Georg Simmel:
Philosophie
des Geldes
Duncker & Humblot
Verlag, Berlin 1900 (1. Auflage) 1. Kapitel:
Wert und Geld - Teil II (S. 30-61)
Der Tausch als Veranlassung für
die Enthebung des Gegenstandes aus seiner bloss subjektiven Wertbedeutung:
in ihm drücken die Dinge ihren Wert durch einander aus
Der Wert des Gegenstandes dadurch
objektiviert, dass für ihn ein anderer hingegeben wird
Der Tausch als Lebensform und
als Bedingung des wirtschaftlichen Wertes, als primäre wirtschaftliche
Tatsache. Reduktion der Brauchbarkeits- und Seltenheitstheorie
Der sozial fixierte Preis als
Vorstufe des sachlich regulierten
Die technische Form für den wirtschaftlichen Verkehr schafft ein
Reich von Werten, das mehr oder weniger vollständig von seinem subjektiv-personalen
Unterbau gelöst ist.
So sehr der Einzelne kauft, weil er den Gegenstand schätzt
und zu konsumieren wünscht, so drückt er dieses Begehren wirksam
doch nur mit und an einem Gegenstande aus, den er für jenen in den
Tausch gibt; damit wächst der subjektive Vorgang, in dessen Differenzierung
und aufwachsender Spannung zwischen Funktion und Inhalt dieser zu einem
»Wert« wird, zu einem sachlichen, überpersönlichen
Verhältnis zwischen Gegenständen aus.
Die Personen, die durch ihre Wünsche und Schätzungen zu dem
Vollzuge bald dieses, bald jenes Tausches angeregt werden, realisieren
damit für ihr Bewusstsein nur Wertverhältnisse, deren Inhalt
schon in den Dingen selbst liegt: das Quantum des einen Objekts entspricht
an Wert dem bestimmten Quantum des anderen Objekts , und diese Proportion
steht als etwas objektiv Angemessenes und gleichsam Gesetzliches jenen
persönlichen Motiven - von denen sie ausgeht, und in denen sie endet
- ebenso gegenüber, wie wir es entsprechend an den objektiven Werten
sittlicher und anderer Gebiete wahrnehmen.
So würde sich wenigstens die Erscheinung einer vollkommen ausgebildeten
Wirtschaft darbieten.
In dieser zirkulieren die Gegenstände nach Normen und Maßen,
die in jedem gegebenen Augenblick festgestellt sind, und mit denen sie
dem Einzelnen als ein objektives Reich gegenüberstehen; er kann an
diesem teilhaben oder nicht teilhaben, wenn er es aber will, so kann er
es nur als Träger oder Ausführender dieser ihm jenseitigen Bestimmtheiten.
Die Wirtschaft strebt einer - nirgends völlig unwirklichen und
nirgends völlig verwirklichten - Ausbildungsstufe zu, in der sich
die Dinge ihre Wertmaße wie durch einen selbsttätigen Mechanismus
gegenseitig bestimmen - unbeschadet der Frage, wie viel subjektives Fühlen
dieser Mechanismus als seine Vorbedingung oder als sein Material in sich
aufgenommen hat.
Aber eben dadurch, dass für den Gegenstand ein anderer hingegeben
wird, gewinnt sein Wert all die Sichtbarkeit und Greifbarkeit, der er überhaupt
zugängig ist.
Die (> 31) Gegenseitigkeit des Sichaufwiegens, vermöge deren jedes
Objekt des Wirtschaftens seinen Wert in einem anderen Gegenstände
ausdrückt, hebt beide aus ihrer bloßen Gefühlsbedeutung
heraus: die Relativität der Wertbestimmung bedeutet ihre Objektivierung.
Die Grundbeziehung zum Menschen, in dessen Gefühlsleben sich freilich
alle Wertungsprozesse abspielen, ist hierbei vorausgesetzt, sie ist in
die Dinge sozusagen hineingewachsen, und mit ihr ausgerüstet treten
sie in jene gegenseitige Abwägung ein, die nicht die Folge ihres wirtschaftlichen
Wertes, sondern schon dessen Träger oder Inhalt ist.
Die Tatsache des wirtschaftlichen Tausches also löst die Dinge
von dem Eingeschmolzensein in die bloße Subjektivität der Subjekte
und lässt sie, indem sie ihre wirtschaftliche Funktion in ihnen
selbst investiert, sich gegenseitig bestimmen.
Den praktisch wirksamen Wert verleiht dem Gegenstand nicht sein Begehrtwerden
allein, sondern das Begehrtwerden eines anderen. Ihn charakterisiert nicht
die Beziehung auf das empfindende Subjekt, sondern dass es zu dieser
Beziehung erst um den Preis eines Opfers gelangt, während von der
anderen Seite gesehen dieses Opfer als zu genießender Wert, jener
selbst aber als Opfer erscheint.
Dadurch bekommen die Objekte eine Gegenseitigkeit des Sichaufwiegens,
die den Wert in ganz besonderer Weise als eine ihnen selbst objektiv innewohnende
Eigenschaft erscheinen lässt.
Indem um den Gegenstand gehandelt wird das bedeutet doch, dass das Opfer, das er darstellt, fixiert wird erscheint seine Bedeutung für
beide Kontrahenten vielmehr wie etwas außerhalb dieser letzteren
selbst Stehendes, als wenn der Einzelne ihn nur in seiner Beziehung zu
sich selbst empfände; und wir werden nachher sehen, wie auch die isolierte
Wirtschaft, indem sie den Wirtschaftenden den Anforderungen der Natur gegenüberstellt,
ihm die gleiche Notwendigkeit des Opfers für den Gewinn des Objektes
auferlegt, so dass auch hier das gleiche Verhältnis, das nur
den einen Träger gewechselt hat, den Gegenstand mit derselben selbständigen,
von seinen eigenen objektiven Bedingungen abhängigen Bedeutung ausstatten
kann.
Die Begehrung und das Gefühl des Subjektes steht freilich als die
treibende Kraft hinter alledem, aber aus ihr an und für sich könnte
diese Wertform nicht hervorgehen, die vielmehr nur dem Sichaufwiegen der
Objekte untereinander zukommt.
Die Wirtschaft leitet den Strom der Wertungen durch die Form des Tausches
hindurch, gleichsam ein Zwischenreich schaffend zwischen den Begehrungen,
aus denen alle Bewegung der Menschenwelt quillt, und der Befriedigung des
Genusses, in der sie mündet.
Das Spezifische der Wirtschaft als einer besonderen Verkehrs- und Verhaltungsform
besteht - wenn man einen paradoxen Ausdruck nicht scheut – nicht (> 32)
sowohl darin, dass sie Werte austauscht, als dass sie Werte austauscht.
Freilich liegt die Bedeutung, die die Dinge in und mit dem Tausch gewinnen,
nie ganz isoliert neben ihrer subjektiv-unmittelbaren, über die Beziehung
ursprünglich entscheidenden; vielmehr gehört beides zusammen,
wie Form und Inhalt zusammengehören.
Allein der objektive und oft genug auch das Bewusstsein des Einzelnen
beherrschende Vorgang abstrahiert sozusagen davon, dass es Werte sind,
die sein Material bilden, und gewinnt sein eigenstes Wesen an der Gleichheit
derselben - ungefähr, wie die Geometrie ihre Aufgaben nur an den Größenverhältnissen
der Dinge findet, ohne die Substanzen einzubeziehen, an denen allein doch
jene Verhältnisse real bestehen.
Dass so nicht nur die Betrachtung der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft
selbst sozusagen in einer realen Abstraktion aus der umfassenden Wirklichkeit
der Wertungsvorgänge besteht, ist nicht so verwunderlich, wie es zuerst
scheint, sobald man sich klarmacht, wie ausgedehnt das menschliche Tun
innerhalb jeder seelischen Provinz mit Abstraktionen rechnet.
Die Kräfte, Beziehungen, Qualitäten der Dinge - zu denen insoweit
auch unser eigenes Wesen gehört - bilden objektiv ein einheitliches
Ineinander, das erst von unseren hinzutretenden Interessen und um von uns
bearbeitet zu werden, in eine Vielheit selbständiger Reihen oder Motive
gespalten wird.
So untersucht jede Wissenschaft Erscheinungen, die erst unter dem von
ihr gestellten Gesichtspunkte eine in sich geschlossene Einheitlichkeit
und reinliche Abgrenzung gegen die Probleme anderer Wissenschaften haben,
während die Wirklichkeit sich um diese Grenzlinien nicht kümmert,
sondern jeder Abschnitt der Welt ein Konglomerat von Aufgaben für
die mannigfaltigsten Wissenschaften darstellt.
Ebenso schneidet unsere Praxis aus der äußeren oder inneren
Komplexität der Dinge einseitige Reihen heraus und schafft erst so
die großen Interessensysteme der Kultur. Dasselbe tritt an Betätigungen des Gefühls hervor.
Wo wir religiös oder sozial empfinden, wo wir melancholisch oder
weltfreudig gestimmt sind, da sind es immer Abstraktionen aus dem Wirklichkeitsganzen,
die uns als Gegenstände unseres Gefühls erfüllen - sei es, dass unsere Reaktionsfähigkeit aus den dargebotenen Eindrücken
nur diejenigen ergreift, die unter diesen oder jenen gemeinsamen Interessenbegriff
gehören; sei es, dass sie von sich aus jeden Gegenstand mit einer
Färbung versieht, deren in dem Gegenstand selbst gelegene Berechtigung
sich in dessen Ganzheit mit den Begründungen anderer Färbungen
zu einer objektiv ungeschiedenen Einheit verwebt.
So ist auch dies eine der Formeln, in die man das Verhältnis des
Menschen zur Welt fassen kann: dass aus der absoluten Einheit und
(> 33) dem Ineinanderverwachsensein der Dinge, in dem jedes das andere
trägt und alle zu gleichen Rechten bestehen, unsere Praxis nicht weniger
als unsere Theorie unablässig einzelne Elemente abstrahiert, um sie
zu relativen Einheiten und Ganzheiten zusammenzuschließen.
Wir haben, außer in ganz allgemeinen Gefühlen, keine Beziehung
zu der Totalität des Seins: erst indem wir von den Bedürfnissen
unseres Denkens und Handelns aus fortwährende Abstraktionen aus den
Erscheinungen ziehen und diese mit der relativen Selbständigkeit eines
bloß inneren Zusammenhanges ausstatten, die die Kontinuität
der Weltbewegungen dem objektiven Sein jener verweigert, gewinnen wir ein
in seinen Einzelheiten bestimmtes Verhältnis zur Welt.
So ist das wirtschaftliche System allerdings auf eine Abstraktion gegründet,
auf das Gegenseitigkeitsverhältnis des Tausches, die Balance zwischen
Opfer und Gewinn, während es in dem wirklichen Prozess, in dem
es sich vollzieht, mit seinem Fundamente und seinem Ergebnis: den Begehrungen
und den Genüssen, untrennbar verschmolzen ist.
Aber diese Existenzform unterscheidet es nicht von den sonstigen Gebieten,
in die wir die Gesamtheit der Erscheinungen zu den Zwecken unserer Interessen
zerlegen. Das Entscheidende für die Objektivität des wirtschaftlichen
Wertes, die das Wirtschaftsgebiet als selbständiges abgrenzt, ist
das prinzipielle Hinausgehen seiner Gültigkeit über das Einzelsubjekt.
Dadurch, dass für den Gegenstand ein anderer gegeben werden muss, zeigt sich,
dass derselbe nicht nur für mich, sondern
auch an sich, d. h. auch für einen anderen etwas wert ist.
An der wirtschaftlichen Form der Werte findet die Gleichung: Objektivität
= Gültigkeit für Subjekte überhaupt - eine ihrer deutlichsten
Rechtfertigungen. Durch die Äquivalenz, die überhaupt erst gelegentlich des
Tausches ein Bewusstsein und Interesse erwirbt, wächst dem Wert
der spezifische Charakterzug der Objektivität zu.
Denn nun mag jedes der Elemente nur personaler Art oder nur subjektiv
wertvoll sein - dass sie einander gleich sind, ist ein objektives,
in keinem dieser Elemente für sich und doch nicht außerhalb
beider liegendes Moment.
Der Tausch setzt eine objektive Messung subjektiver Wertschätzungen
voraus, aber nicht im Sinne zeitlichen Vorangehens, sondern so, dass beides in einem Akte besteht.
