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Harmonische Gesellschaft in der VR China?

Soziale Herausforderungen, Sozialversicherung und ideologische Fragen

Fortunat Reiser

Zürich, Mai 2008

 

Bibliographische Zitation:
Reiser, Fortunat, Harmonische Gesellschaft in der Volksrepublik China? In: Sociology in Switzerland: World Society and International Relations. Online Publications, Zürich 2008.
http://socio.ch/internat/t_reiser.htm 


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Wirtschaftswachstum, Urbanisierung und Armutsbekämpfung
1.2
Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit
1.3
Soziales Unruhepotential in der VR China
1.4
Das Ziel der „Harmonischen Gesellschaft“ seitens der derzeitigen Regierung
1.5
Das System der sozialen Sicherung als Mittel zur „Harmonisierung der Gesellschaft“

2 Das System der sozialen Sicherung in der VR China

2.1 Begriffsdefinitionen: Sozialpolitik und Sozialversicherung
2.2
Historische Entwicklung

3 Das Gegenwärtige Sozialversicherungssystem in der VR China: Charakteristika und Hauptprobleme

3.1 Rentenversicherung
3.2
Krankenversicherung
3.3
Arbeitslosenversicherung
3.4
Invalide und Unfallversicherung

4 Der Zusammenhang zwischen Ideologie und politischer Legitimität

4.1 Die Rolle der Ideologie in der politischen Landschaft der VR China generell
4.2
Ideologie während Phasen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Übergangs
4.3
Der Umgang mit den für die VR China derzeit zentralen ideologischen Konstrukten

5 Schlussbetrachtung

5.1 Zusammenfassung: Das Sozialversicherungssystem in der VR China
5.2
Der Stellenwert der Ideologie für die politische Legitimität
5.3
Harmonische Gesellschaft in der VR China? Ein Fazit

Literaturliste


1 Einleitung

Die für diese Arbeit wesentlichen Eigenschaften der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in der Volksrepublik China (VR China), wurden von Wei Zhang in der Einleitung zu ihrer als Gesamtdarstellung des Sozialwesens in China massgeblichen Arbeit aus dem Jahre 2005 [1] sehr prägnant zusammengefasst:

“Seit Anfang der 80er Jahre ist China geprägt durch zwei Phasen der Transformation: Zum einen findet eine Transformation von der sozialistischen Planwirtschaft zur so genannten sozialistischen Marktwirtschaft statt. Zum anderen erfolgt eine Transformation von der traditionellen Gesellschaft zur modernen Gesellschaft. Der tiefgreifende sozioökonomische Wandel blieb jedoch nicht ohne soziale Auswirkungen sowohl positiver als auch negativer Art. Durch den enormen wirtschaftlichen Aufschwung verbesserte sich zwar der durchschnittliche Lebensstandard der Bevölkerung, jedoch verschärften sich auch die Einkommens- und Wohlfahrtsunterschiede zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und geografischen Gebieten. Weiterhin wurden die Lücken bzw. Grenzen des bisherigen Systems sozialer Sicherung ersichtlich.” (Wei Zhan 2005: S. 3)

Im Folgenden sollen diese Veränderungen noch etwas detaillierter dargestellt werden.

Inhalt

1.1 Wirtschaftswachstum, Urbanisierung und Armutsbekämpfung

Die VR China hat sich seit der Einleitung der wirtschaftlichen Reformen im Jahre 1978 auf rasante und beeindruckende Weise entwickelt: Hatte das Bruttoinlandprodukt (BIP) im Jahre 1978 noch gerade eine Milliarde Yuan Renminbi (RMB) betragen, so stieg dieser Wert sukzessive auf 4,66 Mia. (1989), 21,64 Mia. (1997) bis auf 50,16 Mia. im Jahre 2005. (Qiu 2006, S.25)
1978 hatten noch etwa 82 Prozent der Bevölkerung auf dem Land gelebt, doch im Jahre 2005 betrug dieser Wert nur noch 57 Prozent. Gleichzeitig bedeutete dies eine Steigerung des Anteils der in Städten lebenden Bevölkerung von 18 auf 43 Prozent, womit er sich in nur 27 Jahren mehr als verdoppelt hat. (ebd. S. 99)

Im Jahre 1980 hatten, nach Massgabe der von der Weltbank vorgegeben Richtlinien (über ein Einkommen von unter einem US Dollar pro Tag verfügend), noch etwa 542 Millionen Leute unter der Armutsgrenze gelebt, während es 1990 „bloss“ noch 375 Millionen waren – eine Reduktion um 31 Prozent oder 167 Millionen in nur 10 Jahren! (Giroir 2007, S. 87) Gemäss einer Studie von Morgan Stanley gab es um die Jahrtausendwende herum etwa 13 Millionen Leute, welche sich Luxusartikel leisten konnten. Des Weiteren wurde geschätzt, dass diese Zahl in 20 bis 25 Jahren bis auf 100 Millionen ansteigen könnte. (Giroir 2007:.S.90)

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1.2 Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit

Die letzten 30 Jahre dieses so spektakulären Wirtschaftswachstums basieren hauptsächlich auf der Verlagerung von grossen industriellen Produktionsstätten von der westlichen Welt nach China [2]. Diese Entwicklung hat sich auf schwerwiegende Weise auf die Umwelt im Lande ausgewirkt: Im Februar 2007 bestätigte eine gemeinsame Studie des staatlichen Umweltschutzamtes und der Weltbank den kritischen Zustand der Umwelt in der VR China. Aufgrund des erheblichen Drucks seitens der chinesischen Regierung, wurde der am stärksten beunruhigende Teil der Studie, offiziell gar nicht veröffentlicht. Er besagt, dass pro Jahr etwa 750'000 Chinesen verfrüht an den Folgen von durch die Umweltverschmutzung verursachten Krankheiten sterben. Währenddessen liess das staatliche Gesundheitsministerium verlauten, dass die Umweltverschmutzung auch der Grund für den Anstieg der Krebserkrankungen sei, welche zur hauptsächlichen Todesursache im Land aufgestiegen sind: Mittlerweile seien in den Städten 19 Prozent und auf dem Land 23 Prozent aller Todesfälle betroffen [3]. Ausserdem könnten die wirtschaftlichen Kosten der Umweltverschmutzung in Zukunft das chinesische Wirtschaftswachstum entscheidend beeinträchtigen.

Während den 90er Jahren begann man damit, die so genannte „Eiserne Reisschüssel“ zu zerschlagen [4]. Damit ist eine tief greifende Umstrukturierung der staatlichen Industriebetriebe gemeint, mit dem Ziel, die Arbeitsproduktivität zu steigern und als überflüssig betrachtete Stellen abzubauen. Man entliess Millionen von Arbeitern, schaffte die lebenslange Arbeitsplatzgarantie ab und führte einige neue Prämien- und Gewinnbeteiligungssysteme ein:

“Die Anzahl der Beschäftigten in SOEs [Staatsbetriebe, d. V.] sank von 110 Millionen gegen Ende des Jahres 1995 auf 66 Millionen im Jahr 2002. Von 1995 bis 2002 sank die Zahl der Stellen im verarbeitenden Gewerbe um 15 Prozent von 98 Millionen auf 83 Millionen. Im selben Zeitraum schrumpfte die Zahl der Jobs in der Verarbeitung weltweit um 22 Millionen. Somit kann man sagen, dass Chinas Arbeitsplatzabbau von 15 Millionen zu zwei Dritteln des weltweiten Rückgangs beigetragen hat.” (Wen 2006: 34).

Die offizielle Arbeitslosenquote betrug im Jahre 2000 für städtische Arbeitskräfte 3,1 Prozent [5]. Das entspricht etwa 6 Millionen Leuten. Gemäss Schätzungen der Economist Intelligence Unit waren aber 10-15 Prozent oder 20-30 Millionen Arbeitskräfte betroffen. Für die ländlichen Gebiete schätzte man etwa 30 Prozent, was 150 Millionen Arbeitskräften entspricht.

Gleichzeitig verstärkt sich das Phänomen der sozialen Ungleichheit zusehends [6]. Um 1978 betrug der Gini-Koeffizient in den Städten 0,16 und 0,24 auf dem Land. Der Gesamtwert wuchs zunächst nur langsam an: 1981 betrug er 0,288 und stieg in drei Jahren auf 0,297. Doch zwischen 1988 und 1995 sprang er von 0,338 bis auf 0,444, wobei 0,4 als erträgliches Höchstmass gilt. Wenn in der Berechnung zusätzlich zum offiziellen Einkommen noch nicht angegebene Einkünfte, sowie Steuereinsparungen der reicheren Bevölkerung miteinbezogen werden, dürfte der Wert mittlerweile bei etwa 0.6 liegen. Das Niveau der Ungleichheit nähert sich also mit grossen Schritten gefährlichen Höhenlagen. (The Economist, 2006 [7]und 2007 [8])

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1.3 Soziales Unruhepotential in der VR China

Der gesellschaftliche Frieden wurde durch die massive Ausweitung der sozialen Ungleichheit während den letzten dreissig Jahren nachhaltig und gründlich unterminiert. Ein Indikator der Konfliktbelastung einer Gesellschaft ist die Anzahl der durchgeführten Massenproteste, wobei eine Teilnehmerzahl von mindestens 100 Personen erreicht werden muss [9]. Gemäss polizeilichen Angaben hat die Zahl dieser Protestereignisse im Jahre 2004 74'000 betragen. Im Jahre 1993 hatte man noch 8'700 entsprechende Ereignisse verzeichnet, womit sich eine beachtliche Steigerung von 750 Prozent in 11 Jahren ergibt! 2005 liess der damalige Minister für öffentliche Sicherheit Zhou Yongkang verlauten, dass die Zahl weiter anwachse und sich darüber hinaus ein Trend zur zunehmenden Organisierung solcher Protestaktionen beobachten lasse [10]. Die Zentralregierung ist über diese Entwicklungen sehr besorgt und reagiert einerseits schnell und effizient auf solche Herausforderungen, während sie andererseits auch zu repressiven Massnahmen greift, um solche Massenproteste in Zukunft besser kontrollieren zu können. (The Economist 2003 [11] und 2005 [12])
Angesichts ihrer sozial eher benachteiligten Lage und hohen Gesamtzahl erscheinen die folgenden drei gesellschaftlichen Gruppen als bevorzugte Opfer der teils erschreckenden sozialen Ungerechtigkeiten in der VR China: Die ländliche Bevölkerung, die entlassenen Arbeiter in Staatsbetrieben sowie die Wanderarbeiter. Angesichts ihres grossen Anteils an der Gesamtbevölkerung stellen zunehmende soziale Proteste dieser drei Gruppen wohl die Hauptgefahr für das kommunistische Regime in Beijing dar. Die erste Gruppe umfasste 2005 745 Millionen Leute (Qiu 2006, S.99), die zweite Gruppe mindestens 20 Millionen (Taubmann 2004, S.23) und zur dritten Gruppe zählte man 2001 offiziell 121 Millionen (Heilmann 2004, S.228), wobei im Jahre 2004 auch Schätzungen von bis zu 200 Millionen kursierten. (Schmidbauer 2004, S.34) Besonders stark benachteiligt ist die Landbevölkerung, welche immer noch einen grossen Teil der gesamten Bevölkerung ausmacht. Vor einer Vernachlässigung dieses spezifischen Problems wird besonders eindringlich gewarnt. (The Economist 2006
[13] und 2007 [14]) An einer Stelle wird sogar schon von einem weit verbreiteten Trend der Aufgabe der Toleranz zugunsten der ungehemmten Triebabfuhr (gemeint sind Gefühle des Zorns) gesprochen und davon, dass sich das Land gegenwärtig auf einem Kurs in Richtung eines Dschungels der Gewalt und des Blutvergiessens befinde. (Fan 2005, S.13) [15]

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1.4 Das Ziel der „Harmonischen Gesellschaft“ seitens der derzeitigen Regierung

Im Jahre 2002 fand die fünfte und damit letzte Plenartagung des 1998 gewählten 9. Nationalen Volkskongress (NVK) statt. [16] Sowohl die offizielle als auch die inoffizielle Agenda war dabei der Bewältigung drängender sozioökonomischer Probleme gewidmet, welche sich seit Jahren akkumuliert hatten, aber erst im Vorfeld dieser Veranstaltung in besonders akuter Weise zutage getreten waren. Zahlreiche Beiträge standen im Zeichen einer wachsenden politischen Sorge um jene beiden Bevölkerungsgruppen, die in den vorangegangenen Jahren im Prozess der Reform und Öffnung des Landes zunehmend benachteiligt worden waren: Die ländliche Bevölkerung sowie die ehemaligen Angestellten von Staatsunternehmen (Siehe Punkt 1.3). Die politische Führung nutzte die Gelegenheit, „um ihre Sorge für das Volk im Sinne einer gewissermassen ‚patriarchalischen Demokratie’ zum Ausdruck zu bringen.“ (Holbig 2002.) Der damalige Ministerpräsident Zhu Rongji prägte in seinem Regierungsbericht einen neuen Begriff, „der auf ein neuartiges politisches Verständnis der genannten sozioökonomischen Probleme hindeutet. Die Rede ist von dem Begriff der ‚benachteiligten (bzw. ‚schwachen’) Gruppen’.“ (Holbig 2002: S.267) Der Begriff fasst in seiner Verwendung durch Zhu Rongji jene Bevölkerungsgruppen zusammen, die im Zuge der wirtschaftlichen Veränderungen bereits durch die Netze sozialer Sicherung gefallen sind oder zu fallen drohen.

