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Frauen in der Lokalpolitik Die Vertretung der Frauen in den kommunalen Gremien von Urs Meuli und Andreas Ladner Soziologisches Institut der
Universität Zürich Zürich, im Mai 1995 Inhalt Die Frauen sind in den Exekutivbehörden der Schweizer Gemeinden nach wie vor äusserst schwach vertreten. So sind knapp die Hälfte aller kommunalen Exekutiven heute noch reine Männergremien. Diese Studie liefert die Zahlen über die Vertretung der Frauen und ihre Sitzanteile in den Gemeindeexekutiven auf dem Stand vom Januar 1994 und vergleic ht diese mit den Verhältnissen aus dem Jahre 1988. Zusätzlich dokumentiert das Beispiel des kommunalen Bauressorts eindrücklich, wie schwierig es für Frauen ist, in traditionelle Männerdomänen einzubrechen.Inhaltsverzeichnis 1 Das Wichtigste in Kürze2 Methodischer Hinweis 3 Einleitung 4 Vertretung der Frauen in den Gemeindeexekutiven 5 S itzanteile der Frauen in den Gemeindeexekutiven 6 Wandel und Trend 7 Das Bauressort - eine traditionelle Männerdomäne 8 Schlussbemerkung 1. Das Wichtigste in Kürze Frauen sind in den lokalen Exekutiven ausgesprochen schwach vertreten. In rund 40 Prozent der Exekutiven in den über 3000 Gemeinden findet sich keine einzige Frau, und ihr Sitzanteil beläuft sich insgesa mt auf knapp 14 Prozent. Damit sind die Frauen auf lokaler Ebene nicht wesentlich stärker vertreten als auf höherer politischer Ebene. Noch deutlicher ist die Untervertretung der Frauen im Bauressort - einem der zentralen Bereiche der kommunalen Verwaltung - in welchem viel Fachkompetenz gefordert ist und wichtige Entscheide für die Entwicklung der Gemeinde gefällt werden. So wird nur jedes sechzehnte Hochbauressort in den Deutschschweizer Gemeinden von einer Frau geleitet u nd in drei von vier Baukommissionen sind die Frauen nicht existent. Im Durchschnitt ist nur jedes 20. Baukommissionsmitglied weiblichen Geschlechts. Zwischen städtischen und ländlichen, kleinen und grossen Gemeinden zeigen sich nur ge ringfügige Unterschiede. So ist der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Sitze in den ländlichen Gebieten und in kleinen Gemeinden nur unwesentlich geringer als in städtischen und grösseren Gemeinden Die Entwicklung in den letzten Jahren gibt wenig Anlass zu Hoffnungen, dass in nächster Zeit eine markante Verbesserung des Frauenanteils in den wichtigsten kommunalen Entscheidungsgremien erreicht werden kann. Zwar ist ihr Sitzanteil seit 1988 um 6 Prozent gestiegen, vo n einer auch nur annähernden Gleichstellung der Geschlechter sind wir jedoch noch weit entfernt. Die ungenügende Vertretung der Frauen in den lokalen Entscheidungsgremien hat weitreichende Konsequenzen. Abgesehen davon, dass damit ein grosser Teil aller politischen Entscheidungen nach wie vor von Männern gefällt wird, verpassen die Frauen entscheidende politische Lern- und Sozialisationserfahrungen für eine spätere politische Karriere auf höherer politischer E bene. Es ist deshalb aufgrund der geringen Zahl an politikerfahrenen Frauen nicht erstaunlich, dass für politische Ämter immer wieder Frauen aufgestellt werden, die sich bis anhin noch kaum aktiv in der Politik engagiert haben. Zahlreiche dieser Quereinsteigerinnen treten denn auch schon nach kurzer Zeit, desillusioniert und enttäuscht vom politischen Alltagsbetrieb, von ihrem Amt zurück. Auch ein Stagnieren der Frauenanteile oder gar rückläufige Tendenzen, wie sie das Welsch land für den Natiolnalrat erfahren hat, lassen sich mit der schwachen oder gar fehlenden Basis der Frauen auf der untersten politischen Ebene erklären. Will man längerfristig eine