Man muss sich hier klarmachen, dass die Mehrzahl der Beziehungen
von Menschen untereinander als Tausch gelten kann; er ist die zugleich
reinste und gesteigertste Wechselwirkung, die ihrerseits das menschliche
Leben ausmacht, sobald es einen Stoff und Inhalt gewinnen will.
Zunächst wird schon oft übersehen, wie vieles, das auf den
ersten Blick eine bloß einseitig ausgeübte Wirkung ist, (> 34)
tatsächlich Wechselwirkung einschließt: der Redner scheint der
Versammlung, der Lehrer der Klasse, der Journalist seinem Publikum gegenüber
der allein Führende und Beeinflussende zu sein; tatsächlich empfindet
jeder in solcher Situation die bestimmende und lenkende Rückwirkung
der scheinbar bloß passiven Masse; für politische Parteien gilt
allenthalben das Wort: »ich bin ihr Führer, also muss ich
ihnen folgen«; ja, ein hervorragender Hypnotiseur hat neulich betont, dass
bei der hypnotischen Suggestion - offenbar doch dem entschiedensten
Falle reiner Aktivität von der einen, unbedingter Beeinflusstheit von der anderen Seite - eine schwer beschreibliche Wirkung des Hypnotisierten
auf den Hypnotiseur stattfände, ohne die der Effekt nicht erreicht
würde. jede Wechselwirkung aber ist als ein Tausch zu betrachten:
jede Unterhaltung, jede Liebe (auch wo sie mit andersartigen Gefühlen
erwidert wird), jedes Spiel, jedes Sichanblicken.
Und wenn der Unterschied zu bestehen scheint, dass man in der Wechselwirkung
gibt, was man selbst nicht hat, im Tausch aber nur, was man hat - so hält
dies doch nicht stand.
Denn einmal, was man in der Wechselwirkung ausübt, kann immer nur
die eigene Energie, die Hingabe eigener Substanz sein; und umgekehrt, der
Tausch geschieht nicht um den Gegenstand, den der andere vorher hatte,
sondern um den eigenen Gefühlsreflex, den der andere vorher nicht
hatte; denn der Sinn des Tausches: dass die Wertsumme des Nachher
größer sei als die des Vorher - bedeutet doch, dass jeder
dem anderen mehr gibt, als er selbst besessen hat.
Freilich ist Wechselwirkung der weitere, Tausch der engere Begriff;
allein in menschlichen Verhältnissen tritt die erstere ganz überwiegend
in Formen auf, die sie als Tausch anzusehen gestatten. Unser natürliches Schicksal, das jeden Tag aus einer Kontinuität
von Gewinn und Verlust, Zufließen und Abströmen der Lebensinhalte
zusammensetzt, wird im Tausch vergeistigt, indem nun das eine für
das andere mit Bewusstsein gesetzt wird.
Derselbe geistig-synthetische Prozess, der überhaupt aus dem
Nebeneinander der Dinge ein Mit- und Füreinander schafft; dasselbe
Ich, das, die sinnlichen Gegebenheiten innerlich durchströmend, ihnen
die Form seiner eigenen Einheit einbaut - hat mit dem Tausch jenen naturgegebenen
Rhythmus unserer Existenz ergriffen und seine Elemente zu einer sinnvollen
Verbundenheit organisiert.
Und zwar wird gerade dem Tausch wirtschaftlicher Werte die Färbung
des Opfers am wenigsten erspart bleiben.
Wo wir Liebe um Liebe tauschen, wüssten wir mit der darin
offenbarten inneren Energie sonst nichts anzufangen; indem wir sie hingeben,
opfern wir - von äußeren Betätigungsfolgen abgesehen -
keinerlei Nutzen auf; wenn wir in der Wechselrede geistige Inhalte mitteilen
(> 35) so nehmen diese darum nicht ab; wenn wir unserer Umgebung das Bild
unserer Persönlichkeit darbieten, indem wir das der anderen in uns
aufnehmen, so vermindert dieser Austausch unseren Besitz unser selbst in
keiner Weise.
Bei all diesen Tauschen geschieht die Wertvermehrung nicht durch Aufrechnung
von Gewinn und Verlust, sondern der Beitrag jeder Partei steht entweder
ganz jenseits dieses Gegensatzes, oder es ist an sich schon ein Gewinn,
ihn nur hingeben zu dürfen, so dass wir die Erwiderung als ein,
trotz unserer eigenen Gabe, unverdientes Geschenk empfinden; wogegen der
wirtschaftliche Tausch - mag er Substanzen oder Arbeit oder in Substanzen
investierte Arbeitskraft betreffen - immer das Opfer eines auch anderweitig
nutzbaren Gutes bedeutet, so sehr auch im Endresultat die eudämonistische
Mehrung überwiege.
Dass alle Wirtschaft Wechselwirkung, und zwar in dem spezifischen
Sinne des aufopfernden Tausches ist, hat einem Einwand zu begegnen, den
man gegen die Gleichsetzung des wirtschaftlichen Wertes überhaupt
mit dem Tauschwert erhoben hat.
Auch der ganz isolierte Wirt, so hat man gesagt - der also weder kaufe
noch verkaufe -müsse doch seine Produkte und Produktionsmittel abschätzen,
also einen von allem Tausche unabhängigen Wertbegriff bilden, wenn
seine Aufwendungen und seine Ergebnisse im richtigen Verhältnis zueinander
stehen sollen. Allein diese Tatsache beweist gerade, was sie widerlegen soll.
Denn alle Abwägung, ob ein bestimmtes Produkt einen bestimmten
Aufwand an Arbeit oder sonstigen Gütern rechtfertigt, ist für
das wirtschaftende Subjekt genau dieselbe, wie die beim Tausche vor sich
gehende Wertung dessen, was man hingibt, gegen das, was man erhält.
Es wird nämlich gegenüber dem Begriffe des Tausches oft jene
Denkunklarheit begangen, infolge deren man von einer Beziehung, einem Verhältnis
so spricht, als wäre es etwas außerhalb der Elemente, zwischen
denen es spielt.
Es bedeutet doch nur einen Zustand oder eine Veränderung innerhalb
jedes derselben, aber nichts, was zwischen denselben, im Sinne der räumlichen
Besonderung eines zwischen zwei anderen befindlichen Objekts, existierte.
Indem man die beiden Akte oder Zustandsänderungen, die in Wirklichkeit
vor sich gehen, in den Begriff »Tausch« zusammenfasst,
liegt die Vorstellung verlockend nahe, als wäre mit dem Tausch etwas
neben oder über demjenigen geschehen, was in dem einen und in dem
anderen Kontrahenten geschieht - wie wenn die begriffliche Substantialisierung
im Begriff des »Kusses«, den man ja auch »tauscht«,
verführen wollte, den Kuss für etwas zu halten, was irgendwo
außerhalb der beiden Lippenpaare, außerhalb ihrer Bewegungen
und Empfindungen läge. Auf seinen unmittel(> 36)baren Inhalt angesehen,
ist der Tausch nur die kausal verknüpfte Zweimaligkeit der Tatsache, dass ein Subjekt jetzt etwas hat, was es vorher nicht hatte, und dafür
etwas nicht hat, was es vorher hatte.
Dann aber verhält sich jener isolierte Wirt, der gewisse Opfer
zur Erzielung gewisser Früchte bringen muss, genau so, wie der
Tauschende -. nur dass sein Kontrahent nicht ein zweites wollendes
Subjekt ist, sondern die natürliche Ordnung und Gesetzmäßigkeit
der Dinge, die unsere Begehrungen- so wenig ohne ein Opfer unsrerseits
zu erfüllen pflegt, wie ein anderer Mensch es tut.
Seine Wertberechnungen, nach denen er seine Handlungen bestimmt, sind
generell genau dieselben, wie beim Tausch.
Für das wirtschaftende Subjekt als solches ist es sicherlich vollkommen
gleichgültig, ob es in seinem Besitz befindliche Substanzen oder Arbeitskräfte
in den Boden versenkt oder einem anderen Menschen hingibt, wenn nur das
Resultat der Hingabe für ihn das gleiche ist.
Dieser subjektive Prozess von Opfer und Gewinn in der Einzelseele
ist keineswegs nur etwas Sekundäres oder Nachgebildetes gegenüber
dem interindividuellen Tausch, sondern umgekehrt: der Austausch zwischen
Hingabe und Errungenschaft innerhalb des Individuums ist die grundlegende
Voraussetzung und gleichsam die wesentliche Substanz jedes zweiseitigen
Tausches.
Dieser ist eine bloße Unterart jenes, nämlich diejenige,
bei der die Hingabe durch die Forderung eines anderen Individuums veranlasst ist, während sie, mit dem gleichen Erfolg für das Subjekt, von
Dingen und ihrer technisch-natürlichen Beschaffenheit veranlasst sein kann.
Es ist außerordentlich wichtig, diese Reduktion des Wirtschaftsprozesses
auf dasjenige, was wirklich, d. h. in der Seele jedes Wirtschaftenden,
geschieht, zu vollziehen.
Man darf sich dadurch, dass beim Tausch dieser Vorgang ein wechselseitiger,
durch den gleichen Vorgang in einem anderen bedingter ist, nicht darüber
täuschen lassen, dass die naturale und sozusagen solipsistische
Wirtschaft auf dieselbe Grundform zurückgeht wie der zweiseitige Tausch:
auf den Ausgleichungsprozess zwischen zwei subjektiven Vorgängen
innerhalb des Individuums; dieser wird an und für sich von der sekundären
Frage nicht berührt, ob die Anregung zu ihm von der Natur der Dinge
oder der Natur des Menschen ausgeht, rein naturalwirtschaftlich oder tauschwirtschaftlich
ist.
Alle Wertgefühle also, die durchbeschaffbare Objekte ausgelöst
werden, sind im allgemeinen nur durch den Verzicht auf andere Werte zu
erreichen, wie ein solcher Verzicht nicht nur in jener mittelbaren Arbeit
für uns selbst, die als Arbeit für andere auftritt, sondern oft
genug in der ganz unmittelbaren Arbeit für unsere eigenen Zwecke liegt.
Hiermit wird besonders klar, dass der Tausch genau so produktiv und
wertbildend (> 37) ist, wie die eigentlich so genannte Produktion.
In beiden Fällen handelt es sich darum, Güter um den Preis
anderer, die man hingibt, zu empfangen, und zwar derart, dass der
Endzustand einen Überschuss von Befriedigungsgefühlen gegenüber
dem Zustand vor der Aktion ergibt.
Wir können weder Stoffe noch Kräfte neu schaffen, sondern
nur die gegebenen so umlagern, dass möglichst viele in der Wirklichkeitsreihe
stehende zugleich in die Wertreihe aufsteigen.
Diese formale Verschiebung innerhalb des gegebenen Materials aber vollbringt
der Tausch zwischen Menschen genau so wie der mit der Natur, den wir Produktion
nennen, die also beide unter den gleichen Wertbegriff gehören: bei
beiden handelt es sich darum, die leergewordene Stelle des Hingegebenen
durch ein Objekt größeren Wertes auszufüllen, und erst
in dieser Bewegung löst sich das vorher mit dem bedürfenden und
genießenden Ich verschmolzene Objekt von diesem und wird zu einem
Wert.
Auf den tiefen Zusammenhang zwischen dem Wert und dem Tausch, der nicht
nur diesen durch jenen, sondern auch jenen durch diesen bedingt sein lässt,
weist schon die Gleichheit des Umfanges hin, in dem sie beide das praktische
Leben fundamentieren.
So sehr unser Leben durch den Mechanismus und die Sachlichkeit der Dinge
bestimmt scheint, so können wir in Wirklichkeit keinen Schritt machen
und keinen Gedanken denken, ohne dass unser Fühlen die Dinge
mit Werten ausstattete und ihnen gemäß unser Tun dirigierte.
Dieses Tun selbst aber vollzieht sich nach dem Schema des Tausches:
von der niedrigsten Bedürfnisbefriedigung bis zum Erwerbe der höchsten
intellektuellen und religiösen Güter muss immer ein Wert
eingesetzt werden, um einen Wert zu gewinnen. Was hier Ausgangspunkt und was Folge ist, kann vielleicht nicht bestimmt
werden.
Denn entweder ist in den Fundamentalvorgängen beides nicht zu trennen,
sondern bildet die Einheit des praktischen Lebens, die wir freilich, da
wir sie als solche nicht unmittelbar ergreifen können, in jene Momente
auseinanderlegen; oder zwischen beiden spielt ein unendlicher Prozess,
derart, dass zwar jeder Tausch auf einen Wert, dieser Wert aber seinerseits
auf einen Tausch zurückgeht.
