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Towards Cybersociety and "Vireal" Social Relations


 

MUDs - faszinierende virtuelle Welten

Ein Vergleich der Selbstdarstellung in Multi-User Dungeons und im "Realen Leben" mit Hilfe von Theorien Erving Goffmans

Maja Coradi

Zürich 1997

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Phänomen MUD
 

2.1 Das Phänomen, seine Geschichte und Kategorien

2.2 Das soziale Leben in "sozialen MUDs"

2.2.1 Die räumliche Umgebung in MUDs
2.2.2 Die soziale Interaktion in MUDs
2.2.3 Formen sozialer Organisation
2.2.4 Der MUD als eigendynamisches Gesellschaftssystem
3. Theorie: Erving Goffman

3.1 Selbstdarstellung im Alltag

3.1.1 Darstellung und Ausdruck
3.1.2 Das Ausdrucksrepertoire
3.1.3 Idealisierung
3.1.4 Unwahre Darstellungen
3.2 Interaktionsrituale
3.2.1 Image
3.2.2 Die Doppelrolle des Selbst
4. Anwendung der Theorie auf MUDs: Vorbemerkungen

5. Fragestellungen

6. Untersuchung der Fragen
 

6.1 Die Selbstdarstellung im RL und im MUD
6.1.1 Ausdruck
6.1.2 Aussehen
6.1.3 Soziale Eigenschaften
6.1.4 Bühnenbild
6.1.5 Erscheinung
6.1.6 Verhalten
6.2 Die Wahrnehmung der Selbstdarstellung durch das Publikum im RL und im MUD
7. Zusammenfassung

8. Eine Theorie der 70-er Jahre und eines der neuen sozialen Phänomene der Com

9. Bibliographie

10. Anhang
 
 

1. Einleitung

"MUDs are living laboratories for studying the first-level impacts of virtual communities -- the impacts on our psyches, on our thoughts and feelings as individuals." (Rheingold, 1996) Dies ist ein sehr treffender Satz - und er spricht wohl das aus, was bereits einige Sozialwissenschaftler, darunter Rheingold, dazu geführt hat, sich mit MUDs zu befassen. Auch die Soziologie sollte sich mit diesen "lebenden Laboratorien" auseinandersetzen - und es stehen ihr dafür einige interessante Theorien zu Verfügung. In dieser Arbeit soll eine Annäherung zwischen den Ideen des amerikanischen Soziologen Erving Goffmans (die gemeinhin dem symbolischen Interaktionismus zugeordnet werden) und dem aus der neuen Computertechnologie entstandenen Phänomen des Multi-User Dungeons, kurz MUD, versucht werden.

Gleich anschliessend an die Einleitung wird auf einige ausgewählte Quellen hingewiesen, die den Begriff MUD einführend definieren und kommentieren. Um diese Arbeit sinnvoll lesen zu können, ist ein Grundverständnis des Phänomens wesentlich. Weil ein genaueres Betrachten des sozialen Lebens in MUDs, also der räumlichen Ausgestaltung, der Interaktion und der sozialen Organisation, die Voraussetzung darstellt, um sich nachher mit der Theorie sowie den Fragestellungen zu beschäftigen, gehe ich nach den ersten Definitionen selbst darauf ein. Die räumliche Ausgestaltung bildet gleichsam den Hintergrund für die folgenden Aspekte und wird deshalb nur kurz besprochen. Zur Interaktion in MUDs gehören die rein sprachliche Kommunikation, mir der sich die Mitglieder Meinungen, Eigenschaften und äussere Erscheinung mitteilen, und deren kulturelle Konsequenzen. Formen sozialer Organisation bezeichnen Beziehungen, Gruppendynamiken, politisches und wirtschaftliches System sowie Machtstrukturen.

Danach werden der symbolische Interaktionismus von Erving Goffman, und im Besonderen Auszüge aus seinen beiden Büchern: "Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag" und: "Interaktionsrituale" vorgestellt. Die Fragestellungen formuliere ich absichtlich erst im Anschluss daran, denn es soll klar werden, dass sie aufgrund der Lektüre der Texte Goffmans entstanden sind. Bei sämtlichen Fragestellungen geht es um Vergleiche von Prozessen im MUD und im sogenanten realen Leben. Erstens interessiert mich, wie sich die Selbstdarstellung (der Begriff ist in Anlehnung an Goffman zu verstehen) eines Individuums in einem MUD von derjenigen im realen Leben unterscheidet. Zweitens möchte ich dasselbe im Hinblick auf die Wahrnehmung dieser Selbstdarstellung durch das soziale Umfeld untersuchen.

Der Begriff MUD wird, wie erwähnt, im Folgenden erklärt. In der gesamten Arbeit, und vor allem bei der Beantwortung der Fragestellungen, wird die Sphäre der MUDs dem Leben, das wir als real bezeichnen, gegenübergestellt. "Real" ist hier ein problematischer, da subjektiv verformbarer Begriff. Ein MUD kann für eine Person durchaus als real empfunden werden, unter Umständen sogar als realer als das Leben ausserhalb der virtuellen Welt. Trotzdem muss eine begriffliche Abgrenzung vorgenommen werden - und "real" ist der geeignetste Gegenbegriff zum virtuell erlebten MUD. Um stets klar verständlich machen zu können, welche Ebene der Realität gerade gemeint ist, benutze ich für das nicht virtuelle Leben die auch im Englischen gebräuchliche Abkürzung RL (für "Reales Leben" oder "Real Life"). Diese Definition lehnt an diejenige von Alan Schwartz an, nach der das RL zu verstehen ist als: "activities which take place away from a computer screen or in the physical presence of other people". (Schwartz, 1996) Das RL soll nicht als auf einen bestimmten geographischen Raum oder eine Kultur beschränkt begriffen werden. Es ist definiert durch die Absetzung vom virtuellen Leben - verschiedene Kulturen zum Beispiel haben lediglich als interessante Differenzierungen, die das virtuelle Leben ebenfalls aufweist, Bedeutung.

Eine weitere Bemerkung muss zu den Begriffen gemacht werden, die Personen bezeichnen, welche MUDs benutzen. Im ersten Teil dieser Arbeit werde ich von "MUDdern" oder "im MUD Anwesenden" sprechen. Den Begriff Spieler vermeide ich zu Beginn, da er im alltagssprachlichen Verständnis die Konnotation mit sich bringen würde, ein MUD sei ein Spiel. Meiner Meinung nach ist eine solche Betrachtungsweise jedoch unangebracht. Nach den einleitenden Informationen über MUDs werde ich diese Haltung genauer begründen. Bei der Behandlung der Fragestellungen wird MUDder synonym mit Spieler oder auch Darsteller verwendet - beide Begriffe sind aber unbedingt gemäss Goffmans Definition aufzufassen, die im Theorieteil dargelegt wird. Diese nimmt dem Begriff Spieler die alltagssprachliche Bedeutung.

Bei der Darstellung Goffmans Theorie und auch daran anschliessend verwende ich oft seine Terminologie, setze die Begriffe aber in der Regel nur bei ihrer Einführung in Anführungszeichen. Selbstverständlich sind jedoch auch ohne diese die Definitionen Goffmans implizit mitgemeint.
Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass im Folgenden weibliche und männliche Formen von personenbezogenen Nomen abwechselnd gebraucht werden. Das jeweils andere Geschlecht ist stets mitgemeint. Die Tatsache, dass in dieser Arbeit selten Aussagen über ausschliesslich ein Geschlecht gemacht werden, erlaubt meines Erachtens diese Handhabung.

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2. Das Phänomen MUD

2.1 Das Phänomen, seine Geschichte und Kategorien

Nach einigen Pionieren entdecken nun immer mehr Computerwissenschaftler, Psychologen und Soziologen die MUDs als interessante Untersuchungsobjekte. Da jede Wissenschaftlerin sich selbst zuerst an dieses neue Phänomen herantasten musste und gleichzeitig die breite Öffentlichkeit noch nie davon gehört hat, beinhalten alle Arbeiten dazu ausführliche Beschreibungen. Anstatt diese hier zu wiederholen oder eigene, unausweichlich sehr ähnliche Beschreibungen anzufügen, verweise ich auf einige ausgewählte. (siehe Anhang1)

Für diejenigen, die diese Beschreibungen überspringen, soll hier noch angefügt werden, dass der Begriff MUD in dieser Arbeit stellvertretend für sämtliche Multi-User Dungeons gebraucht wird, auf welcher Art von Software sie auch immer basieren. Auf Differenzierungen in MOO, MUCK, MUSE, MUSH, DUM, usw. wird verzichtet, da theoretische Vergleiche und Überlegungen im Vordergrund stehen.

Eine ausführliche Dokumentation der Geschichte von MUDs hat Elizabeth M. Reid geschrieben: Cultural Formations in Text-Based Virtual Realities (S. 12) http://aluluei.home.att.net/cult-form.htm

MUDs werden meist in zwei Kategorien aufgeteilt: die "Abenteuer-MUDs" und die "Sozialen MUDs". Im Anhang 2 sind kurze Definitionen zu diesen Kategorien zu finden.

Wer die verschiedenen Beschreibungen der MUDs liest, wird vielleicht feststellen, dass die Begriffe "game" und "player" oft vorkommen. Wie bereits erwähnt, schliesse ich mich dieser Begriffsgebung nicht an - die Diskussion dieses Themas folgt weiter unten.

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2.2 Das soziale Leben in "sozialen MUDs"

Soziales Leben in MUDs wird zweifellos massgeblich bestimmt durch die Bedingungen der Räumlichkeiten, durch die Regeln der Interaktion und durch die Formen der sozialen Organisation. Ich werde nun kurz auf die räumliche Umgebung, die Personen in sozialen MUDs erwartet, eingehen. Die Ausgestaltung ist meist komplex und beinhaltet - ähnlich unserer realen Gesellschaft - sehr vielfältige Raumformen, Einrichtungen und Institutionen. Hier beschreibe ich lediglich kurz die meiner Meinung nach wesentlichsten Merkmale, die man braucht, um sich ein soziales MUD vorstellen zu können. Ausführlicher behandle ich die soziale Interaktion und Organisation in MUDs.

Der folgende Text basiert auf meiner Lektüre von mehreren Autoren (Elizabeth M. Reid, 1994; Howard Rheingold, 1993; Sherry Turkle, 1995), sowie auf eigenen Erfahrungen. Wo eine Stelle explizit von einer Autorin oder einem Autor übernommen wurde, ist ein Verweis zu finden.

2.2.1 Die räumliche Umgebung in MUDs

Eine Ahnung davon, wie man sich ein soziales MUD vorzustellen hat, vermitteln die zum Teil sehr oft zitierten Raumbeschreibungen (siehe Anhang 3), die nach dem Prozedere des Einloggens im LambdaMOO (telnet://lambda.parc.xerox.com:8888 oder: telnet://192.216.54.2:8888) oder im HoloMUCK erscheinen (telnet://132.206.78.1:5757) erscheinen.

Fast alle heutigen MUDs basieren nur auf Text. Die Texte beschreiben imaginäre Räume, Objekte, Umgebungen. Mit bestimmten Befehlen bewegt sich der Anwesende von Raum zu Raum und schaut Dinge an, die gemäss der Beschreibung dort vorhanden sind. Das heisst zum Beispiel auch, dass es möglich ist, Briefe zu lesen, die gemäss Beschreibung auf einem Tisch liegen. (Aufgrund der Anschaulichkeit der Texte benutze ich für Handlungen in MUDs dieselben Verben, die im RL gelten. Ich schreibe, dass eine Anwesende in einen Raum "geht", eine Truhe, die dort "steht", "öffnet", und so weiter. Objekte in MUDs behandle ich sprachlich als wären sie real und physisch existierende Objekte.)