“Damit stellt der Begriff in doppelter Hinsicht eine Neuerung dar: zum einen, weil er ländliche und städtische Gruppen, die bislang konzeptuell strikt auseinander gehalten worden sind, als soziologische Kategorie zusammenfasst; und zum anderen deshalb, weil er eingesteht, dass die Klassen der „Arbeiter“ und „Bauern“, auf denen die Kommunistische Partei Chinas [fortan KPCh, d. V.] ihre revolutionäre Herrschaftslegitimation gegründet hatte, faktisch nicht mehr die „Herren des Staates“ sind.“ (Holbig 2002: S.268)

Als eine logische Folge dieses Eingeständnisses seitens der Parteiführung erscheinen die folgenden ideologisch-programmatischen Revisionen auf dem 16. Parteitag (8.-14. November 2002):

“Die KPCh bezeichnet sich im revidierten Parteistatut nun als Vorhut nicht nur der chinesischen Arbeiterklasse (wie bisher), sondern auch des ganzen chinesischen Volkes und der ganzen chinesischen Nation. Der ursprüngliche Klassenkampfauftrag der Partei und die Führungsrolle des Proletariats wurden damit, wenn auch nicht expressis verbis, so doch de facto aufgegeben.” (Holbig 2002: S. 268).

Die Formel der „Dreifachen Repräsentation“ (die KPCh solle fortschrittliche Produktivkräfte, moderne Zivilisation und Grundinteressen der breiten Bevölkerung repräsentieren) hat nun Eingang in das Parteistatut gefunden.

“Als langfristiges Endziel der KPCh wird im Parteistatut weiterhin die Verwirklichung des Kommunismus genannt. Als unmittelbare Aufgabe aber wird der ‚umfassende Aufbau einer Gesellschaft mit einem bescheidenen Wohlstand’ festgelegt, d.h. ein alle Gesellschaftsgruppen einschliessender Wohlstand und die Vergrösserung der Mittelschicht (‚Personen mit mittlerem Einkommen’). Bis zum Jahr 2020 soll das Bruttoinlandprodukt gegenüber dem Jahr 2000 vervierfacht werden. Zugleich sollen soziale Ungleichverteilungen, regionale Disparitäten und strukturelle Verzerrungen in Chinas Wirtschaft und Gesellschaft eingedämmt werden. Hierin lässt sich eine implizite Modifizierung der von Deng Xiaoping propagierten Formel des ungleichzeitigen Reichwerdens erkennen.” (Heilmann 2003, S. 5-6)

Anlässlich der ersten Jahrestagung des 10. NVK im März 2003 legte der scheidende Ministerpräsident Zhu Rongji einen Arbeitsbericht der Regierung vor, in dem er die dringlichsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme auflistete. [17] Darunter fanden sich folgende Problemstellungen:

  • Das langsame Wachstum der Einkommen der bäuerlichen Bevölkerung und eines Teils der städtischen Bevölkerung;

  • Der Anstieg der Arbeitslosigkeit und damit zusammenhängende Probleme bei der Sicherung des Lebensunterhalts;

  • Anhaltende Ungleichheiten in der Verteilung der Einkommen;

Die neue Führungsspitze um Hu Jintao und Wen Jiabao vermochte dabei eigene Akzente zu setzen [18]. So waren sie darum bemüht, durch die Betonung einer besonders “volksnahen“ Einstellung politisches Profil zu gewinnen. Die Rhetorik des Staatspräsidenten Hu Jintao knüpfte bewusst an bekannte Vorstellungen Mao Zedongs an, als er davon sprach, dass die KPCh wieder zu ihrer ursprünglichen Rolle als „Dienerin des Volkes“ zurückfinden müsse.

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1.5 Das System der sozialen Sicherung als Mittel zur „Harmonisierung der Gesellschaft“

Im Jahre 2002 anerkannte die Führungsspitze also die Tatsache, dass die VR China sich trotz unverkennbarer wirtschaftlicher Erfolge schon seit einigen Jahren in einer sozialpolitisch sehr kritischen Phase befunden hatte [19]. Die drei bekannten Sozialwissenschaftler Hu Angang, Wang Shaoguang und Ding Yuanzhu warnten damals die Staatsführung vor der Gefahr explosiver sozialer Unruhen:

“Es sei höchste Zeit, verstärkt Massnahmen im Bereich der sozialen Sicherung zu treffen, um drohende Konflikte mit den ‚sozial schwachen’ Gruppen zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen.“ (Zhang 2003: S. 866).

Die Befriedung oder „Harmonisierung“ der ganzen Gesellschaft muss demnach ein zentrales Anliegen der Regierung darstellen:

“Denn jede Art von Unruhen schadet der politischen und gesellschaftlichen Stabilität und behindert fernerhin die Verwirklichung des „Wirtschaftsimperativs“: Die KPCh weiss genau, dass ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum ihre einzige Legitimationsgrundlage ist [20]. Da aber Chinas Wirtschaftserfolge in vieler Hinsicht den billigen Arbeitskräften und einem relativ friedlichen und zugleich freundlichen Investitionsklima zu verdanken sind, tut die chinesische Staatsführung fast alles, um diesen Status auch weiterhin aufrechtzuerhalten.“ (Zhang 2003: S. 866).

Zu einem beträchtlichen Teil wird dieses Vorhaben auch vom Aufbau eines funktionierenden Systems der sozialen Sicherung abhängen. Die seit März 2003 durch den Ausbruch der Lungenkrankheit SARS verursachte Krise lieferte einen zusätzlichen Anstoss, diesen Prozess zu beschleunigen. Gemäss dem Sinologen Zhang Junhua werden Erfolg oder Misserfolg dieses Projekts über die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung im ganzen Land entscheiden.

Ich werde im Folgenden sowohl die Entwicklung als auch die Funktionsweise des Systems der sozialen Sicherung in der VR China darstellen und mich damit auseinander setzen, wobei ich vornehmlich auf die vielen Veränderungen seit 1978 eingehen möchte. Am Schluss folgt noch eine Darstellung eines aufschlussreichen Artikels, über den nach wie vor bestehenden Zusammenhang zwischen Ideologie und politischer Legitimität in der VR China, um das bisher über die Verlautbarungen der gegenwärtigen Regierung Gesagte in einen sozialpolitischen Zusammenhang zu stellen.

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2 Das System der sozialen Sicherung in der VR China

2.1 Begriffsdefinitionen: Sozialpolitik und Sozialversicherung

Sozialpolitik:
Hier folge ich im Wesentlichen der Definition von H. Lampert von 1980:

“(Massnahmen zur) Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der sozialen Stellung solcher Personenmehrheiten, die absolut oder relativ, d.h. im Vergleich zu anderen, als wirtschaftlich und/oder sozial schwach gelten, sowie...(zur) Sicherung der wirtschaftlichen Lage und der sozialen Stellung solcher Personenmehrheiten, die nicht in der Lage sind, auf sich gestellt für diese Risiken Vorsorge zu treffen.“ (Reinhold 2000, S. 612-613)

In seinem Artikel richtet sich Junhua Zhang nach der folgenden Definition von Sozialpolitik:

“In der vorliegenden Untersuchung werden unter Sozialpolitik die Kernbereiche der von der klassischen Sozialversicherung abgedeckten Risiken verstanden. Diese schliessen Krankenversicherung, Rentenversicherung, Unfallversicherung und Arbeitslosenversicherung sowie die Sicherung des Existenzminimums ein (Heise 1980). Arbeitsmarkt- oder Wohnungspolitik, aber auch die Einkommenspolitik, die gleichfalls sozialpolitischen Zielen dienen können und somit teilweise auch als Sozialpolitik bezeichnet werden können, sollen hier jedoch nicht berücksichtigt werden.” (Zhang 2003, S. 867)

Ergänzt wird die Liste noch durch die Mutterschaftsversicherung sowie die soziale Fürsorge und die Versorgung aus dem Staatsbudget. (Wesner 2005) Damit ergibt sich folgende Aufteilung:

Die erste Säule: die fünf Bereiche der Sozialversicherung

  • Rentenversicherung

  • Krankenversicherung

  • Arbeitslosenversicherung

  • Invaliden-/ Unfallversicherung

  • Mutterschaftsversicherung

Die zweite Säule: soziale Fürsorge und Versorgung aus dem Staatsbudget

  • Sozial- und Katastrophenhilfe

  • Soziale Wohlfahrt, Sonderversorgungen und kommunale Dienste

Die drei letztgenannten Bereiche werde ich aus Gründen des Platzes und der Relevanz ausser Acht lassen.

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2.2 Historische Entwicklung

Die Entwicklung des Systems sozialer Sicherung in der VR China kann in vier Phasen aufgeteilt werden [21]:

2.2.1 Die erste Phase (1949-1966): Aufbau und Konsolidierung

Während der ersten Phase wurde ein soziales Sicherungssystem nach sowjetischem Vorbild aufgebaut und konsolidiert. Im Jahre 1951 erliess man die „Regelungen für die Arbeitsversicherung in der VR China“ für die städtischen Gebiete Chinas. Man benutzte bewusst nicht den Begriff „Sozialversicherung“, da er für die chinesischen Kommunisten einen kapitalistischen Beigeschmack hatte. Ebenfalls aus ideologischen Gründen gab es damals keine Arbeitslosenversicherung, da das Problem der Arbeitslosigkeit laut der orthodoxen marxistischen Theorie jenseits des Sozialismus liegt. Gemäss diesen Regelungen konnten die städtischen Erwerbstätigen alle Arten sozialer Leistungen in Anspruch nehmen. Die Landbevölkerung wurde nicht von diesem System miterfasst. Ihre „Sozialversicherung“ bestand aus der Familie sowie einem Stück Ackerland. Für eine nur äusserst kleine Gruppe galt zudem das Fünf-Garantien-System, wonach die älteren, arbeitsunfähigen Menschen und die Waisen, welche ohne sonstige Unterstützung seitens der Familie oder Verwandten den Lebensunterhalt bestreiten mussten, mit Nahrung, Obdach, Kleidung, medizinischer Fürsorge und Vorkehrungen für die Beerdigung (sowie Schulbildung für die Waisen) versorgt wurden. Wegen der Industrialisierungsbemühungen des Staates wurden die ländlichen Gebiete gegenüber den Städten allgemein benachteiligt. Um die städtischen Gebiete vor allfälliger Landflucht zu schützen, wurde 1958 ein Registrierungssystem eingerichtet, welches es der Landbevölkerung erschweren sollte, in die Städte zu ziehen. Im selben Jahr wurden auf dem Land die Volkskommunen gegründet, die eine allumfassende wirtschaftliche und soziale Kontrolle ermöglichten. Das Versprechen vom „Grossen Vorsitzenden“ Mao Zedong, wonach der chinesische Sozialismus den Unterschied zwischen Stadt und Land einebnen sollte, wurde nicht eingelöst.