Das Fruchtbarere und eigentlich Aufklärende aber ist, mindestens
für unsere Betrachtung, der Weg vom Tausche zum Werte, da das Umgekehrte
uns bekannter und selbstverständlicher erscheint. - Dass der
Wert sich uns als Ergebnis eines Opferprozesses darbietet, das offenbart
den unendlichen Reichtum, den unser Leben dieser Grundform verdankt.
Das Streben nach möglichster Verkleinerung des Opfers und die schmerzliche
Empfindung seiner lassen uns glauben, dass erst sein vollständiger
Fortfall das Leben auf seine äußerste Werthöhe heben würde. Aber hierbei übersehen wir,
dass (> 38) das Opfer keineswegs
immer eine äußere Barriere ist, sondern die innere Bedingung
des Zieles selbst und des Weges zu ihm.
Die rätselhafte Einheit unseres praktischen Verhältnisses
zu den Dingen zerlegen wir in Opfer und Gewinn, Hemmung und Erreichen,
und indem das Leben in seinen differenzierten Stadien oft beides zeitlich
trennt, vergessen wir, dass, wenn das Ziel sich uns ohne solche zu
überwindende Hinderung verliehe, es gar nicht mehr ebendasselbe Ziel
sein würde.
Der Widerstand, den unsere Kraft zu vernichten hat, gibt ihr doch erst
die Möglichkeit, sich zu bewähren; die Sünde, nach deren
Überwindung die Seele zum Heile aufsteigt, sichert ihr erst jene »Freude
im Himmel«, die dort an den von vornherein Gerechten nicht geknüpft
wird; jede Synthese bedarf des gleichzeitig wirksamen analytischen Prinzips,
das sie doch eben verneint (weil sie ohne dieses nicht die Synthese mehrerer
Elemente, sondern ein absolutes Eins wäre), und ebenso jede Analyse
einer Synthese, in deren Aufhebung sie besteht (denn sie fordert noch immer
ein gewisses Zusammengehören, ohne das sie bloße Beziehungslosigkeit
wäre: auch die bitterste Feindschaft ist, noch mehr Zusammenhang als
die einfache Gleichgültigkeit, die Gleichgültigkeit noch mehr
als das bloße Nicht-von-einander-Wissen).
Kurz, die hemmende Gegenbewegung, deren Beseitigung eben das Opfer bedeutet,
ist oft (vielleicht, auf die elementaren Vorgänge hin angesehen, sogar
immer) die positive Voraussetzung des Zieles selbst.
Das Opfer gehört keineswegs, wie Oberflächlichkeit und Habgier
vorspiegeln möchten, in die Kategorie des Nicht-sein-Sollenden.
Es ist nicht nur die Bedingung einzelner Werte, sondern, innerhalb des
Wirtschaftlichen, das uns hier angeht, die Bedingung des Wertes überhaupt;
nicht nur der Preis, der für einzelne, bereits festgestellte Werte
zu zahlen ist, sondern der, durch den allein es zu Werten kommen kann.
Der Tausch nun vollzieht sich in zwei Formen, die ich hier nur für
den Arbeitswert andeuten will. Insoweit der Wunsch nach Muße oder einem bloßen sich selbst
genügenden Spiel der Kräfte oder der Vermeidung der an sich lästigen
Anstrengung besteht, ist jede Arbeit unbestreitbar eine Aufopferung.
Allein neben diesen Antrieben liegt ein Quantum latenter Arbeitsenergie,
mit dem wir entweder von ihm aus nichts anzufangen wüssten, oder
das sich durch einen Trieb zu freiwilligem, weder durch Not noch durch
ethische Motive hervorgerufenem Arbeiten zeigt.
Um dieses Quantum Arbeitskraft, dessen Hingabe an und für sich
keine Aufopferung ist, konkurrieren eine Mehrzahl von Anforderungen, für
deren Gesamtheit es nicht zureicht. Bei jeder Verwendung der Kraft müssen also eine oder mehrere mögliche
und wünschenswerte Verwendungen derselben aufgeopfert werden.
Könnten wir die Kraft, mit der wir die Arbeit A leisten, nicht
auch nützlich auf die Arbeit B verwenden, so würde jene erstere
uns gar kein Opfer kosten; dasselbe aber gilt auch für B, falls wir
diese etwa statt A vollbrächten.
Was also, unter eudämonistischer Minderung, hingegeben wird, ist
nicht die Arbeit, sondern gerade die Nichtarbeit; wir zahlen für A
nicht das Opfer der Arbeit - denn diese hinzugeben macht uns, wie wir hier
voraussetzen, an sich keinerlei Beschwerde -, sondern den Verzicht auf
B.
Das Opfer also, das wir bei der Arbeit in den Tausch geben, ist einmal
sozusagen ein absolutes, ein anderes Mal ein relatives: das Leiden, das
wir auf uns nehmen, ist einmal ein unmittelbar mit der Arbeit verbundenes
- wo sie uns Mühe und Plage ist -, ein anderes Mal ein indirektes,
wo wir das eine Objekt nur unter Verzicht auf das andere, bei eudämonistischer
Irrelevanz oder sogar positivem Werte der Arbeit selbst, erlangen können.
Damit sind also auch die Fälle der gern geleisteten Arbeit auf
die Form des entsagungsvollen Tausches zurück geführt, durch
den die Wirtschaft allenthalben charakterisiert wird.
Dass an den Gegenständen eine bestimmte Höhe des Wertes
bestände, mit der sie in die Relation der Wirtschaft eintreten, indem
jedes von den je zwei Objekten einer Transaktion für den einen Kontrahenten
den erstrebten Gewinn, für den anderen das dargebrachte Opfer bedeutet
- das gilt wohl für die ausgebildete Wirtschaft, aber nicht für
die Grundprozesse, die sie erst bilden.
Die logische Schwierigkeit: dass zwei Dinge doch erst dann gleichen
Wert haben könnten, wenn zuerst jedes für sich einen Wert habe,
scheint sich freilich durch die Analogie zu erweisen, dass doch auch
zwei Linien nur gleich lang sein könnten, wenn jede von ihnen schon
vor der Vergleichung eine bestimmte Länge besäße.
Allein sie besitzt diese, genau angesehen, wirklich erst in dem Augenblick
der Vergleichung mit einer anderen.
Denn die Bestimmung ihrer Länge - da sie doch nicht »lang«
schlechthin ist - kann sie nicht durch sich selbst erhalten, sondern nur
durch eine andere, an der sie sich misst, und der sie eben damit den
gleichen Dienst leistet, obgleich das Resultat der Messung nicht von diesem
Aktus selbst, sondern von jeder, wie sie unabhängig von der anderen
ist, abhängt.
Erinnern wir uns der Kategorie, unter der uns das objektive Werturteil,
das ich das metaphysische nannte, begreiflich wurde: eine in der Beziehung
zwischen uns und den Dingen sich entwickelnde Aufforderung, ein bestimmtes
Urteil zu vollziehen, dessen Inhalt indessen nicht in den Dingen selbst
liegt.
So verhält sich auch das Längenurteil: von den Dingen her
ergeht an uns gleichsam der Anspruch, dass wir es mit einem bestimmten
Inhalt vollziehen, aber dieser Inhalt ist (> 40) in den Dingen nicht vorgezeichnet,
sondern nur durch einen Aktus innerhalb unser realisierbar.
Dass sich die Länge überhaupt erst in dem Vergleichungsprozess herstellt und also dem Einzelobjekt als solchem, von dem sie abhängt,
vorenthalten ist, verbirgt sich uns nur deshalb leicht, weil wir aus den
einzelnen relativen Längen den allgemeinen Begriff der Länge
abstrahiert haben - bei dem also die Bestimmtheit, ohne die es keine konkrete
Länge geben kann, gerade weggelassen ist - und nun, diesen Begriff
in die Dinge hineinprojizierend, meinen: diese müssten doch zunächst
einmal überhaupt Länge haben, ehe dieselbe durch Vergleichung
singulär bestimmt werden könnte.
Es tritt hinzu, dass aus den unzähligen, längenbildenden
Vergleichungen feste Maßstäbe auskristallisiert sind, durch
Vergleichung mit denen allen einzelnen Raumgebilden ihre Längen bestimmt
werden, so dass diese nun, gleichsam die Verkörperungen jenes
abstrakten Längenbegriffes, der Relativität entrückt scheinen,
weil sich zwar alles an ihnen misst, sie selbst aber nicht mehr gemessen
werden - kein geringerer Irrtum, als wenn man zwar den fallenden Apfel
von der Erde, die Erde aber nicht von dem Apfel angezogen glaubt.
Endlich wird uns eine der einzelnen Linie für sich zukommende Länge
dadurch vorgetäuscht, dass wir an ihren einzelnen Teilen schon
die Mehrheit der Elemente haben, in deren Relation die Menge besteht.
Denken wir uns, dass es in der ganzen Welt nur eine einzige Linie
gäbe, so würde diese überhaupt nicht »lang«
sein, da es ihr an der Korrelation mit einer anderen fehlte, - weshalb
man denn auch anerkanntermaßen von der Welt als einem Ganzen keine
Maßbestimmung aussagen kann, weil sie nichts außer sich hat,
in Relation - womit sie eine Größe haben könnte.
In dieser Lage aber befindet sich tatsächlich jede Linie, solange
sie ohne Vergleich mit anderen bzw. ohne Vergleich ihrer Teile untereinander
betrachtet wird: sie ist weder kurz noch lang, sondern noch jenseits der
ganzen Kategorie. Diese Analogie also, statt die Relativität des wirtschaftlichen
Wertes zu widerlegen, verdeutlicht sie vielmehr.
Wenn wir die Wirtschaft als einen Spezialfall der allgemeinen Lebensform
des Tausches, der Hingabe gegen einen Gewinn ansehen müssen, so werden
wir schon von vornherein auch innerhalb ihrer das Vorkommnis vermuten: dass der Wert des Gewinnes nicht sozusagen fertig mitgebracht wird,
sondern dem begehrten Objekt teilweise oder sogar ganz erst durch das Maß
des dafür erforderlichen Opfers zuwächst.
Diese ebenso häufigen wie für die Wertlehre wichtigen Fälle
scheinen freilich einen inneren Widerspruch zu beherbergen: als ließen
sie uns das Opfer eines Wertes für Dinge bringen, die uns an sich
wertlos sind.
Vernünftigerweise gebe doch niemand einen Wert (>41) dahin, ohne
einen mindestens gleich hohen dafür zu erhalten, und dass umgekehrt
das Ziel seinen Wert erst durch den Preis, den wir dafür geben müssen,
erhalte, könne nur in der verkehrten Welt vorkommen.
Nun ist das für das unmittelbare Bewusstsein schon zutreffend,
ja zutreffender, als jener populäre Standpunkt in anderen Fällen
meint. Tatsächlich kann der Wert, den ein Subjekt für einen anderen
aufgibt, für dieses Subjekt selbst, unter den tatsächlichen Umständen
des Augenblicks, niemals größer sein als der, den es eintauscht.
Aller entgegengesetzte Schein beruht auf der Verwechslung des wirklich
vom Subjekt empfundenen Wertes mit demjenigen, der dem betreffenden Tauschgegenstand
nach der sonstigen durchschnittlichen oder als objektiv erscheinenden Taxierung
zukommt. So gibt jemand in Hungersnot ein Kleinod für ein Stück
Brot fort, weil ihm das letztere unter den gegebenen Umständen mehr
wert ist als das erstere.
Bestimmte Umstände aber gehören immer dazu, um an ein Objekt
ein Wertgefühl zu knüpfen, da jedes solche von dem ganzen vielgliedrigen,
in stetem Fluss, Anpassung und Umbildung begriffenen Komplex unseres
Fühlens getragen wird; ob diese Umstände einmalige oder relativ
beständige sind, ist offenbar prinzipiell gleichgültig.
Durch die Tatsache, dass der Hungernde das Kleinod fortgibt, beweist
er unzweideutig, dass ihm das Brot mehr wert ist.
Das also ist kein Zweifel, dass im Moment des Tausches, der Darbringung
des Opfers, der Wert des eingetauschten Gegenstandes die Grenze bildet,
bis zu der der Wert des weggegebenen höchstens steigen kann.