Der "Livingroom" im LambdaMOO und das "Center" im HoloMUCK sind die sozialen Zentren dieser MUDs (siehe Anhang 3). Jedes soziale MUD besitzt ein solches Zentrum (Reid, 1994 S.15), wo zum Beispiel Zeitungen herumliegen, in denen Informationen über Neuigkeiten im MUD oder Nachrichten von sozialen Ereignissen zu lesen sind, wo Sitzgelegenheiten zum Verweilen einladen und meistens einige Anwesende am Plaudern sind. Je nach Grösse und Ausgestaltung des MUDs existieren um das Zentrum herum mehr oder weniger Räume - öffentliche oder private. In vielen MUDs, besonders ausgeprägt in den sogenannten objektorientierten, haben die Anwesenden die Möglichkeit, selbst zu bauen und ihre eigenen Räumlichkeiten zu gestalten. Oft muss dafür jedoch die Erlaubnis desjenigen, der das MUD programmiert hat, oder eines Anwesenden mit höherem Status eingeholt werden. Auf die hier angedeuteten Machtstrukturen werde ich weiter unten näher eingehen.

Bereits wurden erste graphische Versionen von MUDs entwickelt, in denen eine dreidimensionale Raumumgebung und eine bestimmte Anzahl von unterschiedlich kombinierbaren, sichtbaren Objekten vorhanden sind. Auch die Charaktere der MUDder können mit Figuren dargestellt werden. Da diese graphischen MUDs jedoch noch nicht sehr weit entwickelt sind, ist die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten gering. Es wird sicher eine Zeit kommen, in der es die technischen Möglichkeiten erlauben werden, genau das, was man sich vorstellt, getreu der eigenen Phantasie graphisch nachzubilden. Eine solche virtuelle Welt würde wohl als attraktiver erlebt, weil mehr Sinneskanäle mit glaubwürdigen Reizen angesprochen werden könnten. Heute übertreffen die rein textbasierten MUDs die graphischen jedoch noch an sozialer Komplexität. Von einem soziologischen Standpunkt her sind deshalb textbasierten MUDs mit ihrer minutiösen Beschreibung der Räume, Objekte und Charaktere, bei welcher der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind, zur Zeit interessanter. In dieser Arbeit werden ausschliesslich Merkmale von textbasierten MUDs behandelt.

2.2.2 Die soziale Interaktion in MUDs

In vielfältigsten Formen mit anderen zu kommunizieren, ist in sozialen MUDs die Haupttätigkeit. Anwesende können miteinander plaudern, diskutieren, streiten, lachen, spielen, einander berühren, schlagen, oder sexuelle Begegnungen haben. Auch sämtliche "körperlichen" Aktionen, werden ausschliesslich mittels Texten ausgeführt - es ist also Vorstellungskraft gefordert. E. Reid zitiert eine Liste von Thomas Gerstner, welche die Vielfalt der in einem MUD namens Nemesis LPMud gebräuchlichen Verben und Adverben eindrücklich demonstriert. Es sind je annähernd 200 Verben und Adverben. (Reid, 1994, Anhang)

Die Hauptsprache in den meisten MUDs ist Englisch.

Die MUDder offenbaren einander ihren Charakter, ihre Eigenschaften und Meinungen in der Kommunikation. Ihr Äusseres, da ja für die Kommunikationspartner nicht sichtbar, beschreiben sie. Die Beschreibung kann von jedem Anwesenden jederzeit mittels eines Befehls gelesen werden. Da die MUDder einander gegenüber anonym sind, müssen weder der dargestellte Charakter noch die Beschreibung des Äusseren mit realen Tatsachen übereinstimmen. Wie in der realen Interaktion ist das Äussere auch in MUDs einer der ersten Orientierungspunkte bei der Kommunikation. Im Gegensatz zum realen Leben kann man hier jedoch frei darüber bestimmen, wie man sich darstellen möchte. Der Phantasie und den Wünschen nach einer anderen Erscheinung sind keine Grenzen gesetzt. Man kann sich als Tier, als Fabelwesen, als Übermenschen oder Halbmenschen oder auch als ganz realistisch wirkende Person beschreiben. Es erstaunt nicht, dass in MUDs fast keine hässlichen Personen anzutreffen sind. Die Anwesenden in MUDs sind natürlich und sympathisch oder schön, attraktiv, verführerisch, geheimnisvoll, mächtig und beeindruckend. Jeder Mensch kann, wenn er will, einem Schönheitsideal entsprechen. Elizabeth Reid schreibt dazu:

"When everyone can be beautiful, there can be no hierarchy of beauty. This freedom, however, is not necessarily one that undermines the power of such conventions. Ideed, such freedom to be beautiful tends to support these conventions by making beauty not unimportant but a pre-requisite. The convention becomes conventional - MUD worlds are free from the stigma of ugliness not because appearance ceases to matter but because no one need be seen to be ugly." (Reid, 1994, S.41)

Die Überlegung von Reid, dass Schönheit gleichsam als eine neue Konvention bezeichnet werden kann, scheint mir sehr interessant und einleuchtend. Die Annahme, dass sich alle MUDder als schön darstellen ist meiner Meinung nach jedoch zu ausschliesslich. Natürlich, bei gewissen Beschreibungen scheint die Unwirklichkeit klar zu sein. Sie fallen durch auffällig idealisierte oder überzeichnete Merkmale auf. Es ist aber durchaus auch möglich, dass jemand mit einer unvorteilhaften Beschreibung experimentieren will. Dass sich ein MUDder so darstellt, wie die Umwelt ihn seiner Meinung nach sieht, ist ebenfalls denkbar, zumal nicht wenige mit der Möglichkeit rechnen, Freunde oder Partner der MUD-Gesellschaft einmal auch im RL zu treffen.

Ebenfalls frei wählbar ist sind MUDs Faktoren wie Geschlecht, ethnische Herkunft und Klassenzugehörigkeit. (Reid, 1994, S.41) Die grösste Aufmerksamkeit wird in der Regel dem Geschlecht gewidmet. In den meisten MUDs sind nicht nur die üblichen Geschlechter wie weiblich und männlich möglich, sondern man kann sich auch als neutral bezeichnen - entsprechend der Personalpronomen she, he und it. Sehr häufig ist auch ein Geschlecht "plural" zu finden, und weitere, oft der Science Fiction entlehnte Geschlechter. Es ist im MUD ohne weiteres möglich, als Mann einen weiblichen Charakter darzustellen, oder umgekehrt. Da die Personen in MUDs, wie im RL, je nach Geschlecht des Interaktionspartners unterschiedliche Verhaltensmuster anwenden, reizt es viele, einmal als Angehörige des anderen Geschlechts behandelt zu werden. Solche Erfahrungen können sehr spannend, aber auch schwierig sein. Es ist zum Beispiel nicht einfach, die Sprache und die Umgangsformen des anderen Geschlechts zu übernehmen. Sherry Turkle schreibt zu diesem Thema:

"To pass as a woman for any length of time requires understanding how gender inflects speech, manner, the interpretation of experience. Women attempting to pass as men face the same kind of challenge." (Turkle, 1995, S.212)

Allgemein wird angenommen, dass der Mann-Frau Geschlechtertausch häufiger vorkommt als der umgekehrte. Diese Hypothese leuchtet ein, da in den meisten MUDs weibliche und männliche Charaktere etwa gleich häufig vertreten sind, die Mehrheit der MUDder jedoch aufgrund kultureller Vorselektion noch Männer sind. (Reid, 1994, S.42)

Die ethnische Herkunft sowie die Klassenzugehörigkeit scheinen in sozialen MUDs nicht relevant zu sein. Es interessiert nicht, ob jemand schwarz oder weiss ist, der Ober- oder Unterschicht angehört. E. Reid führt diesen Umstand darauf zurück, dass die Population von MUDs sehr homogen ist - MUDder sind mehrheitlich männlich, weiss und wohlhabend. (Reid, 1994, S.42) Auf Fragen der Zugangsmöglichkeiten und -schranken soll in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden; es würde ihren Rahmen sprengen.

Wie bereits erwähnt, besteht in MUDs auch absolute Freiheit in der Darstellung von Charaktereigenschaften, Verhaltensmuster und Meinungen. Eine Person kann sich kommunikations- und kontaktfreudig geben, obwohl sie im RL eher schüchtern ist. Sie kann aggressiv und feindselig sein, während sie im RL Frustrationen anders bewältigt.

Die Kontaktaufnahme mit einem Anwesenden in einem MUD gestaltet sich sehr unkompliziert. Wie im RL wird auch hier oft zuerst über visuelle Eindrücke versucht, die andere Person einzuschätzen. Im MUD bietet jedoch die ihrem Wesen nach statische Beschreibung die einzige Möglichkeit dazu. Die Gesten und Mimiken, die im RL für eine Orientierung vor dem Ansprechen benutzt werden, fallen weg. Ohne diese Möglichkeit der nonverbalen Kommunikation verkürzt sich die Zeit, bevor man jemanden ansprechen kann, erheblich. Ausserdem hat sich die Kommunikationskultur so entwickelt, dass das Ansprechen einer unbekannten Person einfach ist. Jede kann jede ansprechen - ohne lange erklärende Einleitung und ohne einen Vorwand finden zu müssen. Sie muss auch nicht zur gleichen Gruppe gehören oder als Vertreterin einer Gruppe agieren.

2.2.3 Formen sozialer Organisation

Beziehungen in MUDs erleben dieselbe Dynamik wie solche im RL. Sie können von Eifersucht, Neid, oder Hass, aber auch von Hilfsbereitschaft, Zuneigung, oder Liebe geprägt sein. Ein beachtenswertes Phänomen ist in diesem Zusammenhang die Heirat von zwei MUDdern. Ein verheiratetes Paar verbringt die meiste Zeit im MUD zusammen und baut oft auch gemeinsam ein Haus oder gestaltet einen Raum.

Auch Gruppendynamiken spielen in MUDs und sind vor allen in einem Bereich interessant zu analysieren. Bereits in verschiedenen MUDs haben Personen versucht, andere Anwesende psychisch zu terrorisieren oder zu vergewaltigen. Vergewaltigungen sind möglich, wenn eine Person genügend technische Kenntnisse besitzt, um die Gewalt über den Charakter einer anderen Person zu erlangen. Sie kann dann bestimmen, was der Charakter tut oder sagt, ohne dass sein ursprünglicher "Besitzer" einzugreifen vermag. Die meisten MUD-Anbieter haben in Reaktion auf solche Ereignisse den MUDdern Befehle zur Verfügung gestellt, mit denen sie zum Beispiel jede Botschaft einer bestimmten Person abblocken können, sie also überhaupt nicht mehr lesen müssen. Eine Gruppe von MUDdern hat also die Möglichkeit, einen Charakter gleichsam mit einem sozialen Bann zu belegen. Wenn jemand fortgesetzt andere belästigt, kann der MUD-Programmierer den angreifenden Charakter zerstören und zukünftiges Einloggen von dem spezifischen Computer, den der Belästiger benutzt hat, verhindern. (Reid, 1994, S. 26) Soziologisch besonders von Interesse sind aber Formen von Bestrafung, bei denen die MUDder als geschlossene Gruppe aktiv gegen den Belästiger vorgehen. In der Regel benutzt in solchen Fällen der MUD-Programmierer sein Wissen und damit seine Macht, um den Namen und die Beschreibung des Missetäters zu verändern - meist in eine verabscheuenswürdige, hässliche Kreatur - und ihn an einer öffentlichen und vielbesuchten Stelle im MUD zu plazieren. Die anderen Anwesenden beschimpfen, erniedrigen und verspotten diesen dann. Diese Form von öffentlicher Bestrafung ist nach E. Reid vergleichbar mit mittelalterlichen Praktiken. (Reid, 1994, S.27) Hier ist natürlich die Machtstruktur in MUDs angesprochen. Darauf soll jedoch weiter unten ausführlicher eingegangen werden.