2.2.2 Die zweite Phase (1966-1978): Zerstörung und Reorganisation

Die zweite Phase war von der Zerstörung des bis dahin in den Städten aufgebauten sozialen Sicherungssystems geprägt [22]. Während der zehnjährigen Kulturrevolution entzog man dem Gewerkschaftsbund sein Mandat zur Durchführung der nationalen Sozialpolitik, womit die Betriebe als Finanzquellen die einzigen Träger des Systems blieben. Gleichzeitig wurden während den ersten beiden Phasen und besonders in den 70er Jahren die „Arbeitseinheiten“ in den Städten aufgebaut und ausgeformt. Sie mussten dem Arbeitnehmer unter anderem die üblichen Sozialleistungen gewährleisten und zeichneten sich durch ihre Allfunktionalität und absolute Kontrolle über ihre Mitglieder aus. Dabei übernahmen sie viele Funktionen, die heute in China privat geregelt werden, wie zum Beispiel die Wohnungsvermittlung sowie die Ausbildung der Kinder. Die praktische Unkündbarkeit der Arbeitnehmer bedeutete, dass ein Arbeitsplatz für seinen Inhaber zur „eisernen Reisschüssel“ (Vgl. Punkt 1.2) wurde. Diese so verursachten hohen „Sozialkosten“ verminderten die Produktivität und Effizienz der „Arbeitseinheiten“ wesentlich. Auf dem Land begann man in den 70er Jahren mit dem Aufbau eines breiten Netzwerks der medizinischen Grundversorgung, welches von so genannten „Barfuss-Ärzten“ (Laienmediziner und damit günstige Ärzte) unterhalten wurde. Es wurde von den Volkskommunen finanziert und erfasste über 80 Prozent der ländlichen Regionen.

2.2.3 Die dritte Phase (1978-1995): Reformen und soziale Ungleichheit

Die dritte Phase begann mit der Lancierung der Reformpolitik [23]. Den „Arbeitseinheiten“ wurde immer mehr Autonomie in der Gestaltung einer eigenen „Sozialpolitik“ gewährt, was auch dazu führte, dass sich die Fälle des Missbrauchs von Geldern der Krankenkasse sowohl durch die Betriebsleitungen als auch durch die Arbeitnehmer selbst mehrten. So stieg zwischen 1978 und 1993 der Anteil der Ausgaben für soziale Sicherung an den Gesamtlohnkosten von 13,7 auf 34 Prozent. Mit der Einführung der Kündigungsmöglichkeit für neue Arbeitskräfte in Staatsbetrieben begann man Mitte der 80er Jahre mit der Reform im Sozialsystem. Allerdings fehlte noch ein klares Konzept für die kurz-, mittel- und langfristige Entwicklung. Auf dem Land wurden langsam die Kommunen aufgelöst, wobei die dadurch weg brechende Versorgung nicht durch ein Reformkonzept im Bereich der sozialen Sicherung ersetzt wurde. Die soziale Absicherung verschlechterte sich durch die Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen markant. Zusätzlich mussten die Bauern nach anfänglichen wirtschaftlichen Erfolgen erhebliche Einnahmeverluste hinnehmen, womit auch das Selbstversorgungsmodell durch die Familie in vielen Regionen immer stärker ausgehöhlt wird.

2.2.4 Die vierte Phase (1995-?): „Vergesellschaftung“ und „Wohlfahrtsstaat auf bescheidenem Niveau“

Die vierte Phase begann mit der 5. Plenarsitzung des 14. Zentralkomitees im September 1995 und reicht bis zur Gegenwart [24]. Damals anerkannte man per eindeutigen Beschluss, dass China ein neues Sozialsystem benötigte, um einerseits die politische Stabilität und Legitimität der KPCh zu sichern und andererseits das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten: „Die politische Führung Chinas spürte, dass die gesellschaftliche Spannung zwischen Reformgewinnern und –verlierern von Tag zu Tag wuchs.“ (Zhang 2003: 869). Wegen seiner knappen Finanzressourcen sah sich der Staat allerdings nicht in der Lage, die bisherige sozialpolitische Praxis auch nur in der Stadt fortzusetzen. Deswegen wiederum musste er zu hohe Kosten des Strukturwandels im Bereich des sozialen Sicherungssystems verhindern. Im 10. Fünfjahresplan (2001-2006) wurde deshalb die „Vergesellschaftung“ des Sozialsystems festgelegt:

„In den städtischen Gebieten soll ein soziales Sicherungsnetz mit einer mehrschichtigen Finanzierung aufgebaut werden, an der neben dem Staat und den Arbeitgebern auch Arbeitnehmer sowie Privatversicherer und –versicherte als Träger beteiligt sind. Ferner soll die Form der Finanzierung flexibel und vielfältig sein. Gesetzlich festgelegte Steuern, Beiträge und die staatliche Unterstützung werden zwar einen Teil der Finanzierung ausmachen, aber auch an der Börse gelistete Fonds und Versicherungsfirmen oder Lotterien sollen Quellen eines ‚Wohlfahrtsstaates auf bescheidenem Niveau’ sein.” (Zhang 2003: 869).

Die „Vergesellschaftung“ des sozialen Sicherungssystems führte ausserdem dazu,

“…dass eine ganze Palette von Funktionen, die früher als eine Selbstverständlichkeit von einem Betrieb gewährleistet werden sollten, wie etwa die Zuweisung von Wohnungen oder die Einrichtung eines besseren Kindergartens, inzwischen dem freien Markt überlassen sind. Die damit erreichte finanzielle Entlastung soll den Betrieben die Konzentration auf die Produktion ermöglichen.” (Zhnag 2003: 869.; Vgl. Punkt 1.2)

Auf dem Land sieht die Regelung der sozialen Sicherung anders aus, da sie vor allem über die Familien erfolgt.

“Ein besonderes Problem stellen zudem die Wanderarbeiter dar, deren Zahl seit 1980 von Jahr zu Jahr wächst. (...) Einerseits beschleunigt die Abwanderung den Alterungsprozess in den ländlichen Gebieten, da die Mehrheit der Wanderarbeiter junge Menschen sind, andererseits sind die Wanderarbeiter in der Stadt de facto von dem System der sozialen Sicherung ausgeschlossen.” (Zhang 2003).

Die gegenwärtige Situation der sozialen Sicherung soll nun im Folgenden etwas genauer dargestellt werden.

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3 Das gegenwärtige Sozialversicherungssystem in der VR China: Charakteristika und Hauptprobleme

Die Ausführungen des nun folgenden Hauptteils dieser Arbeit beruhen im Wesentlichen auf den Darstellungen und Daten einer Bestandesaufnahme der Situation aus dem Jahre 2005 im Auftrag des Beijinger Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung [25].

3.1 Rentenversicherung

3.1.1 Demographische Merkmale der VR China

Die demographische Entwicklung des Landes hat dazu geführt, dass das „Rentenproblem“ Chinas mittlerweile besonders dringlich ist – ein Zustand, der sich in Zukunft voraussichtlich verschlimmern wird [26]. Die strikten Auflagen der chinesischen „Ein-Kind-Politik“ seit Anfang der 80er Jahre haben zwar wie beabsichtigt das Bevölkerungswachstum bremsen können, doch haben sie andererseits auch bedeutende Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur herbeigeführt: die VR China ist heute aufgrund besonders geburtenstarker Jahrgänge zwischen 1959 und 1970 und einer insgesamt steigenden Lebenserwartung mit den Merkmalen und Herausforderungen einer rapide alternden Bevölkerung konfrontiert. Gemäss offiziellen Angaben ist der Anteil der unter 14-jährigen zwischen 1982 und 2002 von 33,6% auf 21,2% gesunken, während der Anteil der über 65-jährigen von 4,9% auf 8,2% gestiegen ist. Dieser Trend wird sich voraussichtlich noch über Jahrzehnte hinweg fortsetzen. Damit werden in Zukunft immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Mittlerweile wird sogar über eine allfällige Unterbindung der „Ein-Kind-Politik“ spekuliert. (The Economist 2004) [27]

3.1.2 Gestaltung der Rentenversicherung in den Städten

Im Jahre 1997 wurde die „einheitliche staatliche Grundrentenversicherung für Arbeitnehmer in Betrieben“ beschlossen, wobei sie heute noch Gültigkeit hat [28]. Dieses System der Altersrente beruht auf einem Drei-Säulen-Modell, gemäss dem die Versorgung durch einen betrieblichen Beitrag, einen Beitrag der Erwerbstätigen und allenfalls eine Zusatzversicherung bei kommerziellen Versicherern geleistet wird.

Die erste Säule ist eine Grundsicherung und setzt sich aus einem Sozialkonto und einem individuellen Konto zusammen. Der Arbeitgeber leistet hierbei einen Beitrag in Höhe von durchschnittlich 20% der Gesamtlohnsumme des Betriebes, der in einen Fondsanteil (13%) und in einen Anteil für die privaten Konten der Angestellten (7%) aufgeteilt wird. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge auf dem Individualkonto sollen sich auf insgesamt 11% des jeweiligen Gehalts belaufen. Anfangs zahlte der Arbeitnehmer (zweite Säule) einen Beitragssatz von 4% des beitragspflichtigen Lohnes ein. Dieser erhöhte sich aber zwischen 1998 und 2006 auf 8%, während der Arbeitgeberanteil (erste Säule) stufenweise von 7% auf 3% gesenkt wurde.

Die dritte Säule stellt eine Zusatzversicherung dar, wobei es dem Arbeitgeber frei steht, die Angestellten durch eine zusätzliche Betriebsversicherung abzusichern [29]. Obwohl hierzu vom Staat steuerliche Anreize geschaffen werden, wird diese Zusatzversicherung nur selten angeboten. Damit bildet das individuelle Sparen die dritte Säule: der Erwerbstätige darf sie frei gestalten und sich entweder an kommerzielle Versicherer wenden oder sein Kapital anderweitig anlegen.

Das Rentensystem der VR China wird heute durch eine Mischform aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren finanziert, womit man zwecks Risikoausgleichs der jeweiligen Einzelverfahren ein Mehrsäulensystem praktiziert [30]. Die erste Säule ist im Umlageverfahren geregelt und soll eine Mindestrente garantieren, während die zweite und dritte Säule als Kapitaldeckungsverfahren organisiert sind. Um Rentenzahlungen zu erhalten, muss man einerseits das Rentenalter erreicht haben (55 Jahre bei Frauen und 60 Jahre bei Männern); andererseits muss man mindestens 15 Jahre lang eingezahlt haben, um Zuwendungen aus dem Sozialfonds erhalten zu können (20% des Vorjahres-Durchschnittslohns monatlich). Wer die zweite Bedingung nicht erfüllt, hat nur Anspruch auf den monatlichen Beitrag vom Individualkonto, welcher 1/120 der Gesamtsumme beträgt und 10 Jahre lang ausgezahlt wird.

3.1.3 Altersvorsorge auf dem Land

In ländlichen Gebieten gibt es kein entsprechendes Altersrentensystem, was bedeutet, dass die Mehrheit der chinesischen Bevölkerung keine staatliche Rentenunterstützung erhält [31]. Im Wesentlichen hat es hier seit den 50er Jahren keine Veränderungen im Sozialsystem gegeben, sodass hier nach wie vor die Familie die wichtigste Stütze für die ältere Generation ist. In diesem Zusammenhang ist allenfalls das so genannte „Fünf-Garantien-System“ hervorhebenswert: 1956 eingerichtet, sollte es fortan Alten und Waisen ohne familiäre Unterstützung eine Wohnung, Nahrung, Kleidung, eine medizinische Grundversorgung sowie finanzielle Unterstützung für die Beerdigung und die Grundbildung für Waisenkinder gewährleisten. Gemäss offiziellen Angaben profitierten 2003 allerdings lediglich circa 2,5 Millionen von diesem System. Damit beruht das ländliche System heute noch vor allem auf Selbsthilfe und dörflicher Wohlfahrt.

1992 wurden im Rahmen des „grundlegenden Plans zur ländlichen sozialen Rentenversicherung“ Anstrengungen unternommen, alle Personen zwischen 20 und 59 Jahren mit einem ländlichen Wohnsitz vom System zu erfassen und zu einer monatlichen Abgabe zwischen 2 und 20 Yuan RMB zu bewegen [32]. Dazu kamen freiwillige Zuschüsse seitens der Kommunen sowie eventuelle Steuerbegünstigungen durch den Staat. Dieser Ansatz beruhte weitgehend auf freiwilliger Basis und hat weniger den Charakter eines durchstrukturierten Rentensystems, sondern gleicht eher einem „Sparen unter Anleitung“. Die Beteiligung der Landbevölkerung an diesem Programm weist denn auch je nach Region oder Provinz grosse Unterschiede auf. Bis 1997 erhielten lediglich 557'900 Rentner entsprechende Zahlungen, wobei die durchschnittliche jährliche Rentenzahlung nicht mehr als 573 Yuan RMB pro Person betrug. Ausserdem beanspruchte die Verwaltung des Systems etwa 28% der Einnahmen. Aufgrund der fehlenden Rechtssicherheit und ihres Misstrauens gegenüber den oft korrupten mit der Verwaltung betrauten lokalen Kadern bestehen unter der Landbevölkerung erhebliche Zweifel ob des Nutzens dieser Versicherung.