Ganz unabhängig davon besteht die Frage, woher jenes erstere Objekt
denn seinen so erforderlichen Wert bezieht und ob nicht etwa aus den dafür
zu bringenden Opfern, so dass die Äquivalenz zwischen Gewinn
und Preis gleichsam a posteriori und von dem letzteren aus hergestellt
würde.
Wir werden gleich sehen, wie häufig der Wert auf diese
unlogisch erscheinende Weise psychologisch entspringt. Ist er aber einmal
zustande gekommen, so besteht freilich auch für ihn nicht weniger
als für den auf jede andere Weise konstituierten die psychologische
Notwendigkeit, ihn für ein mindestens ebenso großes positives
Gut zu halten, wie die Aufopferung für ihn ein negatives ist.
Tatsächlich kennt schon die oberflächliche psychologische
Betrachtung eine Reihe von Fällen, in denen das Opfer den Wert des
Zieles nicht nur steigert sondern sogar allein hervorbringt. Es ist zunächst
die Lust der Kraftbewährung, der Überwindung von Schwierigkeiten,
ja oft die des Widerspruchs, die sich in diesem Prozess ausspricht.
Der notwendige Umweg zur Erlangung gewisser Dinge ist oft die Gelegenheit,
oft aber auch die Ursache, sie als Werte zu fühlen. In den Beziehungen
der Menschen (> 42) untereinander, am häufigsten und deutlichsten
in erotischen, bemerken wir, wie Reserviertheit, Gleichgültigkeit
oder Abweisung gerade den leidenschaftlichsten Wunsch, über diese
Hindernisse zu siegen, entflammen und uns zu Bemühungen und Opfern
veranlassen, deren uns das Ziel ohne diese Widerstände sicher oft
nicht würdig erschienen wäre.
Für viele Menschen würde die ästhetische Ausbeute der
großen Alpenbesteigungen nicht weiter beachtenswert sein, wenn sie
nicht den Preis außerordentlicher Mühen und Gefahren forderte
und erst dadurch Betonung, Anziehungskraft und Weihe erhielte.
Der Reiz der Antiquitäten und Kuriositäten ist oft kein anderer;
wenn keinerlei ästhetisches oder historisches Interesse an ihnen haftet,
so wird dieses durch die bloße Schwierigkeit ihrer Erlangung ersetzt:
sie sind so viel wert, wie sie kosten, was dann erst sekundär so erscheint,
dass sie so viel kosten, wie sie wert sind.
Weiter: alles sittliche Verdienst bedeutet, dass um der sittlich
wünschenswerten Tat willen erst entgegengerichtete Triebe und Wünsche
niedergekämpft und geopfert werden mussten. Wenn sie ohne jede Überwindung geschieht, als der selbstverständliche
Erfolg ungehemmter Impulse, so wird ihr, so objektiv erwünscht ihr
Inhalt sei, dennoch nicht in demselben Sinn ein subjektiv sittlicher Wert
zugesprochen.
Nur durch das Opfer vielmehr der niedrigeren und doch so versucherischen
Güter wird die Höhe des sittlichen Verdienstes erreicht, und
eine um so höhere, je lockender die Versuchungen und je tiefer und
umfassender ihr Opfer war.
Sehen wir zu, welche menschlichen Leistungen die höchsten Ehren
und Schätzungen erfahren, so sind es immer die, die ein Maximum von
Vertiefung, Kraftaufwand, beharrlicher Konzentration des ganzen Wesens
verraten oder wenigstens zu verraten scheinen damit also auch von Entsagung,
von Aufopferung alles abseits Liegenden, von Hingabe des Subjektiven an
die objektive Idee.
Und wenn im Gegensatz dazu die ästhetische Produktion und alles
Leichte, Anmutige, aus der Selbstverständlichkeit des Triebes Quellende
einen unvergleichlichen Reiz entfaltet, so verdankt dieser seine Besonderheit
doch auch dem mitschwebenden Gefühle von den Lasten und Opfern, die
sonst die Bedingung des gleichen Gewinnes sind.
Die Beweglichkeit und unerschöpfliche Kombinationsfähigkeit
unserer seelischen Inhalte bewirkt es häufig, dass die Bedeutsamkeit
eines Zusammenhanges auf seine direkte Umkehrung übertragen wird,
ungefähr, wie die Assoziation zwischen zwei Vorstellungen ebenso dadurch
zustande kommt, dass sie einander zugesprochen, wie dass sie
einander abgesprochen werden.
Den ganz spezifischen Wert dessen, was wir ohne überwundene Schwierigkeit
und wie ein Geschenk glücklichen Zufalls gewinnen, empfinden wir doch
nur auf Grund der Bedeutung, (> 43) die gerade das schwer Errungene, an
Opfern Gemessene für uns hat - es ist derselbe Wert, aber mit negativem
Vorzeichen, und dieser ist der primäre, aus dem jener - aber nicht
umgekehrt! - sich ableiten lässt. Dies mögen freilich exaggerierte oder Ausnahmefälle sein.
Um ihren Typus in der ganzen Breite des wirtschaftlichen Wertgebietes
zu finden, scheint es zunächst erforderlich, die Wirtschaftlichkeit,
als eine spezifische Differenz oder Form, von der Tatsache der Werte als
dem Allgemeinen oder der Substanz derselben begrifflich zu trennen. Nehmen
wir den Wert als etwas Gegebenes und jetzt nicht zu Diskutierendes hin,
so ist nach allem Vorangegangenen wenigstens dies nicht zweifelhaft, dass der wirtschaftliche Wert als solcher einem Gegenstand nicht in seinem isolierten
Fürsichsein, sondern nur durch die Aufwendung eines anderen Gegenstandes
zukommt, der für ihn hingegeben wird.
Die wildwachsende Frucht, die ohne Mühe gepflückt und nicht
in Tausch gegeben, sondern unmittelbar genossen wird, ist kein wirtschaftliches
Gut; sie kann als solches höchstens dann gelten, wenn ihre Konsumtion
etwa einen anderweitigen wirtschaftlichen Aufwand erspart; wenn aber sämtliche
Erfordernisse der Lebenshaltung auf diese Weise zu befriedigen wären, dass sich an keinen Punkt ein Opfer knüpfte, so würden die
Menschen eben nicht wirtschaften, so wenig wie die Vögel oder die
Fische oder die Bevölkerung des Schlaraffenlandes.
Auf welchem Wege auch die beiden Objekte A und B zu Werten geworden
seien: zu einem wirtschaftlichen Werte wird A erst dadurch, dass ich
B dafür geben muss, B erst dadurch, dass ich A dafür
erhalten kann - wobei es, wie erwähnt, prinzipiell gleichgültig
ist, ob das Opfer sich durch die Hingabe eines Wertes an einen anderen
Menschen, also durch interindividuellen Tausch - oder innerhalb des Interessenkreises
des Individuums, durch die Aufrechnung von Bemühungen und Resultaten,
vollzieht.
An den Objekten der Wirtschaft ist schlechthin nichts zu finden, außer
der Bedeutung, die jedes direkt oder indirekt für unsere Konsumtion
hat, und dem Austausch, der zwischen ihnen vorgeht.
Da nun anerkanntermaßen die erstere für sich allein noch
nicht ausreicht, den Gegenstand zu einem wirtschaftlichen zu machen, so
kann ganz allein der letztere ihm die spezifische Differenz, die wir wirtschaftlich
nennen, zusetzen. Allein diese Trennung zwischen dem Werte und seiner wirtschaftlichen
Bewegungsform ist eine künstliche.
Wenn zunächst die Wirtschaft eine bloße Form in dem Sinne
zu sein scheint, dass sie schon Werte als ihre Inhalte voraussetzt,
um sie in die Ausgleichungsbewegung zwischen Opfer und Gewinn hineinziehen
zu können, so lässt sich doch in Wirklichkeit derselbe (>
44) Prozess, der die vorausgesetzten Werte zu einer Wirtschaft bildet,
als Erzeuger der wirtschaftlichen Werte selbst folgendermaßen darlegen.
Die Wirtschaftsform des Wertes steht zwischen zwei Grenzen: einerseits
der Begehrung des Objekts, die sich an das antizipierte Befriedigungsgefühl
aus seinem Besitz und Genuss anschließt, andrerseits diesem Genuss selbst, der, genau angesehen, kein wirtschaftlicher Akt ist.
Sobald man nämlich das eben Behandelte zugibt - was wohl allgemein
geschieht -, dass die unmittelbare Konsumtion der wildwachsenden Frucht
kein wirtschaftliches Tun und diese selbst also kein wirtschaftlicher Wert
ist (außer soweit sie eben die Produktion wirtschaftlicher Werte
erspart) - so ist auch die Konsumtion eigentlich wirtschaftlicher Werte
selbst nicht mehr wirtschaftlich: denn der Konsumtionsakt in diesem letzteren
Falle unterscheidet sich absolut nicht von dem im ersteren Falle: ob jemand
die Frucht, die er isst, zufällig gefunden, gestohlen, selbst
gezogen oder gekauft hat, macht in dem Essakt selber und seinen direkten
Folgen für ihn nicht den geringsten Unterschied.
Nun ist, wie wir gesehen haben, der Gegenstand überhaupt noch kein
Wert, solange er noch als unmittelbarer Erreger von Gefühlen in den
subjektiven Vorgang eingeschmolzen ist, gleichsam eine selbstverständliche
Kompetenz unseres Gefühlsvermögens bildet. Er muss von diesem erst getrennt sein, um die eigentliche Bedeutung,
die wir Wert nennen, für uns zu gewinnen.
Denn es ist nicht nur sicher, dass das Begehren an und für
sich überhaupt keinen Wert begründen könnte, wenn es nicht
auf Hindernisse stieße: wenn jedes Begehren seine Befriedigung kampflos
und restlos fände, so würde nicht nur ein wirtschaftlicher Wertverkehr
nie entstanden sein, - sondern das Begehren selbst wäre nie zu einer
erheblichen Höhe gestiegen, wenn es sich ohne weiteres befriedigen
könnte.
Erst der Aufschub der Befriedigung durch das Hindernis, die Besorgnis,
das Objekt könne einem entgehen, die Spannung des Ringens darum, bringt
die Summierung der Begehrungsmomente zustande: die Intensität des
Wollens und die Kontinuität des Erwerbens.
Wenn aber selbst die höchste Kraft des Begehrens rein von innen
her entstanden wäre, so würde man - wie unzählige Mal hervorgehoben
ist - dem Objekt, das es befriedigt, doch keinen Wert zusprechen, wenn
es uns in unbegrenzter Fülle zuflösse. Wichtig wäre für
uns dann freilich das ganze Genus, dessen Dasein uns die Befriedigung unserer
Wünsche verbürgt, nicht aber dasjenige Teilquantum, dessen wir
uns tatsächlich bemächtigen, weil dieses ebenso mühelos
durch ein anderes ersetzt werden könnte; wobei aber auch jene Gesamtheit
ein Wertbewusstsein nur von dem Gedanken ihres möglichen Fehlens
(> 45) aus gewänne.
Unser Bewusstsein würde in diesem Falle einfach von dem Rhythmus
der subjektiven Begehrungen und Befriedigungen erfüllt sein, ohne
an das vermittelnde Objekt eine Aufmerksamkeit zu knüpfen.
Das Bedürfen einerseits, der Genuss andrerseits für sich
allein enthalten weder den Wert noch die Wirtschaft in sich. Beides verwirklicht sich gleichzeitig erst durch den Tausch zwischen
zwei Subjekten, von denen jedes dem anderen einen Verzicht zur Bedingung
des Befriedigungsgefühles macht, bzw. durch dessen Seitenstück
in der solipsistischen Wirtschaft.
Durch den Austausch, also die Wirtschaft, entstehen zugleich die Werte
der Wirtschaft, weil er der Träger oder Produzent der Distanz zwischen
dem Subjekt und dem Objekt ist, die den subjektiven Gefühlszustand
in die objektive Wertung überführt.
Ich führte schon oben Kants Zusammenfassung seiner Erkenntnislehre
an: die Bedingungen der Erfahrung seien zugleich die Bedingungen der Gegenstände
der Erfahrung - womit er meinte, dass der Prozess, den wir Erfahrung
nennen, und die Vorstellungen, die dessen Inhalte oder Gegenstände
bilden, ebendenselben Gesetzen des Verstandes unterliegen.
Die Gegenstände können deshalb in unsere Erfahrung eingehen,
von uns erfahren werden, weil sie Vorstellungen in uns sind, und die gleiche
Kraft, die die Erfahrung bildet und bestimmt, sich in der Bildung jener
äußert.