Leute, die in einem MUD einen Charakter definiert haben (mit Name und Beschreibung), werden oft "Bürger" des betreffenden MUD genannt. Diese Bezeichnung ist nicht nur eine leere Anspielung auf die Ähnlichkeit der MUDs mit Städten des RL, sondern hat in grossen, vielbevölkerten MUDs auch inhaltliche Entsprechungen. Im LambdaMOO zum Beispiel ist es den "Bürgern" möglich, Initiative auszuschreiben, über die dann diskutiert und abgestimmt wird. (Turkle, 1995, S.242) Die zentralen Mitteilungsorgane, eine Art Zeitungen, behandeln politische und auch allgemein gesellschaftliche sowie kulturelle Themen. Zum Beispiel werden dort Hochzeiten oder kulturelle Anlässe angekündigt.

Die meisten MUDs besitzen auch ein einfaches Wirtschaftssystem. Es wird mit Geld getauscht und gehandelt - so etwas wie eine ausgereifte Wirtschaft mit Unternehmerkultur und grossen Märkten ist mir jedoch nicht bekannt.

Spezifisch wirtschaftliche oder politische Machtstrukturensind schwer zu erkennen, zumal gemäss meinem Eindruck zum Beispiel Institutionen wie ein Parlament nicht oder zumindest selten vorkommen. Das heisst aber nicht, dass Machtverhältnisse in MUDs kein Thema sind. Im Allgemeinen kann eine dreiteilige Hierarchie beobachtet werden. Die unterste Stufe belegen die "normalen" MUDder, welche mehr oder weniger vertraut sind mit den ihnen möglichen Befehlen und sich im durchschnittlichen Ausmass an der sozialen Interaktion beteiligen. Sie verändern die MUD-Datenbank (durch Errichten von Objekten) meist wenig. Einen höheren Status erlangt jemand, der viel Zeit in einem MUD verbringt, sich sozial sehr engagiert oder den MUD mit vielen anspruchsvollen Räumen erweitert und damit auch Programmierkenntnisse gewinnt. Solche MUDder werden vom MUD-Programmierer, der den höchsten Rang und die absolute Macht innehat, mit mehr (technischen) Machtmitteln ausgestattet und geniessen meist gesellschaftliche Achtung. In Anspielung auf seine absolute Macht wird der MUD-Programmierer "God" genannt. Die Mitglieder der vom "God" ernannten Elite bezeichnet man generell als "Wizards" (Zauberer).

2.2.4 Der MUD als eigendynamisches Gesellschaftssystem

Zum Schluss dieses Kapitels möchte ich noch eine für die weitere Erörterung wichtige theoretische Voraussetzung erwähnen. Ein MUD sollte meiner Meinung nach nicht als Teil oder Spezialraum des RL angesehen werden, sondern als eine Gesellschaft, die zwar vom RL abhängt (Ideen für politische Systeme oder kulturelle Anlässe werden übernommen), aber eine deutliche Eigendynamik besitzt. Wie aus den oben aufgeführten Beschreibungen zu erkennen ist, unterscheiden sich gewisse Bedingungen fundamental von denjenigen des RL (zum Beispiel die Möglichkeiten der individuellen Darstellung), und die Vielfalt der gesellschaftlichen Ausformungen ist gross. Ideen und Anregungen aus dem RL werden unter Umständen auf ganz neue Weisen umgesetzt und für die virtuelle MUD-Umgebung weiterentwickelt. Es entstehen Gesellschaften, die eigene Normen aufstellen, und die von ihren Mitgliedern meist ebenso ernst genommen werden, wie die Gesellschaft im RL. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit der MUD auch nicht als ein Spiel bezeichnet - der Begriff "Spiel" bringt zu viele Implikationen aus dem Alltagsverständnis mit sich. Ein Spiel ist der Realität normativ untergeordnet, kann im allgemeinen Urteil höchstens zum besseren Verständnis oder zur Simulation realer Vorgänge gewisse Wichtigkeit erlangen. MUDder erleben die MUD-Gesellschaft jedoch als so real wie das RL. Was wohl zu diesem Gefühl beiträgt, ist die Tatsache, dass wir im RL immer mehr Zeit an Computern verbringen - der Bildschirm ist eines der zentralen Bezugsobjekte in der heutigen Gesellschaft. Das RL und die durch den Computer zugänglichen MUDs rücken damit nah zusammen, das RL verliert den überlegenen Stellenwert über alles Imaginäre. Das RL wird zu "just one more window" (Turkle, 1995, S.13), die Gesellschaften in MUDs mit ihren fantasiebeladenen Ausgestaltungen werden so bedeutsam und so wirklich wie das RL. Turkle zitiert einen amerikanischen Studenten:

"I'm in some kind of an argument in one window and trying to come on to a girl in a MUD in another, and another window might be running a spreadsheet program or some other technical thing for school. ... And then I'll get a real-time message [that flashes on the screen as soon as it is sent from another system user], and I guess that's RL." (Turkle, 1995, S.13)

Auch E. Reid zitiert einen MUDder mit den Worten:

"I don't care how much people say they are, muds are not just games, they are *real*!!! My mud friends are my best friends, their the people who like me most in the entire world. Maybe the only people who do... They are my family, they are not just some dumb game....." (Reid, 1994, S.21)

Die Voraussetzung für eine solche Betrachtungsweise liegt natürlich darin, dass die MUDs, von denen gesprochen wird, relativ gross sind. Wie schon erwähnt, sind nicht alle MUDs gleich komplex, erlauben nicht alle gleich viele Gestaltungsmöglichkeiten und weisen auch nicht dieselben Besucherzahlen auf. Ich habe mich bei der Beschreibung auf komplexe, gut besuchte, soziale, sogenannte objektorientierte MUDs konzentriert, wie zum Beispiel LambdaMOO oder HoloMUCK, weil sie eher als eigendynamische Gesellschaften aufgefasst werden können und aufgrund der Möglichkeit für den Einzelnen, die Umgebung mitzugestalten, besonders vielfältig sind. Der Vergleich von Prozessen in MUDs und im RL wird dadurch möglich. Die Gesellschaft des RL soll im Sinne der Definition in der Einleitung verstanden werden. 

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3. Theorie: Erving Goffman

3.1 Selbstdarstellung im Alltag

Natürlich hat Goffman viele Bücher und Texte veröffentlicht, die bei einer Betrachtung des symbolischen Interaktionismus behandelt werden könnten. Diese Arbeit beschränkt sich aber auf diejenigen Texte aus zwei Werken, die für Annäherung an Thema günstig erscheinen.

Zunächst setze ich mich mit Goffmans Buch "Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag" auseinander. Die Auffassung, dass Menschen sich gegenseitig interpretieren und als Orientierungsobjekte wahrnehmen, ist in der darin entwickelten Theorie eine Voraussetzung:

"Wenn ein Einzelner mit anderen zusammentrifft, versuchen diese gewöhnlich, Informationen über ihn zu erhalten oder Informationen, die sie bereits besitzen, ins Spiel zu bringen. Sie werden sich für seinen allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Status, sein Bild von sich selbst, seine Einstellung zu ihnen, seine Fähigkeit, seine Glaubwürdigkeit und dergleichen interessieren. Wenn es scheint, als würden einige dieser Informationen um ihrer selbst willen gesucht, so stehen doch im allgemeinen praktische Gründe dahinter. Informationen über den Einzelnen tragen dazu bei, die Situation zu definieren, so dass die anderen im voraus ermitteln, was er von ihnen erwarten wird und was sie von ihm erwarten können. Durch diese Informationen wissen die anderen, wie sie sich verhalten müssen, um beim Einzelnen die gewünschte Reaktion hervorzurufen." (Goffman, 1976, S.5)

Wichtig ist nun die Erkenntnis, dass wir uns bewusstsind, Objekte gesellschaftlicher Orientierung und Interpretation zu sein, und deshalb unser Auftreten ständig inszenieren. Das Konzept der inszenierten Darstellung der Wirklichkeit auf einer oder mehreren Bühnen ist Gegenstand des erwähnten Buches. Goffman bedient sich hier einer der Theaterwelt entlehnten Sprache. Er schreibt an einer Stelle im Buch:

"... dass der normale gesellschaftliche Verkehr ebenso aufgebaut ist wie die Szene eines Theaterstückes, bestehend aus dem Aneinanderreihen dramatisch überhöhter Handlungen, Reaktionen und abschliessender Erwiderung."(Goffman, 1976, S.67)

Und im selben Zusammenhang:

"Natürlich ist nicht die ganze Welt eine Bühne, aber die entscheidenden Punkte, in denen sie es nicht ist, sind nicht leicht zu finden." (Goffman, 1976, S.67)

"Darstellung" definiert Goffman als "Gesamtverhalten eines Einzelnen, das er in Gegenwart einer bestimmten Gruppe von Zuschauern zeigt und das Einfluss auf diese Zuschauer hat". Er beschreibt in seiner Theorie ausführlich die vielfältigen Aspekte von Darstellungen, und er geht ausserdem auf spezifische Beziehungsformen wie die sogenannten "Ensembles", auf ortsbestimmtes Verhalten, auf sogenannte Sonderrollen, und auf weitere Phänomene der Interaktion im Alltag ein. Vor allem das Kapitel über Darstellungen ist für die vorliegende Arbeit interessant.

Zu meiner Zusammenfassung von Goffmans Ausführungen soll noch angemerkt werden, dass der Bezugspunkt (Darsteller oder Darstellung) oft gewechselt wird - dies lässt sich zugunsten einer theoretisch sinnvollen Abfolge nicht vermeiden.

3.1.1 Darstellung und Ausdruck

Ein Mensch kann sich nur darstellen, wenn er sich in irgendeiner Form auszudrücken vermag. Nach Goffman können zwei Arten von Ausdruck unterschieden werden, nämlich der Ausdruck, den der Mensch sich selbst gibt, und der, den er ausstrahlt. Zur Verdeutlichung soll hier ein Zitat angefügt werden:

"Die erste Art (der Ausdruck, den der Mensch sich selbst gibt; Anm. M.C.) umfasst Wortsymbole und ihre Substitute, die der Einzelne eingestandenermassen und ausschliesslich dazu verwendet, diejenigen Informationen zu vermitteln, die er und die anderen mit diesen Symbolen verknüpfen. Hier haben wir es mit Kommunikation im traditionellen Sinne zu tun. Die zweite Art (der Ausdruck, den jemand ausstrahlt; Anm. M.C.) umfasst einen weiten Bereich von Handlungen, die von den anderen als aufschlussreich für den Handelnden aufgefasst werden, soweit sie voraussetzen können, dass diese Handlungen aus anderen Gründen als denen der Information unternommen wurden." (Goffman, 1976, S.6)

Goffman schränkt aber gleich ein:

"Wie wir sehen werden, besitzt diese Unterscheidung nur anfangs Gültigkeit. Der Einzelne kann natürlich mit beiden Kommunikationstypen absichtlich Fehlinformationen vermitteln, das eine Mal durch Täuschung, das andere Mal durch Verstellung." (Goffman, 1976, S.6)

Ich habe dieses Zitat trotzdem aufgenommen, da es mir eine gute theoretische Differenzierung zu sein scheint, und für meine Überlegungen weiter unten von Bedeutung sein wird.