Gleichberechtigung der Geschlechter in allen poli tischen
Entscheidungsgremien erreichen, so gilt es der lokalen Ebene
besondere Beachtung zu schenken. Wollen die allgemeinen
Bekenntnisse zur Frauenförderung nicht bloss Lippenbekenntnisse
sein, müssen in erster Linie die Einstiegsbedingungen f&
uuml;r Frauen in die kommunale Politik erleichtert werden. Neben
verstärkten Anstrengungen von Lokalparteien und Behörden könnte
dies etwa heissen, dass bei zeitlichen Ansetzungen von Sitzungen
und Besprechungen mehr auf die Bedürfniss e und Möglichkeiten
von Frauen Rücksicht genommen wird. Vor allem können aber durch
gezielte politische Bildungskurse für angehende
Lokalpolitikerinnen weitere Hemmschwellen abgebaut werden. Und
schliesslich gilt es auch zu klären , wie weit mit politischen
Massnahmen der Anteil der Frauen erhöht werden kann. So hat sich
beispielsweise in manchen Fällen das Proporzwahlrecht als
frauenfreundlicher erwiesen als eine Majorzwahl. Die Frauen kündigen sich als das & uuml;berragende Thema der diesjährigen Nationalratswahlen an. Das Postulat nach Frauenförderung in allen gesellschaftlichen Bereichen im allgemeinen und in den politischen Institutionen im besonderen hat sich zum Allgemeinplatz gewandelt, an dem niemand mehr vorbeikommt. Eine politische Partei übertrifft die andere an Frauenfreundlichkeit und jede Partei erhebt für sich den Anspruch, eine Vorreiterrolle in der Unterstützung von Frauenanliegen gespielt zu haben. Dieses Verhalten im pliziert die Gefahr, dass die Frauenfrage zu einem Alibithema verkommt und als Verkaufsschlager für potentielle Wählerinnen und Wähler missbraucht wird. Die politische Realität spricht denn auch nicht unbedingt dafür, dass die Int egration der Frauen in die politischen Gremien bisher konsequent vorangetrieben worden ist. Frauen sind in der schweizerischen Politik schwach vertreten. Auf keiner politischen Ebene erreichen sie auch nur annähernd einen mit den Männ ern vergleichbaren Anteil der Sitze. Allerdings unterscheidet sich die Schweiz damit nicht wesentlich von der Mehrheit der anderen europäischen Länder. Obwohl das Frauenstimmrecht relativ spät eingeführt wurde, hat sie sich im europ&au ml;ischen Vergleich vom "Sonderfall" zum "Normalfall" gewandelt. Bezüglich der Repräsentation der Frauen auf nationaler Ebene respektive in den grossen Städten, kommt die Schweiz verglichen mit den Ländern der EU im vorderen Mittelfeld zu liegen (Ballmer-Cao 1994: 252). Auf der kommunalen Ebene sind in der Schweiz unzählige Ämter mit weitreichenden Kompetenzen zu besetzen. Frauen sind aus verschiedenen Gründen für solche Ämter geradezu prädestin iert. Zu einer Vielzahl von lokalpolitischen Aufgaben (Schulpolitik, Sozialpolitik, lokale Verkehrspolitik, Umweltpolitik u.a.) haben sie aufgrund ihrer persönlichen Biographie und ihrer traditionellen gesellschaftlichen Rolle eine besondere Näh e. Sie verbringen im Vergleich zu den vollberufstätigen Männern in der Regel einen grösseren Teil ihrer Zeit in ihrer Wohnortsgemeinde und sind von den Folgen vieler kommunaler Entscheidungen unmittelbarer betroffen. Und schliesslich wä ;ren sie - bei genügender Unterstützung - häufig auch in ihrem Zeitbudget flexibel genug, um ein solches Amt auszuüben [1], welches in der grossen Mehrheit der Gemeinden als Miliz- und Nebenamt konzip iert ist. Ein politisches Amt auf kommunaler Ebene
bildet zudem auch heute noch in vielen Fällen Ausgangspunkt und
Basis für eine politische Karriere auf höherer politischer Ebene.