In demselben Sinne können wir hier sagen: die Möglichkeit
der Wirtschaft ist zugleich die Möglichkeit der Gegenstände der
Wirtschaft.
Eben der Vorgang zwischen zwei Eigentümern von Objekten (Substanzen,
Arbeitskräften, Rechten, Mitteilbarkeiten jeder Art), der sie in die
»Wirtschaft« genannte Beziehung bringt, nämlich die -
wechselseitige Hingabe, hebt zugleich jedes dieser Objekte erst in die
Kategorie des Wertes.
Der Schwierigkeit, die von Seiten der Logik drohte: dass die Werte
doch erst dasein, als Werte dasein müssten, um in die Form und
Bewegung der Wirtschaft einzutreten, ist nun abgeholfen, und zwar durch
die eingesehene Bedeutung jenes psychischen Verhältnisses, das wir
als die Distanz zwischen uns und den Dingen bezeichneten; denn dieses differenziert
den ursprünglichen subjektiven Gefühlszustand in das die Gefühle
erst antizipierende, begehrende Subjekt und das ihm gegenüberstehende,
nun in sich den Wert enthaltende Objekt - während die Distanz ihrerseits
auf dem Gebiete der Wirtschaft durch den Tausch, d. h. durch die zweiseitige
Bewirkung von Schranken, Hemmung, Verzicht hergestellt wird.
Die Werte der Wirtschaft erzeugen sich also in derselben Gegenseitigkeit
und Relativität, in der die Wirtschaftlichkeit der Werte besteht.
Der Tausch ist nicht die Addition zweier Prozesse des Gebens und Empfangens,
sondern ein neues Drittes, das entsteht, indem jeder (> 46) von beiden
Prozessen in absolutem Zugleich Ursache und Wirkung des anderen ist.
Dadurch wird aus dem Wert, den die Notwendigkeit des Verzichtes dem
Objekt verleiht, der wirtschaftliche Wert.
Erwächst der Wert im allgemeinen in dem Intervall, das Hemmnisse,
Verzichte, Opfer zwischen den Willen und seine Befriedigung schieben, so
braucht, wenn der Tauschprozess in jener wechselseitigen Bedingtheit
des Nehmens und des Gebens besteht, kein Wertungsprozess vorangegangen
zu sein, der dieses Objekt allein für dieses Subjekt allein zu einem
Wert machte.
Sondern das hierzu Erforderliche vollzieht sich eo ipso in dem Tauschakt. In der empirischen Wirtschaft pflegen die Dinge natürlich längst
mit dem Wertzeichen versehen zu sein, wenn sie in den Tausch eintreten.
Was hier gemeint ist, ist nur der innere, sozusagen systematische Sinn
des Wert- und Tauschbegriffes, der in den historischen Erscheinungen nur
rudimentär lebt oder als ihre ideelle Bedeutung, nicht die Form, in
der sie als wirkliche leben, sondern die sie in der Projektion auf die
Ebene des sachlich-logischen, nicht des historisch-genetischen Verständnisses
zeigen.
Diese Überführung des wirtschaftlichen Wertbegriffes aus dem
Charakter isolierender Substantialität in den lebendigen Prozess der Relation
lässt sich weiterhin auf Grund derjenigen Momente
erläutern, die man als die Konstituenten des Wertes anzusehen pflegt:
Brauchbarkeit und Seltenheit.
Die Brauchbarkeit erscheint hier als die erste, in der Verfassung der
wirtschaftenden Subjekte begründete Bedingung, unter der allein ein
Objekt für die Wirtschaft überhaupt in Frage stehen kann.
Damit es zu einer konkreten Höhe des einzelnen Wertes komme, muss zu ihr die Seltenheit treten, als eine Bestimmtheit der Objektreihe selbst. Will man die Wirtschaftswerte durch Nachfrage und Angebot fixieren lassen,
so entspräche die Nachfrage der Brauchbarkeit, das Angebot dem Seltenheitsmoment.
Denn die Brauchbarkeit würde entscheiden, ob wir dem Gegenstande
überhaupt nachfragen, die Seltenheit, welchen Preis wir dafür
zu bewilligen gezwungen sind.
Die Brauchbarkeit tritt als der absolute Bestandteil der wirtschaftlichen
Werte auf, als derjenige, dessen Größe bestimmt sein muss,
damit er nun mit dieser in die Bewegung des wirtschaftlichen Austausches
eintrete.
Die Seltenheit muss man zwar von vornherein als ein bloß
relatives Moment zugeben, da sie ausschließlich das - quantitative
- Verhältnis bedeute, in dem das fragliche Objekt zu der vorhandenen
Gesamtheit von seinesgleichen steht, das qualitative Wesen des Objekts
also überhaupt nicht berühre.
Die Brauchbarkeit aber scheint vor aller Wirtschaft, allem Vergleiche,
aller Beziehung zu anderen Objekten zu bestehen und, als (> 47) das substantielle
Moment der Wirtschaft, deren Bewegungen von sich abhängig zu machen.
Der Umstand, dessen Wirksamkeit hiermit umschrieben ist, wir nun vor
allen Dingen durch den Begriff der Brauchbarkeit (oder Nützlichkeit)
nicht richtig bezeichnet. Was man in Wirklichkeit meint ist die Begehrtheit des Objekts.
Alle Brauchbarkeit ist nämlich nicht imstande, zu wirtschaftlichen
Operationen mit den Gegenstande zu veranlassen, wenn sie nicht Begehrtheit
desselben zu Folge hat. Und tatsächlich hat sie das nicht immer.
Irgendein »Wünschen« mag mit jeder Vorstellung uns
nützlicher Dinge mit klingen, das wirkliche Begehren aber, das wirtschaftliche
Bedeutung hat und unsere Praxis einleitet, bleibt auch solchen gegenüber
aus, wenn lange Armut, konstitutionelle Trägheit, Ableitung auf andere
Interessengebiete, Gleichgültigkeit des Gefühls gegen den theoretisch
anerkannten Nutzen, eingesehene Unmöglichkeit des Erlangens und andere
positive und negative Momente dem entgegenwirken.
Andrerseits werden mancherlei Dinge von uns begehrt und also wirtschaftlich
gewertet, die man ohne willkürliche Dehnung des Sprachgebrauchs nicht
als nützlich oder brauchbar bezeichnen kann: will man aber diese zulassend
alles wirtschaftlich Begehrte unter den Begriff der Brauchbarkeit bringen,
so ist es dennoch logisch erforderlich - da andrerseits nicht alles Brauchbare
auch begehrt wird -., als das definitiv entscheidende Moment für die
wirtschaftliche Bewegung die Begehrtheit der Objekte anzusetzen.
Aber dasselbe ist selbst nach dieser Korrektur keineswegs ein absolutes,
der Relativität der Wertung sich entziehendes.
Es kommt nämlich erstens, wie wir früher gesehen haben, das
Begehren selbst nicht zu bewusster Bestimmtheit, wenn sich nicht Hemmnisse,
Schwierigkeiten, Opfer zwischen das Objekt und das Subjekt stellen: wir
begehren erst wirklich, wo der Genuss des Gegenstandes sich an Zwischeninstanzen
misst, wo mindestens der Preis der Geduld, des Aufgebens anderen Strebens
oder Genießens uns den Gegenstand in die Distanz rücken, deren
Überwindenwollen das Begehren seiner ist.
Sein wirtschaftlicher Wert nun, zweitens, der sich auf Grund seiner
Begehrtheit erhebt, kann als Steigerung oder Sublimierung der schon im
Begehren gelegenen Relativität gelten.
Denn zum praktischen, d. h. in die Bewegung der Wirtschaft eingehenden
Werte wird der begehrte Gegenstand nur dadurch, dass seine Begehrtheit
mit der eines anderen verglichen wird und dadurch überhaupt ein Maß
gewinnt.
Erst wenn ein zweites Objekt da ist, von dem ich mir klar bin, dass ich es für das erste oder das erste für jenes hingeben will,
hat jedes von beiden einen angebbaren wirtschaftlichen Wert.
Es gibt für die Praxis so wenig ursprünglich (> 48) einen Einzelwert,
wie es für das Bewusstsein ursprünglich die Eins gibt. Von verschiedenen Seiten ist hervorgehoben worden,
dass die Zwei
älter ist als die Eins.
Die Stücke eines zerbrochenen Stockes fordern ein Wort für
Mehrzahl, der ganze ist »Stock« schlechthin, und ihn als »einen«
Stock zu bezeichnen, liegt erst Veranlassung vor, wenn etwa zwei Stöcke
in irgendeiner Beziehung in Frage kommen.
So führt das bloße Begehren eines Objektes noch nicht dazu, dass dieses einen wirtschaftlichen Wert hat - denn es findet in sich
allein nicht das hierfür erforderliche Maß: erst die Vergleichung
der Begehrungen, d. h. die Tauschbarkeit ihrer Objekte, fixiert jedes derselben
als einen seiner Höhe nach bestimmten, also wirtschaftlichen Wert.
Hätten wir nicht die Kategorie der Gleichheit zur Verfügung
- eine jener fundamentalen, aus den unmittelbaren Einzelheiten das Weltbild
gestaltenden, die sich aber zu psychologischer Wirklichkeit erst allmählich
entwickeln - so würde keine noch so große »Brauchbarkeit«
und »Seltenheit« einen wirtschaftlichen Verkehr erzeugt haben.
Dass zwei Objekte gleich begehrenswert oder wertvoll sind, kann
man mangels eines äußeren Maßstabes doch nur so feststellen, dass
man beide in Wirklichkeit oder in Gedanken gegeneinander auswechselt,
ohne einen Unterschied des - sozusagen abstrakten - Wertgefühles zu
bemerken.
Ja, ursprünglich dürfte diese Austauschbarkeit nicht die Wertgleichheit
als eine irgendwie objektive Bestimmtheit der Dinge selbst angezeigt haben,
sondern die Gleichheit nichts als der Name für die Austauschbarkeit
sein. - Die Intensität des Begehrens braucht an und für sich
noch keine steigernde Wirkung auf den wirtschaftlichen Wert des Objekts
zu haben; denn da dieser nur im Tausch zum Ausdruck kommt, so kann das
Begehren ihn nur insoweit bestimmen, als es den Tausch modifiziert.
Wenn ich auch einen Gegenstand sehr heftig begehre, so ist damit sein
Gegenwert im Tausche noch nicht bestimmt.
Denn entweder habe ich den Gegenstand noch nicht: so wird mein Begehren,
wenn ich es nicht äußere, auf die Forderung des jetzigen Inhabers
keinen Einfluss üben, er wird vielmehr nur nach dem Maße
seines eigenen Interesses an dem Gegenstand oder des durchschnittlichen
fordern; oder, ich selbst habe den Gegenstand - so wird meine Forderung
entweder so hoch werden, dass der Gegenstand überhaupt aus dem
Tauschverkehr ausscheidet, also insoweit kein wirtschaftlicher Wert mehr
ist, oder sie wird sich auf das Maß des Interesses herabstimmen müssen,
das ein Reflektant an dem Gegenstande nimmt.
Das Entscheidende ist also dies: dass der wirtschaftliche, praktisch
wirksame Wert niemals ein Wert überhaupt, sondern seinem Wesen und
Begriff nach eine bestimmte Wertquantität ist; (> 49) dass diese
Quantität überhaupt nur durch die Messung zweier Begehrungsintensitäten
aneinander zustande kommen kann; dass die Form, in der diese Messung
innerhalb der Wirtschaft geschieht, die des Austausches von Opfer und Gewinn
ist; dass mithin der wirtschaftliche Gegenstand nicht, wie es oberflächlich
scheint, an seiner Begehrtheit ein absolutes Wertmoment besitzt, sondern dass diese Begehrtheit ausschließlich als Fundament oder Material
eines -wirklichen oder gedachten - Austausches dem Gegenstand einen Wert
auswirkt.
Die Relativität des Wertes - derzufolge die gegebenen gefühlserregenden,
begehrten Dinge erst in der Gegenseitigkeit des Hingabe- und Tauschprozesses
zu Werten werden - scheint zu der Konsequenz zu drängen, dass der Wert nichts anderes sei als der Preis, und
dass zwischen beiden
keine Höhenunterschiede bestehen können, so dass das häufige
Auseinanderfallen beider die Theorie widerlegen würde.
