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Behördenorganisation: Exekutive, Spezialbehörden und ständige Kommissionen Ein Beitrag im Rahmen des Nationalfondsprojektes "Aktuelle
Wandlungstendenzen und Leistungsgrenzen
Inhalt In diesem Beitrag stehen einerseits die (wahrgenommenen) Belastungen und Probleme kommunaler Exekutiven (Gemeinderäte u.ä.) im Zentrum. Andererseits soll die Stellung von Spezialbehörden und ständigen Kommissionen untersucht werden.Inhaltsverzeichnis Methodische Hinweise 1 Entwicklung der Belastung der Exekutivmitglieder 2 Entwicklung von Rekrutierungsproblemen 3 Spezialbehörden und ständige Kommissionen
Methodische Hinweise Die vorliegende Studie basiert auf einer im Jahre 1994 am Soziologischen Institut der Universität Zürich durchgeführten schriftlichen Befragung. Finanziert wurde sie vom Schweizerischen Nationalfonds. Die Untersuchung richtete sich an die Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber sämtlicher 3'017 Schweizer Gemeinden (Stand 1. Jan. 1994). Insgesamt haben 2'079 Gemeinden an der Befragung teilgenommen und die Beteiligung ist mit einem Rücklauf von knapp 70 Prozent ausgesprochen hoch ausgefallen.Das Projekt wurde im Oktober 1993 mit ersten Vorarbeiten gestartet und endete im Laufe des Februars 1996 mit der Abgabe des Schlussberichtes an den Schweizerischen Nationalfonds (Nr. 12-32586.92). Am Projekt mitgearbeitet haben Prof. Hans Geser als Projektleiter, Robert Fluder, François Höpflinger, Andreas Ladner und Urs Meuli. Die für die
vorliegenden Arbeiten verwendeten Daten stammen nicht nur aus der
Befragung von 1994. Als Ergänzung sind noch andere Zahlen in die
Analyse einbezogen worden, so jene des Soziologen Rolf Nef, der
für seine Analysen über kommunales Wahlverhalten Datensätze
demographischer, ökologischer und sozioökonomischer Art für
sämtliche Gemeinden der Schweiz zusammengetragen hat. Dabei
handelt es sich vor allem um Volkszählungsdaten,
Betriebszählungsdaten und Wehrsteuerstatistiken. Ausserdem
konnten wir auch auf Daten eines eigenen Forschungsprojektes
zurückgreifen, die 1988 durch eine erste Befragung der
Gemeindeschreiber und Gemeindeschreiberinnen sämtlicher Gemeinden
der Schweiz erhoben wurden. Diese Befragung erzielte einen
Rücklauf von über 80 Prozent, so dass sie uns für die Analyse
des Wandels der politisch-administrativen und der
kommunalpolitischen Organisation der Gemeinden im allgemeinen und
des kommunalen Parteiwesens im besonderen sehr aussagekräftige
Resultate lieferte.
1 Entwicklung der Belastung der Exekutivmitglieder Was die Entwicklung der zeitlichen Belastung von Behördenmitglieder während den letzten 10 Jahren betrifft, sind die Ansichten der Gemeindevertreter sehr eindeutig: In der überwiegenden Mehrheit wird eine Zunahme der Belastung wahrgenommen. Nur wenige Gemeindevertreter (6%) erachten die Belastung als gleichbleibend, und kaum jemand perzipiert eine Abnahme der zeitlichen Belastung. Selbst Vertreter kleiner Gemeinden sind weitgehend der Meinung, dass die Belastung der (nebenamtlichen) Behördenmitglieder zugenommen hat. Die Grösse der Gemeinde wirkt sich höchstens insofern aus, als bei grösseren Gemeinden häufiger eine starke Zunahme der zeitlichen Beanspruchung er fahren wird.