3.1.2 Das Ausdrucksrepertoire

Zur Darstellung gehört ein standardisiertes Ausdrucksrepertoire, das die Einzelne während ihrer Vorstellung bewusst oder unbewusst anwendet (Goffman, 1976, S.23). Dieses Ausdrucksrepertoire nennt Goffman "Fassade". Eine Fassade wiederum setzt sich aus dem "Bühnenbild", der "Erscheinung" und dem "Verhalten" zusammen. Elemente, welche die szenische Umgebung eines Darstellers kennzeichnen (zum Beispiel Möbelstücke, Dekorationen oder allgemein die Anordnung eines Raumes) gehören zum Bühnenbild. Mit dem Begriff Erscheinung sind diejenigen Aspekte gemeint, die über den sozialen Status und die gegenwärtige Situation der Darstellerin Auskunft geben. Man erkennt also, welchem Milieu sie angehört sowie ob sie gerade arbeitet, sich vergnügt, oder einen Empfang gibt. (Goffman, 1976, S.25) Das Verhalten bezieht sich auf die Rolle, die jemand in einer Interaktion spielen will. Je nach Verhalten ziehen die Zuschauer oder Interaktionspartner Schlüsse auf Absichten oder Einstellungen. Nach Goffman erwarten sie im Allgemeinen eine gewisse Kohärenz zwischen Bühnenbild, Erscheinung und Verhalten. Ausserdem besitzen sie Erwartungsmuster für Kategorien von Rollen - das heisst, unsere stereotypen Erwartungen von Fassaden beziehen sich nicht auf einzelne Rollen, sondern auf Kategorien, unter die wir bestimmte Rollen subsummieren. Wir konzentrieren uns also auf eine kleine Gruppe von Fassaden, um uns in verschiedenen Situationen zu orientieren. (Goffman, 1976, S.27) Das impliziert, dass eine verallgemeinerte soziale Rolle, an der wir uns orientieren, nicht immer vollständig mit dem spezifischen Darsteller, den wir eigentlich interpretieren wollen, übereinstimmt.

Selbstverständlich ist die eigene Fassade auch für jede Darstellerin persönlich von grosser Bedeutung. Sie konstituiert ja die Regeln der sozialen Interaktion mit - und wird damit selbst Objekt ihrer eigenen Stereotypisierungen. Sie wählt zwischen verschiedenen Fassaden (und schafft nicht etwa neue), um ihre Rolle glaubwürdig zu untermauern. Goffman führt an, dass gerade in der Arbeitswelt für die Gestaltung der Fassade und der Rolle im Gesamten viel Zeit und Energie aufgewendet wird. Um die eigene Arbeit anderen darzustellen, müssen unsichtbare Kosten in sichtbare umgewandelt werden - auch wenn die Erfüllung der eigentlichen Arbeit darunter leidet.

3.1.3 Idealisierung

Sozialisiert durch die Erwartungen der Gesellschaft, sind Individuen gemäss Goffman stets darauf bedacht, ein Ideal darzustellen. Sie bemühen sich, zu zeigen, dass sie offiziell anerkannte Werte verkörpern.

Goffman erachtet soziale Schichtungssysteme von Gesellschaften als geeignetes Untersuchungsfeld für idealisierte Darstellungen. Er schreibt, dass man in den meisten Gesellschaften, die verschiedene soziale Schichten kennen, eine Idealisierung der oberen Ränge findet, und fährt fort:

"Wir stellen allgemein fest, dass zum sozialen Aufstieg angemessene Selbstdarstellungen gehören und dass die Bemühungen, aufzusteigen, wie die Bemühungen, nicht abzusteigen, sich in den Opfern, die zur Aufrechterhaltung der Fassade gebracht werden, manifestieren. "(Goffman, 1976, S.36)

Mittels angemessener Bedeutungsträger, wie Statussymbole, kann die Fassade so gestaltet werden, dass die Zugehörigkeit zu der gewünschten sozialen Schicht glaubwürdig erscheint.

Menschen können aber auch absichtlich eine sogenannte negative Idealisierung anstreben. Wenn es von wirtschaftlichem, politischem oder persönlichem Vorteil ist, präsentieren sie sich als sozial schlechter gestellt, als sie es tatsächlich sind.

Für beide Ausformungen der Idealisierung gilt, dass man Handlungen, die nicht mit dem Ideal übereinstimmen, vermeiden muss, will man in der Darstellung konsequent sein. Um auf nichts verzichten zu müssen, wird das unangemessene Verhalten meist im Geheimen ausgeführt. (Goffman, 1976, S.40) Fehler werden vertuscht, schmutzige, gewaltsame oder illegale Vorbereitungshandlungen werden zugunsten der Enddarstellung verborgen. Diese Vorgänge sind vor allem im Arbeitsbereich bedeutsam.

In der sozialen Interaktion gerät ein Individuum in einen Konflikt, wenn es mehreren Gruppen angehört und dort verschiedene idealisierte Eindrücke erwecken will. Nur der Verzicht auf einige Ideale, die nicht besonders gut öffentlich erkennbar sind, kann in einer solchen Situation die gelungene Selbstdarstellung sichern. Eine weitere Strategie besteht darin, die Mitglieder der Gruppe glauben zu machen, die Rolle, die man im Moment spielt, sei die einzige oder mindestens die wichtigste. Da eine Darstellerin in jeder Gruppe eine andere Rolle spielt und gleichzeitig diese als ihre einzige gelten lassen will, muss sie ihr Publikum segregieren. Sie tendiert dabei dazu, der im Augenblick anwesenden Gruppe das Gefühl zu vermitteln, ihre Beziehung zu ihr sei besonders und einmalig. (Goffman, 1976, S.46)

Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang Goffmans Feststellung, dass, obwohl jeder von uns selbst Rollen spielt, wir als Publikum annehmen, die uns präsentierte Rolle eines Mitglieds unserer Gruppe zeige dessen gesamte Persönlichkeit. Ausserdem glauben wir, ehrlich erscheinende Darstellungen seien absichtslos. Dazu soll ein Zitat angeführt werden:

"Wir neigen dazu, ehrliche Darstellungen so zu sehen, als fänden sie ohne Absicht statt, als seien sie vielmehr ein Produkt unbewusster Reaktion des Einzelnen auf die tatsächliche Situation." (Goffman, 1976, S.65

3.1.4 Unwahre Darstellungen

Natürlich birgt diese allgemein gesellschaftliche Naivität im Bezug auf die Authentizität von Darstellungen die Chance für jedes Individuum, das sich dieses Phänomens bewusst ist, absichtlich eine Rolle zu spielen, die falsche Tatsachen suggeriert. Dies wurde bereits beim Thema Idealisierung deutlich. Jedoch will wohl nicht jeder, der seine Rolle idealisiert, das Publikum explizit hinters Licht führen. Dies gilt für alle Arten von Darstellungen.

Goffmans Beitrag zu dieser Diskussion fokussiert auf die Frage, ob und inwieweit jemand an den Anschein der Wirklichkeit glaubt, den er hervorrufen will. Er unterscheidet zwischen aufrichtigen und zynischen Darstellern. Ein aufrichtiger Darsteller ist ehrlich davon überzeugt, dass der Eindruck von Realität, den er inszeniert, "wirkliche" Realität sei (Goffman, 1976, S.19). Ein zynischer Darsteller ist nicht von seiner eigenen Rolle überzeugt und nicht ernsthaft an den Überzeugungen seines Publikums interessiert (Goffman, 1976, S.20). Als natürlich wird ein Schwanken zwischen Aufrichtigkeit und Zynismus angenommen.

Das Publikum ist nun wiederum aber doch nicht so unsensibel, dass es Aufrichtigkeit in keinem Fall von Zynismus unterscheiden könnte. Es hat Strategien entwickelt, anhand derer es einen Darsteller überprüft:

"Als Zuschauer können wir natürlich spüren, ob der Eindruck, den der Darsteller erwecken will, wahr oder falsch, echt oder unecht, gültig oder "gemacht" ist. Derartige Skepsis ist so gang und gäbe, dass wir, wie schon angedeutet, unser Augenmerk primär oft gerade auf die Elemente der Darstellung richten, die nicht ohne weiteres manipulierbar sind, um uns ein Urteil über die leichter zu fälschenden Hinweise bilden zu können." (Goffman, 1976, S.55)

Mit der Aufdeckung einer zynischen, unwahren Darstellung ist gemeinhin eine Entwertung derselben sowie ihres Schöpfers verbunden. Ohne jedoch auf diesen Aspekt näher einzugehen, verändert Goffman am Schluss dieses Kapitels seine Perspektive und diskutiert einen, auch im Blick auf das Thema dieser Arbeit sehr interessanten Punkt. Er spricht sich gegen die Behauptung aus, ein hervorgerufener unwahrer Eindruck sei weniger real als die Tatsachen (Goffman, 1976, S.61). Eigentlich sei nicht die Untersuchung des Wahrheitsgehaltes wesentlich, sondern die Frage nach der Art und Weise, wie die Wirklichkeit konstruiert werde:

"Wir kommen also auf die Einsicht zurück, dass die Darstellung von Betrügern und Lügnern zwar offensichtlich falsch ist und sich in dieser Hinsicht von gewöhnlichen Darstellungen unterscheidet, dass aber in beiden Fällen der Darsteller die gleiche Sorgfalt aufwenden muss, um den einmal geschaffenen Eindruck aufrechtzuerhalten. (...) Ob ein aufrichtiger Darsteller die Wahrheit oder ein unaufrichtiger Darsteller die Unwahrheit mitteilen will, beide müssen dafür sorgen, ihrer Art, sich darzustellen, den richtigen Ausdruck zu verleihen, aus ihrer Darstellung Ausdrucksweisen auszuschliessen, durch die der hervorgerufene Eindruck entwertet werden könnte, und sie müssen darauf achtgeben, dass das Publikum ihren Darstellungen unbeabsichtigte Bedeutung unterlegt." (Goffman, 1976, S.62)

Die Sichtweise, dass jeder Mensch seine Darstellung positiv oder negativ idealisiert, sei es aufrichtig oder zynisch, würde heute wohl von verschiedenen Seiten kritisiert. An dieser Stelle geht es aber lediglich darum, Goffmans Aussagen zu skizzieren - kritische Fragen betreffend der Theorie werden am Schluss dieser Arbeit erwähnt.

[Inhalt]

3.2 Interaktionsrituale

In einem später erschienenen Werk hat Erving Goffman das Konzept der Selbstdarstellung aufgenommen, sein Augenmerk jedoch auf das Verhalten in direkter Kommunikation gelegt. Auch diese Arbeit mit dem Titel "Interaktionsrituale" enthält interessante theoretische Konstrukte, die für die Annäherung an meine Fragestellungen bezüglich der MUDs wertvoll sind.

3.2.1 Image

Gleich zu Beginn seines Buches schreibt Goffman, jeder Mensch verfolge bei allen seinen sozialen Interaktionen eine bestimmte Verhaltensstrategie, die seine Einschätzung der Situation, der Teilnehmer und nicht zuletzt auch sich selbst offenbare. Er versuche, die Reaktionen der anderen zu beurteilen, und müsse dabei das Bild, das diese sich von ihm gemacht haben, in Betracht ziehen. (Goffman, 1986, S.10) Die Beschreibung der Verhaltensstrategie weist eine grosse Ähnlichkeit zu Stellen in "Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag" auf, die den Umgang mit der eigenen "Darstellung" behandeln. Der enge Gedankenzusammenhang der beiden Werke wird noch deutlicher anhand der Definition des im jüngeren Buch beschriebenen Begriffs "Image" und dessen Ähnlichkeit mit dem Konstrukt "Darstellung":

"Image ist ein in Termini sozial anerkannter Eigenschaften umschriebenes Selbstbild - ein Selbstbild, das die anderen übernehmen können." (Goffman, 1986, S.10)

Aufgrund des Images wird auf die übrigen Eigenschaften einer Person geschlossen und das Bild von ihr weiter ausgestaltet. Die Mitglieder jeder Gruppe erwarten gegenseitig voneinander, dass sie gemäss ihrem einmal kreierten Image leben. Es herrscht eine bestimmte "rituelle Ordnung", die gebietet, dass sämtliche Ausdrücke einer Person mit deren Image konsistent sein müssen. Diese Erwartung stösst im Allgemeinen nicht auf grosse Widerstände, zumal die meisten Menschen emotional relativ stark an ihr Image gebunden sind. Weil sie sich am eigenen Image orientieren, kann die rituelle Ordnung Einfluss auf sie nehmen. (Goffman, 1986, S.48)

Je nach der Art der Gruppe wird die Ordnung strenger oder weniger streng gehandhabt. Generell gilt jedoch, dass jedes Image einem fundamentalen sozialen Zwang ausgesetzt ist, denn es kann entzogen werden, falls sich der "Träger" seiner nicht würdig erweist. (Goffman, 1986, S.15) Um all das, was man tut, in Übereinstimmung mit seinem Image zu bringen, wendet man bestimmte Techniken der Imagepflege an. Jeder Mensch, jede Subkultur und jede Gesellschaft besitzen charakteristische Techniken zur Wahrung des Image. (Goffman, 1986, S.18)

Vor allem in den Tatsachen, dass ein Image konstruiert wird, von den anderen aber als Orientierungspunkt angenommen wird und gewissen Regeln unterliegt, wird die Parallele zum Begriff "Darstellung" deutlich. Trotzdem sind mit dem Terminus "Image" neue Ansatzpunkte geschaffen worden. Er führte Goffman zum Beispiel zur Konstruktion einer doppelten Definition des Selbst, die gerade für eine Untersuchung des Umgangs mit MUDs eine wichtige Anregung sein wird.