Im Vergleich zu den Ämtern auf kantonaler o der Bundesebene sind
die Zugangschancen in den Gemeinden deutlich grösser und die
Anforderungen an spezifisches Wissen sind in der Regel
vergleichsweise geringer. Politische Erfahrungen auf lokaler Ebene
gelten bei Kandidaturen für Ämter au f höherer politischer
Ebene eindeutig als Pluspunkt. Und schliesslich ist eine breite
Vertretung der Frauen in den lokalen Gremien die beste Garantie
dafür dass auch im Bereich der Bundes- und Kantonspolitik der
Frauenanteil gesteigert und langf ristig gehalten werden kann. 4 Vertretung der Frauen in den Gemeindeexekutiven Frauen sind in den Gemeindeexekutiven schwach vertreten. In rund 40 Prozent der Gemeinden sind die Frauen nicht in den kommuna len Exekutiven vertreten (vergl. Tabelle 1). In etwa 45 Prozent der Gemeinden sitzt jeweils eine Frau. Zwei Frauen finden sich noch in etwas mehr als 10 Prozent der Gemeinden während drei und mehr Frauen nur noch in rund drei Prozent der mehr als 3000 Gemeindeexekutiven anzutreffen sind [2].
Am wenig sten häufig vertreten sind die Frauen in den kleinsten Gemeinden. Hier sind über 60 Prozent der Gemeinden ohne eine einzige Frau in der Exekutive (vgl. Tabelle 2). Mit zunehmender Gemeindegrösse steigt der Anteil der Gemeinden mit Fr auenvertretungen. In Gemeinden mit mehr als 10'000 Einwohnern verzichtet nur jede fünfte Gemeinde auf eine Frau in der Exekutive. Dass vor allem in den kleinen, ländlichen
Gemeinden die Frauen weniger häufig in den Exekutiven ver treten
sind, zeigt auch ein einfacher Stadt-Land-Vergleich. In den
städtischen Gemeinden hat "lediglich" jede dritte
Gemeinde keine Frau in ihrer Exekutive, während in den
ländlichen Gemeinden mehr als 40 Prozent ohne Frauen auskommen.
Am grössten ist der Anteil der Gemeinden
mit mindestens einer Frau in der Exekutive in den Grosszentren
(Basel, Bern, Genf, Lausanne, Zürich). Hier findet sich keine
Exekutive ohne zumindest eine Frauenvertretung (vgl.Tabelle 3).
Verhältnismässig gross ist der Anteil der Gemeinden mit Frauen
in den Exekutiven generell in Zentrumsgemeinden, in reichen
Gemeinden sowie in den Arbeitsplatzgemeinden grosszentraler
Regionen. Besonders gering ist der Anteil der Gemeinden mit Frauen
in den Exekutiven in den touristischen und semitouristischen
Gemeinden, den agrarisch geprägten Gemeinden und in den Gemeinden
mit einem starken Bevölkerungsrü ;ckgang.
Die Deutschschweiz ist eindeutig die Sprachregion, mit den wenigsten Gemeinden ohne Frauenvertretung in der Exekutive (vgl.Tabelle 4). Jede dritte Gemeindeexekutive kommt hier ohne Frau aus. Während die Welschschweiz e ine mittlere Position einnimmt, sitzen in der italienischen Schweiz in mehr als 60 Prozent der Gemeinden keine Frauen in den Exekutiven.
Und schliesslich zeigen sich - wiederum auf
die Frage, wieviele Exekutiven gänzlich ohne Frauenvertretungen
auskommen - auch beachtliche Unterschiede zwischen den Kantonen.
Im Kanton BS und in den 15 von uns erfassten Gemeinden im Kanton
AR sind die Frauen in allen Exekutiv en vertreten (vgl. Tabelle
5). Ebenfalls "gut vertreten"
sind sie in UR, OW und in BE und SO. Besonders schlecht verteten sind sie im Kanton Glarus. Hier findet sich in praktisch vier von fünf Gemeindeexekutiven keine einzige Frau. Auch in den Kantonen TG, TI, SH, AI, GR, NE und GE haben höchstens eine von zwei Gemeinden eine Frau i n ihrer Exekutive. Generell dürfte erstaunen, dass in der Westschweiz die Frauen in den Gemeindeexekutiven eher schwächer verteten sind [4]. 5 Sitzanteile der Frauen in den Gemeindeexekutiven Der Anteil der Gemeinden mit Frauen in der Exekutive ist ein Indikator für die Vertretung der Frauen in der Lokalpolitik, ausfschlussreicher wird es jedoch, wenn wir nach den Sitzanteilen in den Gemeindeexekutiven frage n. Bekanntlich sind in den kleinen Gemeinden die Exekutiven kleiner. Entsprechend ist eine Frauenvertretung in einer dreiköpfigen Exekutive stärker zu werten als eine Frauenvertretung in einer sieben oder neunköpfigen Exekutive.