Die
verstärkte Belastung kommunaler Exekutivmitglieder wird konkret
auch darin deutlich, dass sich in vielen Gemeinden auch Zahl,
Länge und Intensität von Sitzungen in den letzten 10 Jahren
wahrnehmbar erhöht haben:
Zum ersten
hat sich die Zahl von Sitzungen in über 60% aller Gemeinden
erhöht. Dies ist vor allem bei kleineren Gemeinden - mit
nebenamtlichen Behördenmitgliedern - der Fall. In grösseren
Gemeinden und vor allem in Städten blieb die Zahl der Sitzungen
hingegen häufiger konstant. Dies hängt primär damit zusammen,
dass in grösseren Gemeinden - in denen Exekutivmitglieder oft
halb- oder vollamtlich tätig sind - die zunehmende
Arbeitsbelastung häufiger durch eine Stärkung des Ressortsystems
bewältigt wird. Sachgemäss
sind Veränderungen in Dauer, Länge und Intensität der Sitzungen
mit der wahrgenommenen Entwicklung der zeitlichen Belastung eng
verknüpft. So wird vor allem in jenen Gemeinden eine verstärkte
(zeitliche) Belastung der Exekutive wahrgenommen, in denen sich
Dauer, Zahl und Diskussionshäufigkeit von Sitzungen merkbar
erhöht haben. Die genauere Analyse lässt allerdings erkennen,
dass eine verstärkte zeitliche Belastung der Gemeindeexekutive -
abgesehen von der Einwohnerzahl - am deutlichsten von der Zunahme
der Diskussionen bestimmt wird. In anderen Worten, es ist nicht
primär die Zunahme der Sachgeschäfte, sondern eine verstärkte
Politisierung der Gemeindepolitik, die hauptsächlich zur
Wahrnehmung steigender Belastung der Gemeindeexekutive führt.
Daneben ist auch die zunehmende Zahl von Sitzungen von Bedeutung,
während eine längere Sitzungsdauer für die Gesamtbeurteilung
der Belastung nicht relevant erscheint. Eine besonders hohe
zeitliche Belastung ergibt sich auch, wenn mehr Sitzungen und mehr
Diskussionen zusammenfallen (und der entsprechende interaktive
Zusammenhang ist signifikant).
2 Entwicklung von Rekrutierungsproblemen Angesichts zunehmender zeitlicher und oft auch politischer Beanspruchung durch ein kommunales Amt stellt sich die Frage, inwiefern die Rekrutierung von Kandidaten erschwert ist, namentlich in kleinen Gemeinden, die voll auf dem Milizprinzip basieren. Die Bereitschaft von Bürger/innen, sich für ein politisches Amt zur Verfügung zu stellen, ist einerseits von der allgemeinen politischen Partizipation abhängig, und die Bereitschaft, sich für die Gemeinde zu engagieren, ist eher zurückgegangen. Andererseits ist zu erwarten, dass die Bereitschaft, ein kommunales Amt zu übernehmen, auch mit der wahr genommenen Belastungen durch ein solches Nebenamt verhängt ist, und die obige Analyse liess vor allem für Exekutivämter für die meisten Gemeinden eine verstärkte Belastung erkennen.Beide Faktoren zusammen (eher abnehmende politische Partizipation, zunehmende Belastung) lassen erwarten, dass die Rekrutierung qualifizierter Kandidat/innen für die Exekutive, aber auch für Ämter in Spezialkommissionen in vielen Gemeinden schwieriger geworden ist. Diese Vermutung wird durch die Antworten klar bestätigt: Nach Aussagen von 66% aller Gemeindeschreiber ist es in den letzten 10 Jahren schwieriger geworden, für vakante Ämter der Gemeindeexekutive genügend qualifizierte Kandidat/innen zu finden. Nur 4% der Gemeindeschreiber geben an, dass es heute leichter sei, während 31% diesbezüglich keine Veränderung sehen.