3.2.2 Die Doppelrolle des Selbst

Die Definition der beiden Rollen des Selbst möchte ich hier zitieren:

"Bis jetzt habe ich implizit eine doppelte Definition des Selbst benutzt: das Selbst als ein Image, das aus den expressiven Implikationen des gesamten Ereignisverlaufs einer Interaktion zusammengesetzt ist, und das Selbst als eine Art Spieler in einem rituellen Spiel, der sich ehrenhaft oder unehrenhaft, diplomatisch oder undiplomatisch mit der Situation auseinander setzt, in der ein Urteil über ihn gefällt wird." (Goffman, 1986, S.38)

Das Image wird gleichsam als Objekt verstanden, das eine vom Spieler getrennte Dynamik besitzt, obwohl es von diesem abhängt. Es wird zwar durch den Spieler, aber auch genauso sehr durch das Publikum mit seinen Erwartungen und Urteilen geformt. Das Selbst als Spieler versucht, sein Image so aufrechtzuerhalten, wie es ihm angemessen und gut erscheint. Es verarbeitet Ideen, mögliche Umsetzungen und Verhaltensstrategien, setzt sie ein sowie nimmt Rechte oder Verpflichtungen wahr.

[Inhalt]


4. Anwendung der Theorie auf MUDs: Vorbemerkungen

Goffmans Konzept der Welt als Bühne eignet sich hervorragend für eine Untersuchung der allgemeinen soziologischen Aspekte von MUDs. Begriffe wie Rolle, Darstellung, Image, Spieler und Publikum kommen einem Versuch, soziales Leben in MUDs zu beschreiben, sehr entgegen. In MUDs müssen sämtliche Bedingungen und Handlungen explizit gemacht werden. Ein MUD macht deshalb noch klarer als soziale Welten des RL, dass jeder Mensch ein Darsteller ist und die Möglichkeit besitzt sowie wahrnimmt, verschiedene Rollen zu spielen. MUDs weisen ausserdem wesentliche Parallelen zu herkömmlichen Rollenspielen auf, in denen eine Gruppe von Personen zusammenkommt, um frei oder nach einem Manuskript Beziehungen und Geschehnisse darzustellen. MUDs sind gleichsam "virtuelle Rollenspiele" mit sehr vielen Möglichkeiten der sozialen und räumlichen Gestaltung.

Im Theorieteil wurde Goffmans Definition des Selbst einerseits als "Image" und andererseits als "Spieler" beschrieben. Diese Unterscheidung soll nun aufgenommen werden. Die Doppelrolle des Selbst lässt sich geradezu ideal auf die Situation eines MUDders übertragen. Anders als für das RL kann man sich Goffmans Konzept in diesem Bereich sogar bildlich vorstellen. Dasjenige Selbst, das im MUD als beschriebener, gestaltbarer Charakter auf Ereignisse reagiert, andere Charaktere trifft und von diesen beurteilt wird, kann als Image bezeichnet werden. Das Individuum hingegen, das vor dem Computerbildschirm sitzt und mittels verschiedener Strategien versucht, mit den Reaktionen der anderen MUDder umzugehen, handelt als Spieler. Im Folgenden werden die Begriffe Image und Spieler verwendet, aber synonym zu Selbstbild oder Selbstdarstellung und Darsteller oder MUDder behandelt. Es ist wichtig, den Begriff Spieler nicht in alltäglicher Weise mit seinen üblichen Konnotationen zu verstehen, sondern sich stets der Definition Goffmans als seinem Ursprung bewusst zu sein.

[Inhalt]


5. Fragestellungen

Die Faszination, die MUDs auf bestimmte Menschen ausüben, ist wohl nur unter Berücksichtigung sehr komplexer Zusammenhänge erklärbar. Einen Beitrag dazu leisten könnte die Herausarbeitung von Unterschieden zwischen sozialen Bedingungen und Vorgängen im RL und im MUD. Um einen solchen Vergleich zu ermöglichen, muss der Begriff "Gesellschaft des RL" sehr allgemein und kulturunspezifisch verwendet werden. Ich beschränke mich deshalb bei meinen Fragestellungen auf fundamentale, in allen (oder den meisten) spezifischen Gesellschaften relevante soziologische Aspekte. Goffman hat sich ausführlich mit der Selbstdarstellung eines Menschen auseinandergesetzt und dabei auch die Reaktionen des Publikums genau untersucht. Wie oben erwähnt, lässt sich das Konzept der Selbstdarstellung geradezu ideal auf den menschlichen Umgang mit MUDs bertragen - und natürlich spielt dort auch die soziale Umgebung eine grosse Rolle. Es interessiert mich nun, wie sich die Selbstdarstellung eines Menschen, beziehungsweise die Reaktionen des Publikums im RL von ebensolchen in einem MUD unterscheiden.

Erste Fragestellung:
Worin unterscheidet sich die Selbstdarstellung eines Individuums in einem MUD von derjenigen im RL?

Zweite Fragestellung:

Worin unterscheidet sich die Wahrnehmung einer Selbstdarstellung durch das Publikum im MUD von derjenigen im RL?

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6. Untersuchung der Fragen

6.1 Die Selbstdarstellung im RL und im MUD

Die Frage nach dem Unterschied der Selbstdarstellung im MUD und im RL ist sehr weitgefasst. Sie verlangt eine Auseinandersetzung mit möglichst allen Formen der Selbstdarstellung eines Individuums. Diese Formen müssen aber nach einem bestimmten Kriterium ausgewählt werden. In dieser Arbeit soll das Kriterium von Goffmans Theorie geliefert werden. Die im Folgenden besprochenen Formen der Selbstdarstellung (Zwei Arten des Ausdrucks, Aussehen, öffentlich kommunizierte soziale Eigenschaften, Kreation eines Bühnenbildes, einer Erscheinung, und das manifestierte Verhalten) sind in Anlehnung an Goffman zu verstehen.

6.1.1 Ausdruck

Gemäss Goffmans Definition des Begriffs Darstellung umfasst diese das gesamte Verhalten eines Menschen in Gegenwart von Zuschauern. Das bedeutet also, Verhalten soll nicht nur als Handeln und Sprechen aufgefasst werden, sondern als alle möglichen Erscheinungsformen des Ausdrucks. Im RL macht Goffmans Unterscheidung in zwei Ausdrucksarten Sinn, die beide zusammen das Verhalten ausmachen: den Ausdruck, den der Mensch sich selbst gibt, und den Ausdruck, den er ausstrahlt. Goffman stellt zwar fest, dass beide Arten Fehlinformationen vermitteln können - die letztere aufgrund von Verstellung - und dass deshalb die Unterscheidung für ihn unwesentlich werde. (Goffman, 1976, S.6) Trotz dieser Einschränkung bin ich jedoch der Meinung, dass der Ausdruck, den jemand ausstrahlt, nicht mit der bewussten Vermittlung von Symbolen gleichgesetzt werden sollte. Auch wenn es sich wohl manchmal verstellt, steht ein Individuum im RL seiner Ausstrahlung auch oft unbewusst gegenüber - und sein Publikum spürt andeutungsweise, wie es sich fühlt, ohne dass es dies mittels Worten oder anderen Symbolen ausdrücken wollte. (Auf die Aspekte des Publikums gehe ich im Zusammenhang mit der Zweiten Fragestellung näher ein.)

Im MUD hingegen fallen die beiden Ausdrucksarten zu einer zusammen. Der wichtigste Grund dafür besteht darin, dass die gesamte Darstellung schriftlich geschehen muss. Eine Darstellerin - oder in Goffmanscher Terminologie: eine Spielerin - erscheint nicht körperlich auf der Bühne der Gesellschaft, sondern sie vermittelt ihre Absichten und ihre Ausstrahlung durch Wortsymbole. Damit sind Vorteile und Nachteile verbunden. Der Vorteil kann eventuell einen Teil der Erklärung für die Beliebtheit von MUDs liefern. Oft stören wir uns im RL doch daran, dass unser Gegenüber spürt, wie wir uns ungefähr fühlen. Müssen wir zum Beispiel einen Vortrag halten, bei dem wir die Zuschauer von etwas für uns Wesentlichem überzeugen wollen, ist es ein Hindernis, wenn wir uns krank, nervös oder unsicher fühlen. Unsere Überzeugungskraft kann an einer unsicheren Ausstrahlung leiden. Eine Darstellerin kann sich deshalb unter bestimmten Umständen im MUD wohler fühlen als im RL. Ein Nachteil davon, dass die Ausstrahlung und der Ausdruck, den ein Mensch sich selbst gibt, im MUD zusammenfallen, betrifft die Beurteilung der Echtheit einer Darstellung durch das Publikum. Darauf soll im nächsten Kapitel eingegangen werden.

Natürlich liegt in der bemerkbaren oder nicht bemerkbaren Ausstrahlung nicht der einzige Unterschied zwischen der Selbstdarstellung im RL und im MUD. Was allen Unterschieden, eben auch dem bezüglich der Ausstrahlung, zugrunde liegt, ist die Notwendigkeit im MUD, die gesamte Darstellung explizit in Worte zu fassen und sie damit als solche klar erkennbar zu machen. Ausserdem ist die Darstellung mittels dieser Worte vollständig dem freien Willen unterworfen - im MUD ist Darstellung deshalb uneingeschränkter als im RL konstruierte Darstellung.

6.1.2 Aussehen

Besonders deutlich gezeigt werden können diese Feststellungen am Beispiel des Aussehens. Die rein physischen Bedingungen des Aussehens (ohne Berücksichtigung der Kleidung, des Make-ups, usw.) sind im RL vorgegeben, oder nur mit grossem Aufwand veränderbar. Veränderungsmöglichkeiten wie plastische Chirurgie sind sehr teuer und werden deshalb nur in medizinischen Notfällen oder gegen private Bezahlung angewendet. Im Allgemeinen stellen wir uns im RL darauf ein, untrennbar mit unserem vorgegebenen Körper verbunden zu sein und identifizieren uns mit ihm. Wir lernen, vor allem im Laufe der sekundären Sozialisation, dass das Aussehen eine wichtige Orientierungshilfe für unsere Umwelt ist, und wir erfahren, wie diese Umwelt auf unser Äusseres reagiert. Aufgrund solcher Mechanismen können physische Bedingungen zum Beispiel zu Selbstsicherheit und Dominanz, aber auch zu Minderwertigkeitsgefühlen und Schüchternheit führen. Auch das Geschlecht gehört zu dem Teil des Aussehens, der nicht leicht verändert werden kann, der aber das Selbst- und Rollenverständnis des einzelnen Menschen sehr stark beeinflusst.