Über alle Gemeinden gesehen liegt der Anteil der Frauen in den Gemeindeexekutiven bei rund 14 Prozent. Von den rund 18'000 Gemeinderatssitzen werden also etwa 2500 von Frauen eingenommen. Dieser Anteil liegt knapp über dem Sitzanteil der Frauen in den kantonalen Regierungen (11.2 Prozent) und entspricht etwa einem von sieben Sitzen im Bundesrat. Wenn man jedoch bedenkt, dass der Zugang zu den kommunalen Exekutiven bedeutend einfacher ist als zu denjenigen auf höherer politischer Ebene, so m uss der Sitzanteil der Frauen in den lokalen Exekutiven als enttäuschend klein bezeichnet werden. Betrachten wir die durchschnittlichen Sitzanteile der Frauen nach Gemeindegrösse, so zeigen sich kaum mehr Unterschiede zwischen Gemeind en unterschiedlicher Grössenklassen (vgl. Tabelle 6), da in dieser Betrachtungsweise der unterschiedlichen Exekutivgrösse (mit zunehmender Gemeindegrösse steigt die Grösse der Exekutive zuerst an und sinkt dann mit einsetzenderP rofessionalisierung wieder ab) in Abhängigkeit von der Gemeindegrösse Rechnung getragen wird. Damit verlieren die grösseren Gemeinden ihr frauenfreundlicheres Image. Der im ersten Abschnitt festgestellte grössere Anteil an grossen Geme inden mit mindestens einer Frau in der Exekutive ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Exekutiven grösser sind [5]. In der Tat kommt es zumindest rechnerisch nicht darauf an, ob - wie in kleinen Ge meinden - in jeder zweiten 3er-Gemeindeexekutive eine Frau vertreten ist, oder ob - wie in den grösseren Gemeinden, in jeder 6er-Exekutive eine Frau sitzt. In der Betrachtung der Sitzanteile zeigt
sich die minoritäre Position der Frau en in der Lokalpolitik
besonders deutlich. Etwas bösartig formuliert könnte man jedoch
sagen, dass Frauen vor allem dann eine Chance haben, wenn die
Exekutive gross genug ist und es etwas Platz für eine "Alibifrau"
hat. Oder nochmals anders gesagt: kleinräumige Strukturen
erschweren die Chancengleichheit der Frauen.
Die Sitzanteile unterscheiden sich zwischen den Sprachregionen nur sehr minim (vgl.Tabelle 7). Den höchsten Anteil haben die Deutschschweize r, den geringsten die italienischsprachigen Gemeinden.
Über die grössten Sitzanteile verfügen die Frauen im Kanton Solothurn, wobei auch hier sogleich angemerkt werden muss, dass sich der durchschnittliche Anteil lediglich auf rund 20 Prozent beläuft (vgl.Tabelle 8). Deutlich besser schneidet der Kanton Genf ab. Wir erinnern uns, dass im im Kanton Genf lediglich in jeder zweiten Gemeinde ein e Frau in der Exekutive vertreten ist. Da in diesem Kanton die Exekutiven sehr klein sind (in der Regel drei Sitze) fällt bereits eine Frau in der Exekutive besonders stark ins Gewicht. Das Schlusslicht bildet wiederum der Kanton Glarus. Der Vergleich mit den Vertretung der Frauen
in den kantonalen Parlamenten (Tabelle 8) zeigt weiter,
dass es in der Regel einfacher ist, ein Legislativamt zu erringen
als einen Sitz in der Exekutive. Mit Ausnahme von UR, AR und JU
sind die Frauenanteile in den kantonalen Parlamenten jeweils
grösser als in den Exekutiven.
Betrachtet man die Zunahme des Frauenanteils nach Gemeindegrösse, ergibt sich kein klares Bild (vgl.Tabelle 10). Die Zunahme der letzten sechs Jahre ist nicht eindeutig von der Gemeindegrösse abhängig. Überdurchschnittliche Zuwachsraten weisen mit über sieben Prozent die Städte auf. Dage gen ist der Zuwachs in Gemeinden mit 500 bis 1000 und 5'000 bis 10'000 relativ bescheiden. Im Ganzen sind die Unterschiede aber eher gering. Deutlich er sind die Unterschiede bei den
Gemeindetypen (vgl.Tabelle 11). Relativ hohe Zuwachsraten
der Frauenanteile mit mehr als 8 Prozent verzeichnen reiche
Gemeinden, Heimgemeinden, periurbane Gemeinden grosszentraler
Regionen, Arbeitsplatzgemeinden nic ht grosszentraler Regionen und
Einheimischengemeinden mit wenigen Pendlern. Interessanterweise
sind es überwiegend Gemeinden, die auf der Schnittstelle zwischen
städtischen und ländlichen Gebieten liegen. Dazu passt auch das
Ergebnis der Ze ntrumsgemeinden: Während die Grosszentren mit
knapp 5 Prozent eine unterdurchschnittliche Zunahme des
Frauenanteils aufweisen, ist sie bei den Mittel- und Kleinzentren
klar über dem schweizerischen Mittel. Auf der anderen Seite
stechen die indus triell-tertiären Gemeinden, die in ländlichen
Gebieten liegen, mit praktisch einem Nullwachstum des
Frauenanteils heraus.