Diese behauptet allerdings: dass es zunächst zu einem Werte
überhaupt niemals gekommen wäre, wenn sich nicht die allgemeine
Erscheinung, die wir Preis nennen, eingestellt hätte.
Dass eine Sache rein ökonomisch etwas wert ist, bedeutet, dass sie mir etwas wert ist, d. h.
dass ich bereit bin, etwas
für sie hinzugeben. Alle seine praktischen Wirksamkeiten kann ein Wert als solcher nur entfalten,
indem er anderen äquivalent, d. h. indem er tauschbar ist.
Äquivalenz und Tauschbarkeit sind Wechselbegriffe, beide drücken
denselben Sachverhalt in verschiedenen Formen, gleichsam in der Ruhelage
und in der Bewegung, aus.
Was in aller Welt kann uns bewegen, über das naiv subjektive Genießen
der Dinge hinaus ihnen noch die eigentümliche Bedeutsamkeit, die wir
ihren Wert nennen, zuzusprechen? Ihrer Seltenheit an und für sich kann das nicht gelingen.
Denn wenn diese einfach als Tatsache bestünde und nicht in irgendeiner
Weise durch uns modifizierbar wäre - was sie doch nicht nur durch
die produktive Arbeit, sondern auch durch den Besitzwechsel ist -, so würden
wir sie als eine natürliche und wegen der mangelnden Unterschiede
vielleicht gar nicht bewusste Bestimmtheit des äußeren
Kosmos hinnehmen, die den Dingen keine Betonung über ihre inhaltlichen
Qualitäten hinaus verschafft.
Diese quillt erst daraus, dass für die Dinge etwas bezahlt
werden muss: die Geduld des Wartens, die Mühe des Suchens, die
Aufwendung der Arbeitskraft, der Verzicht auf anderweitig Begehrenswürdiges. Ohne Preis also - Preis zunächst in dieser weiteren Bedeutung -
kommt es zu keinem Wert.
In sehr naiver Weise drückt ein Glaube gewisser Südseeinsulaner
dieses Gefühl aus: wenn man den Arzt nicht bezahle, so schlage die
Kur nicht an, die er verordnet hat. Dass von zwei Objekten das eine
wertvoller (> 50) ist als das andere, stellt sich sowohl innerlich wie
äußerlich nur so dar, dass ein Subjekt wohl dieses für
jenes, aber nicht umgekehrt hinzugeben bereit ist.
In der noch nicht vielgliedrig komplizierten Praxis kann der höhere
oder geringere Wert nur Folge oder Ausdruck dieses unmittelbaren praktischen
Willens zum Tausche sein.
Und wenn wir sagen, wir tauschten die Dinge gegeneinander aus, weil
sie gleich wertvoll sind, so ist das nur jene häufige begrifflich-sprachliche
Umkehrung mit der wir so oft jemanden zu lieben glauben, weil er bestimmte
Eigenschaften besäße -während wir ihm diese Eigenschaft
nur geliehen haben, weil wir ihn lieben, oder mit der wir sittliche Imperative
aus religiösen Dogmen herleiten, während wir in Wirklichkeit
an diese glauben, weil jene in uns lebendig sind.
Der Preis fällt seinem begrifflichen Wesen nach mit dem ökonomisch
objektiven Werte zusammen; ohne ihn würde es überhaupt nicht
gelingen, die Grenzlinie, die den letzteren von dem subjektiven Genuss des Gegenstandes scheidet, zu ziehen.
Der Ausdruck nämlich, dass der Tausch Wertgleichheit voraussetze,
ist vom Standpunkt der kontrahierenden Subjekte aus nicht zutreffend.
A und B mögen ihre Besitztümer a und ß untereinander
eintauschen, da die beiden gleich viel wert sind. Allein A hätte keine
Veranlassung, sein a fortzugeben, wenn er wirklich nur den für ihn
gleich großen Wert ß dafür erhielte.
ß muss für ihn ein größeres Wertquantum
als das, was er bisher an a besessen hat, bedeuten; und ebenso muss B bei dem Tausche mehr gewinnen als einbüßen, um auf ihn einzutreten.
Wenn für A also ß wertvoller ist als a , für B dagegen
a wertvoller als ß, so gleicht sich dies objektiv, vom Standpunkt
eines Beobachters, freilich aus. Allein diese Wertgleichheit besteht nicht für den Kontrahenten,
der mehr empfängt, als er fortgibt.
Wenn dieser dennoch überzeugt ist, mit dem anderen nach Recht und
Billigkeit gehandelt und Gleichwertiges ausgetauscht zu haben, so ist dies
für A so auszudrücken: objektiv zwar habe er an B Gleiches
für Gleiches geliefert, der Preis (a ) sei das Äquivalent für
den Gegenstand (ß), aber subjektiv sei der Wert von ß freilich
für ihn größer als der von a.
Nun ist aber das Wertgefühl, das A an ß knüpft, doch in sich
eine Einheit und in ihm selbst der Teilstrich nicht mehr wahrnehmbar, der das
objektive Wertquantum gegen seine subjektive Zugabe abgrenzte.
Ausschließlich also die Tatsache, dass das Objekt ausgetauscht
wird, d. h. ein Preis ist und einen Preis kostet, zieht diese Grenze, bestimmt
innerhalb seines subjektiven Wertquantums den Teil, mit dem es als objektiver
Gegenwert in den Verkehr eintritt. Eine andere Beobachtung belehrt uns nicht weniger,
dass der Tausch
keineswegs von einer vorangehenden Vorstellung objektiver (> 51) Wertgleichheit
bedingt ist.
Sieht man nämlich zu, wie das Kind, der impulsive, und, allem Anschein
nach, auch der primitive Mensch tauscht - so geben diese irgendein beliebiges
Besitztum für einen Gegenstand hin, den sie gerade augenblicklich
heftig begehren, gleichviel, ob die allgemeine Schätzung oder sie
selbst bei ruhigem Überlegen den Preis viel zu hoch finden.
Dies widerspricht der Ausmachung, dass jeder Tausch für das Bewusstsein des Subjekts ein vorteilhafter sein müsse, eben deshalb
nicht, weil diese ganze Aktion subjektiv noch jenseits der Frage nach Gleichheit
oder Ungleichheit der Tauschobjekte steht.
Es ist eine jener rationalistischen Selbstverständlichkeiten, die
so ganz unpsychologisch sind: dass jedem Tausch eine Abwägung
zwischen Opfer und Gewinn vorausgegangen sei und mindestens zu einer Gleichsetzung
beider geführt haben müsse. Dazu gehört eine Objektivität gegenüber dem eigenen Begehren,
die jene angedeuteten Seelenverfassungen gar nicht aufbringen.
Der unausgebildete oder befangene Geist tritt von der momentanen Aufgipfelung
seiner Interessen nicht so weit zurück, um einen Vergleich anzustellen,
er will eben im Augenblick nur das eine, und die Hingabe des anderen wirkt
deshalb gar nicht als Abzug von der ersehnten Befriedigung, also gar nicht
als Preis.
Angesichts der Besinnungslosigkeit, mit der kindliche, unerfahrene,
ungestüme Wesen das gerade Begehrte »um jeden Preis« sich
aneignen, scheint es mir vielmehr wahrscheinlich, dass das Gleichheitsurteil
erst der Erfahrungserfolg soundso vieler, ohne jede Abwägung vollbrachter
Besitzwechsel ist.
Das ganz einseitige, den Geist ganz okkupierende Begehren muss sich erst durch den Besitz beruhigt haben, um überhaupt andere Objekte
zur Vergleichung mit diesem zuzulassen.
Der ungeheure Abstand der Betonung, der in dem ungeschulten und unbeherrschten
Geist zwischen seinem momentanen Interesse und allen anderen Vorstellungen
und Schätzungen besteht, veranlasst den Tausch, bevor es noch
zu einem Urteil über den Wert - d. h. über das Verhältnis
verschiedener Begehrungsquanten zueinander - gekommen ist.
Dass bei ausgebildeten Wertbegriffen und leidlicher Selbstbeherrschung
das Urteil über Wertgleichheit dem Tausch vorangeht, darf über
die Wahrscheinlichkeit nicht täuschen, dass hier wie so oft das
rationale Verhältnis sich erst aus dem psychologisch umgekehrt verlaufenden
entwickelt hat (auch innerhalb der Provinz der Seele ist proz hnaz das
letzte, was ?furei? das erste ist), und dass der aus rein subjektiven
Impulsen entstandene Besitzwechsel uns dann erst über den relativen Wert der Dinge belehrt hat.
Ist so der Wert gleichsam der Epigone des Preises, so scheint es ein
identischer Satz, dass ihre Höhen die gleichen sein müssen.
(> 52) Ich beziehe mich hier auf die obige Feststellung: dass in jedem
individuellen Falle kein Kontrahent einen Preis zahlt, der ihm unter den
gegebenen Umständen für das Erworbene zu hoch ist.
Wenn in dem Chamissoschen Gedichte der Räuber mit vorgehaltener
Pistole den Angefallenen zwingt, ihm Uhr und Ringe für drei Batzen
zu verkaufen, so ist diesem unter solchen Umständen - da er nämlich
nur so sein Leben retten kann - das Eingetauschte wirklich den Preis wert;
niemand würde für einen Hungerlohn arbeiten, wenn er nicht in
der Lage, in der er sich tatsächlich befindet, diesen Lohn eben dem
Nichtarbeiten vorzöge.
Der Schein des Paradoxen an der Behauptung von der Äquivalenz von
Wert und Preis in jedem individuellen Falle entsteht nur daher, dass in diesen gewisse Vorstellungen von anderweitigen Äquivalenzen von
Wert und Preis hineingebracht werden.
Die relative Stabilität der Verhältnisse, von denen die Mehrzahl
der Tauschhandlungen bestimmt werden, andrerseits die Analogien, die auch
das noch schwankende Wertverhältnis nach der Norm bereits bestehender
fixieren, bewirken die Vorstellungen -. für ein bestimmtes Objekt
gehöre sich eben dies und jenes bestimmte andere Objekt seinem Wert
nach als Tauschäquivalent, diese beiden bzw. diese Kreise von Objekten
hätten gleiche Wertgröße, und wenn innormale Umstände
uns dies Objekt mit darüber oder darunter gelegenen Gegenwerten austauschen
ließen, so fielen eben Wert und Preis auseinander - obgleich sie
tatsächlich in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung seiner
Umstände zusammenfallen.
Man vergesse doch nicht, dass die objektive und gerechte Äquivalenz
von Wert und Preis, die wir zur Norm der tatsächlichen und singulären
machen, auch nur unter ganz bestimmten historischen und technischen Bedingungen
gilt und mit der Änderung derselben sofort auseinander fällt.
Zwischen der Norm selbst und den Fällen, die sie als abweichende oder
als adäquate charakterisiert, besteht hier also gar kein genereller,
sondern sozusagen nur ein numerischer Unterschied - ungefähr wie man
von einem außergewöhnlich hoch- oder außergewöhnlich
tiefstehenden Individuum sagt, es sei eigentlich gar kein Mensch mehr;
während doch dieser Begriff des Menschen nur ein Durchschnitt ist,
der seinen normativen Charakter in dem Augenblick verlieren würde,
in dem die Majorität der Menschen zu der einen oder der anderen jener
Verfassungen herauf- oder herunterstiege, welche dann als die allein »menschliche«
gälte.
Dies einzusehen fordert freilich eine energische Befreiung von eingewurzelten
und praktisch durchaus berechtigten Wertvorstellungen.
Diese nämlich liegen bei irgend entwickelteren Verhältnissen
in zwei Schichten übereinander - die eine gebildet aus den Traditionen
des Gesellschaftskreises, (> 53) der Majorität der Erfahrungen, den
als rein logisch erscheinenden Forderungen; die andere aus den individuellen
Konstellationen, den Ansprüchen des Augenblicks, dem Zwange der zufälligen
Umgebung.
Gegenüber dem schnellen Wechsel innerhalb der letzteren Schicht
verbirgt sich unserer Wahrnehmung die langsame Evolution der ersteren und
ihre Bildung aus der Sublimierung jener, und sie erscheint als das sachlich
Gerechtfertigte, als der Ausdruck einer objektiven Proportion.
Wo nun bei einem Tausch zwar unter den gegebenen Umständen die
Wertgefühle von Opfer und Gewinn sich mindestens gleichstehen - denn
sonst würde kein Subjekt, das überhaupt vergleicht, ihn vollziehen
- dieselben aber, an jenen generellen Festsetzungen gemessen, eine Diskrepanz
ergeben, da spricht man von einem Auseinanderfallen von Wert und Preis.