Im MUD fällt die Unveränderbarkeit des rein Physischen weg. Ein Spieler beschreibt sich mit Worten - er kann also frei wählen, welche Informationen über seinen Körper seine Interaktionspartner erhalten sollen. Wie oben bereits länger besprochen wurde, kann er sich so beschreiben, wie er sich selbst im RL wahrnimmt, oder er kann die Beschreibung erfinden. Um gesellschaftlichen Standards von Schönheit oder Attraktivität zu entsprechen, kann das eigene Aussehen auch idealisiert werden. Solche Beschreibungen wirken oft übertrieben. Ein Grund dafür liegt darin, dass eine Person im MUD auf viele non-verbale Hinweise verzichten muss und sich nicht auf die verschiedenen Sinnkanäle ihrer sozialen Umwelt verlassen kann. (Reid, 1994, S.41) Die Information über soziale und emotionale Merkmale muss in geschriebenen Texten explizit gemacht werden.

Wie auch schon oben erwähnt, steht es im MUD jeder Person frei auszuprobieren, wie es ist, als Angehörige des anderen Geschlechts behandelt zu werden.

Es ist im MUD durchaus auch möglich, das Aussehen auf die eigenen Absichten abzustimmen. Da die körperliche Erscheinung im MUD explizit formuliert werden muss, bleibt sie keine dem Darsteller als Bedingung mitgegebene Grösse, mit der er umgeht, sondern sie wird bewusst manipulierbar, strategisch einsetzbar. Für Strategien, die im RL mit Kleidung und Make-up zu erreichen versucht werden, bietet sich im MUD das gesamte Äussere an.

Zur Untermauerung meiner Feststellungen über die grundsätzlich vom RL verschiedene Handhabung des physischen Aussehens im MUD möchte ich hier ein Zitat von E. Reid anführen:

"The MUD system does not dictate to players the form of their virtual persona. The process of character creation is at all times in the hands, or imaginations, of the player, although different systems may make the process less or more complex. Players may manifest themselves in any way they please, unbounded by the physical measures that limit our self-presentation in actual life. MUD characters are much more than a few bytes of computer data - they are cyborgs, a manifestation of the self beyond the realms of the physical, existing in a space where identity is self-defined rather than pre-ordained. The consequences of this for the sub-cultures that form on MUDs are enormous. They begin with a challenge to the ties between body and self, and lead to subversions of the categories of gender and sexuality which are so dominant in the actual world." (Reid, 1994, S.39)

Es ist nicht schwer nachvollziehbar, dass die freie Wählbarkeit des eigenen Aussehens für viele Menschen eine grosse Faszination birgt. Körperliche Handikaps, unter denen jemand im RL unter Umständen sehr leidet, werden unsichtbar und damit unwesentlich. Sie können den Interaktionspartner nicht mehr irritieren und müssen im Bewusstsein des Agierenden nicht ständig reflektiert werden. Auch gesellschaftlich als unattraktiv bewertete Personen haben die Möglichkeit, diesem Nachteil zu entgehen. Faszinierend ist sicher auch die Möglichkeit, mit dem Aussehen zu experimentieren, Reaktionen des sozialen Umfelds zu testen. Der Bereich des Geschlechts ist hier wohl einer der reizvollsten, zugleich aber auch einer der kontroversesten. Da die Kontroverse unter das Thema "Wahrnehmung von Selbstdarstellung durch das Publikum" fällt, soll sie anlässlich der zweiten Fragestellung besprochen werden.

6.1.3 Soziale Eigenschaften

Nicht nur körperliche, sondern auch soziale Eigenschaften müssen im MUD explizit gemacht werden und deren Ausgestaltung untersteht dem freien Willen des Spielers. Auch im RL werden Eigenschaften öffentlich kundgetan und tragen dazu bei, ein Image zu kreieren. Ausserdem hat eine Person im MUD wie im RL mit Sanktionen ihres sozialen Umfelds zu rechnen, wenn ihre Ausdrücke nicht mit ihrem Image übereinstimmen. (Im MUD gestalten sich diese Sanktionen wohl etwas milder. Dass mit dem Image inkonsistente Ausdrücke jedoch zu heftigen Diskussionen führen können, wurde oben genannt. Wenn sich ein Mann als weiblich ausgibt, seine männlichen Umgangsformen aber beibehält, kann das zu unangenehmen Folgen für ihn führen.) Während im RL jedoch ein einmal dargestelltes Image aufrechterhalten werden muss, um glaubwürdig zu bleiben, kann im MUD eine Imageänderung ganz einfach durch das Schaffen eines neuen Charakters vorgenommen werden. Dieses stets offene Hintertürchen symbolisiert gleichsam die unverbindliche Natur von MUDs. Trotzdem sich viele MUDder sehr stark mit ihren kreierten Charakteren identifizieren, gibt ihnen nur schon die Möglichkeit, stets ein anderes Selbstbild ausprobieren zu können, Sicherheit. Dass die Bedrohung durch soziale Sanktionen wegen Imagewechsels so unwichtig ist, macht ausserdem den Spielraum für Imageexperimente grösser. Diese günstigen Bedingungen könnten ebenfalls nicht wenig zur Faszination, die MUDs auf ihre Besucher ausüben, beitragen.

Nach den bis jetzt untersuchten Phänomenen soll nun noch eine spezifische Kategorie von Erving Goffman, die "Fassade", betrachtet werden. Goffman schreibt, dass die Fassade eines Individuums aus einem Bühnenbild, der Erscheinung und dem Verhalten besteht. (Goffman, 1976, S.25) Diese drei Aspekte konstituieren für ihn hauptsächlich eine Darstellung. Das rein physisch verstandene Aussehen mag von Goffman unter dem Begriff Erscheinung mitgemeint oder überhaupt nicht von der allgemeinen Erscheinung getrennt worden sein. Für die hier behandelte Fragestellung erachtete ich eine separate Analyse des Aussehens jedoch als sinnvoll. Dasselbe gilt für die sozialen Eigenschaften, die eventuell unter Goffmans Begriff des Verhaltens subsummiert werden könnten.

6.1.4 Bühnenbild

Das Bühnenbild kann im RL aus einem Raum mit Einrichtung oder auch aus einer Strassenecke bestehen. Es wird nicht immer gleich bewusst von den jeweiligen Spielern gewählt und ausgestaltet, hat jedoch in jedem Fall einen Einfluss auf die vor ihm stattfindende Interaktion. Im MUD müssen Bühnenbilder entweder überhaupt nicht, oder ganz bewusst absichtlich errichtet werden. Wie erwähnt haben die Anwesenden in den meisten sozialen MUDs die Möglichkeit, eigene Räume zu bauen. Diese Räume werden oft unter anderem in der Absicht gestaltet, eine Art "Repräsentationsraum" zu besitzen, den andere MUDder besichtigen können. Während Bühnenbilder im MUD bewusster errichtet zu werden scheinen, ist dafür die Vielfalt und die Differenzierung im RL grösser (zumindest in der Praxis - theoretisch wäre dieselbe Vielfalt auch im MUD möglich).

6.1.5 Erscheinung

Den sozialen Status und die gegenwärtige soziale Situation eines Darstellers umfasst bei Goffman der Begriff der Erscheinung. Im RL zeigen wir mittels Kleidung, Accessoires oder Statussymbolen, welcher sozialen Schicht wir angehören oder angehören möchten. Im MUD sind, wie bereits beim Bühnenbild, auch hier beträchtliche Parallelen zum RL zu finden. In Beschreibungen von MUDdern kommen viele Statussymbole vor, und Goffman hat schon vor zwanzig Jahren einen brauchbaren Erklärungsansatz dafür geliefert. Goffman hat im Wunsch nach sozialem Aufstieg einen wesentlichen und in fast jeder Gesellschaft vorhandenen Faktor gesehen, der jedoch nur durch angemessene Selbstdarstellung - zum Beispiel mittels Statussymbolen - erfüllt werden kann. (Goffman, 1976, S.36) Wie das Aussehen, ist die Schichtzugehörigkeit jedoch ein nicht oder zumindest schwer erwerbbarer Faktor, der im RL nicht leicht geändert werden kann. Die angemessene Selbstdarstellung, die zum sozialen Aufstieg nötig ist, fällt in MUDs wesentlich leichter als im RL. Wer sich im RL als Angehöriger der Oberschicht darstellen will, aber eigentlich aus der Unterschicht stammt, muss unter anderem den Wohnort wechseln (Bühnenbild), andere Kleidung tragen, Statussymbole erwerben (Erscheinung) sowie gewisse Verhaltensweisen annehmen (Verhalten). Eine solche Darstellung ist mit erheblichen materiellen Kosten verbunden. Man muss auch mit vielen Misserfolgen rechnen, da das Sensorium für Echtheit oder Unechtheit einer Darstellung beim Publikum ziemlich gut ausgebildet ist. (Goffman, 1976, S.54ff.) In einem MUD fallen diese Probleme weg, beziehungsweise sind nicht mehr relevant. Gerade weil die Zugehörigkeit zu der gewünschten sozialen Schicht für viele Menschen wichtig ist und im MUD eine Möglichkeit besteht, sie zu verändern, wird sie sehr häufig manipuliert. In den Beschreibungen, mit denen sich ein Spieler den anderen präsentiert, werden zu diesem Zweck Statussymbole eingesetzt (seien es Kleidungsstücke, Attribute, die man bei sich trägt, oder Einrichtungsgegenstände im eigenen Raum). Im MUD, wo die Selbstdarstellung auf bewussten Formulierungen beruht, kann man wesentlich problemloser über Statussymbole verfügen und damit mit der Schichtungszugehörigkeit experimentieren, als im RL.

Die soziale Situation, die nach Goffman ebenfalls zu der Erscheinung gehört, wird im RL durch sichtbare Tätigkeiten, Kleidung, Gesten und Mimiken kommuniziert. Im MUD müssen diese selbstverständlich alle beschrieben werden - deshalb sind gemäss meinem Eindruck die Vielfalt und Differenzierung (ähnlich wie beim Bühnenbild) in der virtuellen Welt geringer. Die Grade der Unterschiedlichkeit zum RL sind wohl abhängig von der Komplexität der darzustellenden sozialen Situation.

6.1.6 Verhalten

Das Verhalten zeigt nach Goffman die Rolle an, die eine Person in einer bestimmten Interaktion spielen will. (Goffman, 1976, S.25) Wie im RL wird eine solche Absicht auch im MUD durch Sprache, Gesten und Handlungen kommuniziert. Gesten und Handlungen müssen selbstverständlich im MUD schriftlich formuliert werden - am Verhalten ändert das aber nichts.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Goffmanschen Begrifflichkeiten im Allgemeinen eine gute Ausgangsbasis für die Klärung dieser ersten Fragestellung darstellen. Ich habe die Ansatzpunkte dieser Untersuchung nicht immer direkt übernommen, sondern bestimmte Überlegungen Goffmans als Anregung gebraucht.

Die Konstrukte Image, Bühnenbild, Erscheinung und Verhalten, die ich übernommen habe, liessen sich sehr gut auf das Phänomen MUD und seine sozialen Bedingungen übertragen. Fundamentale Unterschiede konnte ich vor allem beim Vergleich der Rolle des Image und im Umgang mit der Schichtungszugehörigkeit im RL und MUD finden. Die Aspekte Aussehen und Geschlecht stellten sich im Lauf der näheren soziologischen Betrachtung von MUDs als wichtig heraus. Sie wurden deshalb ausführlich behandelt, auch wenn Goffmans Theorie leider nicht viel dazu beitragen konnte. Wie bereits erwähnt, könnte das Aussehen als Teil des Goffmanschen Begriffs Erscheinung verstanden werden - meiner Meinung nach wäre dies aber nicht sinnvoll.