Die in Tabelle 12 dargestellten Resultate nach Sprachregionen bestätigen den Trend seit den 80er Jahren zu zunehmend frauenfreundlicherem Wahlverhalten in der Deutschschweiz und einer stagnierenden Zunahme des Frauenanteils in der Westschschweiz (vgl. Seitz 1994: 225). Während in der Deutschschweiz in den letzten sechs Jahren eine überdurchschnitt liche Zunahme des Frauenanteils zu registrieren ist, beträgt demgegenüber der Zuwachs in der italienischen und französischen Schweiz nur rund 4.5 Prozent. Allerdings kann auch hier nicht von markant unterschiedlichen Resultaten gesprochen w erden.
Aus (Tabelle 13) geht abschliessend
hervor, in welchen Kantonen in den letzten Ja hren die Frauen in
besonderem Masse Sitzanteile gewonnen haben. In UR, GE, BS und ZG
konnten sie ihre Anteil um mehr als 10 Prozent steigern, während
sie sich in GL, SH, NW und Jura nur geringfügig zu verbessern
vermochten.
7 Das Bauressort - eine traditionelle Männerdomäne Der Baubereich gilt auf Gemeindeebene als zentrale Verwaltungsabteilung, in der sehr gegensätzliche Interessen aufeinanderprallen. In dieser traditionellen Männerdomäne geht es einerseits um handfeste wirtschaftliche Interessen. Je "baufreundlicher" eine Baukommission oder ein Bauvorstand eingestellt ist, desto mehr profitiert in der Regel die lokale Wirtschaft. Andererseits w erden im Bauressort durch die Gestaltung der Siedlungsstrukturen die entscheidenden Weichen für die gegenwärtige und zukünftige Qualität des unmittelbaren Lebensraumes gestellt.Da ein Grossteil der Frauen lokalorientierter lebt als die Männer, weil sie im Unterschied zu diesen die meiste Zeit zu Hause oder in der näheren Wohnumgebung verbringen, müssten sie ein konkretes Interesse an aktiver politischer Teilnahme im kommunalen Bauwesen haben. Die Frauen bleib en auch dementsprechend oft nicht einfach passiv. Sie engagieren sich aber viel lieber in Kommitees und Bürgerinitiativen als in einem politischen Amt (vgl. Michel 1993). Die fachliche Kompetenz der Kandidatinnen und Kandidaten spielt im B aubereich, vor allem bei der Besetzung der Baukommission, eine sehr grosse Rolle. Frauen bekunden vielfach eine gewisse Scheu vor den technischen Komponenten bei baulichen Fragen und Problemen. Frauen werden daher auch eher für ein Amt in der Fü rsorge- und Schulkommission angefragt, für einen Einsitz in der Baukommission wird ihnen aber meistens die nötige Fachkompetenz nicht zugetraut. Kommt noch hinzu, dass das Bauressort als äusserst konfliktträchtig gilt und viele Frauen vor einer allfälligen Exponiertheit zurückschrecken. Die politische Realität in den
Deutschschweizer Gemeinden bestätigt diese Vermutungen. Der
Anteil der Frauen im Amt des Bau- resp. Hochbauvorstands
[7] von gut 6 Prozent entspricht nicht einmal der Hälfte des
Frauenanteils in der gesamten Gemeindeexekutive (vgl.Tabelle
14). Etwas grösser ist mit fast 10 Prozent der Anteil in den
Städten, extrem tief in den kleinen Ge meinden mit 100 bis 250
Einwohnern. Auffallend ist der relativ niedrige Frauenanteil in
Ortschaften mit 5'000 bis 10'000 Einwohnern.