Im Jahre 2000 wurden zwei wesentliche Neuerungen im ländlichen Rentensystem eingeführt: Einerseits wurde das städtische Sozialversicherungssystem auf die auf die ländlichen „Town-Village-Enterprises“ (TVE) erweitert, andererseits legte man eine Altersunterstützung von jährlich mindestens 600 Yuan RMB für Ehepaare, die nur ein Kind oder zwei Mädchen haben, fest [33]. Dieser Betrag wird ab dem 60. Lebensjahr bis zum Tod ausgezahlt. Nach Angaben des Ministeriums für Arbeit und soziale Sicherheit (MOLSS) waren im Jahre 2004 etwa 53,8 Millionen Menschen auf dem Land am Versicherungssystem beteiligt, während etwa 2 Millionen Rentner Rentenzahlungen bezogen. Dies stellt nur einen kleinen Teil der potentiell erfassbaren Bevölkerung dar, womit man bis heute nicht von einer sozialen Absicherung der ländlichen Bevölkerung sprechen kann.

3.1.4 Mängel des Rentensystems

Die Einführung des Mehrsäulensystems im Rahmen der Rentenreform im Jahre 1997 bedeutete für die VR China einen wichtigen Schritt in Richtung eines modernen Systems, welches den gegenwärtigen wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungstendenzen des Landes Rechnung trägt [34]. Allerdings werden solche Reformen besonders im Rentensystem erst in der Zukunft greifbare Ergebnisse zeitigen können. Gegenwärtig hingegen stellen sich, neben der Erfassung nur eines kleinen Teils der ländlichen Bevölkerung, erhebliche Transformationsprobleme:

  • Finanzierung
    Die Finanzierungsschwierigkeiten bei der Umsetzung des noch relativ neuen Mehrsäulensystems sind besonders schwerwiegend
    [35]. Die derzeit erwerbstätige Bevölkerung hat im Grunde eine doppelte Belastung zu tragen, da sie in der Übergangsphase sowohl für die jetzigen Rentner als auch für ihre eigene Rente aufkommen müssen. Weil die individuellen Konten erst in den 90er Jahren eingerichtet wurden, konnte man für die jetzige Rentnergeneration nicht ausreichend Kapital anhäufen. Da nun die Sozialfonds nicht die Mittel haben, um die Kosten bei einem steigenden Anteil der über 60-jährigen zu decken, muss auf das Kapital der Privatkonten der Arbeitnehmer zugegriffen werden. Die Ursache dieses akuten Mangels ist auch im erschreckenden Missmanagement der Sozialfonds zu suchen: Die Gelder wurden teils unrentabel angelegt oder schlichtweg zweckentfremdet für Investitionen in Infrastruktur, Grund und Boden oder Aktienkäufe oder auch als Kredite an Dritte. Ausserdem verlieren die Fonds durch Inflation an Wert. Diese Aushöhlung der Alterssicherung für die aktive Bevölkerung führt dazu, dass die individuellen Konten nur noch dem Namen nach bestehen, faktisch aber nahezu leer sind. Bis im Jahre 2004 sollen bereits 600 Milliarden Yuan RMB von den Privatkonten abgezogen worden sein – eine schier unglaublich hohe Zahl! Aus dem vorhergehenden wird ersichtlich, dass das in der Theorie angestrebte Teilkapitaldeckungsverfahren in Wirklichkeit ein Umlageverfahren ist.

  • Zuständigkeiten und Regelungen
    Es gibt keine einheitlichen verbindlichen Regelungen, stattdessen hat jede Provinz und regierungsunmittelbare Stadt eigene Bestimmungen bei der Umsetzung
    [36]. Daraus folgen ein höherer Verwaltungsaufwand, eine ineffiziente Umsetzung sowie mangelnde Transparenz. Des weitern verhindert die so grössere Gebundenheit an den jeweiligen Ort oder Arbeitsplatz der Arbeitnehmer die Entstehung eines unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wünschenswerten flexibleren Arbeitsmarktes. Zudem sind viele öffentliche Ämter an der Umsetzung der Bestimmungen beteiligt, was wegen unklaren Kompetenzabgrenzungen die Undurchsichtigkeit zusätzlich steigert und die Glaubwürdigkeit des Systems unterminiert. Der andauernde Reform- und Übergangscharakter des Rentensystems verunmöglicht auch eine eindeutige Planungsgrundlage. Zu guter Letzt ist noch das sehr geringe Rechtsbewusstsein eines Grossteils der Bevölkerung zu nennen, welches die Situation noch zusätzlich verkompliziert.

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3.2 Krankenversicherung

3.2.1 Gesundheit in der VR China

Die Gesundheit der Bevölkerung wird mit Recht als eine der wichtigsten Vorbedingungen für eine harmonische Gesellschaft betrachtet. Umgekehrt ist der Zusammenhalt einer Gesellschaft, welche es nicht schafft, eine für alle erschwingliche medizinische Versorgung zu gewährleisten, stark gefährdet. (Cook 2007, S.100) Sollte dies allgemein zutreffen, so ist die VR China derzeit mit einem Problem von immensem Ausmass konfrontiert, denn ihr Gesundheitssystem steht nun schon seit einiger Zeit vor gewaltigen Herausforderungen. (Wesner 2005, S.24) Insgesamt scheint es so, als wäre die Gesundheit momentan der problematischste aller durch das soziale Sicherungssystem abgedeckten potentiellen Krisenherde der Volksrepublik - immer wieder wird in den Medien von der anhaltenden Misere in diesem Bereich berichtet: Über die Aids-Krise in der Provinz Henan (The Economist 2005 [37] und 2007 [38]), die chronische Unterversorgung auf dem Land (The Economist 2003) [39], die generelle Vernachlässigung des Gesundheitswesens während den Reformen (The Economist 2004) [40] bis hin zu den negativen Folgen der Privatisierungsmassnahmen (The Economist 2005) [41]. Schliesslich konnte man auch noch von der Zunahme der Diagnosen von Krankheiten lesen, welche als solche erst spät und nur in modernen Gesellschaften aufgetaucht und spezifisch auf eine zunehmende berufliche Belastung zurückgeführt werden (Depression, etc.). (The Economist 2007) [42] Im Jahre 2005 gestand die politische Führung ihr Versagen in diesem Bereich ein und sie hat für den diesjährigen NVK am 5. März die Enthüllung eines neuen Plans angekündigt. (The Economist 2008) [43]

3.2.2 Gestaltung der Krankenversicherung in den Städten

1998, nach einigen Experimenten und Pilotprojekten zwecks Reform, wurden in dem „Beschluss zur Basiskrankenversicherung für Arbeiter und Angestellte in den Städten“ die Grundkoordinaten des bis heute bestehenden Systems festgelegt. Die drei Grundprinzipien der Reform waren folgende:

  • Niedriges Niveau: das neue Krankenversicherungssystem sollte dem wirtschaftlichen Entwicklungsstand entsprechen und an die Leistungsfähigkeit der Unternehmen angepasst werden, d.h. zunächst war nicht mehr als die Garantie der absoluten Basissicherung Ziel der Reform.

  • Erweiterte Abdeckung: die Basiskrankenversicherung sollte gelten für ‚alle Arbeiter, die in staatlichen, kollektiven und privaten Betrieben arbeiten, sowie [für, d. V.] Beamte und Angestellte, die in den Partei- und Staatsorganen oder in öffentlichen Anstalten und Erziehungsinstitutionen arbeiten’. Damit wurde der Kreis der versicherten Personen erweitert auf Beschäftigte anderer städtischer Unternehmensformen, gleichzeitig fiel aber die Familienversicherung weg, welche früher die Angehörigen der Betriebsangestellten mit versicherte.

  • Aufteilung der finanziellen Lasten auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer. (ebd., S.26-27)

Die Betriebe zahlen dabei 6% der Gesamtlohnsumme, wovon wiederum 70% auf das Sozialkonto und 30% auf das Individualkonto der Versicherten fliessen. Die Arbeitnehmer hingegen führen 2% ihrer Löhne auf ihr jeweiliges Individualkonto ab. [44] Zunächst werden die Krankenkosten von dem individuellen Konto des Versicherten getragen; falls die Kosten dann über der dort vorhandenen Summe zu liegen kommen, muss der Versicherte den Rest selber aufbringen. Der entsprechende Eigenbetrag kann bis zu 5% seines Jahreseinkommens betragen. Aus dem Sozialfonds fliessen erst dann Gelder, wenn der zu zahlende Betrag zwischen 10% und dem Vierfachen des regionalen durchschnittlichen Jahreseinkommens liegt. Wenn die Kosten dieses Höchstmass übersteigen, sollen Zusatzversicherungen (entweder als betriebliche oder individuelle Extra-Versicherung) ins Spiel kommen.

3.2.3 Medizinische Versorgung auf dem Land

Das nach Dörfern organisierte Gesundheitssystem hat seit dem Ende der 70er Jahre mit der Auflösung der Volkskommunen einen herben Rückschlag erlitten [45]: 1979 verfügten noch 80% der Dörfer mit circa 85% der dörflichen Bevölkerung über ein kooperatives medizinisches Gesundheitssystem, Mitte der 80er Jahre waren dies nur noch 5,3% aller Dörfer mit 5% der Landbevölkerung. Die Kollektive hatten ihre Versorgungsfunktionen weitgehend verloren, womit die Gesundheitskosten wieder direkt auf die Familien zurückfielen. Obwohl die Krankenhäuser auf der Kreisebene weiterhin staatliche Mittel erhielten, wurden die dörflichen Gesundheitsstationen jedoch zum grossen Teil privatisiert und verlangten von nun an Behandlungsgebühren. Deswegen gibt es seit den 90er Jahren staatliche Initiativen, um die Situation insgesamt wieder zu verbessern: die Wiederbelebung der kooperativen Versorgung, die Festigung des dreistufigen Versorgungsnetzes (Kreis-, Gemeinde-, und Dorfebene), der Wiederaufbau staatlicher Gesundheitsstationen sowie eine Unterstützung zur Versorgung von Armutsfamilien. Im Grossen und Ganzen kann allerdings kaum von einem Erfolg der Massnahmen gesprochen werden, da es nur vereinzelt und ausschliesslich in relativ wohlhabenden Gebieten zu kleineren positiven Veränderungen gekommen ist.

3.2.4 Mängel des Krankenversicherungssystems

Auch am Gesundheitssystem ist nur ein kleiner Teil der Landbevölkerung beteiligt: Im Jahre 2005 waren das etwa 156 Millionen Menschen, also nur 17% der ländlichen Bevölkerung. (Wesner 2005: S.31) Diese Grundsicherung ist für den Grossteil der Bevölkerung im Grunde genommen schon im Konzept gar nicht vorgesehen [46]. Aber auch in den Städten ist die Deckungsrate noch relativ niedrig. Gemäss offiziellen Angaben waren im Jahre 2005 133,41 Millionen Menschen erfasst. Bei einer Gesamtzahl von 256.39 Millionen Erwerbstätigen bedeutet das einen Prozentsatz von 52% krankenversicherter städtischer Beschäftigter. Der Grund für diese niedrige Deckungsrate liegt darin, dass längst nicht alle Unternehmen in der Lage sind, die Sozialabgaben zu zahlen.