Am entschiedensten tritt dies unter den beiden - übriges fast immer
vereinigten - Voraussetzungen auf, dass eine einzige Wertqualität
als der wirtschaftliche Wert schlechthin gilt und zwei Objekte also nur
insofern als wertgleich anerkannt werden, als das gleiche Quantum jenes
Fundamentalwertes in ihnen steckt; und dass zweitens eine bestimmte
Proportion zwischen zwei Werten als die sein-sollende mit dem Akzente einer
nicht nur objektiven, sondern auch moralischen Forderung auftritt.
Die Vorstellung z. B., dass das eigentliche Wertmoment in allen
Werten die in ihnen vergegenständlichte, gesellschaftlich notwendige
Arbeitszeit sei, ist nach beiden Richtungen hin benutzt worden und gibt
so einen -direkter oder indirekter anwendbaren - Maßstab, der den
Wert in wechselnden Plus- und Minusdifferenzen gegen den Preis pendeln
macht.
Allein zunächst lässt die Tatsache jenes einheitlichen
Wertmaßstabes ganz dahingestellt, wieso denn die Arbeitskraft zu
einem Werte geworden sei.
Sie wäre es schwerlich, wenn sie nicht, an verschiedenem Materiale
sich betätigend und verschiedene Produkte schaffend, dadurch die Möglichkeit
des Tausches ergeben hätte, oder wenn ihre Ausübung nicht als
ein Opfer empfunden worden wäre, das man für den Gewinn ihres
Ergebnisses bringt.
Auch die Arbeitskraft wird erst durch die Möglichkeit und Wirklichkeit
des Tausches in die Wertkategorie eingestellt, ganz unbeschadet des Umstandes, dass
sie nachher innerhalb dieser den Maßstab für deren
übrige Inhalte abgeben mag.
Sei die Arbeitskraft also auch der Inhalt jedes Wertes, seine Form als
Wert erhält er erst dadurch, dass sie in die Relation von Opfer
und Gewinn oder Preis und Wert (hier im engeren Sinne) eingeht.
In den Fällen des Auseinandertretens von Preis und Wert gäbe
nach dieser Theorie der eine Kontrahent ein Quantum unmittelbarer vergegenständlichter
Arbeitskraft gegen ein geringeres Quantum (> 54) ebenderselben hin, mit
welchem indes andere - keine Arbeitskraft darstellenden - Umstände
derart verbunden sind, dass er dennoch den Tausch vollzieht, z. B.
Befriedigung eines unaufschieblichen Bedürfnisses, Liebhaberei, Betrug,
Monopole und ähnliches.
Im weiteren und subjektiven Sinne bleibt also auch hier die Äquivalenz
von Wert und Gegenwert bestehen, während die einheitliche Norm Arbeitskraft,
die ihre Diskrepanz ermöglicht, sich auch ihrerseits nicht der Genesis
ihres Wertcharakters aus dem Tausch entzieht.
Die qualitative Bestimmtheit der Objekte, die subjektiv ihre Begehrtheit
bedeutet, kann nach alledem den Anspruch, eine absolute Wertgröße
zu erzeugen, nicht aufrecht erhalten. es ist immer erst die im Tausch sich
verwirklichende Relation der Begehrungen zueinander, die deren Gegenstände
zu wirtschaftlichen Werten macht.
Unmittelbarer tritt diese Bestimmung an dem anderen der als konstitutiv
geltenden Momente des Wertes hervor, an der Knappheit oder relativen Seltenheit.
Der Tausch ist ja nichts anderes als der interindividuelle Versuch,
die aus der Knappheit der Güter entspringenden Missstände zu verbessern, d. h. das subjektive Entbehrungsquantum durch die Verteilungsart
des gegebenen Vorrates möglichst herabzusetzen.
Schon daraus folgt zunächst eine allgemeine Korrelation zwischen
dem, was man - in freilich mit Recht kritisierter Weise - Seltenheitswert,
und dem, was man Tauschwert nennt.
Hier aber ist der Zusammenhang in umgekehrter Richtung wichtiger. Ich habe bereits hervorgehoben,
dass die Knappheit der Güter
schwerlich eine Wertung ihrer zur Folge hätte, wenn sie nicht durch
uns modifizierbar wäre.
Das ist sie eben nur auf zweierlei Weise: entweder durch die Hingabe
von Arbeitskraft, die den Gütervorrat objektiv vermehrt, oder durch
Hingabe bereits besessener Objekte, die als Besitzwechsel die Seltenheit
des je begehrtesten Objektes für das Subjekt aufhebt.
So kann man zunächst wohl sagen, dass die Knappheit der Güter
im Verhältnis zu den darauf gerichteten Begehrungen objektiv den Tausch
bedingt, dass aber der Tausch seinerseits erst die Seltenheit zu einem
Wertmoment macht.
Es ist ein Fehler in vielen Werttheorien, dass sie, wenn Brauchbarkeit
und Seltenheit gegeben sind, den ökonomischen Wert, d. h. die Tauschbewegung
als etwas Selbstverständliches, als die begrifflich notwendige Folge
jener Prämissen setzen. Damit haben sie aber keineswegs recht.
Wenn etwa ein asketisches Sich-Bescheiden neben jenen Voraussetzungen
stünde, oder wenn sie nur zu Kampf oder Raub veranlassten - was
ja auch oft genug der Fall ist -, so würde kein ökonomischer
Wert und kein ökonomisches Leben entstehen. (> 55)
Die Ethnologie belehrt uns über die erstaunlichen Willkürlichkeiten,
Schwankungen, Unangemessenheiten der Wertbegriffe in primitiven Kulturen,
sobald mehr als die dringendste Notdurft des Tages in Frage steht.
Nun ist kein Zweifel, dass dies infolge - allenfalls in Wechselwirkung
mit - der anderen Erscheinung stattfindet: der Abneigung des primitiven
Menschen gegen den Tausch. Für diese sind mehrere Gründe geltend gemacht.
Weil es jenem an einem objektiven und allgemeinen Wertmaßstab
fehlt, müsse er stets fürchten, im Tausche betrogen zu werden;
weil das Arbeitsprodukt immer von ihm selbst und für ihn selbst hergestellt
sei, entäußere er sich damit eines Teiles seiner Persönlichkeit
und gebe den bösen Mächten Gewalt über sich. Vielleicht stammt die Abneigung des Naturmenschen gegen die Arbeit aus
derselben Quelle.
Auch hier fehlt ihm der sichere Maßstab für den Tausch zwischen
Mühe und Ertrag, er fürchtet auch von der Natur betrogen zu werden,
deren Objektivität unberechenbar und schreckhaft vor ihm steht, ehe
er in ausgeprobtem und geregeltem Austausch mit ihr auch sein eigenes Tun
in die Distanz und Kategorie der Objektivität eingestellt hat.
Das Versenktsein also in die Subjektivität des Verhaltens zum Gegenstand
lässt ihm den Tausch - naturaler wie interindividueller Art -,
der mit Objektivierung der Sache und ihres Wertes zusammengeht, als untunlich
erscheinen.
Es ist tatsächlich, als ob das erste Bewusstwerden des Objektes
als solchen ein Angstgefühl mit sich brächte, als ob man damit
ein Stück des Ich als von ihm losgerissen empfände.
Daher sogleich die mythologische und fetischistische Deutung, die das
Objekt erfährt - eine Deutung, die einerseits dieses Angstgefühl
hypostasiert, ihm die einzige für den Primitivmenschen mögliche
Begreiflichkeit gibt, andrerseits aber es doch mildert und, indem es das
Objekt vermenschlicht, es der Versöhnung mit der Subjektivität
wieder näher bringt.
Aus dieser Sachlage erklären sich vielerlei Erscheinungen. Zunächst die Selbstverständlichkeit und Ehrenhaftigkeit des
Raubes, des subjektiven und unnormierten Ansichreißens des gerade
Gewünschten.
Noch weit über die homerische Zeit hinaus erhielt sich in zurückgebliebenen
griechischen Landschaften der Seeraub als legitimer Erwerb, ja, bei manchen
primitiven Völkern gilt der gewaltsame Raub sogar für vornehmer
als das redliche Bezahlen.
Auch dies letztere ist durchaus verständlich: beim Tauschen und
Bezahlen ordnet man sich einer objektiven Norm unter, vor der die starke
und autonome Persönlichkeit zurückzutreten hat, wozu sie eben
oft nicht geneigt ist. Daher überhaupt die Verachtung des Handels durch sehr aristokratisch
- eigenwillige Naturen.
Daher begünstigt aber auch der Tausch die Friedlichkeit der Beziehungen
unter den Menschen, weil (> 56) sie in ihm eine intersubjektive, ihnen
gleichmäßig übergeordnete Sachlichkeit und Normierung anerkennen.
Es gibt, wie man von vornherein vermuten muss, eine Reihe vermittelnder
Erscheinungen zwischen der reinen Subjektivität des Besitzwechsels,
die der Raub und das Geschenk darstellen, zu seiner Objektivität in
der Form des Tausches, in dem die Dinge gemäß dem gleichen,
in ihnen enthaltenen Wertquantum getauscht werden.
Dahin gehört die traditionelle Gegenseitigkeit des Schenkens. Bei vielen Völkern besteht die Vorstellung,
dass man ein Geschenk
nur dann annehmen dürfe, wenn man es durch ein Gegengeschenk erwidern,
sozusagen nachträglich erwerben könne.
Dies geht direkt in den regulären Tausch über, wenn dieser,
wie oft im Orient, so vor sich geht, dass der Verkäufer das Objekt
dem Käufer »schenkt« aber wehe diesem, wenn er nicht das
entsprechende »Gegengeschenk« macht.
Dahin gehört die sogenannte Bittarbeit, die sich in der ganzen
Welt findet: das Zusammentreten von Nachbarn oder Freunden zur Beihilfe
bei dringenden Arbeiten, ohne dass dafür ein Lohn gezahlt würde.
Aber es ist wenigstens durchgehends üblich, die Bittarbeiter reichlich
zu bewirten und ihnen möglichst ein kleines Fest zu geben, so dass z. B. von den Serben berichtet wird, nur Wohlhabende könnten es sich
leisten, eine solche freiwillige Arbeitsgenossenschaft zusammenzurufen.
Freilich existiert noch heute im Orient und vielfach sogar in Italien
der Begriff des angemessenen Preises nicht, der für Käufer wie
Verkäufer eine Schranke und Fixierung der subjektiven Vorteile bilde.
Jeder verkauft so teuer und kauft so billig, wie er es vom Gegenpart
durchsetzen kann, der Tausch ist ausschließlich subjektive Aktion
zwischen zwei Personen, deren Ausgang nur von der Schlauheit, der Begierde,
der Beharrlichkeit der Parteien, aber nicht von der Sache und ihrem überindividuell
begründeten Verhältnis zum Preise abhängt.
Darin eben bestünde ein Geschäft -- so setzte mir ein römischer
Antiquitätenhändler auseinander - dass der Kaufmann zu viel
forderte und der Käufer zu wenig böte und man sich so allmählich
bis zu einem akzeptabeln Punkt einander näherte.
Hier sieht man also deutlich, wie sich das objektiv Angemessene aus
dem Gegeneinander der Subjekte herausstellt - das Ganze ein Hineinragen
der vortauschlichen Verhältnisse in eine schon durchgängige,
aber noch nicht zu ihrer Konsequenz gelangte Tauschwirtschaft.
Der Tausch ist schon da, es ist schon ein objektives Geschehen zwischen
den Werten - aber seine Ausführung ist durchaus subjektiv, sein Modus
und seine Quanten hängen ausschließlich an der Relation der
personalen Qualitäten. - Hier liegt wohl auch das letzte Motiv für
die sakralen Formen, die gesetzliche Fixiertheit, die Sicherung durch (>
57) Öffentlichkeit und Tradition, mit der das Kaufgeschäft wohl
in allen frühen Kulturen ausgestattet ist.
Damit erreichte man die aus dem Wesen des Tausches geforderte Über-Subjektivität,
die man noch nicht durch das sachliche Verhältnis der Objekte selbst
herzustellen wusste. Solange der Tausch und die Idee, dass es zwischen den Dingen so
etwas wie Wertgleichheit gebe, noch etwas Neues war, wäre es zu einer
Verständigung überhaupt nicht gekommen, wenn je zwei Individuen
untereinander sie hätten treffen müssen.
