auf dieser Skala einordnen?

(Kreuzen Sie bitte die entsprechende Nummer an)

links                                                                                              rechts

[1]----- [2]----- [3]----- [4]----- [5]----- [6] ----- [7]----- [8]----- [9]----- [10]


18) Wie viele Mitglieder stellt Ihre Ortspartei in den kommunalen Behörden?

Gemeindeexekutive: ____ Mitglieder

Kommissionen: ____ Mitglieder


Haben Sie zum Schluss noch persönliche Anmerkungen zum Thema Integration von Ausländern in die Ortsparteien? ..................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................

Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Mitarbeit


Fussnoten

[1] In der NZZ vom 17. Nov. 2006. Integration im Fluss. Eingliederung von Ausländern und gesellschaftliche Vielfalt, S. 15.

[2] Bei der SP und der FDP hat das Sekretariat der Kantonalpartei die Adressen der Ortsparteien nicht herausgegeben. Sie haben deshalb den Fragebogen selber mittels E-mail ihren Sektionen zukommen lassen.

[3] Eine Ausnahme bilden die Grünen der Stadt Brugg.

[4] Zwei der drei antwortenden Sektionen der Grünen haben kein Mitgliederprinzip, deshalb die Diskrepanz zwischen ausländischen Aktiven und Mitgliedern.