[Inhalt]

6.2 Die Wahrnehmung der Selbstdarstellung durch das Publikum im RL und im MUD

Ein Mensch kann sich nur darstellen, weil er ein Publikum hat. Ohne Publikum müsste er kein Selbstbild schaffen und sich nach ihm verhalten, ohne Publikum müsste er nicht versuchen, stets seine Glaubwürdigkeit zu bewahren. Ohne Publikum könnte er aber auch niemanden beeinflussen. Dieses Publikum soll nicht nur im naheliegendsten Sinn, nämlich als Arbeitskollegen, Nachbarn, oder Bekannte verstanden werden - auch der Lebenspartner und die Familie gehören zu ihm.

Im RL bestimmen sehr viele ineinander verwobene Faktoren den Eindruck, den die Zuschauer (Goffman braucht diesen Begriff synonym zu "Publikum") von einer Darstellerin gewinnen. Sie orientieren sich meist zuerst am Äusseren - an der Ausstrahlung, an dem Ausdruck, den die Darstellerin sich selbst gibt, und an dem rein physischen Aussehen. Es ist oft schwierig, die drei Komponenten strickt zu trennen. Wir besitzen als Zuschauer ein sehr feines Gespür, um die psychische Verfassung eines Gegenübers aufzunehmen - auch wenn dies oft unbewusst geschieht, können wir bei der Beschreibung und vor allem bei ästhetischen Urteilen meist Ausstrahlung und Aussehen nicht auseinanderhalten. Die Ausstrahlung eines Menschen scheint eine beachtliche und nicht zu unterschätzende Kraft zu sein. Sogar der Eindruck über soziale Eigenschaften wird von ihr oft beeinflusst. Auch unsere Unterscheidung von rein physischem Aussehen und dem Ausdruck, den jemand sich durch Kleidung oder Make-up verleiht, ist selten klar.

Im MUD können die Zuschauer keine Zu-Schauer sein, sie können sich nicht auf visuelle Eindrücke verlassen. Sie müssen sich darauf beschränken, die Beschreibungen ihrer Interaktionspartner zu lesen. Die drei besprochenen Orientierungsfaktoren werden ja von jedem Spieler explizit beschrieben. Dadurch, dass sie schriftlich kommuniziert werden, muss das Publikum sie aber bewusst aufnehmen und kann sie voneinander trennen. Der gefühlsmässige Eindruck der Kontaktaufnahme kann nicht mehr so intensiv erlebt werden, weil der Einsatz wichtiger Sinnesorgane behindert ist.

Die deutlicheren Orientierungspunkte können für eine Spielerin unter Umständen ein sehr attraktiver Bestandteil der MUD-Erfahrung sein. Vielleicht geht sie beim Kennenlernen einer Person subtiler auf sie ein, weil sie dieses Gefühl ihr gegenüber vermisst, das im RL durch Faktoren wie die Ausstrahlung verursacht wird. Daraus wird wohl eine anders gewichtete Beurteilung einer Person resultieren. Die Art der Orientierung über ein Gegenüber kann aber auch als Verarmung gegenüber dem RL empfunden werden. Zuschauer im RL spüren nicht nur die psychische Verfassung eines Spielers, sondern auch, ob der Eindruck, den er erwecken will, echt oder unecht ist. Wie bereits erwähnt, argumentiert Goffman, dass die Zuschauer gerade deshalb oft auf Elemente der Darstellung achten, die nicht leicht manipulierbar sind. (Goffman, 1976, S.55) Im MUD nun sind sämtliche Elemente des Selbstbildes manipulierbar. Das Publikum kann sich weder auf das rein Physische stützen oder auf die sozialen Eigenschaften von jemandem achten, der sich unbeobachtet fühlt, noch sich auf sein Sensorium für die Ausstrahlung eines Menschen verlassen.

6.2.1 Geschlechtertausch

Wie bereits angesprochen wurde, bietet der MUD die für viele faszinierende Möglichkeit, mit dem Geschlecht zu experimentieren. Das Publikum reagiert in diesem Bereich besonders sensibel und kontrovers, so dass das Thema eine nähere Betrachtung verdient.

Das Geschlecht ist nicht nur eine biologische Bedingung, sondern auch ein kulturelles Konstrukt, das seit jeher von grösster Relevanz für die Menschen war. Im MUD verliert dieses Konstrukt seine Wichtigkeit offensichtlich nicht. Es werden regelmässig engagierte Diskussionen darüber geführt, ob Geschlechtertausch akzeptabel oder gleichsam ein Verrat sei. E. Reid zählt drei Argumente auf, die gemäss ihren Beobachtungen am häufigsten gegen ein Experiment in diesem Gebiet geäussert werden: Die Gegner argumentieren, es sei unfair, wenn ein Mann sich die Hilfsbereitschaft und Ritterlichkeit der anderen erschleiche, indem er eine Frau spiele. (Wie vorne erwähnt, wird angenommen, dass der Mann-Frau Geschlechtertausch häufiger vorkommt als der umgekehrte.) Sie sind auch der Meinung, solche Aktionen seinen unethisch, da sie Lügen gleichkämen. Ausserdem fühlen sich viele unbehaglich, wenn das Geschlecht des Interaktionspartners unklar ist und haben Angst, unter falschen Annahmen zu handeln. (Reid, 1994, S.44)Das Geschlecht ist, wie bis hierhin ja auch implizit angenommen, nicht nur ein Aspekt des Aussehens, sondern es ist eng verbunden mit gesellschaftlichen Erwartungen bezüglich Eigenschaften oder Selbstbilder. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sehr viele beobachtbare Reaktionen des Publikums im MUD sich auf diesen Aspekt der Selbstdarstellung beziehen.

[Inhalt]


7. Zusammenfassung

7.1 Zusammenfassung: Erste Fragestellung

Die Frage nach dem Unterschied der Selbstdarstellung im MUD und im RL wurde mit Hilfe der Definition von verschiedenen Formen der Selbstdarstellung zu beantworten versucht. Die Formen wurden in Anlehnung an Goffmans Theorie ausgewählt und vorwiegend gemäss der Reihenfolge im Theorieteil besprochen.

Zuerst wurde festgestellt, dass der Ausdruck allgemein für einen Menschen im RL in zwei Arten aufteilbar ist, im MUD hingegen nicht. Im RL ist es sinnvoll, zwischen der Ausstrahlung und der bewussten Vermittlung von Symbolen zu unterscheiden. Weil im MUD jedoch beide, die Absichten und die Ausstrahlung, schriftlich kommuniziert werden müssen, fallen die Begriffe zu einer Kategorie zusammen. Auch die Ausstrahlung ist im MUD ein Produkt von absichtlich gesetzten Worten. Dies kann das Auftreten eines Darstellers kontrollierbarer machen, er kann weniger von seiner eigenen Ausstrahlung "verraten" werden.

Das rein physische Aussehen ist im RL vorgegeben, im MUD nicht. Eine Spielerin kann in einem MUD frei wählen, wie sie aussieht, kann mit gesellschaftlichen Standards von Schönheit oder mit ihrem Geschlecht experimentieren, indem sie den anderen Spielern in geschriebenen Texten bewusst ausgewählte Informationen liefert. Die Selbstbeschreibungen nehmen interessante Formen an, zumal sie oft übertrieben wirken (eine Kompensation der fehlenden non-verbalen Mitteilungsmöglichkeiten). Mittlerweile lösen sie auch heftige Kontroversen aus - zum Beispiel, wenn es um den Geschlechtertausch geht. Sicher birgt die Möglichkeit, das physische Aussehen je nach Laune oder Absicht zu verändern, eine der grossen Faszinationen von MUDs.

Soziale Eigenschaften sind im RL wie im MUD ein wichtiger Bestandteil der Selbstdarstellung - sie werden in beiden Realitäten konstruiertund tragen zur Bildung eines Images bei. Ein einmal kreiertes Image, das im RL aufrechterhalten werden muss, um die Glaubwürdigkeit zu wahren, kann im MUD aber seine zwingende Kraft nicht entfalten. Wer sein Image ändern möchte, kann ganz einfach einen neuen Charakter schaffen und muss sich nicht mit im RL üblichen sozialen Sanktionen auseinandersetzen. Die Möglichkeit, verschiedene Selbstbilder auszuprobieren, vermittelt Sicherheit und fördert lernintensive Imageexperimente.

Im RL ist bei jeder Interaktion ein Bühnenbild vorhanden, auch wenn es nicht immer gleich bewusst ausgewählt und gestaltet wird. Die Vielfalt und die Differenzierung ist deshalb gross. Eine Darstellerin in einem MUD muss überhaupt kein Bühnenbild schaffen - wenn sie es aber will, ist sie gezwungen, es ganz bewusst zu tun. Die Räume, die in MUDs konstruiert werden, sind solche Bühnenbilder. Bühnenbilder in MUDs sind weniger vielfältig, zeigen aber dafür aufgrund ihrer bewussten Gestaltung ihren eigentlichen Zweck explizit auf.

Die Erscheinung eines Individuums teilt seinen Zuschauern nach Goffman seinen sozialen Status und seine gegenwärtige soziale Situation mit. Im RL wie im MUD zeigen wir mittels Kleidung, Accessoires oder Statussymbolen, welcher sozialen Schicht wir angehören oder angehören möchten. Wie Goffman schreibt, ist in den meisten Gesellschaften der Drang der Menschen beobachtbar, eine idealisierte höhere Schicht zu erreichen. (Goffman, 1976, S.36) Da die Schichtungszugehörigkeit im RL jedoch ein schwer erwerbbarer Faktor darstellt, ist eine Veränderung derselben mit hohen materiellen Kosten einerseits und mit gesellschaftlichem Widerstand andererseits verbunden. Im MUD fallen diese beiden Schwierigkeiten weitgehend weg und die Manipulation der Schichtungszugehörigkeit wird damit attraktiv. In Beschreibungen kann sich eine Spielerin mit den gewünschten Statussymbolen präsentieren und so mit der Zugehörigkeit zu einer anderen Schicht experimentieren. Der Wechsel zu einer anderen Schicht erweist sich als einfacher im MUD als im RL.

Auch die soziale Situation eines Menschen, die im RL durch Tätigkeiten, Kleidung, Gesten und Mimiken ausgedrückt wird, muss im MUD beschrieben werden und kann deshalb meines Erachtens wohl in der virtuellen Welt etwas weniger vielfältig sein.

Im Bezug auf das Verhalten, das gemäss Goffman die Rolle anzeigt, die jemand in einer Interaktion spielen will, sind im RL und im MUD keine wesentlichen Unterschiede festzustellen oder theoretisch vorstellbar. Die Absicht eines Menschen, eine Rolle zu spielen, wird lediglich auf eine andere Art kommuniziert

[Inhalt]

7.2 Zusammenfassung: Zweite Fragestellung

Die Frage, worin sich die Wahrnehmung der Selbstdarstellung durch das Publikum im MUD von derjenigen im RL unterscheidet, wurde in Bezugnahme auf die im vorangegangenen Kapitel definierten Formen der Selbstdarstellung angegangen.

Als erstes wurde darauf hingewiesen, dass die Zuschauer im RL oft die Ausstrahlung, den Ausdruck, den jemand sich selbst gibt, und das rein physische Aussehen nicht klar zu trennen vermögen. Die Unterscheidung von Ausstrahlung und Aussehen, oder Aussehen und dem Ausdruck, den jemand sich durch Make-up oder Kleidung verleiht, ist problematisch. Den Eindruck, den die Zuschauer im RL von einer Darstellerin erhalten, wird also durch mehrere verwobene Faktoren bestimmt. Im MUD hingegen können Zuschauer eben keine Zu-schauer sein - sie können sich nicht auf visuelle Eindrücke verlassen. Da die oben erwähnten drei Faktoren schriftlich formuliert werden, kann das Publikum sie voneinander trennen.