Der Ansicht, die Rekrutierung der Gemeindeexekutive sei in den letzten 10 Jahren schwieriger geworden, sind insbesondere Vertreter aus Gemeinden zwischen 500 bis 5'000 Einwohner. Dieses Ergebnis erstaunt nicht, sind doch gerade in mittelgrossen Gemeinden die Anforderungen an ein solches Amt ausgesprochen hoch. Einerseits sind die inhaltlichen Aufgaben komplexer als in kleinen Gemeinden, andererseits steht den Gemeinderäten oft keine ausgebaute Verwaltung zur Verfügung (und die finanzielle Entschädigung ist oft geringer als etwa in grösseren Gemeinden oder Städten). In den kleinen Gemeinden lässt sich ein Gemeindeamt noch eher in der Freizeit ausüben und das Pflichtgefühl, etwas für seine Gemeinde zu tun, dürfte ausgeprägter sein. In den grossen Gemeinden und Städten sorgen teil- und vollzeitliche Anstellungsverhältnisse, Macht und Prestige für zusätzliche Anreize. Häufige Rekrutierungsprobleme lassen sich auch bei den Spezialkommissionen fest stellen, auch wenn die Situation hier etwas besser erscheint. In 47% der Gemeinden ist die entsprechende Kandidatensuche schwieriger geworden, in 49% etwa gleich geblieben und lediglich in 4% hat sich die Lage verbessert. Auch für die Neubestellung der Kommissionen bestätigen sich in groben Zügen die bei der Exekutive beschriebenen Unterschiede je nach Gemeindegrösse. Da die Kommissionsarbeit einerseits weniger aufwendig ist, andererseits aber auch weniger prestigeträchtig ist, beeinflusst hier das mit der Gemeindegrösse verknüpfte Rekrutierungspotential noch stärker das Angebot an Kandidat/innen. Insgesamt kämpfen recht viele kleine bis grosse Gemeinden mit Nachwuchsproblemen, und die Rekrutierungsprobleme haben sich in vielen Gemeinden in den letzten 10 Jahren sichtbar verschärft. So schreckt die erhöhte Belastung und Beanspruchung kommunaler Ämter viele Bürger/innen ab, umso mehr, als sich bei erhöhten Anforderungen sachgemäss der Kreis qualifizierter Kandidat/innen reduziert. So hat sich in 75% der Gemeinden, in denen die zeitliche Belastung der Gemeindeexekutive stark zugenommen hat, auch die Rekrutierung von qualifizierten Kandidaten für dieses Amt erschwert. In Gemeinden mit leichter Zunahme der Belastung sind es 61%. In (den wenigen) Gemeinden ohne Zunahme der Belastung sind es allerdings immer noch 52% (was darauf verweist, dass die Rekrutierungsprobleme vielfach zwar durch die verstärkte Belastung verschärft werden, jedoch meist auch noch andere Ursachen haben. So lässt sich die These vertreten, dass geringes politisches Interesse und politische Apathie die Besetzung kommunaler Ämter erschwert. Als weitere These lässt sich postulieren, dass geringe lokale Verwurzelung aufgrund eines hohen Anteils an Neuzuzüger oder Berufspendler denselben Effekt ausübt.