Viele der aktuellen Probleme sind auch darin begründet, dass sich beim neuen medizinischen System ein marktorientierter Ansatz durchgesetzt hat [47]. Die Profitorientierung der Pharmaindustrie, Ärzte und Krankenhäuser nimmt gegenüber humanitären Aspekten und Zielen meist eine Vorrangsstellung ein. Dieser Umstand wird denn auch in der Wissenschaft und den Medien als eines der Hauptübel sowie eine der wichtigsten Ursachen für das Scheitern des Systems genannt. Die niedrigen staatlichen Zuwendungen führen dazu, dass die medizinischen Einrichtungen die Kosten auf die Patienten abwälzen, teils durch die Erhebung von exorbitanten Gebühren und horrenden Preisen für Medikamente. Obgleich es zwischen 1997 und 2005 siebzehn zentral angeordnete Preissenkungen für Medikamente gab, besteht kaum Grund zur Hoffnung: Die Pharmaindustrie und die Ärzte reagieren jeweils umgehend mit äusserst wirkungsvollen Gegenmassnahmen, um den durch solche Preissenkungen entstandenen finanziellen Druck wieder aufzufangen, womit der Verbraucher der Verlierer des Systems bleibt. Weil sich viele Familien die medizinische Versorgung schlichtweg nicht leisten können, verzichten sie häufig auf eine ärztliche Behandlung, die Einnahme von Medikamenten oder einen erforderlichen Krankenhausaufenthalt [48]. Gemäss einer Studie des Gesundheitsministeriums lassen sich im Krankheitsfall insgesamt 48,9% nicht behandeln, während sich 29,6% nicht ins Krankenhaus einliefern lassen. Auf dem Land ist dieses Problem noch ausgeprägter – dort verzichten 73% auf eine Behandlung.

“Viele Menschen sind vor die Alternative ‚krank oder arm’ gestellt, da die Kosten für eine medizinische Behandlung oft das Kapital der ganzen Familie in Anspruch nehmen bzw. in den meisten Fällen sogar eine Verschuldung hervorrufen.“ (Wesner 2005: S. 34)

Zudem kann es auch passieren, dass man trotz Krankenversicherung tief in die Tasche greifen muss – etwa bei Notfällen (!) oder Krankheiten, welche nicht im festgelegten Katalog von der Krankenkasse aufgeführt sind.

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3.3 Arbeitslosenversicherung

3.3.1 Die Arbeitslosigkeit als wachsendes Problem in der VR China

Seit der Einführung von Arbeitsverträgen und der Kündigungsmöglichkeit im Jahre 1986 existiert in der VR China offiziell das Problem der Arbeitslosigkeit, welches sich seither regelmässig verschärft hat. (Wesner 2005: S.35) Gemäss offiziellen Angaben lag die Arbeitslosenzahl im Jahre 2004 in den Städten bei 8,27 Millionen, was einer Rate von 4,2% entspricht. Allerdings sind hierin verschiedene betroffene Gruppen nicht mit enthalten: die aus staatlichen Unternehmen entlassenen Beschäftigten ohne neue Anstellung, die zahlreichen unfreiwilligen Frührentner, sowie Jugendliche und Absolventen, die noch keine Arbeit gefunden haben. (Wesner 2005: S.36) Zusätzlich wird die Zahl der überschüssigen Arbeitskräfte auf dem Land auf 150 Millionen geschätzt. (Wesner 2005: S.40) Gemäss einer Umfrage unter der städtischen Bevölkerung im Jahre 2001 ist die Arbeitslosigkeit damit zum Problem Nummer Eins geworden. (Zhang 2003(2), S.986) Drei Jahre später erklärte Chinas Premierminister Wen Jiabao die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu einer der höchsten Prioritäten seiner Amtszeit. (The Economist 2004) [49]

3.3.2 Regelungen der Arbeitslosenversicherung

Die Initiative zu einer einheitlichen zentralen Regelung der Arbeitslosenversicherung wurde erst relativ spät, nämlich im Jahre 1999 nach der Gründung des Ministeriums für Arbeit und soziale Sicherung (MOLSS) ergriffen, als der Staatsrat die „Bestimmungen zur Arbeitslosenversicherung“ erliess [50]. Gemäss den da festgeschriebenen neuen Regelungen sollten fortan Beschäftigte aller städtischen Unternehmensformen am System beteiligt werden können. Wie bei der Renten- und der Krankenversicherung wurden hier die Kosten auf staatliche Stellen, Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber aufgeteilt: Der Arbeitgeber steuert 2% der Gesamtlohnsumme des Betriebs bei, während der Arbeitnehmer 1% einzahlt. Diese Beiträge bilden zusammen mit zusätzlichen Mitteln der Lokalregierungen sowie den Zinsen daraus die Fonds.

“Die Dauer der Auszahlungen richtet sich nach der Höhe und Dauer der Beitragszahlungen durch den Versicherten und seinen Betrieb. 12 Monate Unterstützung bekommt man, wenn man 1-5 Jahre eingezahlt hat, maximal 18 Monate Unterstützung bekommt man, wenn man bis zu 10 Jahren Beiträge gezahlt hat, und maximal 24 Monate bei Beitragszahlungen über eine Dauer von 10 Jahren. Für die Höhe der Arbeitslosenversicherung gibt es keine konkreten Angaben, bis auf die Regelung, dass sie unter der minimalen Durchschnittslohnsumme und über der minimalen Existenzsicherung der städtischen Bevölkerung liegen soll. Die tatsächlichen Auszahlungsmodalitäten werden von den Provinzen und autonomen Städten individuell nach den regionalen Rahmenbedingungen festgelegt.” (Wesner 2005: S. 37-38)

Grundsätzlich ist der Anspruch auf den monatlichen Erhalt der Arbeitslosenunterstützung verbunden mit einer mindestens ein Jahr dauernden Beitragszahlung, einer nicht eigenmächtigen Kündigung seitens des Beschäftigten sowie der vorschriftsmässigen Meldung der Arbeitslosigkeit bei den entsprechenden Behörden [51]. Zur Abfederung des um sich greifenden Problems der Arbeitslosigkeit werden seit 1999 Massnahmen zur „Wiederbeschäftigung ‚freigesetzter Arbeiter’ [52]“ getroffen:

“Massnahmen also, die als eine Art Puffer fungieren, da die hier Betroffenen weder beschäftigt noch arbeitslos sind (und demnach auch nicht in den Statistiken auftauchen). Unter anderem werden hier Gebührenbefreiungen oder Steuerentlastungen für die Betroffenen erlassen. Kern dieser Politik ist aber die Einrichtung von Servicezentren innerhalb der Unternehmen zur Förderung von Wiederbeschäftigung.” (Wesner 2005: S. 38)

Diese Zentren übernehmen während drei Jahren die Zahlung einer Grundsicherung (ein Betrag zwischen dem Arbeitslosengeld und der minimalen Lohnsumme) und die Fortzahlung der Sozialversicherungsbeiträge (inklusive des Arbeitnehmerbeitrags). Darüber hinaus werden die Betroffenen hier beraten und bei der Organisation ihrer Weiterbildung beziehungsweise Umschulung oder auch Wiederbeschäftigung unterstützt.

3.3.3 Mängel der Arbeitslosenversicherung

Trotz einigen gelegentlich festzustellenden kleinen Fortschritten in der Arbeitslosigkeitsbekämpfung und vielen bemerkenswerten Anstrengungen seitens der Regierung ist das Land, im Lichte des Ausmasses der arbeitspolitischen Probleme, von einer stabilen Situation noch sehr weit entfernt [53]. Die Zahl der neu eintretenden Arbeitskräfte überstieg den entsprechenden Wert bei den Arbeitsplätzen im Jahre 2004 – ein Trend, der sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Zusätzlich erhöhen die Massen der Wanderarbeiter den Beschäftigungsdruck in den Städten massiv und verschärfen damit auch das Problem der Arbeitslosigkeit erheblich. Auf dem Land zählte man im Jahre 2005 circa 150 Millionen überschüssige Arbeitskräfte, während man in den Städten von etwa 11 Millionen Arbeitslosen und freigesetzten Arbeitern ausging. Damit wird deutlich, dass die zu bewältigenden Schwierigkeiten enorme Ausmasse angenommen haben und „dass das derzeitige System der Arbeitslosenversicherung diesen Herausforderungen noch nicht gerecht werden kann.“ (ebd., S. 40)

Wie in den anderen Bereichen der Sozialversicherung besteht das Problem zunächst einmal darin, dass die Deckungsrate noch relativ gering ist, zumal ja auch hier die Landbevölkerung prinzipiell nicht erfasst ist [54]. Nach Angaben des MOLSS nahmen im Jahre 2004 105,84 Millionen an der Arbeitslosenversicherung teil, was gegenüber dem Vorjahr immerhin einen Zuwachs von 2,11 Millionen bedeutet. Im gleichen Jahr haben insgesamt 4,19 Millionen Menschen Arbeitslosenzahlungen erhalten, 40'000 mehr als ein Jahr davor. Stellt man allerdings in Rechnung, dass damals die Zahl der registrierten Arbeitslosen 8,27 Millionen betrug, muss man ernüchtert feststellen, dass nur etwa die Hälfte der (offiziell gemeldeten) Arbeitslosen finanzielle Unterstützung erhielt. Die beiden wichtigsten Gründe für die erschreckend tiefe Deckungsrate sind nachfolgend aufgeführt. Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie beide in irgendeiner Weise auf die starke Diskrepanz zwischen Angebot und Bedarf der Arbeitslosenversicherungsfonds zurückzuführen sind – die tatsächliche Arbeitslosigkeitsrate von etwa 10% alleine in den Städten kann nicht durch einen Beitragssatz von bloss drei Prozent der Lohnsumme durch die Fonds aufgefangen werden:

Verbindlichkeit
Bis heute bestehen lediglich einzelne Verwaltungsbestimmungen, die Regelungen sind aber noch in kein verbindliches Gesetz gefasst. Somit besteht auch keine Versicherungspflicht. „Viele Unternehmen beteiligen sich aus finanziellen Gründen daher gar nicht oder zögern die Versicherungszahlungen absichtlich hinaus.“ (Wesner 2005, S.40)

Verwaltung der Fonds
Die Gelder werden auch hier regelmässig und in grossem Stile zweckentfremdet, beispielsweise zur Rettung maroder Unternehmen. Teils werden sie auch „wieder an die Unternehmen zurückgezahlt, um deren Teilnahme-Motivation zu erhöhen“ (Wesner 2005., S.41) oder

“… es werden zu hohe Verwaltungsgebühren verlangt beziehungsweise einbehalten, und die Erfüllung der Voraussetzungen zum Empfang von Arbeitslosengeld sind nicht immer strikt genug geregelt. So kommt es mitunter dazu, dass Beschäftigte sowohl ihren Lohn als auch Arbeitslosenversicherungszahlen erhalten. Zudem ist die Verwaltung dezentralisiert und demnach uneinheitlich. Dadurch wird eine zuverlässige und zugleich flexible Führung der Fonds praktisch unmöglich, d.h., dass beispielsweise Gelder nicht je nach Bedürftigkeit transferiert werden können.” (Wesner 2005)

Hierin manifestiert sich wiederum das Dilemma, welches durch die grossen regionalen Diskrepanzen hervorgerufen wird:

“Einerseits müssen die Bestimmungen auf regionale Bedürfnisse und Verhältnisse abgestimmt sein, was eine regionale Lösung nahe legt. Andererseits wird die Verwaltung durch die unterschiedlichen Regelungen wesentlich undurchsichtiger und die Bewältigung der Schwierigkeiten auf die einzelnen Provinzen begrenzt.” (Wesner 2005.)

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Kooperation und Abstimmung unter den beteiligten Ministerien (MOLSS, Finanzministerium und das Amt für Rechnungsprüfung) sehr harzig gestalten, „sodass auch hier Verwaltungshindernisse entstehen.“ (ebd.)