Zwei Drittel der Deutschschweizer Gemeinden
verfügen über eine Baukommission, die entweder beratende
Funktionen wahrnimmt, partielle Entscheidungsbefugnisse besitzt
oder sogar alleinige Entscheidungsinstanz ist. In diesen Gremien
sind die Frauen noc h krasser untervertreten als in den Exekutiven.
In drei von vier Baukommissionen sind die Frauen nicht vorhanden (vgl.
Tabelle 15). In 20 Prozent der Baukommissionen sitzt
wenigstens eine Frau und nur in 5 Prozent verfügen die Frauen
über mehr als einen Sitz.
Die grossen Gemeinden mit mehr als 5'000
Einwohnern unterscheiden sich von den kleineren Gemeinden bis
5'000 Einwohnern klar. Während in letzteren die Frauen in den
Baukommissionen lediglich einen Sitzanteil von nicht einmal 5
Prozent innehaben, beträgt dieser in den grossen Gemeinden
immerhin um die 9 Prozent und in fast jeder zweiten Kommission
sitzt wenigstens eine Frau. Trotzdem nehmen die Frauen auch hier
eine äusserst untergeordnete Position ein.
Bei den Gross- und Mittelzentren existieren keine Baukommissionen ohne Frauenvertretung (vgl.Tabelle 17) . Der Frauenanteil in den Baukommissionen der Mittelzentren beträgt dabei mehr als 15 Prozent [9]. Ebenfalls ein relativ hoher Frauenanteil kann mit 12 Prozent in den reichen Gemeinden registriert werden. Am Schluss der Skala befinden sich die touristischen und semitourist ischen Gemeinden, wo die Baukommissionen in fester Männerhand sind.
Bei den Kantonen mit Deutschschweizer
Gemeinden nehmen die Frauen in UR, AR, SH und ZH zehn und mehr
Prozent aller Baukom missionssitze ein, dagegen sind es in VS, GR,
SG, FR und AI weniger als 4 Prozent (vgl. Tabelle 18).
Erwähnenswert ist noch, dass in den Gemeinden im Kanton Bern der
Frauenanteil in den Baukommissionen mit 5 Prozent deutlich tiefer
liegt als i n den Gemeindeexekutiven mit 18 Prozent, wo die Berner
Gemeinden im Vergleich der Kantone einen Spitzenplatz einnehmen.
Es mag verschiedene Gründe geben, weshalb es Frauen besonders schwer haben, sich in der Lokalpolitik durchzusetzen. Sicher fehlen ihnen aufgrund ihrer speziellen Lebensbiographie und ihrer gesellschaftlichen Stellung häufi g wichtige Attribute wie berufliche Qualifikationen und Erfahrungen sowie die Integration in ein Netz von Vereinigungen und Vereinen, welche eine grosse Zahl an Wählerstimmen geradezu garantieren. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass gerade vie le bürgerliche Kandidatinnen von bürgerlichen Frauen nicht gewählt werden. Dies wirkt sich für die Frauen im kommunalen Bereich umso negativer aus, weil die Lokalpolitik zum grossen Teil sehr stark bürgerlich geprägt ist. Sch liesslich sind auch zahlreiche kommunale Entscheidungsgremien verhältnismässig klein und werden nach dem Majorzverfahren bestimmt (nur knapp 30 Prozent der kommunalen Exekutiven werden nach dem Proporzverfahren gewählt), was erwiesenermasse n die Wahlchancen von Frauen schmälert. Die ungenügende Vertretung der Frauen in den lokalen Entscheidungsgremien hat weitreichende Konsequenzen. Abgesehen davon, dass damit ein grosser Teil aller politischen Entschei dungen nach wie vor von Männern gefällt wird, verpassen die Frauen entscheidende politische Lern- und Sozialisationserfahrungen für eine spätere politische Karriere. Es ist aufgrund der geringen Zahl an politikerfahrenen Frauen nicht e rstaunlich, dass für politische Ämter immer wieder Frauen aufgestellt werden, die sich bis anhin noch kaum aktiv in der Politik engagiert haben. Nicht ganz unerwartet treten dann auch zahlreiche dieser Quereinsteigerinnen schon nach kurzer Zeit desillusioniert und entäuscht vom politischen Alltagsbetrieb von ihrem Amt zurück. Auch ein Stagnieren der Frauenanteile oder gar rückläufige Tendenzen, wie sie das Welschland für den Natiolnalrat erfahren hat, lassen sich mit der schwachen oder gar fehlenden Basis der Frauen auf der untersten politischen Ebene erklären. Will man längerfristig eine Gleichberechtigung der Geschlechter in den politischen Entscheidungsgremien erreichen, so gilt es, der lokalen Eb ene besondere Beachtung zu schenken. Neben verstärkten Anstrengungen von Lokalparteien und Behörden könnte dies zum Beispiel heissen, dass bei Sitzungen und Besprechungen mehr auf die zeitlichen Bedürfnisse von Frauen Rücksicht ge nommen wird. Zudem können durch gezielte politische Bildungskurse für angehende Lokalpolitikerinnen weitere Hemmschwellen abgebaut werden. Und schliesslich gilt es auch zu klären, wie weit mit politischen Massnahmen der Anteil der Frauen er höht werden kann. So hat sich beispielsweise in manchen Fällen das Proporzwahlrecht als frauenfreundlicher erwiesen.