Die erste
These wird insofern bestätigt, als primär jene Gemeinden
Rekrutierungsprobleme kennen, in denen die aktive Beteiligung an
der Gemeindeversammlung rückläufig war. Dies gilt namentlich
für die Rekrutierung qualifizierter Kandidat/innen für die
Gemeindeexekutive. Diese Beziehung schwächt sich etwas ab, wenn
die Einwohnerzahl kontrolliert wird (da primär kleine Gemeinden
eine hohe politische Partizipation aufweisen), sie bleibt jedoch
signifikant. Allerdings ist ebenfalls festzuhalten, dass sich
selbst bei erhöhter politischer Partizipation die
Rekrutierungsprobleme in vielen Gemeinden verschärft haben. 3 Spezialbehörden und ständige Kommissionen Durch die Schaffung von Kommissionen und Spezialbehörden - die funktional differenzierte Aufgaben unter Umständen sogar in eigner Entscheidungskompetenzen ausüben - lassen sich die Vorteile funktionaler Spezialisierung instrumentalisieren. Dies ist vor allem bei jenen Funktionsbereichen sinnvoll, die klar abgrenzbare Aufgabenbereiche umfassen. Weitere Vorteile von Spezialkommissionen liegen darin, dass dadurch eine fachlich abgestützte Mitwirkung von Bürger/innen und Experten möglich ist (und sehr viele Kommissionen sind gerade dadurch charakterisiert, dass sie sowohl Behörden-, Parteien- und Fachvertreter einschliessen). Der Nachteil von ständigen Kommissionen und Spezialbehörden liegt allerdings in der Gefahr von Koordinationsproblemen und im möglichen Verlust einheitlicher politischer Kontrolle, namentlich dort, wo sich Aufgabenbereiche stark überschneiden.In jedem Fall sind Kommissionen und Spezialbehörden in den Schweizer Gemeinden weit verbreitet. Teilweise entspricht sie einer langjährigen Tradition der Verankerung von Nebenbehörden für wichtige kommunale Aufgaben (wie Schulpflegen, Fürsorgebehörden, Vormundschaftsbehörden). In diesen Be reichen geniessen diese Nebenbehörden zumindest in einigen Kantonen selbständige Entscheidungskompetenzen. So sind etwa Schulpflegen vielerorts eigenständig für die Wahl neuer Lehrkräfte zuständig, und in diversen Kantonen entscheiden Fürsorgebehörden selbst über die Gewährung von Sozialhilfe. Gemäss Gesetz haben auch Vormundschaftsbehörden weitgehende Kompetenzen (wobei etwa in Bergkantonen die Vormundschaftsbehörden kreis- bzw. bezirksweise organisiert sind). In anderen Fällen haben Spezialkommissionen eher die Funktion einer Kontrollinstanz gegenüber der Gemeindeexekutive, und entsprechend kennen die meisten Gemeinde eine spezielle Rechnungsprüfungskommission). Neue Spezialkommissionen wurden in den letzten zehn Jahren vor allem in jenen Bereichen eingeführt, die aufgrund ihres hohem Bedarf an Experten und ihrer hohen politischen Sensibilität eine Kombination von politischen und fachlichen Interessen erfordern. So entstanden namentlich bei der Orts- und Raumplanung sowie beim Umweltschutz vielerorts neue ständige Kommissionen. In den meisten Fällen haben diese Kommissionen jedoch primär beratenden Charakter. Ortsplanungs- oder Umweltschutzkommissionen mit eigener Entscheidungskompetenzen sind selten. Auffallend ist zudem, wie selten einmal bestehende Kommissionen aufgelöst werden, und in den meisten Gemeinden nahm die Proliferation von Kommissionen noch weiter zu. Teilweise ergibt sich damit eine Aufsplitterung der Behördenorganisation, die ihrerseits die Leistungsfähigkeit eher reduziert als erhöht.
Sachgemäss
ist die Zahl von ständigen Kommissionen und Spezialbehörden eng
mit der Gemeindegrösse assoziiert. Allerdings haben schon die
kleinsten Gemeinden zwischen 3-4 Kommissionen und Spezialbehörden
(vielfach aufgrund kantonaler und eidgenössischer Vorgaben. Mit
zunehmender Gemeindegrösse nimmt die absolute Zahl sachgemäss
deutlich zu. Die Zunahme ist allerdings - wie die durchschnittl.
Zahl der Kommissionen pro 100 Einwohner aufzeigt - disproportional
zur Entwicklung der Gemeindegrösse. Die Ausdifferenzierung von (funktionsspezifischen)
Gremien verläuft somit nicht parallel zur Ausdifferenzierung der
kommunalen Verwaltung. Dies ist ein wichtiger Indikator dafür,
dass (fachspezifische) Kommissionen vielfach substitutiv (und
nicht additiv) zum Ausbau professioneller Verwaltung fungieren.
Ständige Kommissionen können gerade für kleinere und
mittelgrosse Gemeinden eine Strategie darstellen, die
Berufsverwaltung relativ klein zu halten, ohne auf fachspezfische
Spezialisierung zu verzichten. Gleichzeitig erleichtert ein
solches System die Beibehaltung des Milizsystems.
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aktualisiert am 21.10.2011