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3.4 Invalide und Unfallversicherung

3.4.1 Die allgemeine Situation in der VR China

In der VR China sind Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitsschutz- und Hygienemassnahmen in vielen Betrieben oft mangelhaft bis gar nicht vorhanden, was bekanntermassen jedes Jahr zu einer äusserst hohen Unfallrate führt [55]. Besonders häufig betroffen sind hierbei Bergwerke, wo die Unfälle auch viele Todesopfer fordern,

“… da die Gruben – meist aus Profitgründen und weil Kontrollen im Rahmen von Vetternwirtschaft umgangen werden können – völlig unzureichend gesichert sind; in Chinas Kohlebergwerken sterben 80% der Kohleminenopfer weltweit. Im Jahr 2002 hat es nach offiziellen Angaben insgesamt 12'018 Bergwerksunglücke gegeben, bei denen 13'093 Menschen ums Leben kamen, eine Zunahme von 9,9% bzw. 8,9% gegenüber dem Vorjahr.” (Wesner 2005, S. 42)

Dieser Trend der weiteren Zunahme hat sich seither fortgesetzt. Ausserdem ist zu vermuten, dass die offiziellen Angaben den Ernst der tatsächlichen Situation stark untertreiben. Das Hauptproblem liegt wohl darin, dass sich Investitionen in mehr Sicherheit oft auch deshalb nicht rentieren, weil es günstiger ist, die Familienangehörigen der Opfer auszuzahlen. In den letzten Jahren hat die Zunahme der durch Unfälle in Kohlebergwerken verursachten Todesfälle auch zu Protestaktionen geführt. (The Economist 2004) [56]

3.4.2 Regelung der Unfallversicherung

Im Jahre 1990 wurde im Rahmen des neunten Fünf-Jahresplan der Beschluss zur Reform der Gesundheits- und Invalidenversicherung gefasst, welcher in den folgenden Jahren noch mehrmals bekräftigt wurde [57]. 2004 schliesslich traten die „Regeln über die Unfallversicherung“ in Kraft. Darin wurde festgelegt, dass nunmehr alle Unternehmen und Einzelbetriebe eingebunden werden sollten, um die Unfallversicherung auf eine breitere Basis zu stellen:

Die Unternehmen wurden verpflichtet, den Unfallversicherungs-Beitrag für ihre Beschäftigten zu zahlen. Dieser variiert je nach Branche (und ihrer Gefahrenstufe) und je nach regionalen Individualbestimmungen, generell liegt er derzeit zwischen 0,5% und 2% der Gesamtlohnsumme des Unternehmens. Die Beiträge fliessen in einen Fonds, der im Umlageverfahren organisiert ist; die Arbeitnehmer zahlen selbst keinen Beitrag. (Wesner 2005, S. 43-44)

Zudem wurden bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach einem Unfall weitere Abstufungen vorgenommen,

„… sodass es heute zehn Stufen gibt anstelle der vorherigen drei (komplette, weit reichende und teilweise Arbeitsunfähigkeit); damit wurden die Voraussetzungen für eine grössere Differenzierung und eine erhöhte Transparenz der Begutachtung geschaffen. Für die Beurteilung des Verletzungsgrades auf Grundlage der allgemeinen Standards sollen in den Unternehmen entsprechende Ausschüsse eingesetzt werden, die sich zusammensetzen aus Vertretern der Verwaltung, der Gewerkschaften, der Personalabteilung und der Arbeitseinheiten.“ (Wesner 2005, S. 44)

In der Regel umfasst die Unfallversicherung folgende Leistungen: Medizinische Behandlung und Rehabilitation, Zuschüsse wegen Lohnausfall oder Lohnminderung, Sterbegelder, Pflegegelder, Hinterbliebenenrenten sowie die Kosten für die medizinischen Hilfsgeräte. (ebd.)

3.4.3 Mängel der Unfallversicherung

Im Jahr 2004 nahmen 520'000 Menschen Unterstützung in Anspruch, während insgesamt 68,45 Millionen Menschen durch ihre Unternehmen unfallversichert waren. [58] Dies ist ein nur sehr geringer Anteil der insgesamt arbeitenden Bevölkerung, wobei auch hier wieder die Landbevölkerung generell nicht beteiligt ist. Selbst bei ausschliesslicher Berücksichtigung der arbeitenden Stadtbevölkerung ist der Anteil nicht höher als etwa ein Viertel – ein Wert, der bei weitem nicht an den, von der International Labour Organisation (ILO) vorgeschriebenen, Standard von 50-70% herankommt. Wahrscheinlicher ist die

“Einrichtung eines Entschädigungsfonds, aus dem geringere Summen gezahlt werden können, der aber nicht systematisch funktioniert oder verbunden wäre mit entsprechenden Vorkehrungsmassnahmen. Ein Grossteil der Arbeitnehmer hat demnach keine spezielle Versicherung gegen Arbeitsunfälle oder eine mögliche Arbeitsunfähigkeit.” (Wesner 2005, S. 45)

Auch hier besteht wiederum das Problem eines ineffizienten Verwaltungs- und Finanzmanagements [59]. Da die höchste administrative Ebene zumeist nicht über die Stadtebene hinausgeht, existiert eine Vielzahl untereinander nicht kompatibler Einzelregelungen. Aus diesem Grund wiederum ist zum Beispiel die Möglichkeit eines Finanzausgleichs zwischen den einzelnen Fonds schon von vorneherein verstellt, womit auch die Fähigkeit, flexibel auf Risiken, Krisen oder besondere Notfälle zu reagieren, stark eingeschränkt ist. Daher werden häufig durch individuelle Regelungen einige wichtige Bestandteile schlichtweg aus den Versicherungspflichten gestrichen, sodass sie nicht mehr in den Rahmen der Unfallversicherung fallen. Doch fehlt auch in anderen Teilbereichen eine an und für sich notwendige einheitliche Regelung von zentraler Stelle: Einerseits variiert der Beitragssatz je nach Provinz, Ort oder Unternehmen; andererseits fehlen weiterhin objektive Normen zur Festlegung des Ausmasses der Arbeits(un)fähigkeit, sodass die zehn vorhandenen Stufen des jeweiligen Grades nach wie vor zu abstrakt scheinen und einer Verfeinerung bedürften.

Ausserdem sind die Wanderarbeiter auch aus diesem Bereich der Sozialversicherung ausgeschlossen [60]. Angesichts der Tatsache, dass sie in besonderem Masse von Arbeitsrisiken betroffen sind, besteht in diesem Bereich ernsthafter Grund zur Sorge. Das Hauptproblem besteht denn auch darin, dass in vielen Betrieben die Sicherheit am Arbeitsplatz schlichtweg nicht gewährleistet ist:

“Angesichts der Tatsache, dass ein Grossteil der Arbeitsunfälle zurückzuführen ist auf ein mangelhaftes Vorbeugungssystem in den Unternehmen, also auf unzulängliche Schutzvorkehrungen und Sicherheitsmassnahmen, ist es dringend erforderlich, dass entsprechende Stellen für die Einführung von Mindeststandards Sorge tragen, die von einem höheren Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Angestellten zeugen. Eine Umkehrung der Prioritätenrangfolge wäre notwendig, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten, d.h. statt Kompensation müsste effektive Prävention an erster Stelle stehen, nicht – wie heute – umgekehrt.” (Wesner 2005, S. 46)

Obwohl die politischen Richtlinien zur Kenntnis genommen und auch auf fast jeder Baustelle auf grossen Spruchbannern bekräftigt werden, wird nach wie vor viel zu wenig getan, um sie auch konsequent umzusetzen.

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4 Der Zusammenhang zwischen Ideologie und politischer Legitimität

4.1 Die Rolle der Ideologie in der politischen Landschaft der VR China generell

Unter westlichen China-Forschern herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die letzten drei Jahrzehnte der wirtschaftlichen Reformen die Ideologie in der VR China obsolet gemacht haben. [61] Die politische Legitimität des herrschenden Regimes fusst demnach ausschliesslich auf dessen Fähigkeit, Wirtschaftswachstum zu generieren. Diese Legitimität droht dabei im Falle eines Wachstumseinbruchs sogleich wieder weg zu brechen. Die Ideologie dagegen habe einen steilen Abstieg in ihrer Relevanz für die KPCh erfahren, von einem Bündel an quasireligiösen Glaubenssätzen zu einer blossen Fassade eines Regimes, welches nur noch seiner Bezeichnung nach kommunistisch sei. Solche Ansichten widersprechen allerdings der Tatsache, dass die KPCh nach wie vor viel Zeit, Energie und Ressourcen auf die Produktion, Reproduktion und Reformierung des offiziellen Diskurses und der Ideologie verwendet.

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4.2 Ideologie während Phasen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Übergangs

Die gegenwärtige Phase der raschen Veränderungen in der VR China ist sowohl durch die hohe Geschwindigkeit der institutionellen Veränderungen als auch durch eine hohe Instabilität der Wahrnehmung derselben seitens der Gesellschaft geprägt [62]. Der aktuelle, rasche wirtschaftliche und gesellschaftliche Übergang in den ehemals oder immer noch sozialistischen Ländern stellt eine schwere Belastungsprobe für die Legitimität des Regimes dar, währenddessen die gesellschaftlichen Erwartungen vom zukünftigen institutionellen Wandel durch eine absolute Ungewissheit geprägt sind. In solchen Übergangsphasen ist besonders die wahrgenommene Kapazität der bestehenden politischen Institutionen, die „Verlierer“ des Wandels zu kompensieren, gefordert. In dieser Situation kann die Bereitstellung eines stabilen und verlässlichen ideologischen Diskurses im Sinne einer entsprechenden positiven Wahrnehmung eine wichtige Rolle spielen. Das heisst mit anderen Worten, dass ideologische Kontinuität und Konsistenz dabei helfen können, gesellschaftliche Erwartungen zu stabilisieren und etwelche Ängste sowie allfälligen Widerstand besonders bei sozial eher benachteiligten Gruppen zu reduzieren. Gleichzeitig muss die offizielle Ideologie aber flexibel genug sein, um sich im Sinne der Wahrnehmung eines reibungslosen Übergangs fortlaufend an die Weiterentwicklung der sozialen Werte und Erwartungen anpassen zu können.

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4.3 Der Umgang mit den für die VR China derzeit zentralen ideologischen Konstrukten

Ein prominentes Beispiel für den schwierigen Balanceakt zwischen ideologischer Kontinuität und Anpassung, den die Regierung momentan vollführen muss, stellt die Formulierung und darauf folgende Neuinterpretation der Theorie der so genannten „Drei Repräsentationen“ dar. Im Jahre 2000 definierte der damalige Generalsekretär der KPCh, Jiang Zemin, sie folgendermassen:

“‚Three Representations’ (...): on the importance of the communist party in modernizing the nation – representing the demands for the development of advanced social productive forces [1], the direction of advanced culture [2], and the fundamental interests of the greatest majority of the people [3].” (Holbig 2006, S. 17)

Allerdings haben sich seither sowohl der Inhalt, als auch der Gebrauch des sich daran anschliessenden Diskurses stark verändert. [63] In seiner berühmten Rede zum 80. Jahrestag der Gründung der KPCh vom 1. Juli 2001 betonte er den undogmatischen Zugang der Führung der KPCh zur Anpassung der Parteitheorie an eine sich verändernde Umwelt. Er fasste die Situation in einer Art dialektischen Logik, in der er eine Möglichkeit der ständigen Anpassung der Grundsätze der Parteitheorie an die Wirklichkeit sah. Demnach bestehe die rechtmässige Quelle der politischen Autorität der Partei in der fortwährend sich vollziehenden dynamischen Anpassung an die sich immer wieder erneuernden Begebenheiten. Der Grund für die Aufmerksamkeit, die dieser Rede zuteil wurde, liegt darin, dass Jiang Zemin darin einen überdeutlich grossen Schritt in Richtung Integration der neuen wirtschaftlichen Elite Chinas in die KPCh machte.

Wie nicht anders zu erwarten rief dieser Umschwung in der Parteipolitik weg von einem dogmatisch-marxistischen Kurs heftigsten Widerstand und Kritik hervor. (ebd., S.21) Angesichts dieses drohenden erheblichen Legitimationsdefizits sah sich die neue Parteiführung im Jahre 2002 gezwungen, diese zentrale Theorie in einem populistischen Sinne umzuinterpretieren:

“The complex theoretical edifice built under Jiang Zemin to allow for the admission of new economic elites into the CCP while upholding its role as ‚vanguard of the working class’ (and of the whole Chinese nation) has been rendered more or less obsolete since Hu Jintao assumed power. Instead, the ‚Three Representations’ have been boiled down to an ideological formula generally reflecting a new ‚people-centered’ mentality of the fourth generation leaders [die gegenwärtige Regierung, d.V.]” (Holbig 2006, S. 23)

Allen möglichen ideologischen Fussangeln und Unwegsamkeiten zum Trotz will die politische Führung also keineswegs auf das von Jiang Zemin gelegte „dubiose“ Fundament verzichten, nicht zuletzt aufgrund seiner „fortschrittlichen“ und „wissenschaftlichen“ Eigenschaften. Letztere wiederum wurden im Jahre 2005 als neue Leitlinien für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung vorgestellt und sollen die neue Innovationskraft der KPCh unterstreichen. (ebd., S. 26) Das Konzept der „harmonischen sozialistischen Gesellschaft“ schliesslich konzipierte die Partei, um die im „wissenschaftlichen Entwicklungskonzept“ implizierten gesellschaftlichen Erwartungen adäquat auszuformulieren:

“The concept of a ‚harmonious society’ was first mentioned in the resolution of the 16th Party Congress in November 2002 and defined at the fourth plenary session in September 2004 as a society built on ‚democracy and rule of law, justice and equality, trust and truthfulness, amity and vitality, order and stability, and a harmonious relation with nature’.” (Holbig 2006, S. 27)

Damit bin ich gegen den Schluss dieser Arbeit, nach einer Schlaufe durch die einzelnen Bereiche der Sozialversicherung sowie die ideologischen Verrenkungen und Drahtseilakte der Zentralregierung, wieder an meinem Ausgangspunkt angekommen: Dem offiziell propagierten Ziel der Errichtung einer harmonischen (sozialistischen) Gesellschaft in der VR China. Im nachfolgenden letzten Kapitel dieser Arbeit soll dieser Weg noch einmal kurz nachgezeichnet und ausgewertet werden.