Literatur Ballmer-Cao, Th. Huyen, 1994 a. Postface. Femmes et politiques: quelques questions po ur la science politique suisse. In: Schweiz. Jahrbuch für Politische Wissenschaft. Frauen und Politik. Bern.Ballmer-Cao, Th. Huyen, 1994 b. OùMadame a-t-elle pris place? Ou vingt ans de suffrage feminin en Suisse. In: Neue Fakten,Commiss ion fédérale pour les questions féminines (Hrsg.). Ballmer-Cao Th. Huyen, Bendix John, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik, 1994 c. La représentation des femmes au conseil national. Bundesamt fü ;r Statistik (Hrsg.), 1994. Der lange Weg ins Parlament. Die Frauen bei den Nationalratswahlen von 1971 bis 1991. Bern. Geser, Hans, 1987. Kommunales Regieren und Verwalten. Grüsch: Rüegger. Geser Hans, Kurmann Luzia, 1990. Zuwenig Fra uen in den Gemeindeexekutiven? In: Neue Zürcher Zeitung vom 12. 2. 1990. Michel, Suzanne, 1993. Vorstudie zum Thema "Besserer Einbezug von Frauen in die Ortsplanung". Im Auftrag des Bundesamtes für Raumplanung, Bern. Seitz, Werner, 199 4. Die Frauen bei den Nationalratswahlen 1971-1991 aus statistischer Sicht. In: Schweizerisches Jahrbuch für Politische Wissenschaft. Frauen und Politik, S. 225-251. Bisherige Erscheinungen in der Reihe "Kleine Zürcher Ge meindestudien" Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 1. Eine grosse Mehrheit der Gemeinden hat ihre politischen Åmter als Miliz- und Nebenåmter konzipiert.[z urück] 2. Im Vergleich dazu: in 11 von 26 Kantonsregierungen sitzt keine Frau (42.3%), in 12 regiert eine Frau mit (46.2%) und in 3 Regierungen sind zwei Frauen vertreten (11.5%). [zurück] Mit N wir in der Regel die Prozentuierungsbasis bezeichnet. In diesem Fall beziehen sich die Prozentwerte auf 2031 antwortende Gemeinden. [zurück] 4. Vgl. hier zu auch Seitz (1994: 225), w elcher für den Nationalrat in den 80er einen deutlichen Rückgang der Frauenvertretungen aus dem Welschland feststellt. [zurück] 5. Vgl. hierzu die Ausführungen von Geser 1987: 104-106, Geser u nd Kurmann (1990) und Ballmer-Cao et Bendix 1994c. [zurück] 6. Im Kanton Zürich betrågt der Frauenanteil nach den kommunalen Wahlen im Frühjahr 1994 in den Gemeindeexekutiven neu rund 20%. [zurück] 7. Im folgenden ist in denjenigen Gemeinden, die den Baubereich in ein ein Hoch- und Tiefbauressort gegliedert haben, immer der Hochbauvorstand gemeint. [zurück] 8. Die tiefe Gesamtzahl der Gemeinden ist darauf zurückzuführen, dass viele kleine Gemeinden, zumindest in der Deutschschweiz, über kein Ressortsystem verfügen. [zurück] 9. Bei den Grosszentren liegt nur das Resultat der Stadt Zürich vor, wo die Kommission durch einen Dreierausschuss des Stadtrates gebildet wird. Über die Stådte Basel und Bern haben wir keine Angaben. [zurück] |
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aktualisiert am 21.10.2011