Deshalb finden wir überall und bis tief in das Mittelalter hinein
nicht nur Öffentlichkeit der Tauschgeschäfte, sondern vor allem
genaue Festsetzungen über die Austauschquanten der gebräuchlichen
Waren, denen kein Kontrahentenpaar sich durch private Abmachungen entziehen
durfte.
Freilich ist diese Objektivität eine mechanische und äußerliche,
die sich auf Motive und Mächte außerhalb des einzelnen Tauschaktes
stützt.
Die sachlich angemessene enthebt sich solcher apriorischen Festlegung
und bezieht in die Berechnung die Gesamtheit der besonderen Umstände
ein, die durch jene Form vergewaltigt wurden. Aber Absicht und Prinzip sind die gleichen: die übersubjektive
Wertfixierung im Tausche, die eben später nur einen sachlicheren,
immanenteren Weg fand.
Der von Individuen frei und selbständig vollzogene Tausch setzt
eine Taxierung nach in der Sache gelegenen Maßstäben voraus,
und darum muss in dem vorhergehenden Stadium der Tausch inhaltlich
fixiert und diese Fixierung sozial garantiert sein, weil sonst dem Individuum
jeder Anhaltspunkt für die Schätzung der Gegenstände gefehlt
hätte; wie das gleiche Motiv wohl auch der primitiven Arbeit allenthalben
eine sozial geregelte Richtung und Vollzugsweise verliehen hat, auch hier
die Wesensgleichheit zwischen Tausch und Arbeit, richtiger: die Zugehörigkeit
der letzteren zu dem ersteren als höherem Begriff, erweisend.
Die mannigfaltigen Beziehungen zwischen dem objektiv Gültigen -
in praktischer wie in theoretischer Hinsicht - und seiner sozialen Bedeutung
und Anerkennung stellen sich auch sonst vielfach in dieser Weise historisch
dar: dass die soziale Wechselwirkung, Verbreitung, Normierung dem
Individuum diejenige Dignität und Festigkeit eines Lebensinhaltes
gewährt, die es später aus dessen sachlichem Recht und Beweisbarkeit
gewinnt.
So glaubt das Kind jeden beliebigen Sachverhalt nicht aus inneren Gründen,
sondern weil es den mitteilenden Personen vertraut; nicht etwas, sondern
jemandem wird geglaubt. So sind wir in unserem Geschmack von der Mode, d. h. von der sozialen
Verbreitung eines Tuns und Schätzens abhängig, bis wir, spät
genug, die Sache selbst ästhetisch zu beurteilen wissen.
So stellt sich die Notwendigkeit für das Individuum, sich über
sich selbst zu (> 58) erweitern und zugleich in dieser Erweiterung einen
überpersönlichen Halt und Festigkeit zu gewinnen: im Recht, in
der Erkenntnis, in der Sittlichkeit - als die Macht der Tradition dar;
an Stelle dieser zuerst unentbehrlichen Normierung, die zwar über
das Einzelsubjekt, aber noch nicht über Subjekte überhaupt hinausgeht,
wächst allmählich die aus der Kenntnis der Dinge und dem Ergreifen
der idealen Normen hervorgehende auf.
Das Außer-Uns, dessen wir zu unserer Orientierung bedürfen,
nimmt die leichter zugängliche Form der sozialen Allgemeinheit an,
ehe es uns als objektive Bestimmtheit der Realitäten und der Ideen
entgegentritt.
In diesem die Kulturentwicklung durchgängig charakterisierenden
Sinne also ist der Tausch ursprünglich Sache der sozialen Festsetzung,
bis die Individuen die Objekte und ihre eigenen Wertungen hinreichend kennen,
um die Tauschraten selbst von Fall zu Fall zu fixieren.
Hier liegt das Bedenken nahe, dass diese gesellschaftlich-gesetzlichen
Preistaxen, nach denen der Verkehr in allen Halbkulturen vor sich zu gehen
pflegt, doch nur das Resultat vieler vorangegangener Tauschaktionen sein
könnten, die zuerst in singulärer und noch unfixierter Form unter
Individuen stattgefunden hätten.
Allein dieser Einwand trägt nicht weiter als gegenüber der
Sprache, Sitte, Recht, Religion, kurz allen grundlegenden Lebensformen,
die in der Gruppe als ganzer entstehen und herrschen, und die man sich
lange nur durch die Erfindung Einzelner zu erklären wusste; während
sie sicher von vornherein als interindividuelle Gebilde entstanden sind,
als Wechselwirkung zwischen den Einzelnen und den Vielen, so dass keinem Individuum für sich ihr Ursprung zuzuschieben ist.
Ich halte es durchaus für möglich, dass der Vorgänger
des sozial fixierten Tausches nicht der individuelle Tausch gewesen ist,
sondern eine Art des Besitzwechsels, die überhaupt nicht Tausch war,
etwa der Raub. Dann wäre der interindividuelle Tausch nichts anderes als ein Friedensvertrag
gewesen, und Tausch und fixierter Tausch wären als eine einheitliche
Tatsache entsprungen.
Eine Analogie hierzu würden die Fälle bieten, wo der primitive
Frauenraub dem exogamischen Friedensvertrag mit Nachbarn - der den Kauf
und Austausch der Weiber gründet und regelt - vorangegangen ist. Die hiermit eingeführte, prinzipiell neue Eheform wird also sogleich
in ihrer, das Individuum präjudizierenden Fixiertheit gesetzt.
Freie Sonderverträge der gleichen Art zwischen Einzelnen brauchen
dabei keineswegs vorausgegangen zu sein, sondern zugleich mit dem Typus
ist auch eine soziale Regelung gegeben.
Es ist ein Vorurteil, dass jede sozial geregelte Beziehung sich
aus der inhaltlich gleichen, aber in nur individueller, (> 59) sozial ungeregelter
Form stattfindenden, historisch entwickelt haben müsse. Was ihr vorangegangen ist, kann vielmehr derselbe Inhalt in einer der
Art nach ganz anderen Beziehungsform gewesen sein.
Der Tausch geht über die subjektiven Aneignungsformen fremden Besitzes,
den Raub und das Geschenk, hinaus - ganz dem entsprechend, dass die
Geschenke an den Häuptling und die von ihm erhobenen Strafgelder die
Vorstufen der Steuer sind - und findet auf diesem Wege als erste übersubjektive
Möglichkeit die soziale Regelung vor, welche ihrerseits erst die Objektivität
im sachlichen Sinne vorbereitet; zuerst mit dieser gesellschaftlichen Normierung
wächst in jene freien Besitzwechsel zwischen Individuen die Objektivität
ein, die das Wesen des Tausches ist.
Aus alledem ergibt sich: der Tausch ist ein soziologisches Gebilde sui
generis, eine originäre Form und Funktion des interindividuellen Lebens,
die sich keineswegs aus jener qualitativen und quantitativen Beschaffenheit
der Dinge, die man als Brauchbarkeit und Seltenheit bezeichnet, durch logische
Konsequenz ergibt.
Umgekehrt vielmehr entwickeln beide ihre wertbildende Bedeutung erst
unter der Voraussetzung des Tausches.
Wo der Tausch, das Einsetzen von Opfern zum Zwecke des Gewinnes, aus
irgendeinem Grunde ausgeschlossen ist, da kann alle Seltenheit des begehrten
Objektes es nicht zu einem wirtschaftlichen Wert machen, bis die Möglichkeit
jener Relation wieder eintritt. - Die Bedeutung des Gegenstandes für
das Individuum liegt immer nur in seiner Begehrtheit; für das, was
er uns leisten soll, ist seine qualitative Bestimmtheit entscheidend, und
wenn wir ihn haben, in dem positiven Verhältnis zu ihm, ist es für
diese Bedeutung seiner völlig einerlei, ob außer ihm noch viele,
wenige oder keine Exemplare seiner Art existieren. (Ich behandle hier die
Fälle nicht gesondert, in denen die Seltenheit selbst wieder eine
Art qualitativer Bestimmtheit wird, die uns den Gegenstand begehrungswürdig
macht, wie bei alten Briefmarken, Kuriositäten, Antiquitäten
ohne ästhetischen oder historischen Wert u. ähnl.)
Übrigens mag die Unterschiedsempfindung, deren es für den Genuss im engeren Sinne des Wortes bedarf, allenthalben durch eine
Seltenheit des Objekts, d. h. dadurch, dass es eben nicht überall
und jederzeit genossen wird, bedingt sein.
Allein diese innere psychologische Bedingung des Genusses wird nicht
praktisch, schon weil sie nicht zur Überwindung, sondern gerade zur
Konservierung, ja zur Steigerung der Seltenheit führen müsste,
was erfahrungsgemäß nicht geschieht.
Um was es sich praktisch außer dem direkten, von der Qualität
der Dinge abhängigen Genuss ihrer nur handeln kann, ist (> 60)
der Weg zu demselben. Sobald dieser Weg ein langer und schwieriger ist, über Opfer an
Geduld, Enttäuschungen, Arbeit, Unbequemlichkeiten, Verzichtleistungen
usw. hinwegführt, nennen wir den Gegenstand »selten«.
Man kann dies unmittelbar so ausdrücken: die Dinge sind nicht schwer
zu erlangen, weil sie selten sind, sondern sie sind selten, weil sie schwer
zu erlangen sind. Die starre äußerliche Tatsache, dass es einen zu geringen
Vorrat an gewissen Gütern gibt, um all unser Begehren nach ihnen zu
befriedigen, wäre an sich bedeutungslos.
Es gibt viele objektiv seltene Dinge, die nicht im wirtschaftlichen
Sinne selten sind; ob sie dies letztere sind, darüber entscheidet
allein der Umstand, welches Maß von Kraft, Geduld, Hingabe zu ihrem
Tauscherwerbe nötig ist - Opfer, die natürlich das Begehrtwerden
des Objekts voraussetzen.
Die Schwierigkeit des Erlangens, d. h. die Größe des in den
Tausch einzusetzenden Opfers ist das eigentümliche konstitutive Wertmoment,
von dem die Seltenheit nur die äußere Erscheinung, nur die Objektivierung
in der Form der Quantität ausmacht.
Man übersieht oft, dass die Seltenheit rein als solche doch
nur eine negative Bestimmung ist, ein Seiendes durch ein Nichtseiendes
charakterisiert. Das Nichtseiende aber kann nicht wirksam sein, jede positive Folge
muss von einer positiven Bestimmung und Kraft ausgehen, von der jene negative
gleichsam nur der Schatten ist.
Diese konkreten Kräfte sind aber ersichtlich nur die in den Tausch
eingesetzten. Nur darf man den Charakter der Konkretheit dadurch nicht herabgesetzt
glauben, dass er hier nicht an dem Einzelwesen als solchem haftet.
Die Relativität zwischen den Dingen hat die einzigartige Stellung:
über das Einzelne hinauszureichen, nur an der Mehrheit als solcher
zu subsistieren und doch keine bloß begriffliche Verallgemeinerung
und Abstraktion zu sein.
Auch hierin drückt sich die tiefe Beziehung der Relativität
zur Vergesellschaftung aus, die die unmittelbarste Veranschaulichung der
Relativität an dem Material der Menschheit ist: die Gesellschaft ist
das übersinguläre Gebilde, das doch nicht abstrakt ist.
Durch sie wird das geschichtliche Leben der Alternative enthoben, entweder
an bloßen Individuen oder in abstrakten Allgemeinheiten zu verlaufen;
sie ist das Allgemeine, das zugleich konkrete Lebendigkeit hat.
Daher die einzigartige Bedeutung, die der Tausch, als die wirtschaftsgeschichtliche
Verwirklichung der Relativität der Dinge, für die Gesellschaft
hat: er erhebt das einzelne Ding und seine Bedeutung für den einzelnen
Menschen aus ihrer Singularität, aber nicht in die Sphäre des
Abstrakten hinein, sondern in die Lebendigkeit der Wechselwirkung, die
gleichsam der Körper des wirtschaftlichen (> 61) Wertes ist.
Man mag den einen Gegenstand noch so genau auf seine für sich seienden
Bestimmungen untersuchen: den wirtschaftlichen Wert wird man nicht finden,
da dieser ausschließlich in dem Wechselverhältnis besteht, das
sich auf Grund dieser Bestimmungen zwischen mehreren Gegenständen herstellt, -
jedes das andere bedingend und ihm die Bedeutung zurückgebend,
die es von ihm empfängt. (> 62)
-> Teil 3
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