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5 Schlussbetrachtung

5.1 Zusammenfassung: Das Sozialversicherungssystem in der VR China

Seit 1997 wurden in der VR China nacheinander verschiedene Schritte unternommen, um ein zuverlässiges, in verbindlichen Regelungen verankertes Sozialversicherungssystem aufzubauen. Die Zentralregierung hat dieses Ziel zu einer ihrer Prioritäten gemacht:

“As part of its plan to establish a harmonious society, the Chinese Communist Party has resolved to establish by 2020 a social security system covering both urban and rural populations. A common assumption is that the integrated system would provide to the whole population the same high level of protection that a section of the urban population currently enjoys.” (Hussain 2007, S. 92)

Das Fundament dieses Systems ist bereits gelegt worden und ein beträchtlicher Teil der städtischen Bevölkerung schon integriert: „Participation in social insurance is, in principle, mandatory for the urban labour force, which in 2005 totalled 273 million (36% of the total labour force).“ (Hussain 2007, S.94) Da die verschiedenen Bereiche individuell behandelt werden, unterscheiden sich die jeweiligen Teilnehmerzahlen teils erheblich voneinander, wobei das Rentensystem die höchste Teilnehmerzahl verzeichnet. (Vgl. Statistik im Anhang) Die erfreuliche Nachricht hier ist der Umstand, dass sich die Teilnehmerzahlen stetig erhöhen. Andererseits ist die Landbevölkerung weitgehend und die Masse der Wanderarbeiter gar gänzlich von diesem Sozialversicherungssystem ausgeschlossen. Zudem liegt die Deckungsrate bei der städtischen erwerbstätigen Bevölkerung meistens unter 50 Prozent. Des weitern erschweren viele, je nach Provinz oder Ortschaft, verschiedene Regelungen eine Vereinheitlichung der Teilbereiche. Bei der Verwaltung der Sozialfonds für die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung werden regelmässig riesige Summen zweckentfremdet und sowohl bei der medizinischen Versorgung als auch bei der Unfallversicherung werden immer Mittel und Wege gefunden, etwelche Zahlungen zu vermeiden oder einfach die Kosten auf die Versicherten abzuwälzen. Insgesamt bleibt also zur Erreichung des oben vorgestellten Ziels noch sehr viel zu tun:

“The aim is ambitious and the time available for achieving the target is very limited. However, two of the principal pre-conditions for achieving the target are present. First, there has been a dramatic improvement in public finances and the trend looks likely to continue. The implication is that the government would be increasingly capable of covering the extra cost of setting up an integrated social security system. Second, the leadership is strongly committed to establishing such a system. Yet a seamless and fully operational system is highly unlikely.” (Hussain 2007)

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5.2 Der Stellenwert der Ideologie für die politische Legitimität

Entgegen vieler anders lautender Aussagen zur derzeitigen Entwicklung der politischen Atmosphäre in der VR China spielen ideologische Fragen nach wie vor eine zentrale Rolle bei der Legitimierung der politischen Autorität der KPCh. Die hitzigen Debatten und geschickten Umformulierungsmassnahmen im Zusammenhang mit der Theorie der „Drei Repräsentationen“ weisen deutlich darauf hin, dass die Partei nach wie vor darum bemüht sein muss, ihre Politik in einen marxistischen Gesamtzusammenhang zu stellen. Vor dem aktuellen Hintergrund der Zunahme der sozialen Unruhen ist es daher wenig erstaunlich, dass die Staatsführung die Errichtung einer „harmonischen sozialistischen Gesellschaft“ als ihr erklärtes Ziel ausgibt.

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5.3 Harmonische Gesellschaft in der VR China? Ein Fazit

Seit der blutigen Unterdrückung der Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Beijing im Jahre 1989 haben viele Journalisten und Chinaspezialisten aus dem Westen von einer andauernden Legitimitätskrise der KPCh gesprochen [64]. Dabei wird oft übersehen, dass die Regierungspartei die unmittelbar auf die Ereignisse vom 4. Juni 1989 folgende Legitimitätskrise Mitte der 90er Jahre bereits hinter sich gelassen hat und sich seither eine neue, auf anderen Defiziten beruhende Legitimitätskrise eingehandelt hat. Dabei gilt es zwei grundsätzliche Unterschiede zu beachten: Mit der Ausnahme der Falungong-Bewegung sind die an verschiedenen Orten stattfindenden soziale Proteste nicht Teil einer grösseren, zielgerichteten sozialen Bewegung. Der zweite Unterschied beruht auf den Ursachen der Proteste: Zwar geht es nach wie vor noch um Dinge wie Beamtenkorruption, die Angst davor, von den gesellschaftlichen Veränderungen abgehängt zu werden und die Einschränkung der persönlichen Freiheiten. Doch mittlerweile sind neue Missstände aufgetaucht, wie zum Beispiel Zwangsumsiedelungen und Massenarbeitslosigkeit.

Die Plenartagung des jährlich zusammentretenden Zentralkomitees im Herbst 2005 stellte „das erste Spitzentreffen der Partei dar, über das Hu Jintao in uneingeschränkter Machtfülle als höchster Vertreter von KPCh, Regierung und Militär präsidierte.“ (Holbig 2005, S.13) Für die elfte Planungsperiode 2006-2010 der planwirtschaftlichen Institution fortlaufender Fünf-Jahrespläne wählte man nun zum ersten Mal die Bezeichnung eines „Fünf-Jahres-Programms“ [65]. Damit wollte man den erfolgreichen Übergang von der leninistischen Plan- zu einer modernen Marktwirtschaft markieren. Mit ihrer neuen parteipolitischen Prioritätensetzung versuchte die vierte Führergeneration, sich gezielt von ihrer Vorgängergeneration abzuheben:

“Die Stärke der neuen Politik scheint dabei vor allem in der konzisen Analyse bestehender Schwächen und Risiken zu liegen. Selten zuvor war in offiziellen Parteidokumenten so viel über Widersprüche, Probleme und Herausforderungen zu lesen. Mit der Entscheidung, bestehende Probleme offen beim Namen zu nennen, verbindet sich offensichtlich die Hoffnung, das Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit der Führung zur Erkenntnis und Lösung derselben zu stärken.” (Wasserstrom 2004: S. 14)

Allerdings fügt die Autorin hier direkt anschliessend ihre Bedenken zur Situation an:

„Weniger konzis und glaubwürdig fallen allerdings die anvisierten Lösungsstrategien selbst aus, die in ihrer bisherigen rhetorischen Formulierung eher visionären als Implementierungscharakter haben. Damit stellt sich die Frage, ob es der neuen parteistaatlichen Führung mit ihrer neuen ‚Offenheit’ gelingen wird, in der Bevölkerung Vertrauen zu generieren, oder ob sie nicht vielmehr dazu beiträgt, die Kluft zwischen gesellschaftlichen Problemlösungserwartungen und tatsächlicher politischer Handlungsfähigkeit noch zu vergrössern.” (Wasserstrom 2004: S. 14.)

Im Jahre 2001 hatte Gordon G. Chang in seinem viel beachteten Buch über die VR China [66] den Sturz der KPCh bis im Jahre 2010 vorausgesagt [67]. Fünf Jahre später musste er einräumen, dass es nicht mehr danach aussah; er war im Gegenteil äusserst beeindruckt von der grossen zivilisatorischen Leistung einer Partei, welche die Transformation der einst agrarisch geprägten Gesellschaft in Rekordzeit bewerkstelligt habe. Doch es bestehe weiterhin Grund zur Sorge:

“In the next five years, China will face many challenges, some of them unprecedented. We are all familiar with the list of problems: pauperization of the countryside, creation of bad debts in the banking system, accumulation of local government deficits, underfunding of the social-security system [eigene Hervorhebung, d.V.], destruction of the environment, corruption of all aspects of society, and erosion of essential social services, to name just the most prominent.” (Chang 2006: S. 25-26)

An der NVK-Tagung vom März 2007, der letzten grossen Tagung vor dem 17. Parteitag der KPCh, wurden noch einmal die Prioritäten der gegenwärtigen Partei- und Staatsführung bestätigt:

  • Die Agenda und die Beschlüsse der diesjährigen NVK-Tagung entsprechen der seit 2002 erarbeiteten Entwicklungskonzeption der ‚harmonischen sozialistischen Gesellschaft’. Im ideologischen Richtungsstreit um die Fortführung des Reformkurses mit liberalen und konservativen Kritikern gelang der Führungsspitze ein Durchbruch. Mit einer Bestätigung ihrer Reformpolitik ist somit auch auf dem Parteitag zu rechnen.

  • Mit der Ratifizierung des Gesetzes zum Schutz privater Eigentumsrechte setzte sich die Führung um Partei- und Staatschef Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao gegen Kritiker durch und bekräftigte, dass sie ihren marktorientierten Reformkurs fortführen werde. Von der neuen Gesetzgebung werden insbesondere Unternehmer und die entstehende Mittelklasse profitieren.

  • Die Partei- und Staatsführung ist sich deutlich bewusst, dass sie zur eigenen Absicherung die Vergrösserung der Kluft zwischen Stadt und Land und das Anwachsen sozialer Widersprüche stoppen muss. Ob ihr dies allerdings gelingen wird, ist zweifelhaft. Andererseits hat sie nach der Öffnung der KP-Mitgliedschaft für Privatunternehmer ihre Mittelstandsorientierung eindringlich unterstrichen. (Schucher u.a. 2007, S.1)

Wiederum entsteht der Eindruck, dass die Regierung sich zwar für die Lösung der wachsenden sozialen Probleme ausspricht, in der Praxis aber im Sinne der Unternehmer und der an Bedeutung gewinnenden Mittelschicht handelt.

Die Berichterstattung zum Parteitag ein halbes Jahr später bestätigte denn auch die ernüchternden Aussagen seitens kritischer Beobachter der chinesischen Politik:

„The leitmotiv of the much-anticipated Seventeenth CCP Congress in October 2007 was how to give substance to the goal of ‚constructing a harmonious society’. However, the Hu-Wen leadership’s refusal to undertake real political reforms, especially sharing power with ‚disadvantaged’ socio-economic groupings, has exacerbated differences across disparate classes and sectors. This article argues that ‚harmony’ can hardly be attained while the Party – which is in cahoots with monopolistic business groups – refuses to yield the tight grip it has on power and its ironclad control over the nation’s resources.” (Lam 2007, S. 4)

Der selbe Autor gab seiner Enttäuschung über die ausgebliebene weitere Demokratisierung der politischen Strukturen, welche für einen grösseren Effizienzdruck auf die Verwaltung im Sinne einer Verbesserung der Lebensumstände schwächerer gesellschaftlicher Gruppen sorgen könnte, an anderer Stelle deutlicher Ausdruck:

„In the absence of any possibility for the enfranchisement of the masses, (...), Mr. Hu’s high-sounding pledges will appear as hollow as they are unscientific.” (Lam 2007 (2), S. 29)

Auch Günter Schucher beurteilte die Situation nach dem Parteitag als problematisch und verweist auf die Widersprüchlichkeit zwischen der offiziellen Position der Regierung und ihren konkreten Massnahmen:

“To ease the tension and create a harmonious environment for its congress, the centre of the Party insists that the local governments must try to understand people’s needs and handle conflicts with empathy. At the same time, however, local police forces are being strengthened and surveillance is being stepped up. By and large, the leadership has shown a greater degree of adaptability to social and political change than expected and its new balanced strategy has become more responsive. But without creating any new institutions to integrate the emerging group of interests of a pluralising society, it will not be able to achieve the harmony it is apparently seeking in the long term.” (Schucher 2007, S. 40)

Es scheint damit also klar, dass die chinesische Regierung allen guten Absichtserklärungen zum Trotz noch sehr weit davon entfernt ist, ihr Ziel der Errichtung einer harmonischen Gesellschaft zu erreichen. Dies liegt nicht zuletzt an ihrem Widerwillen, politische Reformen zu Gunsten einer grösseren Rechenschaftspflicht gegenüber sozial benachteiligten Gruppen durchzuführen. Bis zum nächsten Parteitag im Jahre 2012 und dem voraussichtlichen Ende ihrer Regierungszeit bleibt ihr noch Zeit, ihre Position gründlich zu überdenken. Ansonsten wird die Periode 2002 bis 2012 (Zeitpunkt der voraussichtlichen Machtabgabe) als eine Phase der nicht eingelösten Versprechen und verpassten Chancen in die Geschichte eingehen.