Das Gespür des Publikums, das im RL zur Beurteilung der Echtheit einer Darstellung eingesetzt wird, ist im MUD blockiert. Da alle Elemente einer Darstellung manipulierbar sind, kann man nicht mehr auf rein Physisches oder auf Personen, die sich unbeobachtet fühlen, achten.

Ein spezielles Augenmerk wurde in diesem Kapitel der Diskussion um die Annehmbarkeit von Geschlechtertausch gewidmet. Das Publikum im MUD reagiert sehr sensibel auf die Wahrhaftigkeit der Selbstdarstellung in diesem Bereich. Im grossen Ganzen spielt sich die Diskussion ab zwischen Befürwortern, welche die horizonterweiternde Erfahrung geltend machen und Gegnern, die mangelnde Fairness, mangelnde Ethik und Unsicherheit über das Gegenüber anprangern.

Was führt dazu, dass Menschen Tage und Nächte in MUDs verbringen, dass sie ihre MUD-Beziehungen als echter und befriedigender erfahren als diejenigen im RL, dass sie sich im MUD wohler fühlen als im RL? Einige Charakteristika von MUDs, die Ursachen sein könnten, wurden im Anschluss an die beiden Fragestellungen genannt.

Es drängt sich die weitere Frage auf, ob MUDs von ihren Benutzern als Labors für das RL gebraucht werden, als überschaubare Orte, in denen mit der eigenen Selbstdarstellung experimentiert werden darf, und wo man für das RL gleichsam "üben" kann. Ob MUDs eine solche Funktion für das RL einnehmen, ist von grossem Interesse, kann hier jedoch nicht behandelt werden.

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8. Eine Theorie der 70-er Jahre und eines der neuen sozialen Phänomene der Computertechnologie? Kritische und relativierende Gedanken zum Abschluss

In der vorliegenden Arbeit wurde eine Annäherung an das aktuelle Phänomen MUD mit einer Theorie versucht, deren Erscheinungsdatum bereits längere Zeit zurückliegt. Diese Sachlage muss die Ergebnisse der Fragestellungen keineswegs in Zweifel ziehen. Erving Goffmans Überlegungen besitzen eine erstaunliche Aktualität und seine Terminologie eignet sich geradezu hervorragend für eine Übertragung auf soziologische Prozesse in MUDs. Trotzdem ist es wichtig, im Auge zu behalten, dass sich die Ansätze neuerer Soziologen in verschiedenen Bereichen deutlich von Goffmans Standpunkten abheben. Das Verständnis der Art und der Stellung von Werten in der Gesellschaft soll hier kurz als Beispiel angeführt werden. Goffman geht implizit von einer eindeutigen Wertehierarchie aus, die für sämtliche Gesellschaftsschichten relevant ist. Beinahe jeder Mensch strebt gemäss Goffman danach, möglichst die höchsten gesellschaftlichen Werte zu verkörpern.(Goffman, 1976, S.36) Bei Inglehart und Klages hingegen wird bereits von Wertepluralismus gesprochen und je nach Schicht werden verschiedene kulturelle Ziele differenziert. (Inglehart, 1984) Eine Übertragung der theoretischen Konzepte von Status und sozialem Aufstieg auf Prozesse in MUDs ist natürlich vom Verständnis derselben abhängig. Die vorgenommene Anwendung Goffmans Theorie könnte also als unangebracht kritisiert werden, zumal MUDs ein aktuelles Phänomen, Goffmans Konzepte jedoch bereits älter sind. Diese und andere Veränderungen der soziologischen Ansatzpunkte sollten nicht ignoriert werden, wenn es darum geht, das Erklärungspotential der Goffmanschen Theorie zu beurteilen.

Eine anderer möglicher Kritikpunkt ist verbunden mit einem zentralen Konstrukt in Goffmans Schriften, dem Selbst. Das Selbst ist für Goffman an einen Körper gebunden und in einem Raum lokalisierbar. Ein Vergleich des Selbst nach dem Verständnis Goffmans mit dem Selbst einer MUDderin mag deshalb unsinnig erscheinen. Ich bin jedoch der Meinung, dass auch eine MUDderin durchaus ein Bewusstsein für ihren Körper besitzt (sie beschreibt ihn und benutzt ihn für die Interaktion), und dass ein MUD mit seiner räumlichen Struktur auch eine lokale Verortung des Selbst zulässt.

Diese Arbeit soll als ein Unternehmen verstanden werden, den Umgang von Menschen mit einem neuen technologischen Phänomen durch eine allgemein soziologische, nicht auf dieses Phänomen spezialisierte Theorie zu analysieren. Voraussetzung für diesen Ansatz ist ein Verständnis dieses Phänomens, das nicht alle Wissenschaftler teilen: der MUD muss als eigendynamisches Gesellschaftssystem, und nicht als Spiel betrachtet werden. (Vgl. dazu Kapitel 2.2.4)

Eine kombinierte theoretische und quantitativ-empirische Vorgehensweise wäre sehr sinnvoll gewesen, war aufgrund der Natur der MUDs und dem vorgesehenen Umfang dieser Arbeit jedoch nicht durchführbar. Der rein theoretische, qualitative Charakter der Auseinandersetzung mit MUDs und Goffmans Ideen soll klar betont sein. Goffmans Perspektive kann theoretisch gut fundierte Erklärungsansätze für die offensichtliche Faszination vieler Menschen an MUDs liefern - eine umfassende und abschliessende Analyse kann damit selbstverständlich aber nicht geleistet werden.

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9. Bibliographie

GOFFMAN, ERVING: Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1986 (Originalausgabe: New York, Anchor Books, Doubleday & Co., Inc., Garden City, 1967)

GOFFMAN, ERVING: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, München, R. Piper & Co. Verlag, 1976

INGLEHART, R.: Wertewandel in den westlichen Gesellschaften: Politische Konsequenzen von materialistischen und postmaterialistischen Prioritäten, in: KLAGES, H. und KMIECIAK, P. (Hg.): Wertewandel und gesellschaftlicher Wandel, Frankfurt a. M., Campus Verlag, 3. Auflage, 1984

REID, ELIZABETH: Cultural Formations in Text-Based Virtual Realities, http://www.ee.mu.oz.au/papers/emr/cult-form.html, 1994

RHEINGOLD, HOWARD: Virtuelle Gemeinschaft. Soziale Beziehungen im Zeitalter des Computers, Bonn, Addison-Wesley GmbH, 1994 (Originalausgabe: New York, Addison-Wesley GmbH, 1993)

SCHWARTZ, ALAN: Comments on MUD Research, http://mellers1.psych.berkeley.edu/~jomr/v1n1/intro.html, 1996

TREIBEL, ANNETTE: Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart, Opladen, Leske Verlag + Budrich GmbH, 1995

TURKLE, SHERRY: Life on the Screen. Identity in the Age of the Internet, London, Weidenfeld & Nicolson, 1996 (Originalausgabe: New York, Simon & Schuster, 1995)

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10. Anhang

10.1 Anhang 1: Wie verschiedene Autoren MUDs beschreiben

Sherry Turkle (1995, S.11):

"...known as MUDs, Multi-User Domains or, with greater historical accuracy, Multi-User Dungeons, because of their genealogy from Dungeons and Dragons, the fantasy role-playing game that swept high schools and colleges in the late 1970s and early 1980s. The multiuser computer games are based on different kinds of software (this is what the MUSE or MOO or MUSH part of their names stand for). For simplicity, here I use the term MUD to refer to all of them.

MUDs put you in virtual spaces in which you are able to navigate, converse, and build. You join a MUD through a command that links your computer to the computer on which the MUD program resides. Making the connection is not difficult; it requires no particular technical sophistication. The basic commands may seem awkward at first but soon become familiar. For example, if I am playing a character named ST on LambdaMOO, any words I type after the command "say" will appear on all players' screens as "ST says". Any actions I type after the command "emote" will appear after my name just as I type them, as in "ST waves hi" or "St laughs uncontrollably". I can "whisper" to a designated character and only that character will be able to see my words. As of this writing there are over five hundreds MUDs in which hundreds of thousends of people participate. In some MUDs, players are represented by graphical icons; most MUDs are purely text-based."

Howard Rheingold (1994):

"A MUD is communications soup in real time, with a flavor of improvisatory theater. Unlike computer conferencing systems or bulletin boards, people's social interactions are in different varieties of real-time chat mode, not the kind of bulletin-board style communication you can find on BBSs or places like the WELL. MUDs are very much about who is in the place at the same time and how they interact."

Elizabeth Reid (1994):

"Each MUD system begins as a blank space. It is nothing more than a set of commands and possibilities. A MUD pogram is, in essence, a set of tools that can be used to create a socio-cultural environment. It is this that sets MUDs apart from other textually based computer- mediated communication tools. The latter merely provide an interface that separates what one person types from that of another, and so allows a form of written conversation. MUDs, by contrast, allow the depiction of a physical environment which can be laden with cultural and communicative meaning. They allow imagination and creativity to furnish the void of cyberspace with socially significant indicators. It is this that makes a MUD system a form of virtual reality.

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10.2 Anhang 2: Soziale MUDs und Abenteuer-MUDs

Eine kurze Unterscheidung von sozialen und Abenteuer-MUDs liefert Jennifer Smith auf ihrer Page (Frequently Asked & Answered Questions for MUDs): http://www.lysator.liu.se/mud/faq/faq1.html

Abenteuer-MUDs

"The LP-family of MUDs, including Diku and AberMUD, are usually based on roleplaying adventure games; the players on those MUDs tend to run around in groups or alone killing monsters, solving puzzles, and gaining experience in the quest to become a wizard."

Social MUDs

"The Tiny - and Teeny - family of MUDs are usually more social in orientation; the players on those MUDs tend to gather, chat, meet friends, make jokes, and discuss all kinds of things."

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10.3 Anhang 3: Raumbeschreibungen in MUDs

10.3.1 LambdaMOO

The Linen Closet

The linen closet is a dark, snug space, with barely enough room for one person in it. You notice what fell like towels, blankets, sheets, and spare pillows. One useful thing you've discovered is a metal doorknob set at waist level into what might be a door. Another is a small button, set into the wall.

The Living Room

"It is very bright, open, and airy here, with large plate-glass windows looking southwards over the pool to the gardens beyond. On the north wall, there is a rough stonework fireplace. The east and west walls are almost completely covered with large, well-stocked bookcases. An exit in the northwest corner leads to the kitchen and, in a more northerly direction, to the entrance hall. The door into the coat closet is at the north end of the east wall, and at the south end is a sliding glass door leading out onto a wooden deck. There are two sets of couches, one clustered around the fireplace and one with a view out the windows."

Un Cafe Parisien

"The many small tables crowded under parasols and along the busy sidewalk reveal the giddy excitement and activity of this Parisian cafe. In the window, there is a small sign in French that somehow you know means "Under New Management". Close by is the Vavin Metro station, and at the corner of the building are two small blue and white signs, about 3 metres up. The sign on the east face reads "Blvd. Raspail", the one on the north face, "Blvd. Montparnasse. South and just next to the cafe is a large old heavy wooden door with a large doorknob in the center. Above the door on the limestone lintel is carved the number 214."

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10.3.2 HoloMUCK

Center
"This is the center of beautiful Tanstaafl City, which is in turn located at the center of Tanstaafl County, a reality-only region. High street runs north and south into residential areas, while Main Street heads west and east into business districts as well as to the waterfront and the Tanstaafl County's outer limits."

Last update: 01. Feb 15


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Contact:

  Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut

der Universität Zürich

hg@socio.ch