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Literaturliste

A brother for her (2004). The Economist, 18. Dezember, S. 103-104.

Anatomy of an epidemic (2005). The Economist, 30. Juli, S. 48-50.

And now the 50-minute hour (2007). The Economist, 18. August, S. 45.

Balancing act – a survey of China (2007). The Economist, 25. März.

Blood debts (2007). The Economist, 20. Januar, S. 59-60.

Chang, Gordon G. (2006): „Halfway to China’s Collapse“. Far Eastern Economic Review, 6, S. 25-28.

China, beware (2007). The Economist, 13. Oktober, S.15.

Cook, Sarah (2007): „Putting Health Back in China’s Development“. China Perspectives, 3, S. 100-108.

Democracy? Hu needs it (2007). The Economist, 30. Juni, S. 54-55.

Desperate measures (2003). The Economist, 11. Oktober, S. 63.

Down and dangerous (2004). The Economist, 4. Dezember, S. 61.

Dreaming of harmony (2006). The Economist, 21. Oktober, S. 66-67.

Fan, Baihua (2005): „Toward the jungle“. China Rights Forum, 1, S. 13-19.

For whosoever hath, to him shall be given, and he shall have more (2007). The Economist, 11. August, S. 46.

Giroir, Guillaume (2007): „Socioterritorial Fractures in China: The Unachievable ‚Harmonious Society’?“. China Perspectives, 3, S. 83-91.

Gouged (2005). The Economist, 19. November, S. 61.

Heilmann, Sebastian (2003): „Von der ‚Klassenpartei’ zur ‚Volkspartei’: Ergebnisse des 16. Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas“. China Analysis, Nr. 20 (Januar 2003). URL: http://www.chinapolitik.de/studien/china-analysis/no_20.pdf  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

Heilmann, Sebastian (2004): „Das politische System der Volksrepublik China“. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Holbig, Heike (2002): „Die Politik entdeckt die ‚benachteiligten Gruppen? – Die 5. Plenartagung des 9. Nationalen Volkskongresses“. China Aktuell, 3, S. 266-274.

Holbig, Heike (2003): „Chinas neue Regierung – Zur Sicherung politischer Legitimität nach dem 10. Volkskongress“. China Aktuell, 3, S. 313-324.

Holbig, Heike (2005): „’Wissenschaftliches Entwicklungskonzept’, ‚Harmonische Gesellschaft’ und ‚Eigenständige Innovation’: Neue parteipolitische Prioritäten unter Hu Jintao“. China Aktuell, 6, S.13-19.

Holbig, Heike (2006): „Ideological Reform and Political Legitimacy in China: Challenges in the Post-Jiang Era“. GIGA Working Papers, Nr.18 (März). URL: http://www.giga-hamburg.de/dl/download.php?d=/content/publikationen/pdf/wp18_holbig.pdf  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

Hussain, Athar (2007): „Setting up an integrated Social Security System“. China Perspectives, 3, S. 92-98.

Lam, Willy (2007): „Chinks in the armour of the Hu Jintao Administration – Can a Harmonious Society Emerge in the Absence of Political Reform?“. China Perspectives, 3, S. 4-11.

Lam, Willy (2007): „Hu Jintao’s Hollow Pledges“. Far Eastern Economic Review, 12, S. 27-29.

Losing patients (2008). The Economist, 23. Februar, S. 61.

No right to work (2004). The Economist, 11. September, S. 55-56.

Physician, heal thyself (2003). The Economist, 8. Februar, S. 58.

Qiu, Xiaohua (Hg.) (2006): „China Statistical Yearbook 2006“. Beijing: China Statistics Press.

Reinhold, Gerd (Hg.) (2000): „Sozialpolitik“. S.612-613 in: Reinhold, Gerd (Hg.). Soziologie-Lexikon. München: Oldenbourg.

Schmiedbauer, Heike (2004): „Der Lange Marsch in die Städte – Landfrauen und Arbeitsmigration in der VR China“. S.33-42 in: „Sprengstoff in China?“ – Dimensionen sozialer Herausforderungen in der Volksrepublik“. Focus Asien, Nr.17. URL: http://asienhaus.de/public/archiv/FocusAsien17.pdf  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

Schucher, Günter (2007): „Chinas Streben nach Harmonie: Wunsch und Wirklichkeit“. China Aktuell, 5, S. 40-69.

Schucher, Günter, Karsten Giese, Margot Schüller & Katrin Willmann (2007): „Die chinesische Führung bekräftigt ihren Kurs“. GIGA Focus Asien, 4. URL: http://www.giga-hamburg.de/dl/download.php?=/content/publikationen/pdf/gf_asien_0704.pdf  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

Shirk, Susan L. (2007): „China – Fragile Superpower“. Oxford: Oxford University Press. Something in the air? Locals think they know why their children are sick (2007). The Economist, 29. September, S.

Steinhardt, H. Christoph & Yihong Jiang (2007): „Die politischen Determinanten des chinesischen ‚Green GDP’-Projekts“. China Aktuell, 5, S. 25-40.

Taubmann, Wolfgang (2004): „Arbeitslosigkeit und Armut im städtischen China“. S.21-32 in: Kupfer Kirstin (Hg.). „Sprengstoff in China?“ – Dimensionen sozialer Herausforderungen in der Volksrepublik“. Focus Asien, Nr.17. URL:
http://asienhaus.de/public/archiv/FocusAsien17.pdf  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

The cauldron boils (2005). The Economist, 1. Oktober, S. 52-53.

The Silent majority (2005). The Economist, 9. April, S. 45-46. Turning ploughshares into staves (2005). The Economist, 25. Juni, S. 63-64.

Wasserstrom, Jeffey (2004): „A New Legitimacy Crisis in Beijing“. Far Eastern Economic Review, 12, S. 25-30.

Wen, Dale (2006): „Wie China die Globalisierung bewältigt – Ein kritischer Blick auf die Reformpolitik seit 1978“. Focus Asien – Schriftenreihe des Asienhauses, Nr.28. URL: http://asienhaus.de/public/archiv/focus28.pdf  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

Wesner, Friederike (2005): „Soziale Sicherung in der VR China – Bestandesaufnahme und Perspektiven. URL: http://fesportal.fes.de/pls/portal30/does/FOLDER/WORLDWWIDE/ASIEN/BERICHTE2006/CHINA0506_SOZIALESICHERUNG.PDF  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

What price reform? (2004). The Economist, 25. September, S. 67-68.

Where are the patients? (2004). The Economist, 21. August, S. 20-22.

Zhang, Junhua (2003): „Der Aufbau eines sozialen Sicherungssystems in der VR China – eine kritische Betrachtung (Teil 1)“. China Aktuell, 7, S. 866-875.

Zhang, Junhua (2003): „Der Aufbau eines sozialen Sicherungssystems in der VR China – eine kritische Betrachtung (Teil 2)“. China Aktuell, 8, S. 986-997.

Zhang, Wei (2005): „Sozialwesen in China“. Hamburg: Verlag Dr. Kovac. URL: http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2007/0107/data/zhang.pdf  Letzter Aufruf: 26.02.2008.

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Fussnoten

[1] Zhang, Wei (2005): „Sozialwesen in China“. Hamburg: Verlag Dr. Kovac.

[2] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Steinhardt & Jiang 2007, S. 25.

[3] Interessanterweise werden solche offensichtlichen Zusammenhänge zwischen den Praktiken der Industrie und der Erkrankung von weiten Bevölkerungsteilen in den betroffenen Gebieten aber häufig schlichtweg abgestritten. Vgl. The Economist 2008: „Something in the air? Locals think they know why their children are sick“.

[4] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wen 2006, S. 34.

[5] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Heilmann 2004, S. 241.

[6] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Giroir 2007, S. 84.

[7] “’Fat of the land’ – But only for a select few“.

[8] „’For whosoever hath,

ll have more’ – Income inequality in emerging Asia is heading towards Latin American levels“.

[9] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Shirk 2007, S.56.

[10] Interessant ist auch die erstaunliche Organisationsfähigkeit gerade der Mittelschicht. Vgl. dazu: The Economist 2007 („Mobilised by mobile – Organised by text messages and internet chats, China’s middle classes are daring to protest, and giving the government a fright“):

[11] „Containing unrest – The government moves swiftly to stop protest spreading“.

[12] „The cauldron boils – A rise in mass action worries the party, prompting more intolerant measures“.

[13] „’Dreaming of harmony’ – Though the government talks of making a more equitable society, China’s peasants are still miserable“.

[14] „’China, beware’ – The country’s rulers care too much for their own welfare, and too little about the rural peasants“.

[15] „’Toward the jungle’ – The loss of social justice under China’s single-party autocracy has led the people to abandon tolerance for anger. How can China steer itself off its present course toward a jungle of violence and bloodshed?“

[16] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Holbig 2002. S. 266-67.

[17] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Holbig 2003, S.318.

[18] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Holbig 2003, S.322.

[19] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Zhang 2003, S.866.

[20] Eine etwas zu stark verkürzte Perspektive? Siehe dazu Kapitel 4.

[21] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Zhang 2003, S.867.

[22] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Zhang 2003, S.868

[23] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Zhang 2003.

[24] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Zhang 2003, S.869.

[25] Wesner, Friederike (2005). „Soziale Sicherung in der VR China - Bestandesaufnahme und Perspektiven“. Internetquelle (Siehe Literaturliste).

[26] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S. 13-14.

[27] „’A brother for her’ – Could China’s most notorious social policy soon be scrapped?“.

[28] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S. 16.

[29] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S. 16-17.

[30] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S. 17.

[31] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.18.

[32] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.18-19.

[33] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.19-20.

[34] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.20.

[35] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.20-21.

[36] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.22-23

[37] „’Anatomy of an epidemic’ – It is not too late to avert a national catastrophe“.

[38] „’Blood debts’ – Tens of thousands of lives devastated. Not a single official held to account“.

[39] „’Physician, heal thyself’ – Rural health is collapsing in China. Will privatisation be the answer?“.

[40] „’Where are the patients?’ – Health care and the environment have been overlooked in China’s rush to capitalism“.

[41] „’Gouged’ – Market forces have left patients hurting“.

[42] „’And now the 50-minute hour’ – As living standards rise, so does the demand for mental care“.

[43] „Losing patients – An orthodox approach to fixing the unavailability of decent health care“.

[44] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.27.

[45] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.28-29.

[46] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.31-32.

[47] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.32-33.

[48] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.34-35.

[49] „’No right to work’ – China’s official figures hugely understate a growing problem. But there is some good news as well“.

[50] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.37.

[51] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.38.

[52] Das sind „redundante“ Angestellte, welche formal noch in ihrem Betrieb beschäftigt aber faktisch ohne Arbeit sind. Der chinesische Ausdruck dafür ist passender und lautet in der Übersetzung: „Abstieg vom Posten“.

[53] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.39-40.

[54] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005, S.40-41.

[55] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Ebd., S.41-42.

[56] „’Down and dangerous’ – Appalling fatalities in coal mines are prompting a rare outcry“.

[57] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Ebd., S.43.

[58] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Ebd., S. 44-45.

[59] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005., S. 45.

[60] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wesner 2005., S.46.

[61] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Holbig 2006, S. 6.

[62] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Holbig 2006, S. 8.

[63] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Ebd., S. 18-19.

[64] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wasserstrom 2004, S. 25-27.

[65] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Wasserstrom 2004, S. 13-14.

[66] „The Coming Collapse of China“.

[67] Die Ausführungen des folgenden Abschnitts stützen sich auf: Chang 2006, S. 25.

Last update: 03 Feb 15

 

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